Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.10.2021, Az. 2 ARs 322/21

2. Strafsenat | REWIS RS 2021, 1893

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Gegenstand

Zuständigkeit in Strafvollsteckungssachen: Befasststein einer Strafvollstreckungskammer mit der Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung in Ansehung der Verlegung des Verurteilten in eine andere Vollzugsanstalt


Tenor

Für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafen aus den Urteilen des [X.] vom 21. Februar 2018 - 22 KLs 31/17 - und des [X.] vom 9. Juni 2015 - 55 Ds 43/15 - nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafen ist das

[X.] ‒ Strafvollstreckungskammer ‒

zuständig.

Gründe

I.

1

Die Strafvollstreckungskammern der [X.] und [X.] streiten darüber, welches von ihnen für die nachträgliche Entscheidung im Verfahren über die [X.] zur Bewährung zuständig ist.

2

1. Das [X.] hat gegen den Verurteilten am 21. Februar 2018 ‒ 22 KLs 31/17 ‒ wegen Diebstahls in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Diese wurde ab dem 30. April 2019 in der [X.]        vollstreckt.

3

Das [X.] hatte zuvor gegen den Verurteilten am 9. Juni 2015 ‒ 55 Ds 43/15 ‒ wegen versuchten Diebstahls eine Freiheitsstrafe von neun Monaten verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Das [X.] hat die Bewährung mit Beschluss vom 31. Mai 2019 widerrufen.

4

2. Aufgrund des zum 16. September 2021 anstehenden Ablaufs von zwei Dritteln der verhängten Strafen in beiden Vollstreckungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft [X.] unter dem 15. Juni 2021 bei der [X.]        einen Führungsbericht zur Vorbereitung einer Antragstellung nach § 57 Abs. 1 StGB angefordert. Der Bericht vom 8. Juli 2021, der eine positive Entlassungsprognose enthielt, ging allerdings erst am 2. August 2021 bei der Staatsanwaltschaft [X.] ein. Bereits am 27. Juli 2021 war der Verurteilte in die [X.]       verlegt worden.

5

3. Mit am 12. August 2021 der Strafvollstreckungskammer des [X.]s [X.] zugeleiteter Verfügung hat die Staatsanwaltschaft [X.] eine bedingte [X.] befürwortet. Dem zwischenzeitlich gestellten Antrag des Verurteilten auf Bewährungsaussetzung des [X.] nach Verbüßung von zwei Dritteln trat die Staatsanwaltschaft [X.] - ohne Kenntnis der Stellungnahme der [X.]        - mit am 27. August 2021 beim [X.] [X.] eingegangener Verfügung entgegen. Das [X.] hat seine örtliche Zuständigkeit verneint und beide [X.] mit Verfügung vom 15. September 2021 dem [X.] [X.] übersandt. Mit Beschluss vom 21. September 2021 hat sich das [X.] [X.] für örtlich unzuständig erklärt.

II.

6

1. Der [X.] ist nach § 14 StPO als gemeinschaftliches oberstes Gericht der [X.] (Oberlandesgerichtsbezirk [X.]) und [X.] (Bezirk des [X.]) zur Entscheidung des [X.] berufen.

7

2. Für die Entscheidung über die [X.] ist gemäß § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO die Strafvollstreckungskammer des [X.]s [X.] zu-ständig, da in dessen Bezirk die [X.]        liegt, in der der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das [X.] mit der Sache befasst war, aufgenommen war. Die Verlegung des Verurteilten am 27. Juli 2021 in die [X.]       steht dem nicht entgegen.

8

In seiner Antragsschrift vom 6. Oktober 2021 hat der [X.] u.a. ausgeführt:

„Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung ist eine Strafvollstreckungs-kammer schon dann mit der Entscheidung über die [X.] konkret befasst, wenn der von Amts wegen zu beachtende maßgebliche Zeitpunkt nach § 57 Abs. 1 StGB herannaht. Dies gilt selbst dann, wenn die Strafvollstreckungskammer bislang untätig geblieben ist (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Mai 2007 ‒ 3 Ws 476/07, [X.], 29, [X.], Beschluss vom 7. Oktober 2014 ‒ 3 (s) Sbd I - 10/14, juris Rn. 13 ff.; [X.] in: [X.], 8. Aufl. 2019, § 462a Rn. 18; [X.] in: [X.], [X.]. 1. Juli 2021, § 462a Rn. 5; [X.] in: [X.], 1. Aufl. 2019, § 462a Rn. 18, jeweils [X.]). Dabei steht der Annahme einer vorherigen Befassung des Gerichts insbesondere nicht entgegen, dass vor der Verlegung des Verurteilten weder ein Aussetzungsantrag eingegangen noch der gesetzliche Zeitpunkt des § 57 Abs. 1 StGB verstrichen war (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 ‒ 2 [X.] 377/13, juris; [X.], a. a. [X.], Rn. 14, Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, vgl. Senat, Beschluss vom 3. Dezember 2004 ‒ 2 [X.] 377/04, [X.], 171).

Zwar ist bislang nicht einheitlich entschieden, wann der maßgebliche Zeitpunkt nach § 57 StGB „herannaht“ (vgl. [X.], a. a. [X.], Rn. 15). Indes setzt das Interesse an einer sachgerechten Entlassungsvorbereitung eine so frühzeitige Entscheidung voraus, dass die Entlassung des Verurteilten bei Eintritt der [X.] möglich ist. Bei der Bemessung der hierfür erforderlichen Vorbereitungszeit ist auch ein möglicherweise durchzuführendes Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen (vgl. [X.], a. a. [X.], [X.]).

Hieran gemessen ist das [X.] noch als mit der Sache befasst anzusehen, da die Vorlaufzeit der Entscheidung der [X.] schon vor der Verlegung des Verurteilten am 27. Juli 2021 in die [X.]       begonnen hat. Zu diesem Zeitpunkt war bereits der Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt angefordert und erstellt worden. Mit dessen Zugang wäre unter üblichen Umständen noch vor der Verlegung des Verurteilten zu rechnen gewesen (vgl. hierzu: [X.], a. a. [X.], Rn. 15). Dass vor einer rechtskräftigen Entscheidung noch ein Beschwerdeverfahren durchzuführen sein würde, war vorliegend konkret zu besorgen, weil die Staatsanwaltschaften [X.] und [X.] divergierende Anträge gestellt haben.

Aus denselben Gründen kommt ‒ entgegen der Ansicht des [X.]s [X.] [X.] Bl. 93) ‒ eine Befassung des [X.]s [X.] seit dem 27. August 2021 nicht in Betracht, weil zu diesem Zeitpunkt eine rechtskräftige Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB bis zum maßgeblichen zwei-Drittel-Termin am 16. September 2021 erst Recht nicht (mehr) gewährleistet war.“

9

Dem tritt der Senat bei.

Franke     

        

     [X.]     

        

Zeng   

        

RiBGH Dr. Grube ist dienstlich
verhindert und kann nicht
unterzeichnen.

                          
        

Franke

        

Schmidt     

        

Meta

2 ARs 322/21

13.10.2021

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 462a Abs 1 S 1 StPO, § 57 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.10.2021, Az. 2 ARs 322/21 (REWIS RS 2021, 1893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1893

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 (s) Sbd. I-10/22 (Oberlandesgericht Hamm)


3 Sbd I 10/14 (Oberlandesgericht Hamm)


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Wird zitiert von

2 ARs 267/23

2 ARs 122/22

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