Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.11.2019, Az. XII ZB 118/17

12. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 1611

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Gegenstand

Namensführung eines Kindes: Bindungswirkung der elterlichen Namensbestimmung für das erstgeborene Kind hinsichtlich der weiteren gemeinsamen Kinder nach Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge


Leitsatz

1. Hat das erste Kind eines Elternpaares seinen Namen zunächst kraft Gesetzes erlangt und üben die Eltern nach Eintritt der gemeinsamen elterlichen Sorge ihr Neubestimmungsrecht nach § 1617b Abs. 1 Satz 1 BGB nicht oder nicht fristgerecht aus, ist im Unterlassen der Neubestimmung eine gestaltende Willensentscheidung zu sehen, welche den gesetzlichen Erwerb überlagert und in Bezug auf den fortgeführten Namen des Kindes Bindungswirkung für dessen weitere Geschwister erzeugt.

2. Solange die gemeinsame elterliche Sorge für ein weiteres Kind nicht begründet ist, ist die Namensbildung für dieses Kind weder im Rahmen des § 1617a Abs. 1 BGB noch im Rahmen des § 1617a Abs. 2 BGB an den Namen gebunden, den das erste Kind des gleichen Elternpaares aufgrund einer gestaltenden Namensbestimmung nach §§ 1617, 1617b BGB erworben hat.

3. Wird die gemeinsame Sorge für ein Kind nachträglich begründet, entsteht für die Eltern das Neubestimmungsrecht nach § 1617b Abs. 1 BGB auch dann, wenn diesem Kind zuvor nach § 1617a Abs. 2 BGB der Name des seinerzeit nicht sorgeberechtigten Elternteils mit dessen Einverständnis erteilt worden ist.

4. Sind die Eltern nach der Begründung der gemeinsamen Sorge für weitere Kinder gemäß §§ 1617b Abs. 1 Satz 4, 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB an den Namen des ersten Kindes gebunden, erwerben die weiteren Kinder mit einem bislang abweichenden Namen - vorbehaltlich etwaiger Anschließungserfordernisse nach §§ 1617b Abs. 1 Satz 4, 1617c Abs. 1 BGB - im Moment der Begründung des gemeinsamen Sorgerechts den Geburtsnamen des ersten Geschwisterkinds kraft Gesetzes.

Tenor

Die Rechtsbeschwerden gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 9. Februar 2017 werden zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerden ist gerichtskostenfrei.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Der Betroffene ist der am 21. September 2010 geborene [X.] der Beteiligten zu 1 (Kindesmutter) und des Beteiligten zu 2 (Kindesvater). Aus der Beziehung der Eltern ist auch die am 21. Januar 2002 geborene Tochter [X.] hervorgegangen. Zum Zeitpunkt der Geburt beider Kinder waren die Eltern nicht miteinander verheiratet.

2

Bei der Geburt der Tochter bestand zunächst keine gemeinsame elterliche Sorge, so dass [X.] den Familiennamen [X.]. der allein sorgeberechtigten Kindesmutter als Geburtsnamen erhielt. Durch Urkunde vom 5. April 2002 begründeten die Eltern die gemeinsame elterliche Sorge für ihre Tochter. Von der Möglichkeit, innerhalb einer Frist von drei Monaten einen neuen Geburtsnamen für [X.] zu bestimmen, machten die Eltern trotz Belehrung keinen Gebrauch.

3

Auch bei der Geburt des betroffenen [X.] bestand zunächst keine gemeinsame elterliche Sorge. Die Kindesmutter erteilte [X.] mit Zustimmung des [X.] dessen Familiennamen Fe. als Geburtsnamen, der auch im Geburtenregister eingetragen wurde. Durch Urkunde vom 15. Februar 2012 begründeten sie auch für [X.] die gemeinsame elterliche Sorge, ebenfalls ohne danach von der Möglichkeit einer Neubestimmung des Familiennamens Gebrauch zu machen. Am 6. Dezember 2012 schlossen die Eltern ohne Bestimmung eines gemeinsamen [X.] miteinander die Ehe.

4

Am 10. Dezember 2012 teilte der Beteiligte zu 3 (Standesamt) den Eltern mit, dass im Zusammenhang mit der Anmeldung der Eheschließung Kenntnis von der gemeinsamen elterlichen Sorge für den nachgeborenen [X.] erlangt worden sei. Aus diesem Grund sei der Geburtsname von [X.] im Geburtenregister von Amts wegen in [X.]. geändert worden, weil mit der Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge für den Betroffenen die Bindungswirkung der Festlegung der Namensführung für die erstgeborene Tochter [X.] eingreife.

5

Die Kindesmutter und der Kindesvater haben beantragt, das Standesamt zur Berichtigung des Geburtenregisters anzuweisen und wieder den Namen Fe. als Geburtsnamen ihres betroffenen [X.]es einzutragen. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde zum [X.] ist erfolglos geblieben. Hiergegen richten sich die zugelassenen Rechtsbeschwerden beider Elternteile, die weiterhin die von ihnen erstrebte Berichtigung des Geburtenregisters verfolgen.

II.

6

Die Rechtsbeschwerden sind statthaft, weil sie das Beschwerdegericht in der angefochtenen Entscheidung zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden (§ 70 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FamFG iVm § 51 Abs. 1 PStG). Sie sind auch im Übrigen zulässig, haben in der Sache aber keinen Erfolg.

7

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

8

Das betroffene Kind trage den Namen [X.]. als Geburtsnamen. Zwar habe die Kindesmutter in Ausübung ihres damaligen alleinigen Sorgerechts dem Kind als Familiennamen gemäß § 1617 a Abs. 2 BGB zunächst wirksam den Namen des [X.] erteilt, so dass das Geburtenregister bei Abschluss dieses Eintrags richtig gewesen sei. Jedoch habe das Kind kraft Gesetzes den Familiennamen seiner älteren Schwester als Geburtsnamen erworben, als die Eltern auch für ihn das gemeinsame Sorgerecht begründeten. Das Wahlrecht nach § 1617 b Abs. 1 BGB könne für das zweite Kind nicht mehr ausgeübt werden, wenn nach der Begründung der gemeinsamen Sorge für das erste Kind dessen Geburtsname im Sinne von § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB bestimmt worden sei. Eine solche Bestimmung habe hier dadurch stattgefunden, dass die Eltern nach Übernahme der gemeinsamen Sorge die dadurch in Lauf gesetzte Dreimonatsfrist für eine Namensneubestimmung gemäß § 1617 b Abs. 1 Satz 1 BGB als Ausfluss der elterlichen Dispositionsfreiheit nicht genutzt und dadurch zu erkennen gegeben haben, dass die bisherige Namensführung für ihre Tochter fortgelten solle. Durch diese gemeinsame Namensbestimmung für die erstgeborene Tochter sei in Folge des Verweises in § 1617 b Abs. 1 Satz 4 BGB auf § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB die Bindungswirkung der ersten Namensbestimmung für sämtliche weiteren gemeinsamen Kinder unter einem gemeinsamen Sorgerecht eingetreten.

9

Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das grundrechtlich geschützte Elternrecht liege nicht vor. Die gesetzgeberische Zielsetzung, zumindest auf [X.] die familiäre Namenseinheit zu wahren und damit die familiäre Zusammengehörigkeit zu stärken, stehe mit den [X.] der Verfassung zur Namensgebungsfreiheit der Eltern in Einklang und rechtfertige die Beschränkung der elterlichen Namenswahl auf das erste gemeinsame Kind.

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand. Das Geburtenregister ist nicht unrichtig im Sinne von § 48 PStG, weil das betroffene Kind [X.] seit der Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch Urkunde vom 15. Februar 2012 kraft Gesetzes den Familiennamen [X.]. als Geburtsnamen führt.

Unbestritten und von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogen sind dabei die folgenden rechtlichen Ausgangspunkte: Nach § 1617 b Abs. 1 Satz 1 BGB kann, wenn eine gemeinsame Sorge der Eltern erst begründet wird und das Kind bereits einen Namen führt, der Name des Kindes binnen einer Frist von drei Monaten nach der Begründung der gemeinsamen Sorge neu bestimmt werden. § 1617 b Abs. 1 Satz 4 BGB verweist auf § 1617 Abs. 1 BGB und somit auch auf die in § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB angeordnete Bindungswirkung der elterlichen Namensbestimmung für die weiteren gemeinsamen Kinder. Beruht die Namensgebung für ein erstgeborenes Kind auf der Grundlage gemeinsamer Sorge, folgt aus der Bindungswirkung des § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB, dass die Eltern für ein nachgeborenes Geschwisterkind, für das eine gemeinsame Sorge erst begründet wird, grundsätzlich keinen anderen Familiennamen mehr bestimmen können.

a) Dem Eintritt der Bindungswirkung an den von der älteren Schwester [X.] geführten Familiennamen [X.]. steht es nach der zutreffenden Beurteilung des [X.] nicht entgegen, dass [X.] nach ihrer Geburt am 21. Januar 2002 ihren Geburtsnamen kraft Gesetzes von der zunächst allein sorgeberechtigten Mutter erworben hat (§§ 1617 a Abs. 1 Satz 1, 1626 a Abs. 3 BGB) und die Eltern nach Eintritt der gemeinsamen Sorge für [X.] am 5. April 2002 ihr seinerzeitiges Neubestimmungsrecht nach § 1617 b Abs. 1 Satz 1 BGB nicht aktiv ausgeübt haben.

aa) Voraussetzung für den Eintritt der Bindungswirkung für die nachgeborenen Geschwister ist es allerdings immer, dass die Namenswahl für das erste Kind als Entscheidung der Eltern auf der Grundlage ihrer gemeinsamen elterlichen Sorge zu bewerten ist. Die Bindungswirkung nach §§ 1617 b Abs. 1 Satz 4, 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB tritt daher nicht ein, wenn die Namensgebung für das erste Geschwisterkind nicht auf einer Gestaltungsentscheidung auf der Grundlage gemeinsamer elterlicher Sorge, sondern auf anderen Regelungen - insbesondere auf einem Namenserwerb nach § 1617 a Abs. 1 oder Abs. 2 BGB - beruht. Hat das erstgeborene Kind seinen Namen - wie hier - zunächst kraft Gesetzes erhalten und üben die Eltern nach Eintritt der gemeinsamen elterlichen Sorge ihr Neubestimmungsrecht nach § 1617 b Abs. 1 Satz 1 BGB nicht oder nicht fristgerecht aus, wird von der fast einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur im Unterlassen der Neubestimmung eine gestaltende Willensentscheidung gesehen, welche den gesetzlichen Erwerb überlagert und in Bezug auf den (fortgeführten) Namen dieses Kindes Bindungswirkung für dessen nachgeborene Geschwister erzeugt (vgl. [X.], 856 f. und [X.], 232, 233 [zum Übergangsrecht]; [X.] 2004, 272, 274; [X.] FamRZ 2005, 1009, 1010; [X.] Beschluss vom 24. Januar 2005 - 5 [X.] Rn. 15; [X.]/[X.] BGB [2015] § 1617 Rn. 49; [X.]/[X.] BGB [2016] Art. 224 § 3 EGBGB Rn. 8; [X.]/von [X.] Gessaphe 7. Aufl. § 1617 Rn. 26 und § 1617 b Rn. 13; [X.]/[X.] [Stand: 1. August 2019] BGB § 1617 b Rn. 20; [X.] BGB/Pöcker [Stand: 1. August 2019] § 1617 b Rn. 8 und 8.1; [X.]/[X.] Aufl. § 1617 b Rn. 5; Soergel/Zecca-Jobst 13. Aufl. § 1617 b Rn. 7; [X.] [Fachausschuss Nr. 3697] [X.] 2004, 179; offen [X.] Karlsruhe NJW-RR 2006, 441, 442; aA [X.] in [X.]/[X.]/Doering-Striening Praxishandbuch Familienrecht Teil U [Stand: Februar 2016] Rn. 130).

bb) Die ganz überwiegend vertretene Ansicht trifft zu. Die §§ 1617 b Abs. 1 Satz 4, 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB sind in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation zumindest entsprechend anzuwenden.

(1) Der Gesetzgeber hat sich bei den Regelungen zur Bindungswirkung bei Geschwisternamen von dem Grundgedanken leiten lassen, dass alle Kinder eines [X.] zumindest bei gleichen Sorgerechtsverhältnissen den gleichen Geburtsnamen tragen sollen (vgl. BT-Drucks. 13/4899 [X.]). Um diese vom Gesetzgeber angestrebte Namenseinheit aller Geschwister unter gemeinsamer Sorge zu gewährleisten, kann es nicht darauf ankommen, ob sich die Eltern nach der Begründung der gemeinsamen Sorge für das erstgeborene Kind für eine Beibehaltung oder für eine Änderung des bisherigen Geburtsnamens entschieden haben.

(2) Das liegt unmittelbar auf der Hand, wenn sich die Eltern von vornherein darüber einig sind, dass das Kind seinen vom bislang alleinsorgeberechtigten Elternteil abgeleiteten Geburtsnamen auch nach der Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge weiterführen soll. Sie können dieser Entscheidung nur dadurch Ausdruck verleihen, dass sie von ihrem Neubestimmungsrecht gemäß § 1617 b Abs. 1 Satz 1 BGB keinen Gebrauch machen. Denn hat sich der Name des bislang alleinsorgeberechtigten Elternteils seit der Geburt des Kindes nicht geändert, macht eine Namensneubestimmung für das Kind nur dann Sinn, wenn nunmehr der Name des anderen Elternteils gewählt werden soll. An der öffentlichen Beglaubigung einer Erklärung der Eltern, den vom Kind bereits geführten Namen als neuen Namen bestimmen zu wollen, könnte das Standesamt schon nicht mitwirken, weil eine solche Erklärung gerade keine "Neubestimmung" des Namens im Sinne des § 1617 b Abs. 1 Satz 1 BGB bewirken und es insoweit an einem Rechtschutzbedürfnis für dieses Begehren fehlen würde (vgl. [X.]/[X.]/[X.] Deutsches Namensrecht § 1617 [X.] Rn. 32).

(3) Es ergibt sich aber auch keine andere Beurteilung, wenn eine Ausübung des [X.] deswegen unterbleibt, weil sich die Eltern über die von einem Elternteil gewünschte Änderung des Geburtsnamens nicht einig werden konnten. Denn es steht der Annahme einer die Bindungswirkung des § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB auslösenden Gestaltungsentscheidung nicht grundsätzlich entgegen, wenn sich einer der beiden sorgeberechtigten Elternteile im Konflikt um die Namensbestimmung des ersten Kindes durchsetzen kann.

Dies erhellt ein vergleichender Blick auf die Rechtslage zur Namensbestimmung bei anfänglicher gemeinsamer Sorge der Eltern (§ 1617 BGB). Bindungswirkung wird in diesen Fällen nicht nur dann erzeugt, wenn die Eltern den Kindesnamen durch übereinstimmende Erklärungen nach § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt haben, sondern auch dann, wenn der Name nach § 1617 Abs. 2 BGB bestimmt worden ist, weil eine gemeinsame Namensbestimmung der beiden sorgeberechtigten Elternteile nicht fristgerecht zustande gekommen ist. Aufgrund der in § 1617 Abs. 2 Satz 2 BGB enthaltenen Verweisung auf § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB wird ausdrücklich auch derjenige Name von der Bindungswirkung erfasst, den der vom Gericht bestimmte Elternteil gemäß § 1617 Abs. 2 Satz 1 BGB getroffen hat. Der Eintritt der Bindungswirkung für nachgeborene Geschwister ist sogar dann zu bejahen, wenn das erste Kind nach fruchtlosem Ablauf einer vom Gericht gemäß § 1617 Abs. 2 Satz 4 BGB gesetzten Frist kraft Gesetzes den Namen des Elternteils erhält, dem das Bestimmungsrecht vom Gericht übertragen war (vgl. [X.]/von [X.] Gessaphe 7. Aufl. § 1617 Rn. 26; [X.]/[X.] BGB [2015] § 1617 Rn. 46; [X.]/[X.] [Stand: 1. August 2019] BGB § 1617 Rn. 61).

(4) Ob ausnahmsweise etwas anderes gelten kann, wenn das erstgeborene Kind im Zeitpunkt des Ablaufs der dreimonatigen [X.] bereits das fünfte Lebensjahr vollendet hat und sich deshalb gemäß § 1617 b Abs. 1 Satz 3 BGB einer Neubestimmung seines Namens hätte anschließen müssen (so [X.] Düsseldorf FamRZ 2006, 1226, 1227), erscheint zweifelhaft (dagegen [X.]/[X.] [Stand: 1. August 2019] BGB § 1617 b Rn. 20.1; [X.] BGB/Pöcker [Stand: 1. August 2019] § 1617 b Rn. 8.1), bedarf unter den hier obwaltenden Umständen aber keiner näheren Erörterung, weil die ältere Schwester des Betroffenen bei Ablauf der sie betreffenden Neubestimmungsfrist im Jahr 2002 das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.

b) Mit Recht ist das Beschwerdegericht ferner davon ausgegangen, dass die Kindesmutter dem betroffenen [X.] nach seiner Geburt ohne Rücksicht auf den von der älteren Schwester [X.] geführten Namen [X.]. zunächst wirksam nach § 1617 a Abs. 2 BGB den vom Kindesvater abgeleiteten Namen Fe. erteilen konnte. Diese - für sie günstige - Beurteilung stellt auch die Rechtsbeschwerde nicht in Frage.

Solange die gemeinsame elterliche Sorge für ein nachgeborenes Kind nicht begründet ist, wird die Namensbildung für dieses Kind weder im [X.]hmen des § 1617 a Abs. 1 BGB noch im [X.]hmen des § 1617 a Abs. 2 BGB an den Namen gebunden, den ein erstgeborenes Kind aufgrund einer gestaltenden Namensbestimmung der Eltern nach §§ 1617, 1617 [X.] erworben hat (vgl. [X.] FamRZ 2005, 1009, 1010; [X.]/[X.] [Stand: 1. August 2019] BGB § 1617 Rn. 64; [X.]/von [X.] Gessaphe 7. Aufl. § 1617 Rn. 27; [X.]/[X.] BGB [2015] § 1617 Rn. 45; [X.] BGB/Pöcker [Stand: 1. August 2019] § 1617 Rn. 15; [X.]/Schwer [Stand: 15. Oktober 2019] § 1617 b Rn. 10; [X.]/Tanto in [X.]/Hauß Familienrecht 3. Aufl. § 1617 Rn. 4). Denn die Systematik des Gesetzes unterscheidet eindeutig zwischen der [X.] bei gemeinsamer elterlicher Sorge einerseits (§§ 1617, 1617 [X.]) und der [X.] bei alleiniger Sorge eines Elternteils andererseits (§ 1617 a BGB). Im Unterschied zu § 1617 [X.] enthält § 1617 a BGB keine Verweisung auf § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB, woraus sich erschließt, dass der Gesetzgeber am Prinzip der Namenseinheit der Geschwister nur für diejenigen Kinder festhalten wollte, für die eine gemeinsame elterliche Sorge besteht oder nachträglich begründet wird. Durch § 1617 a BGB wird demgegenüber (auch) die Möglichkeit eröffnet, ein unterschiedliches Aufwachsen der Kinder bei Mutter und Vater namensrechtlich nachzuzeichnen; in einer solchen Familienkonstellation kann der Namenseinheit zwischen Elternteil und Kind ein höheres Gewicht beizumessen sein als der Namenseinheit zwischen den Geschwistern (vgl. [X.]/[X.] BGB [2015] § 1617 a Rn. 16).

c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist in der auf § 1617 a Abs. 2 BGB beruhenden Erteilung des vom Kindesvater abgeleiteten Geburtsnamens Fe. keine konsentierte Elternentscheidung über die Namensbestimmung zu erblicken, die nach der anschließenden Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge für [X.] das Entstehen eines - nach § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB an den Namen [X.]. [X.] - [X.] ausschließen würde.

aa) Im rechtlichen Ausgangspunkt ist es allerdings umstritten, ob nach der späteren Begründung der gemeinsamen Sorge für das Kind ein Neubestimmungsrecht nach § 1617 b Abs. 1 BGB entsteht, wenn es - wie hier - zuvor nach § 1617 a Abs. 2 BGB den Namen des bislang nicht sorgeberechtigten Elternteils erhalten hat. Eine Anwendbarkeit des § 1617 b Abs. 1 BGB wird in diesen Fällen teilweise mit der Begründung verneint, dass der allein sorgeberechtigte Elternteil durch die [X.] nach § 1617 a Abs. 2 BGB im Einvernehmen mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil bewusst seine Namensverbindung zum Kind aufgelöst hat und bei der anschließenden Begründung eines gemeinsames Sorgerechts keine Veränderung der tatsächlichen Familiensituation zu vermuten ist (vgl. [X.] BGB/Pöcker [Stand: 1. August 2019] § 1617 b Rn. 3 und 4.1.; [X.]/Schwer [Stand: 15. Oktober 2019] § 1617 b Rn. 7; [X.] FamRZ 1998, 1545, 1549). Die wohl überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum sieht demgegenüber das auf der gemeinsamen Sorge beruhende Neubestimmungsrecht des § 1617 b Abs. 1 BGB durch eine vorausgegangene [X.] nach § 1617 a Abs. 2 BGB noch nicht als "verbraucht" an (vgl. [X.] Karlsruhe NJW-RR 2006, 441, 442; [X.]/von [X.] Gessaphe 7. Aufl. § 1617 b Rn. 7; [X.]/[X.] [Stand: 1. August 2019] BGB § 1617 b Rn. 13 und 13.1; [X.]/[X.] BGB [2015] § 1617 b Rn. 7; [X.]/[X.] Aufl. § 1617 Rn. 6 und § 1617 b Rn. 3; Soergel/Zecca-Jobst 13. Aufl. § 1617 b Rn. 4).

bb) Die letztgenannte Auffassung trifft zu.

Es ist zwar nicht zu verkennen, dass § 1617 [X.] nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in erster Linie dazu dienen sollte, den einem Kind gemäß § 1617 a Abs. 1 BGB kraft Gesetzes zugewiesenen und vom allein sorgeberechtigten Elternteil abgeleiteten Namen neu zu bestimmen, wenn die Eltern durch übereinstimmende Sorgeerklärung nachträglich eine gemeinsame Sorge begründen (vgl. BT-Drucks. 13/4899 S. 91). Daraus kann aber noch nicht zwangsläufig gefolgert werden, dass deswegen aus Rechtsgründen nur ein nach § 1617 a Abs. 1 BGB kraft Gesetzes erworbener Name auf der Grundlage von § 1617 b Abs. 1 BGB neu bestimmt werden dürfte (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2015 - [X.] 405/13 - FamRZ 2016, 449 Rn. 16). Entscheidend ist vielmehr, dass das im [X.]hmen des § 1617 a Abs. 2 BGB erzielte Einvernehmen zwischen den Elternteilen nicht mit einer gemeinsamen Namensbestimmung gemäß § 1617 b Abs. 1 BGB gleichgesetzt werden kann. Denn die erforderliche Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils beruht gerade nicht auf gemeinsamer Elternverantwortung, sondern hat ihren Grund in seinem Persönlichkeitsrecht am eigenen Namen (vgl. BT-Drucks. 13/4899 [X.]: kein einseitiger "Zugriff" der Mutter auf den Namen des [X.] ohne dessen Einverständnis). Zudem kann in bestimmten Familienkonstellationen durchaus ein praktisches Bedürfnis nach der Korrektur einer auf § 1617 a Abs. 2 BGB beruhenden Namensbestimmung bestehen, insbesondere dann, wenn [X.] nach einem stärkeren Zusammenrücken der Familie mit gemeinsamer Sorgeverantwortung nicht länger unterschiedliche Namen führen sollen, die sie zuvor aufgrund verschiedener Namenserwerbstatbestände erlangt haben (vgl. [X.]/von [X.] Gessaphe 7. Aufl. § 1617 b Rn. 7; [X.]/[X.] [Stand: 1. August 2019] BGB § 1617 b Rn. 13.1).

d) Sind die Eltern nach der Begründung der gemeinsamen Sorge für das nachgeborene Kind an den Namen gebunden, den sie auf der Grundlage der gemeinsamen Sorge für das erstgeborene Kind bestimmt haben, hängt die sich aus §§ 1617 b Abs. 1 Satz 4, 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB ergebende Rechtsfolge für den Namenserwerb eines nachgeborenen Kindes davon ab, ob dieses nach § 1617 a Abs. 1 BGB oder § 1617 a Abs. 2 BGB bereits den Geburtsnamen führt, der für das ältere Geschwisterkind bestimmt worden ist. Ist dies der Fall, ist das gebundene Neubestimmungsrecht nach § 1617 b Abs. 1 BGB inhaltlich gegenstandslos geworden und gelangt nicht zur Entstehung. Trägt das nachgeborene Kind - wie hier - einen abweichenden Namen, ändert sich sein Geburtsname im Moment der Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach fast einhelliger und zutreffender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum kraft Gesetzes in den Namen des erstgeborenen [X.] (vgl. [X.], 856; [X.] FamRZ 2005, 1009, 1010; [X.] Beschluss vom 24. Januar 2005 - 5 [X.] Rn. 14; [X.]/[X.] BGB [2015] § 1617 b Rn. 12; [X.]/von [X.] Gessaphe 7. Aufl. § 1617 b Rn. 13; [X.]/[X.] [Stand: 1. August 2019] BGB § 1617 b Rn. 19; Soergel/Zecca-Jobst 13. Aufl. § 1617 b Rn. 4; [X.]/[X.] und Personenstand 2. Aufl. Rn. [X.]; [X.]/Tanto in [X.]/Hauß Familienrecht 3. Aufl. § 1617 Rn. 4; [X.] [Fachausschuss Nr. 3697] [X.] 2004, 179; [X.] [Fachausschuss Nr. 3659] [X.] 2003, 305, 306).

Denn würde eine Namensänderung beim nachgeborenen Kind von der Entscheidung der Eltern abhängen, ob sie nach der Begründung der gemeinsamen Sorge von ihrem - inhaltlich gebundenen - Neubestimmungsrecht Gebrauch machen (so [X.] BGB/Pöcker [Stand: 1. August 2019] § 1617 b Rn. 9), wäre es letztlich in die Hände der Eltern gelegt, ob ihre unter gemeinsamer Sorge stehenden Kinder den gleichen Geburtsnamen tragen sollen. Dies widerspräche aber der Zielsetzung des § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB, der das Prinzip der Namenseinheit von [X.]n im gleichen Sorgerechtsverhältnis gerade auch gegen abweichende Vorstellungen der Eltern durchsetzen will.

e) Gegen die als Folge der Bindungswirkung nach § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB eingetretene Namensänderung beim betroffenen Kind lassen sich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken geltend machen.

aa) Grundrechte der Eltern sind nicht verletzt. Die Beschränkung der elterlichen Namenswahl auf das erste Kind unter gemeinsamer Sorge verstößt nicht gegen das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht. Wie das [X.] bereits entschieden hat, ist die Wahrung der familiären Namenseinheit (zumindest) auf der [X.] ein mit den verfassungsrechtlichen [X.] zum Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) in Einklang stehendes Ziel des Gesetzgebers, das die Beschränkung der elterlichen Gestaltungsfreiheit hinreichend legitimiert ([X.] [X.], 877). Auch das Persönlichkeitsrecht der Eltern nach Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 GG ist nicht betroffen, weil den Eltern das [X.]srecht für ihre Kinder allein im [X.]hmen ihrer sorgerechtlichen Verantwortung, nicht aber zur Entfaltung ihrer eigenen Persönlichkeit eingeräumt worden ist ([X.] [X.], 306, 310 und [X.], 877).

bb) Schließlich wird auch das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Kindes durch die Änderung des Geburtsnamens nicht verletzt.

Allerdings ist der Name eines Menschen, der Ausdruck der Identität sowie Individualität des Namensträgers ist, nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 GG geschützt. Auch wenn es kein uneingeschränktes Recht auf Beibehaltung eines bisher geführten Namens gibt, kann der Namensträger doch grundsätzlich verlangen, dass die Rechtsordnung seinen Namen respektiert und eine Namensänderung nicht ohne gewichtigen Grund und nur unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fordert (vgl. [X.] [X.] 2001, 207, 208 und [X.], 587, 589).

Aufseiten des Namensträgers ist bei dieser Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob sich im Vertrauen auf die Beständigkeit der Namensführung bereits eine schutzwürdige [X.] Identität mit dem bislang geführten Namen bilden konnte (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Februar 2019 - [X.] 130/16 - FamRZ 2019, 967 Rn. 39). Dem trägt das Gesetz in typisierender Weise bereits durch die Anschließungsregelungen in §§ 1617 b Abs. 1 Satz 4, 1617 c Abs. 1 BGB Rechnung, wonach die Namensneubestimmung ohne eine Mitwirkung des Kindes nur dann automatisch erfolgen kann, wenn das Kind zu dem Zeitpunkt, in dem die Neubestimmung wirksam werden soll, das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Erst nach Vollendung des fünften Lebensjahres lernt das Kind typischerweise seinen vollständigen Namen zu schreiben, enthält es Zeugnisse und Bescheinigungen mit Vor- und Familiennamen und identifiziert sich deshalb zunehmend nicht nur mit seinem Vornamen, sondern auch mit seinem Familiennamen (vgl. auch Wall FamRZ 2019, 971, 973).

Das betroffene Kind [X.] hatte das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet, als die Namensänderung im April 2012 mit der Begründung der gemeinsamen Sorge wirksam wurde und seine Eltern im Dezember 2012 durch den Standesbeamten auf die Namensänderung hingewiesen wurden. Unter diesen Umständen muss auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das legitime Ziel des Gesetzgebers, Namenseinheit zwischen allen Geschwistern im gleichen Sorgerechtsverhältnis herzustellen, nicht hinter dem [X.] eines Kleinkinds an der Beibehaltung seines Namens zurücktreten.

Dose     

      

[X.]     

      

Schilling

      

Günter     

      

Botur     

      

Meta

XII ZB 118/17

13.11.2019

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Zweibrücken, 9. Februar 2017, Az: 3 W 123/13

§ 1617 Abs 1 S 3 BGB, § 1617a Abs 1 BGB, § 1617a Abs 2 BGB, § 1617b Abs 1 S 1 BGB, § 1617b Abs 1 S 3 BGB, § 1617b Abs 1 S 4 BGB, § 1617c Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.11.2019, Az. XII ZB 118/17 (REWIS RS 2019, 1611)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 171-173 REWIS RS 2019, 1611

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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