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BUNDESGE[X.]ICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
U[X.]TEIL
AnwSt
([X.]) 4/15
vom
26. Oktober
2015
in dem anwaltsgerichtlichen Verfahren
gegen
Verteidiger:
wegen des Vorwurfs berufswidrigen Verhaltens
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Der
Senat für Anwaltssachen des [X.] hat in der Sitzung vom 26. Oktober 2015, an der teilgenommen haben:
Die Präsidentin des [X.]
[X.]
als Vorsitzende,
die [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. König,
[X.],
die [X.]echtsanwälte
Dr. [X.],
Dr. Kau
als beisitzende [X.],
[X.]
als Vertreter der [X.]schaft,
[X.]echtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle,
für [X.]echt erkannt:
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-
Die [X.]evision der Generalstaatsanwaltschaft [X.] gegen das Urteil des 2. Senats des [X.]s des [X.] vom 7. November 2014 wird [X.].
Die [X.] hat die Kosten des [X.]echtsmittels und die dem [X.]echtsanwalt hierdurch ent-standenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von [X.]echts wegen
Gründe:
Das Anwaltsgericht hat den [X.]echtsanwalt vom Vorwurf einer Berufs-pflichtverletzung wegen Verweigerung der Mitwirkung an einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat der [X.] verworfen und die [X.]evision zugelassen. Die auf die Sach-beschwerde gestützte und vom [X.] vertretene [X.]evision der Generalstaatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
1. Der [X.] hat Folgendes festgestellt:
Der [X.]echtsanwalt vertrat eine Verfügungsbeklagte in einem wettbe-werbsrechtlichen
Eilverfahren. Das [X.] gab dem Verfügungsantrag mit Urteil vom 5. Juni 2012 statt. Die vollziehbare Ausfertigung des Urteils ging am 1
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4. Juli 2012 beim Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin ein. Dieser übermittelte dem [X.]echtsanwalt das
am 5.
Juli 2012 zur Wahrung der Monats-frist des § 929 Abs. 2 ZPO im Parteibetrieb
das Urteil
gegen Empfangsbe-kenntnis.
Der [X.]echtsanwalt war unsicher, ob er das Empfangsbekenntnis erteilen dürfe. Entsprechend dem von ihm eingeholten [X.]at der [X.]echtsanwaltskammer klärte er seinen Mandanten darüber auf, dass ihm bei Erteilung des [X.] die Zahlung von rund 6.000
s-rechtliche Situation. Der Mandant wies
ihn an, an der Zustellung nicht mitzuwir-ken. Dieser Anweisung folgend verweigerte der [X.]echtsanwalt die Annahme des Schriftstücks und die Unterzeichnung des [X.]. Der gegne-rische Prozessbevollmächtigte konnte daher das Urteil nicht mehr fristgerecht vollziehen und verzichtete auf die daraus herrührenden [X.]echte.
Das anwaltsgerichtliche Verfahren wurde auf Antrag des [X.]echtsanwalts selbst eingeleitet. Der [X.]echtsanwalt verfolgte das Anliegen,
sich vom "Vorwurf einer Berufspflichtverletzung zu reinigen". Die [X.]echtsanwaltskammer D.
hatte zuvor einem Antrag des Prozessbevollmächtigten der [X.] nicht entsprochen, berufsrechtliche Maßnahmen gegen den [X.]echts-anwalt zu ergreifen.
2.
Der Freispruch vom Vorwurf einer Berufspflichtverletzung gemäß §
113 Abs.
1 [X.]
i.V.m.
§
14 Satz
1 [X.] hält rechtlicher Überprüfung stand. Zutreffend hat der [X.] die Auffassung vertreten, dass der [X.]echtsanwalt durch die Verweigerung der Ausstellung des [X.] keine ahndbare Berufspflichtverletzung begangen hat.
a) Nach soweit ersichtlich allgemeiner Ansicht im Schrifttum beansprucht allerdings die in §
14 Satz
1 [X.] bezeichnete Pflicht zur Annahme des zuzu-4
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stellenden Schriftstücks und zur unverzüglichen Erteilung des Empfangsbe-kenntnisses für alle ordnungsgemäßen Zustellungen Geltung, bezieht mithin Zustellungen von Anwalt zu Anwalt
gemäß § 195 ZPO
ein (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., §
14 [X.] [X.]n. 1; Prütting in Henssler/
,
§
14 [X.] [X.]n. 3; Zuck in [X.]/Wolf/Göcken, Anwalt-liches Berufsrecht,
2. Aufl.,
§
14 [X.]/§ 43 [X.]
[X.]n.
1
f.; [X.] in Har-tung, Berufs-
und Fachanwaltsordnung, 5.
Aufl., §
14 [X.] [X.]n.
11). Dies folgt aus dem insoweit keine Einschränkung enthaltenden Wortlaut der Vorschrift und entspricht dem Willen der Satzungsgeberin, der auch in der [X.] Stellung der Norm im Dritten Abschnitt der Berufsordnung ("Besondere Berufspflichten bei der Annahme, Wahrnehmung und Beendigung des Man-dats"), nicht also in deren Viertem Abschnitt ("Besondere Berufspflichten ge-genüber Gerichten und Behörden") zum Ausdruck kommt (vgl. [X.], [X.]. 2014, 294, 296 [X.]). Die Satzungsversammlung hat in §
14 [X.] die vormals in §§
12, 27 der [X.]ichtlinien des anwaltlichen Standesrechts getrennt normierten Berufspflichten bei Zustellungen in einer [X.]egelung zusammenge-fasst (vgl. Zuck, aaO, §
14 [X.] [X.]n.
2; [X.], aaO).
b) §
59b Abs.
2 [X.]
enthält jedoch keine den Grundsätzen des [X.] sowie des Vorrangs des Gesetzes genügende Ermächtigungsgrundlage für die Schaffung einer Berufspflicht des [X.]echtsanwalts, an einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt mitzuwirken.
aa) Entgegen der im Schrifttum ganz herrschenden Meinung (vgl. Böhn-lein aaO
§
14 [X.]
[X.]n. 1; Prütting aaO §
14 [X.] [X.]n. 1; Zuck
aaO
§
14 [X.] [X.]n.
1; [X.]
aaO §
14 [X.] [X.]n.
3; [X.]
aaO S.
297) ist die [X.] Ermächtigung nicht in §
59b Abs.
2 Nr.
6 Buchst.
b [X.] zu finden. Die Vorschrift regelt ausweislich ihrer Eingangsformel "die besonderen Berufs-pflichten gegenüber Gerichten und Behörden", zu denen der gegnerische An-8
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6
-
walt nicht gehört. Der Anwalt tritt im [X.]ahmen des §
195
ZPO auch nicht etwa als deren "verlängerter Arm"
an die Stelle des Gerichts oder einer Behörde. Zweck des §
195 ZPO ist es, für Parteierklärungen eine vereinfachte, zeitspa-rende und kostengünstige Form der Zustellung zu ermöglichen (vgl. z.B. [X.]/
[X.], ZPO, 30.
Aufl., §
195 [X.]n.
1). Die Zustellung ist dem [X.]echtsanwalt als unabhängigem Organ der [X.]echtspflege anvertraut (vgl. [X.], 4.
Aufl., §
195 [X.]n.
1). Er wird dadurch aber nicht zum Sachwal-ter eines Gerichts oder einer Behörde. Vielmehr bleibt er Vertreter seiner Partei (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Juli 1959 -
VIII
Z[X.] 111/58, [X.]Z 30, 299,
305).
Teilweise wird geltend gemacht, es habe bei Schaffung des §
59b [X.] ein Wille des für das Berufsrecht der [X.]echtsanwälte innerhalb der Bundesre-gierung federführenden [X.] (dazu [X.] aaO S.
297 [X.]) und dem folgend des Gesetzgebers bestanden, eine auf Mitwir-kung bei sämtlichen Zustellungen zielende Berufspflicht auf §
59b Abs.
2 Nr.
6 Buchst.
b [X.] zu stützen. Abgesehen davon, dass sich der Gesetzesbe-gründung hierzu nichts entnehmen lässt (vgl. den Entwurf eines [X.] und der Patentanwälte, BT-Drucks. 12/4993, S.
35), hätte ein solcher Wille indessen im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Denn der Anwendungsbereich dieser Bestimmung ist nach dem Wortlaut und Wortsinn ihrer Eingangsformel eindeutig auf gerichtli-che und behördliche Zustellungen beschränkt. Die [X.]egelung könnte deshalb nicht durch [X.] im Sinne eines so gearteten etwaigen Wil-lens des historischen Gesetzgebers korrigierend erweitert werden.
bb) Auch die die kollegialen Pflichten der [X.]echtsanwälte betreffende Vorschrift des §
59b Abs.
2 Nr.
8 [X.] bietet keine hinreichende [X.]echtsgrund-lage.
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(1) Eröffnen Ermächtigungsnormen einer autonomen Körperschaft [X.], die sich über den Berufsstand hinaus auswirken, so reichen sie nur so weit, wie der Gesetzgeber ersichtlich selbst zu einer solchen [X.]echtsgestaltung den Weg bereitet (vgl. [X.] 38, 373, 381
ff.; 101, 312, 323). Sollen die durch die Zivilprozessordnung ausgeformten Handlungsspielräume der Prozessparteien im Wege des Satzungsrechts ein-geschränkt werden, so bedarf es demnach erkennbarer gesetzgeberischer Ent-scheidungen in der Ermächtigungsnorm, andernfalls sowohl der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes als auch der des Vorrangs des Gesetzes verletzt sein können ([X.] 101, 312, 324, 328
f. [X.]).
(2) Die Schaffung einer Berufspflicht zur Mitwirkung an der Zustellung von Anwalt zu Anwalt hätte einer eindeutigen Ermächtigung durch den [X.] bedurft, weil sie prozessuale Handlungsspielräume im vorgenannten Sinn einengt. Nach der [X.]echtsprechung des [X.]
verpflichtet nämlich §
195 ZPO den Anwalt, an den zugestellt werden soll, nicht zu einer Mitwirkung an der Zustellung; er empfängt die zugestellte Urkunde vielmehr nur als Vertreter seiner Partei und ist nicht gehindert, die Annahme der Urkunde und die Ausstellung des [X.] zu verweigern, ohne dass hieran prozessuale Nachteile geknüpft wären (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Juli 1959 -
VIII
Z[X.] 111/58 aaO S.
305
f. [X.]; [X.]
aaO §
195 [X.]n.
7 i.V.m.
§
174 [X.]n.
12; [X.]/[X.] aaO §
195 [X.]n.
7 i.V.m.
§
174 [X.]n.
6). Demgegenüber ordnet
§
14
Satz
1 [X.] für den [X.]echtsanwalt die Berufs-pflicht an, an der Zustellung mitzuwirken; dies gilt selbst dann, wenn dies wie vorliegend einen Nachteil für seinen Mandanten mit sich bringt und so die pri-mären Verpflichtungen aus dem Mandantenvertrag zurückdrängt (vgl. [X.] 101, 312, 328
f.).
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(3) Die damit notwendige ausdrückliche und klare gesetzliche Grundlage (vgl. [X.] 101, 312, 328) kann dem Wortlaut des §
59 Abs.
2 Nr.
8 [X.] nicht ansatzweise entnommen werden. Sie wäre aber vor dem Hintergrund der Entscheidungen des [X.] zum anwaltlichen Standes-recht aus dem [X.] ([X.] 76, 171; 76, 196) und angesichts dessen, dass §
59b Abs.
2 Nr.
6 Buchst.
b [X.] eine solche [X.]egelung für gerichtliche und behördliche Zustellungen trifft, zwingend zu erwarten gewesen (vgl. auch [X.] 101, 312, 329). Hinzu kommt, dass dem Gesetzgeber bei Schaffung des §
59b [X.] die zwischen behördlichen sowie gerichtlichen Zustellungen einerseits und Zustellungen von Anwalt zu Anwalt andererseits differenzieren-den Bestimmungen in §§
12, 27 der vormaligen [X.]ichtlinien des anwaltlichen Standesrechts vor Augen standen. Auch dies hätte ihm die Notwendigkeit aus-drücklicher Erstreckung der Ermächtigung auf anwaltliche Zustellungen anzei-gen müssen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
116 Abs.
1 Satz
2, §
198 Abs.
1 [X.], §
473 Abs.
1 Satz
1 StPO (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Dezember 1991
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AnwSt
([X.]) 12/91, [X.]St 38, 138, 143).
[X.] König [X.]emmert
[X.] Kau
Vorinstanzen:
Anwaltsgericht [X.], Entscheidung vom 17.03.2014 -
3 EV 546/12 -
[X.] [X.], Entscheidung vom 07.11.2014 -
2 [X.] 9/14 -
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Meta
26.10.2015
Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen
Sachgebiet: False
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2015, Az. AnwSt (R) 4/15 (REWIS RS 2015, 3393)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 3393
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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