Bundessozialgericht, Urteil vom 21.10.2020, Az. B 13 R 19/19 R

13. Senat | REWIS RS 2020, 2559

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Frist für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung über eine nicht mehr laufende Geldleistung bei Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes des Auffindens einer Urkunde und zumindest grob fahrlässigen Falschangaben und/oder grob fahrlässiger Unkenntnis - Beachtung eines Verstoßes gegen die Fristenregelungen im Zugunstenverfahren - Korrektur von Verwaltungsakten gegenüber Erben


Leitsatz

1. Die Frist für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung über eine nicht mehr laufende Geldleistung beträgt längstens zehn Jahre, wenn sowohl der Wiederaufnahmegrund des Auffindens einer Urkunde als auch zumindest grob fahrlässige Falschangaben und/oder grob fahrlässige Unkenntnis vorliegen, ohne dass der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist.

2. Ein Verstoß gegen die Fristenregelungen für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung ist auch im Zugunstenverfahren zu beachten.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 26. September 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für alle Rechtszüge auf jeweils 27 927,30 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren über die teilweise Rücknahme der Zahlbetragsfestsetzung einer Altersrente und die Erstattung des überzahlten Betrags.

2

Die Klägerin war Ehefrau des am 23.10.2011 verstorbenen S (im Folgenden: der Versicherte) und ist dessen alleinige Erbin. Der Versicherte bezog vom 1.10.2000 bis zu seinem Tod eine Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige, die ihm vom beklagten Rentenversicherungsträger mit [X.] vom [X.] zuerkannt worden war. Daneben bezog er eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung, zuletzt iHv 666,03 Euro. Diese wurde ihm von der [X.] (heute Berufsgenossenschaft Holz und Metall - [X.]) mit [X.] vom 12.1.1972 zuerkannt. Kenntnis vom Bezug der Verletztenrente erhielt die Beklagte erstmals durch den [X.] der Klägerin vom 9.11.2011. Nach Anhörung der Klägerin nahm die Beklagte ihr gegenüber den [X.] vom [X.] hinsichtlich der Zahlbetragsfestsetzung teilweise zurück und verlangte die Erstattung von 27 927,30 Euro ([X.] vom 10.4.2012, Widerspruchsbescheid vom 16.11.2012). Den Antrag der Klägerin auf Überprüfung des zwischenzeitlich bestandskräftig gewordenen Rücknahme- und [X.] lehnte die Beklagte ab ([X.] vom 15.12.2013, Widerspruchsbescheid vom [X.]).

3

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das [X.] die Beklagte verpflichtet, die angefochtenen [X.]e sowie den [X.] vom 10.4.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2014 aufzuheben. Zwar habe der Versicherte nur Anspruch auf eine nach Maßgabe der Anrechnungsvorschriften des § 93 [X.]B VI geminderte Rente gehabt, weswegen der [X.] vom [X.] von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Dennoch habe die Beklagte ihn nicht mehr zurücknehmen dürfen, da die nach § 45 Abs 3 [X.]B X hierfür geltenden Fristen verstrichen gewesen seien (Urteil vom 13.4.2016). Die Berufung der Beklagten hat das L[X.] mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des [X.]s vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] verpflichtet wird, den [X.] vom 10.4.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2012 zurückzunehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Frist für eine Rücknahme des [X.]s vom [X.] sei bereits abgelaufen gewesen. Arglistige Täuschung durch den Versicherten habe nicht vorgelegen. Entgegen der Auffassung der Beklagten gelte bei Vorliegen eines Wiederaufnahmegrunds iS von § 45 Abs 3 Satz 2 [X.]B X iVm § 580 ZPO die [X.] des § 586 Abs 2 Satz 2 ZPO. Dies ergebe sich nach der Rechtsprechung des B[X.] (Urteil vom [X.] [X.] - B[X.]E 72, 139 = [X.] 3-1300 § 45 [X.]) insbesondere aus den Gesetzesmaterialien. Folglich könne dahinstehen, ob die vorliegende "Abschrift des [X.]es" vom 12.1.1972 eine Urkunde iS des § 580 [X.] darstelle (Urteil vom 26.9.2019).

4

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 580 [X.] und § 45 Abs 3 Satz 2 [X.]B X iVm § 586 Abs 2 Satz 2 ZPO. Entgegen der Auffassung des L[X.] sei die Rücknahme eines Verwaltungsakts nach § 45 Abs 3 Satz 2 [X.]B X iVm § 580 [X.] unbefristet möglich, was auch der überwiegenden Literaturmeinung entspreche. Dem Urteil des B[X.] vom [X.] sei nicht zu folgen, weil § 45 Abs 3 Satz 2 [X.]B X schon dem Wortlaut nach nur auf § 580 ZPO und nicht auch auf § 586 ZPO verweise. Aus der Entstehungsgeschichte des § 45 Abs 3 [X.]B X und den Materialien zu den Ausschussberatungen gehe deutlich hervor, dass in Fällen des § 45 Abs 3 Satz 2 [X.]B X die im Regierungsentwurf ursprünglich vorgesehene unbefristete Rücknahmeregelung Bestand haben sollte und nur im Übrigen Fristen eingefügt worden seien. Zudem seien in den nicht zugleich von § 45 Abs 3 Satz 1 und 3 [X.]B X erfassten Fällen des § 580 ZPO Vertrauensschutzgesichtspunkte weniger maßgebend.

5

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des [X.] vom 26. September 2019 sowie des [X.] vom 13. April 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 [X.] 1 Satz 1 [X.]G).

9

Zu Recht hat das [X.] die Berufung der [X.] gegen das stattgebende Urteil des [X.] in der Sache zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der [X.] sind rechtswidrig. Die Beklagte war verpflichtet, auf den Überprüfungsantrag der [X.]lägerin hin ihren Bescheid vom 10.4.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2012 zurückzunehmen.

1. Gegenstand des Verfahrens ist - neben den Entscheidungen der Vorinstanzen - der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], mit dem es die Beklagte ablehnte, den Bescheid vom 10.4.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2012 zurückzunehmen. Zutreffend verfolgt die [X.]lägerin ihr Begehren im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Die Anfechtungsklage zielt auf die Aufhebung des Überprüfungsbescheids vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], die Verpflichtungsklage auf die Rücknahme des Rücknahme- und [X.] vom 10.4.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2012.

2. Rechtsgrundlage für den von der [X.]lägerin geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Rücknahme- und [X.] vom 10.4.2012 ist § 44 [X.] 1 Satz 1 [X.]B X. Danach ist ein unanfechtbar gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder - hier nicht von Interesse - Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Zwar ist Gegenstand der Überprüfung ein Bescheid, mit dem die Beklagte einen als rechtswidrig erkannten Bewilligungsbescheid nach § 45 [X.] 1, [X.] 2 Satz 3 [X.] und 3 [X.]B X aufgehoben und zugleich die Erstattung von bereits erbrachten Sozialleistungen nach § 50 [X.]B X gefordert hat. Nach seinem Regelungszweck erfasst § 44 [X.] 1 Satz 1 [X.]B X jedoch nicht nur Fallgestaltungen, in denen dem Betroffenen ein rechtlicher Nachteil durch ein unrechtmäßiges Vorenthalten einer Sozialleistung entstanden ist, sondern auch solche, in denen der Bürger - wie vorliegend - zunächst Sozialleistungen erhalten hat, die Leistungsbewilligung nachträglich jedoch aufgehoben worden ist (B[X.] Urteil vom 12.12.1996 - 11 [X.] - [X.] 3-1300 § 44 [X.] 19; B[X.] Urteil vom 28.5.1997 - 14/10 [X.] 25/95 - [X.] 3-1300 § 44 [X.]1 S 40; B[X.] Urteil vom 13.2.2014 - B 4 AS 19/13 R - B[X.]E 115, 121 = [X.] 4-1300 § 44 [X.]9, Rd[X.] 14; B[X.] Urteil vom [X.] - B 11 [X.] 3/17 R - [X.] 4-1300 § 44 [X.] 37 Rd[X.] 11; ebenso Baumeister in jurisP[X.]-[X.]B X, 2. Aufl 2017, § 44 Rd[X.] 65, Stand 23.3.2020; Schütze in Schütze, [X.]B X 9. Aufl 2020, § 44 Rd[X.] 15; [X.] in [X.] [X.]omm, § 44 Rd[X.] 4, Stand März 2018). Dass der von der [X.]lägerin geltend gemachte Rücknahmeanspruch Sozialleistungen für Zeiträume betrifft, die im [X.] länger als vier Jahre zurücklagen, steht ihrem Anspruch nicht entgegen. Eine entsprechende Anwendung des § 44 [X.] 4 [X.]B X auf die vorliegende Gestaltung scheidet aus, denn Voraussetzung für die Anwendbarkeit der genannten Regelung ist stets, dass infolge der unrichtigen Entscheidung Sozialleistungen nicht erbracht worden sind (B[X.] Urteil vom 12.12.1996 - 11 [X.] - [X.] 3-1300 § 44 [X.] 19 - juris Rd[X.] 17 f; B[X.] Urteil vom 13.2.2014 - B 4 AS 19/13 R - B[X.]E 115, 121 = [X.] 4-1300 § 44 [X.]9, Rd[X.]0 mwN; aA für den hier nicht vorliegenden Fall der Wiederauszahlung bereits zurückgezahlter Sozialleistungen [X.] in [X.] [X.]omm, § 44 Rd[X.] 42, Rd[X.] 50, Stand März 2018).

Vorliegend hat die Beklagte beim Erlass des Bescheids vom 10.4.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2012 das Recht unrichtig angewandt. Daher war - wie vom [X.] im angegriffenen Urteil ausgesprochen - ihr Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufzuheben und die Beklagte zur Rücknahme des Bescheids vom 10.4.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2012 zu verpflichten. Dies folgt nicht schon daraus, dass der Bescheid vom 10.4.2012 nicht gegenüber dem Versicherten, sondern erst nach dessen Tod gegenüber der [X.]lägerin erlassen wurde (hierzu a). Vielmehr war er deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte die insoweit jedenfalls geltende Rücknahmefrist von zehn Jahren seit Bekanntgabe des Bescheids vom [X.] versäumte (hierzu b) und ein solcher Verstoß gegen die Fristenregelungen des § 45 [X.] 3 [X.]B X auch im Überprüfungsverfahren nach § 44 [X.]B X zu beachten ist (hierzu c).

a) [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2012 ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die Rücknahme nicht mehr gegenüber dem Versicherten, sondern gegenüber der [X.]lägerin als dessen Erbin erfolgt ist. Das B[X.] hat bereits mit Urteil vom 27.3.1958 (8 RV 387/55 - B[X.]E 7, 103) entschieden, dass beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Verwaltungsbehörde auch dann noch einen Berichtigungsbescheid (belastenden Verwaltungsakt) erlassen kann, wenn der aufgrund eines fehlerhaften Bescheids Versorgungsberechtigte bereits gestorben war (stRspr zu § 41 [X.]; zB B[X.] Urteil vom [X.] - 9 RV 218/63 - B[X.]E 21, 79 = [X.] [X.] 1 zu § 43 [X.] - juris Rd[X.] 9; B[X.] Urteil vom 17.12.1965 - 8 RV 749/64 - B[X.]E 24, 190 = [X.] [X.] 18 zu § 47 [X.] - juris Rd[X.] 15 ff; B[X.] Urteil vom 19.9.1979 - 9 RV 5/78 - Breithaupt 1980, 409 - juris Rd[X.] 19 f). An dieser Rechtsprechung hat das B[X.] auch nach dem Inkrafttreten des § 45 [X.]B X festgehalten (B[X.] Urteil vom 7.12.1983 - 9a [X.] - [X.] 1300 § 45 [X.] 5 - juris Rd[X.] 17; so auch [X.] Berlin-Brandenburg Urteil vom 19.5.2016 - L 8 R 508/13 - juris Rd[X.] 31 ff; [X.] Sachsen-Anhalt Urteil vom [X.] - L 1 R 340/15 - juris Rd[X.] 40; zustimmend [X.] in [X.] [X.]ommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 45 Rd[X.] 8, Stand Mai 2018; [X.] in [X.]/Voelzke, jurisP[X.]-[X.]B X, 2. Aufl 2017, § 45 Rd[X.] 130 f mwN, Stand 8.6.2020; vgl auch Schütze in Schütze, [X.]B X, 9. Aufl 2020, § 50 Rd[X.] 15). Dem schließt sich der erkennende [X.] an. Im Hinblick auf die [X.]lägerin folgt dies bereits aus ihrer vom [X.] mit Bindungswirkung (§ 163 [X.]G) für das B[X.] festgestellten Stellung als Alleinerbin des Versicherten. Da der Erbe bzw die Erben mit dem Tode des Erblassers in dessen Rechtsstellung eintreten (§§ 1922, 1967 BGB), können Verwaltungsakte, durch die der Verstorbene zu Unrecht begünstigt worden ist, gegenüber einem Alleinerben oder gegenüber allen Miterben einer Erbengemeinschaft zurückgenommen werden (BVerwG Beschluss vom 3.3.1988 - 2 [X.]5/88 - NJW 1988, 1927 - juris Rd[X.] 3; vgl auch [X.] Urteil vom 17.8.2018 - 1 A 2675/15 - NVwZ-RR 2018, 875 - juris Rd[X.] 37 ff mwN).

b) Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheids vom 10.4.2012 das Recht iS des § 44 [X.] 1 Satz 1 [X.]B X unrichtig angewandt. Die darin ausgesprochene teilweise Rücknahme der Zahlbetragsfestsetzung im Bescheid vom [X.] erfolgte mehr als zehn Jahre nach der Bekanntgabe dieses Verwaltungsakts. Zu diesem Zeitpunkt war die jedenfalls einzuhaltende [X.] des § 45 [X.] 3 Satz 3 [X.]B X bereits verstrichen. Daher war auch das [X.] über 27 927,30 Euro unrechtmäßig.

Nach § 45 [X.] 1 [X.]B X in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 18.1.2001 ([X.]) darf ein (im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe) rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der [X.] 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Mit Wirkung für die Vergangenheit wird der Verwaltungsakt nur in den Fällen von § 45 [X.] 2 Satz 3 und [X.] 3 Satz 2 [X.]B X zurückgenommen (§ 45 [X.] 4 Satz 1 [X.]B X). Diese [X.] ist jedoch für begünstigende Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, zu denen auch die Zahlbetragsfestsetzung einer Altersrente gehört, nach § 45 [X.] 3 [X.]B X beschränkt. Danach kann ein solcher, rechtswidriger Verwaltungsakt nach [X.] 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden ([X.] 3 Satz 1). Dies gilt nicht, wenn [X.] entsprechend § 580 ZPO vorliegen ([X.] 3 Satz 2). Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach [X.] 2 zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des [X.] 2 Satz 3 [X.] oder 3 gegeben sind ([X.] 3 Satz 3 [X.] 1) oder - was hier nicht der Fall ist - der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde ([X.] 3 Satz 3 [X.]). In Fällen des [X.] 3 Satz 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde (Satz 4). War die Frist von zehn Jahren am 15.4.1998 bereits abgelaufen, gilt dies jedoch nur für eine Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft (Satz 5).

Wie schon das [X.] kann der [X.] offenlassen, ob es sich bei dem der [X.] vorliegenden Ausdruck des Bescheids vom 12.1.1972 aus der eingescannten Verwaltungsakte der [X.] um eine Urkunde iS des § 580 [X.] 7 Buchst b ZPO handelt und ob diese iS dieser Norm "aufgefunden" worden ist. Ebenso wenig muss der [X.] entscheiden, ob er sich den Erwägungen des 9. [X.]s des B[X.] anschließt, wonach bei Vorliegen eines [X.] iS von § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X iVm § 580 ZPO die [X.] des § 586 [X.] 2 Satz 2 ZPO entsprechend gelten soll (Urteil vom [X.] [X.] - B[X.]E 72, 139 = [X.] 3-1300 § 45 [X.] 16 - juris Rd[X.] 15 ff) und - wofür vieles spricht - die Rücknahmebefugnis selbst im Falle arglistiger Täuschung nach Ablauf von 30 Jahren entfällt (Urteil vom [X.], ebenda, Leitsatz und juris Rd[X.] 11, 13, 20 ff). Nach den bindenden (§ 163 [X.]G) Feststellungen des [X.] hat der Versicherte den ihm im "August/September 2000" bekanntgegebenen Verwaltungsakt vom [X.] weder durch arglistige Täuschung noch durch Drohung oder Bestechung erwirkt. Zugleich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein anderer der in § 580 ZPO genannten [X.] als der von der [X.] allein geltend gemachte Grund des [X.] einer Urkunde (§ 580 [X.] 7 Buchst b ZPO) vorliegen könnte. Jedenfalls in dieser [X.]onstellation kann allenfalls eine Frist von zehn Jahren für die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts gelten, wenn nicht zumindest auch ein Tatbestand nach § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] 1 [X.]B X erfüllt ist.

Dies ergibt eine Auslegung des § 45 [X.] 3 [X.]B X nach dem Wortlaut (hierzu aa), der Systematik (hierzu [X.]) sowie nach der Gesetzeshistorie unter Einschluss der sog Materialien zum Gesetzentwurf sowie dem sich hieraus erschließenden Regelungszweck (hierzu [X.]). Stimmen, die demgegenüber eine unbefristete [X.] in allen Fallgestaltungen nach § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X, § 580 ZPO postulieren, vermögen nicht zu überzeugen (hierzu dd).

aa) Der Wortlaut des § 45 [X.] 3 [X.]B X ist [X.]. Danach kann - wie bereits dargestellt - ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 45 [X.] 2 [X.]B X nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (Satz 1). Satz 1 gilt nicht, wenn [X.] entsprechend § 580 ZPO vorliegen (Satz 2). Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 45 [X.] 2 [X.]B X zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] oder 3 [X.]B X gegeben sind (Satz 3 [X.] 1) oder der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde (Satz 3 [X.]).

Mit Blick auf die vorliegend zu beantwortende Frage, ob im Falle des Vorliegens eines [X.] entsprechend § 580 ZPO überhaupt eine Rücknahmefrist zu beachten ist und ggf von welcher Dauer, ist der Wortlaut des § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X nur insoweit eindeutig, als die [X.] des § 45 [X.] 3 Satz 1 [X.]B X in einem solchen Fall nicht gelten soll. Jedoch statuiert die Satz 2 einleitende Wendung "Satz 1 gilt nicht" sprachlich lediglich eine Ausnahme von der Anwendung des Satzes 1, nicht aber von der Anwendung des Satzes 3. Dessen Einleitung "Bis zum Ablauf von zehn Jahren" greift die Wendung des Satzes 1 "nur bis zum Ablauf von zwei Jahren" auf und formuliert dadurch eine weitere Ausnahme zur Anwendung der [X.] des § 45 [X.] 3 Satz 1 [X.]B X. Allerdings lässt der Wortlaut des § 45 [X.] 3 [X.]B X nicht ohne Weiteres erkennen, ob Satz 2 oder Satz 3 der Vorrang zukommt, wenn sowohl ein Vertrauensausschlusstatbestand nach § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] oder 3 [X.]B X (bzw ein Widerrufsvorbehalt) als auch ein Wiederaufnahmegrund nach § 580 ZPO vorliegt.

[X.]) In dieser Situation sprechen systematische Gesichtspunkte dafür, jedenfalls in [X.]onstellationen, in denen wie hier vom [X.] und [X.] festgestellt, die Vertrauensausschlusstatbestände nach § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] und 3 [X.]B X, nicht aber diejenigen nach § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] 1 [X.]B X erfüllt sind, auch dann allenfalls die [X.] des § 45 [X.] 3 Satz 3 [X.]B X anzuwenden, wenn gleichzeitig ein Wiederaufnahmegrund entsprechend § 580 ZPO vorliegt.

Bei systematischer Betrachtung entfaltet § 45 [X.]B X ein abgestuftes System unterschiedlich gewichtiger Gründe für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und zeitliche Stufen in Form von Handlungs- und Ausschlussfristen als Ergebnis einer gesetzgeberischen Abwägung von Gesichtspunkten materieller Gerechtigkeit, des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit (vgl B[X.] Urteil vom [X.] [X.] - B[X.]E 72, 139 = [X.] 3-1300 § 45 [X.] 16 - juris Rd[X.] 14). Dabei gebietet [X.] 2 Satz 1 grundsätzlich eine individuelle Abwägung des Vertrauens des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme. Dabei wird dem Vertrauensschutz nach [X.] 2 Satz 2 regelmäßig der Vorrang eingeräumt, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Demgegenüber wird ein Vertrauensschutz durch [X.] 2 Satz 3 ausgeschlossen, soweit der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt, auf zumindest grob fahrlässigen Angaben des Begünstigten beruht oder dieser die Rechtswidrigkeit kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat.

Diese Differenzierung wird in [X.] 3 aufgegriffen. So genießen Versicherte, denen eine wiederkehrende Sozialleistung bewilligt worden ist, durch § 45 [X.] 1 iVm [X.] 3 Satz 1 [X.]B X grundsätzlich nach Ablauf von zwei Jahren Schutz vor der Rücknahme des Verwaltungsakts für Vergangenheit und Zukunft. Der Rechtssicherheit wird nach Ablauf dieser Frist der Vorrang vor dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung und dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme eingeräumt. Fragen des Vertrauensschutzes sind - anders als die Beklagte meint - über die angesprochene Differenzierung hinaus im Rahmen des [X.] 3 nicht mehr relevant. Nach Fristablauf wird die Rücknahme des Verwaltungsakts im Interesse der Rechtssicherheit gerade für den Fall ausgeschlossen, dass die individuelle Vertrauensabwägung zulasten des Begünstigten ausfällt oder er sich nicht auf Vertrauen berufen kann. Anderenfalls wäre die Rücknahme des Verwaltungsakts schon nach § 45 [X.] 2 Satz 1 [X.]B X ausgeschlossen.

Als Ausnahme von der [X.] des § 45 [X.] 3 Satz 1 [X.]B X gilt nach § 45 [X.] 3 Satz 3 [X.]B X eine Frist von zehn Jahren, wenn der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde, was hier nicht geschehen ist, oder die Voraussetzungen des § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] und 3 [X.]B X gegeben sind. Nach Ablauf der [X.] wird der Rechtssicherheit damit selbst dann der Vorrang vor materieller Rechtmäßigkeit eingeräumt, wenn Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts wegen eines [X.], vorsätzlicher unrichtiger oder unvollständiger Angaben sowie positiver [X.]enntnis von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ausgeschlossen ist. Eine Rückausnahme gilt seit 1998 nach § 45 [X.] 3 Satz 4 und 5 [X.]B X (angefügt durch das Gesetz zur sozialrechtlichen [X.]icherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 6.4.1998, [X.]) nur für den - hier nicht einschlägigen - Fall, dass eine laufende Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Nicht auf eine Geldleistung gerichtete rechtswidrige [X.] bleiben hiervon unberührt.

In den Fristenregelungen des § 45 [X.] 3 [X.]B X nicht ausdrücklich erwähnt werden die Fälle nach § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] 1 [X.]B X, in denen der Begünstigte den rechtswidrigen Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Zeihe [X.]b 1984, 533, 534, spricht auch deshalb von einem durch die Einfügungen des [X.] und [X.] verfehlten Aufbau des [X.] 3). Dies spricht dafür, diese Sachverhalte unter § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X zu subsumieren, wie es den Vorstellungen im Gesetzgebungsverfahren entspricht (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] und [X.] <11. Ausschuss> vom 14.5.1980, BT-Drucks 8/4022, [X.], hierzu unten [X.]; wie hier [X.] in [X.] [X.]ommentar, § 45 [X.]B X Rd[X.] 33, Stand Mai 2018; vgl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] § 45 Rd[X.] 130, Stand 4/2018). Anderenfalls griffe die [X.] des § 45 [X.] 3 Satz 1 [X.]B X ein, obwohl der Unrechtsgehalt dieser [X.]onstellationen über den der von § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] und 3 [X.]B X erfassten, der [X.] des § 45 [X.] 3 Satz 3 [X.]B X unterworfenen Fälle hinausgeht. Die Subsumtion unter § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X setzt allerdings voraus, dass die eine arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung iS des § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] 1 [X.]B X begründenden Sachverhalte zugleich - jedenfalls "entsprechend" - die tatbestandlichen Voraussetzungen eines der [X.] des § 580 ZPO (hier anzuwenden idF des [X.] vom 22.12.2006, [X.] 3416) erfüllen. [X.] liegt dies insbesondere in Bezug auf § 580 [X.] 4 ZPO, wonach die Restitutionsklage stattfindet, "wenn das Urteil (im [X.]ontext des [X.]B X: der Verwaltungsakt) von dem Vertreter der [X.] oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist". Einen vergleichbaren Unrechtsgehalt weisen auch die [X.] nach § 580 [X.] 1 bis 3 sowie 5 ZPO auf, die stets ein strafbares Verhalten einer [X.] bzw eines Beteiligten oder eines [X.] voraussetzen. So ist die Restitutionsklage nach § 580 [X.] 1 bis 5 ZPO ausdrücklich nur zulässig, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung (nicht notwendig des durch den Verwaltungsakt Begünstigten) ergangen ist oder die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann (§ 581 [X.] 1 ZPO). Entsprechendes gilt für § 580 [X.] 8 ZPO (eingefügt durch Gesetz vom 22.12.2006, [X.] 3416), der nunmehr die Restitutionsklage auch zulässt, wenn der [X.] eine Verletzung der Europäischen [X.]onvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMR[X.]) oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

Demgegenüber erfasst der - keine Straftat voraussetzende - Wiederaufnahmegrund des [X.] einer Urkunde (§ 580 [X.] 7 Buchst b ZPO) [X.]onstellationen sehr unterschiedlichen Unrechtsgehalts. So kann eine Urkunde, die eine für die die Restitutionsklage betreibende [X.] günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (im [X.]ontext des [X.]B X: die zum Erlass eines rechtmäßigen, für den Adressaten weniger begünstigenden Verwaltungsakts geführt haben würde), durch den Begünstigten in arglistiger Täuschung iS des § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] 1 [X.]B X zurückgehalten worden sein. Gleichzeitig werden aber auch [X.]onstellationen erfasst, in denen eine Urkunde dem begünstigten Adressaten des rechtswidrigen Verwaltungsakts bis zu ihrem Auffinden vollständig und ohne jedes Verschulden unbekannt war oder dieser die durch die Urkunde nachgewiesenen Umstände iS des § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] [X.]B X zwar vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht angegeben hatte oder die sich aus der Urkunde ergebende Rechtswidrigkeit iS des § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] 3 [X.]B X kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, jedoch ohne dass der Tatbestand der Arglist gegeben ist.

Der durch die dem Wortlaut nach unbefristete [X.] des § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X entstehende Wertungswiderspruch zu § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] und 3, [X.] 3 Satz 3 [X.]B X lässt sich zwar für den gutgläubigen Begünstigten durch den Hinweis auf die in diesen Fällen nach § 45 [X.] 2 Satz 1 und 2 [X.]B X notwendige Abwägung auflösen (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]B X, 5. Aufl 2019, § 45 Rd[X.] 87; [X.] in [X.], Sozialgesetzbuch, § 45 [X.]B X Rd[X.]2, [X.] 7/2020; [X.] in [X.] [X.]ommentar, § 45 [X.]B X Rd[X.] 44, Stand Mai 2018), sofern man in § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X iVm § 580 ZPO keinen eigenständigen Vertrauensausschlusstatbestand sieht (so zB Schütze in Schütze, [X.]B X, 9. Aufl 2020, § 45 Rd[X.] 78, der jedoch eine Rücknahme für die Vergangenheit schon tatbestandlich für ausgeschlossen hält, sofern keine Bösgläubigkeit vorliegt). Dies gilt jedoch nicht für die Fälle einer - im Gegensatz zu Fällen nach § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] 1 [X.]B X - "einfachen Bösgläubigkeit" nach § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] und 3 [X.]B X.

Vor diesem Hintergrund hält es der [X.] für geboten, in [X.]onstellationen nach § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X iVm § 580 [X.] 7 Buchst b ZPO, die nicht zugleich den Vertrauensausschlussgrund des § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] 1 [X.]B X erfüllen, eine Rücknahme allenfalls binnen der [X.] des § 45 [X.] 3 Satz 3 [X.]B X zuzulassen, sofern nicht die Rückausnahmen nach § 45 [X.] 3 Satz 4 und 5 [X.]B X eingreifen (vgl [X.] in [X.], Sozialgesetzbuch, § 45 [X.]B X Anm X/3 S 100, Stand 1.12.2016; eine differenzierende Lösung, allerdings unter dem Gesichtspunkt einer - gesteigerten - Bösgläubigkeit befürworten auch Barnewitz, [X.] 1981, 33, 54; [X.] in [X.]/Voelzke, jurisP[X.]-[X.]B X, 2. Aufl 2017, § 45 Rd[X.] 106, Stand 8.6.2020; Schütze in Schütze, [X.]B X, 9. Aufl 2020, § 45 Rd[X.] 85; für die Anwendung der [X.] zumindest bei Verschulden [X.] Niedersachsen-Bremen Urteil vom [X.] - L 12 R 116/16 - juris Rd[X.] 39; eine unbefristete Rücknahemöglichkeit befürwortend Finkenbusch in [X.], Handbuch der Sozialversicherung, [X.]ap 1-134/3, Stand Februar 2013; [X.] in [X.], Sozialgesetzbuch, § 45 [X.]B X Rd[X.]2, [X.] 7/2020; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]B X, 5. Aufl 2019, § 45 Rd[X.] 87; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] § 45 Rd[X.] 126 ff, Stand 4/18; Pickel/[X.], [X.]B X, § 45 Rd[X.] 49, Stand 6/2020; [X.] in [X.] [X.]ommentar, § 45 [X.]B X Rd[X.] 44, Stand Mai 2018; von Einem, Amtl Mitteilungen LVA Rheinprovinz 1987, 498; [X.], Mitteilungen der LVA [X.] und [X.], 1994, 259,273; [X.] [X.]b 1990, 245, 250; Zeihe [X.]b 1984, 533, 534; für die Anwendung der [X.] nach § 586 [X.] 2 Satz 2 ZPO Fehl, [X.], 97).

Für die Anwendung der [X.] in solchen [X.]onstellationen spricht auch, dass § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X sowohl dem Wortlaut als auch seiner Stellung innerhalb des § 45 [X.] 3 [X.]B X nach eine Ausnahme zu § 45 [X.] 3 Satz 1 [X.]B X, nicht aber zu dem nachfolgenden Satz 3 darstellt (vgl [X.] in [X.]/Voelzke, jurisP[X.]-[X.]B X, 2. Aufl 2017, § 45 Rd[X.] 107). Im Fall der [X.]onkurrenz des [X.] nach § 580 [X.] 7 Buchst b ZPO und eines Vertrauensausschlussgrunds nach § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] und/oder 3 [X.]B X gebührt damit - dem Grundsatz der Spezialität folgend - der Rechtsfolge des § 45 [X.] 3 Satz 3 [X.] 1 [X.]B X der Vorrang vor der des Satzes 2.

[X.]) Dieses Ergebnis wird darüber hinaus durch die Gesetzgebungsgeschichte des § 45 [X.]B X und den sich hieraus ableitenden Sinn und Zweck der Regelung gestützt.

In Art 1 § 43 [X.] 3 Satz 1 des Entwurfs eines [X.] ([X.]B) - Verwaltungsverfahren (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom [X.], BT-Drucks 8/2034), war noch eine generelle Rücknahmefrist von drei Jahren vorgesehen. Nach Satz 2 dieser Fassung sollte Satz 1 nicht gelten, wenn (1.) [X.] entsprechend § 580 ZPO vorliegen, (2.) die Voraussetzungen des [X.] 2 Satz 3 [X.] 1, 3 oder 4 (arglistige Täuschung, Drohung, Bestechung, [X.]enntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit, Ruhen oder Wegfall des Anspruchs kraft Gesetz) gegeben sind, (3.) der Verwaltungsakt nach [X.] 2 Satz 3 [X.] des Entwurfs (wesentlich unrichtige oder unvollständige Angaben) schuldhaft erwirkt worden war oder (4.) der Verwaltungsakt mit einem Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde (BT-Drucks 8/2034, [X.]). Durch die Vorschrift sollten die im Sozialrecht bisher geltenden unterschiedlichen Regelungen harmonisiert und im bewussten Gegensatz zum allgemeinen Verwaltungsrecht sollte die Rücknahme eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung grundsätzlich nach drei Jahren ausgeschlossen sein. Ziel war ein Ausgleich zwischen dem Interesse des Einzelnen an der Aufrechterhaltung der ihm eingeräumten günstigen Rechtsposition und dem Interesse der Allgemeinheit an einer Durchsetzung des geltenden Rechts und einer zweckentsprechenden Mittelverwendung (BT-Drucks 8/2034, S 34).

Unter den Ausnahmen von der Beschränkung auf eine dreijährige Rücknahmefrist standen [X.] entsprechend § 580 ZPO und [X.]onstellationen nach § 43 [X.] 2 Satz 3 [X.] 1 der Entwurfsfassung, in denen der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt wurde, noch nebeneinander. Auch die Fallgruppen der heutigen § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] und 3 [X.]B X waren vorbehaltlos von der Anwendung der Drei-Jahres-Frist ausgenommen.

Dies änderte sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren. Auf Empfehlung des [X.] und [X.] erhielten § 45 [X.] 3 Satz 1 bis 3 [X.]B X im Wesentlichen ihre heutige Fassung (die Sätze 4 und 5 wurden erst 1998 durch das Gesetz zur sozialrechtlichen [X.]icherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 6.4.1998, [X.], angefügt; gleichzeitig wurde in § 45 [X.] 3 Satz 3 [X.] 1 [X.]B X "und" durch "oder" ersetzt). Durch die vom Ausschuss empfohlenen Änderungen sollten die [X.]en im Interesse des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit weiter reduziert werden; die Rücknahme von Verwaltungsakten sollte ab einer gewissen Zeit im Interesse der Rechtssicherheit nicht mehr zugelassen sein (Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] und [X.] <11. Ausschuss> vom 14.5.1980, BT-Drucks 8/4022, [X.]). Weiter wurde ausgeführt: "Der neue Satz 3 legt deshalb fest, daß in den dort genannten Fällen [gemeint sind: vorsätzlich oder grobfahrlässige falsche oder unvollständige Angaben, [X.]enntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes sowie zulässiger Widerrufsvorbehalt] nach Ablauf von zehn Jahren der Verwaltungsakt in seinem Bestand nicht mehr angegriffen werden kann. Lediglich bei Vorliegen von [X.]n entsprechend § 580 der Zivilprozeßordnung soll es nach [X.]atz 3 Satz 2 bei der im Regierungsentwurf vorgesehenen zeitlich unbeschränkten [X.] verbleiben. Was im Rahmen des Gerichtsverfahrens möglich ist, muß auch im Verwaltungsverfahren zulässig sein. Von dem neuen Satz 2 werden auch die in Nummer 1 von [X.]atz 2 Satz 3 angesprochenen Fälle erfaßt."

Zwar spricht die Begründung des [X.] und [X.] von einer "zeitlich unbeschränkten [X.]" beim Vorliegen von [X.]n, denen ausdrücklich auch die Fälle der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung iS des § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] 1 [X.]B X zugeordnet werden. Insofern kann dahinstehen, ob dem unmittelbar darauf folgenden Verweis auf die [X.] im Rahmen des Gerichtsverfahrens und dem darin ausgedrückten Streben nach Harmonie mit dem Prozessrecht der Wille zur Bezugnahme auch auf die zeitliche Beschränkung der Wiederaufnahme nach § 586 ZPO entnommen werden kann (so B[X.] Urteil vom [X.] [X.] - B[X.]E 72, 139 = [X.] 3-1300 § 45 [X.] 16 - juris Rd[X.] 15 [X.]). Jedenfalls aber lassen die Ausführungen des Ausschusses deutlich das hohe Gewicht erkennen, das der Ausschuss dem Aspekt der Rechtssicherheit zumisst und das ihn bewogen hat, selbst in Fällen des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit iS des § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] und 3 [X.]B X eine Rücknahme nur innerhalb von zehn Jahren nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zuzulassen. Dieser vom Streben nach Rechtssicherheit getragenen Entscheidung, auch in Fällen des § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] und 3 [X.]B X eine zeitliche Begrenzung der [X.] durch die Verwaltung vorzusehen, würde es widersprechen, wenn die in § 45 [X.] 3 Satz 3 [X.]B X vorgesehene [X.] nur deshalb nicht zur Anwendung käme, weil zugleich ein Tatbestand nach § 580 ZPO erfüllt ist, denn dessen Unrechtsgehalt übersteigt denjenigen von Fällen nach § 45 [X.] 2 Satz 3 [X.] und 3 [X.]B X nicht zwingend.

dd) Demgegenüber vermögen die Stimmen nicht zu überzeugen, die in allen Fällen des § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X iVm § 580 ZPO eine unbefristete - oder nur auf 30 Jahre befristete - Rücknahemöglichkeit postulieren.

Dies gilt insbesondere, soweit diese Auffassung auf die in der Begründung des [X.] und [X.] verwandte Formulierung gestützt wird, wonach es lediglich "beim Vorliegen von [X.]n entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung … nach [X.]atz 3 Satz 2 bei der im Regierungsentwurf vorgesehenen zeitlich unbeschränkten [X.] verbleiben" solle (Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] und [X.] <11. Ausschuss> vom 14.5.1980, BT-Drucks 8/4022, [X.]). Insoweit besteht ein Widerspruch zu der unmittelbar darauffolgenden Aussage, wonach "Was im Rahmen des Gerichtsverfahrens möglich ist, … auch im Verwaltungsverfahren zulässig sein" müsse (vgl auch [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, 2. Aufl 2017, § 45 Rd[X.] 42). Hierzu hat schon der 9. [X.] (B[X.] Urteil vom [X.] [X.] - B[X.]E 72, 139 = [X.] 3-1300 § 45 [X.] 16 - juris Rd[X.] 15 [X.]) zutreffend herausgearbeitet, dass auch im Gerichtsverfahren die Tatbestände des § 580 ZPO keineswegs eine unbefristete Wiederaufnahmemöglichkeit eröffnen, was aufgrund des § 179 [X.] 1 [X.]G auch für das sozialgerichtliche Verfahren gilt. Vielmehr ist die Restitutionsklage nach § 586 [X.] 2 Satz 2 ZPO nach Ablauf von fünf Jahren, von dem [X.] an gerechnet, unstatthaft. Eine Ausnahme gilt nach § 586 [X.] 4 ZPO lediglich in den Fällen des erst durch Gesetz vom 22.12.2006 ([X.] 3416) eingefügten § 580 [X.] 8 ZPO, also der Feststellung eines Verstoßes gegen die EMR[X.]. Dabei muss hier nicht entschieden werden, ob diese Frist auch auf das Sozialverwaltungsverfahren zu übertragen ist. Jedenfalls verbleibt in der Begründung des [X.] und [X.] ein Spannungsverhältnis zwischen der dem Regierungsentwurf zugeschriebenen "unbefristeten" [X.] und dem hierfür angegebenen Motiv eines Gleichklangs mit dem gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren. Dieses Spannungsverhältnis ist durch den Rückgriff auf die weiteren Auslegungsmethoden aufzulösen, was zu dem dargestellten Ergebnis führt.

Vergleichbares gilt, wenn sich von Einem (Amtl Mitteilungen LVA Rheinprovinz 1987, 498) ausschließlich auf den Wortlaut des § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X bezieht, der keine Befristung erkennen lasse, und sich auf einen allgemeinen Grundsatz beruft, wonach ein Recht, das einer zeitlichen Befristung nicht unterliege, unbefristet in Anspruch genommen werden könne. Die Anwendung eines solchen Grundsatzes setzt allerdings voraus, dass das fragliche Recht im Ergebnis einer Gesetzesauslegung unter Einbeziehung aller anerkannten Methoden tatsächlich keiner zeitlichen Befristung unterliegt. Allein die Berufung auf einen - wie oben gezeigt - [X.]en Wortlaut greift dagegen zu kurz. Die weiteren von ihm gegen die Anwendung der [X.] nach § 586 [X.] 2 Satz 2 ZPO ins Feld geführten Gründe können dahinstehen, da vorliegend jedenfalls die [X.] nach § 45 [X.] 3 Satz 3 [X.]B X einzuhalten gewesen wäre.

Soweit sich die Befürworter einer unbefristeten [X.] auf die Urteile des B[X.] vom 16.2.1984 (1 RA 15/83 - B[X.]E 56, 165 = [X.] 1300 § 45 [X.] 6) sowie vom 28.9.1999 ([X.] U 32/98 R - B[X.]E 84, 281 = [X.] 3-2200 § 605 [X.] 1) berufen (zB [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] § 45 Rd[X.] 126, Stand 4/18), stehen diese der hier vertretenen Auslegung des § 45 [X.] 3 [X.]B X nicht entgegen. In beiden Urteilen wird lediglich mit einem Satz festgestellt, dass keine Gründe dafür bestehen, dass der dort jeweils von der Verwaltung zu Unrecht zurückgenommene Bescheid "nach § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X unbefristet zurückgenommen werden könnte" (B[X.] Urteil vom 16.2.1984 - 1 RA 15/83 - B[X.]E 56, 165 = [X.] 1300 § 45 [X.] 6 - juris Rd[X.]7; B[X.] Urteil vom 28.9.1999 - [X.] U 32/98 R - B[X.]E 84, 281 = [X.] 3-2200 § 605 [X.] 1 - juris Rd[X.] 36). Einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X in der Rechtsfolge überhaupt und stets eine unbefristete [X.] eröffnet oder ob zumindest in der vorliegend entscheidungserheblichen [X.]onstellation eine Rücknahme allenfalls innerhalb der [X.] des § 45 [X.] 3 Satz 3 [X.]B X möglich sein könnte, bedurfte es in den genannten Urteilen nicht, weil schon die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 [X.] 3 Satz 2 [X.]B X nicht vorlagen.

c) Der Verstoß gegen die Fristenregelungen des § 45 [X.] 3 [X.]B X ist auch im Überprüfungsverfahren nach § 44 [X.]B X zu beachten.

Der 14. [X.] des B[X.] (Urteil vom 28.5.1997 - 14/10 [X.] 25/95 - [X.] 3-1300 § 44 [X.]1 - juris Rd[X.]0 ff) und der 9. [X.] (Urteil vom [X.] - B 9 V 16/96 R - [X.] 3-1300 § 44 [X.]4 - juris Rd[X.] 16; ähnlich bereits Urteil vom [X.] - juris Rd[X.] 17) halten § 44 [X.] 1 Satz 1 [X.]B X - in Modifikation des Postulats, dass es nicht Sinn des [X.] sei, dem Antragsteller mehr zu gewähren als ihm nach materiellem Recht zustehe (vgl B[X.] Teilurteil vom [X.] - B 13 R 86/09 R - [X.] 4-2600 § 48 [X.] 4 Rd[X.] 43 mwN; B[X.] Urteil vom 24.4.2014 - B 13 R 3/13 R - [X.] 4-1300 § 44 [X.] 30 Rd[X.]2, 30) - auch dann für (entsprechend) anwendbar, wenn die Rechtswidrigkeit eines bestandskräftig gewordenen Widerrufs- bzw [X.] allein auf der Verletzung von vertrauensschützenden Vorschriften beruht (dieser Rspr folgend: Schütze in Schütze, [X.]B X, 9. Aufl 2020, § 44 Rd[X.] 18; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] § 44 Rd[X.] 50, [X.] April 2018; Baumeister in [X.]/Voelzke, jurisP[X.]-[X.]B X, 2. Aufl 2017, § 44 Rd[X.] 73, [X.] 23.3.2020; differenzierend Siewert in [X.]/[X.]/[X.], [X.]B X, 5. Aufl 2019, § 44 Rd[X.]4; ablehnend [X.] in [X.] [X.]omm, § 44 Rd[X.] 41, Stand März 2018; zur Darstellung des Meinungsstands vgl auch B[X.] Teilurteil vom [X.] - B 13 R 86/09 R - [X.] 4-2600 § 48 [X.] 4 Rd[X.] 43 ff). Zugleich entspricht es der Rechtsprechung des B[X.], dass im Verfahren auf Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts nicht bereits eine fehlende Anhörung im Ausgangsverfahren zur Rücknahme eines Aufhebungs- und [X.] verpflichtet (B[X.] vom 19.2.2009 - B 10 [X.]G 2/07 R - [X.] 4-5870 § 1 [X.] Rd[X.] 13; B[X.] Urteil vom [X.] - B 11 [X.] 3/17 R - [X.] 4-1300 § 44 [X.] 37 Rd[X.] 18 ff mwN). Insoweit hat zuletzt der [X.] ausgeführt, dass dem Betroffenen allein aufgrund einer unterbliebenen Anhörung kein unbedingtes Recht zum Behaltendürfen einer an sich nicht zustehenden Sozialleistung eingeräumt wird, weil eine unterbliebene Anhörung - anders als im Überprüfungsverfahren - im Widerspruchs- und Gerichtsverfahren nachgeholt werden könne (B[X.] Urteil vom [X.] - B 11 [X.] 3/17 R - [X.] 4-1300 § 44 [X.] 37 Rd[X.]0). Dies berücksichtigt zugleich den Gedanken, dass derjenige, der die Widerspruchs- oder [X.]lagefrist versäumt, nicht besser gestellt werden soll als derjenige, der fristgerecht von einem Rechtsbehelf Gebrauch macht (vgl hierzu B[X.] Urteil vom [X.] - 5a R[X.]n 2/83 - [X.] 1200 § 34 [X.] 18 - juris Rd[X.] 19; B[X.] Urteil vom 24.4.2014 - B 13 R 3/13 R - [X.] 4-1300 § 44 [X.] 30 Rd[X.]8; [X.], [X.]b 2015, 288, 290 f; [X.] in [X.] [X.]omm, § 44 Rd[X.] 42a, Stand März 2018).

Der erkennende 13. [X.] hat in der Vergangenheit offengelassen, inwieweit er sich der vorstehend skizzierten Rechtsprechung des 14. und 9. [X.]s (ähnlich wohl auch der [X.], vgl B[X.] Urteil vom 26.10.2017 - [X.] U 6/16 R - [X.] 4-2200 § 547 [X.] 1 Rd[X.]2) anschließt (B[X.] Teilurteil vom [X.] - B 13 R 86/09 R - [X.] 4-2600 § 48 [X.] 4 Rd[X.] 43 ff; B[X.] Urteil vom 24.4.2014 - B 13 R 3/13 R - [X.] 4-1300 § 44 [X.] 30 Rd[X.] 31). Auch vorliegend braucht der [X.] nicht zu entscheiden, ob jedweder Verstoß gegen vertrauensschützende Vorschriften der §§ 45, 48 [X.]B X oder gegen Formvorschriften des [X.] im Überprüfungsverfahren nach § 44 [X.]B X beachtlich ist. Im Überprüfungsverfahren zu beachten sind aber zumindest Verstöße gegen die Fristenregelungen des § 45 [X.] 3 [X.]B X. Diese Fristen dienen nicht dem bloßen Vertrauensschutz. Vielmehr etablieren sie im Dienste der Rechtssicherheit absolute zeitliche Grenzen für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte, unabhängig davon, ob der Begünstigte iS des § 45 [X.] 2 [X.]B X auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und in diesem Vertrauen schutzwürdig ist (vgl oben [X.]). [X.] kann auch die Frage, ob die durch §§ 44 ff [X.]B X vermittelten Ansprüche auf den Fortbestand rechtswidrig gewährter Begünstigungen der Sache nach als materiell-rechtlich zu qualifizieren sind (so Schütze in Schütze, [X.]B X, 9. Aufl 2020, § 44 Rd[X.] 18; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] § 44 Rd[X.] 50, [X.] April 2018), jedenfalls entfällt nach Ablauf der Ausschlussfristen des § 45 [X.] 3 [X.]B X jedwede Ermächtigung der Verwaltung zum Eingriff in die mittels des rechtswidrigen Verwaltungsakts geschaffene Rechtsposition des Begünstigten, sodass faktisch ein eigenständiger Rechtsgrund für das Behaltendürfen einer rechtswidrig zuerkannten Begünstigung geschaffen wird. Dessen Berücksichtigung im Überprüfungsverfahren führt zu keiner Besserstellung des "[X.]", weil - anders als im Falle von Anhörungsfehlern (hierzu oben) - ein Verstoß gegen diese Fristen nicht heilbar ist, weshalb auch ein fristgerechter Widerspruch erfolgreich gewesen wäre. Schließlich wird auch von [X.]ritikern der Rechtsprechung des 9. und 14. [X.]s eingeräumt, dass der Schutz vor dem mit der Rückforderung verbundenen Eingriff der Verwaltung weitergehe als der Schutz des Ansinnens, nicht zustehende Leistungen weiter oder erneut zu beziehen, weshalb die Anwendung des § 44 [X.]B X in Bezug auf Rücknahme- und Rückforderungsbescheide bei Fehlern im Rahmen der §§ 45, 48 [X.]B X, konkret im Bereich des Ermessens, im Ergebnis für möglich erachtet wird ([X.] in [X.] [X.]omm, § 44 Rd[X.] 42, Stand März 2018). Dies muss dann aber erst recht für den absoluten Ausschluss einer Rückforderung nach Ablauf der Fristen des § 45 [X.] 3 [X.]B X gelten.

3. Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 197a [X.] 1 Satz 1 [X.]G iVm § 154 [X.] 2 VwGO. Die [X.]lägerin ist nicht nach § 183 Satz 1 [X.]G kostenprivilegiert. Der [X.] kann insoweit auch die [X.]ostenentscheidungen der Vorinstanzen zu Ungunsten der [X.] ändern; denn das Verbot der reformatio in peius gilt hier nicht (stRspr; zB B[X.] Urteil vom 5.10.2006 - B 10 LW 5/05 R - B[X.]E 97, 153 = [X.] 4-1500 § 183 [X.] 4, Rd[X.]0; B[X.] Urteil vom 17.5.2011 - [X.] U 18/10 R - B[X.]E 108, 194 = [X.] 4-2700 § 6 [X.], Rd[X.] 63 jeweils mwN). Die [X.]lägerin ist weder mit Blick auf die bestrittene teilweise Aufhebung der Rente des Versicherten für die Vergangenheit noch in Hinblick auf die Rückforderung der überzahlten Rente Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten. Der Rechtsstreit betrifft keine Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die beim Tod des Berechtigten - also des Versicherten - nach § 56 [X.] 1 Satz 1 [X.] 1 [X.]B I seiner Witwe zustehen könnten. Das [X.] soll im Sinne einer Gewährleistung der mittelbaren unterhaltsrechtlichen Funktion des Sozialleistungsanspruchs die Lebensverhältnisse sicherstellen, die bestanden hätten, wenn die entsprechende Leistung rechtzeitig erbracht worden wäre (vgl B[X.] Beschluss vom 27.10.2016 - [X.] U 45/16 B - [X.] 4-1500 § 183 [X.] 13 Rd[X.] 5). Mithin fehlt es an einer Rechtfertigung für eine kostenrechtliche Privilegierung, wenn - wie hier - Sozialleistungen in Streit stehen, die vor dem Tod des Versicherten an diesen ausgezahlt worden sind und nach dessen Tod als vermeintliche Nachlassverbindlichkeit von der Erbin zurückgefordert werden (vgl zur [X.]ostenfolge in einem vergleichbaren Fall auch Hessisches [X.] Urteil vom 13.10.2017 - L 5 R 272/14 - juris Rd[X.] 47). Dementsprechend wird die [X.]lägerin von der [X.] auch nicht als Sonderrechtsnachfolgerin aus § 57 [X.] 2 Satz 1 [X.]B I (vgl nur [X.] in [X.]/Voelzke, jurisP[X.]-[X.]B I, 3. Aufl 2018, § 57 Rd[X.]1, Stand 2.12.2019) in Anspruch genommen.

4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Verfahren ergibt sich aus § 197a [X.] 1 Satz 1 [X.]G iVm § 63 [X.] 2 Satz 1, § 47 [X.] 1 Satz 1, § 52 [X.] 3 G[X.]G.

Meta

B 13 R 19/19 R

21.10.2020

Bundessozialgericht 13. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Oldenburg (Oldenburg), 13. April 2016, Az: S 82 R 302/14, Urteil

§ 56 Abs 1 S 1 SGB 1, § 57 Abs 2 S 1 SGB 1, § 44 Abs 1 S 1 SGB 10, § 45 Abs 1 SGB 10, § 45 Abs 2 S 3 Nr 1 SGB 10, § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB 10, § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB 10, § 45 Abs 3 S 1 SGB 10, § 45 Abs 3 S 2 SGB 10, § 45 Abs 3 S 3 Nr 1 SGB 10, § 50 SGB 10, § 580 Nr 7 Buchst b ZPO, § 586 Abs 2 S 2 ZPO, § 179 Abs 1 SGG, § 183 S 1 SGG, § 197a Abs 1 S 1 SGG, § 154 Abs 2 VwGO, § 1922 BGB, § 1967 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 21.10.2020, Az. B 13 R 19/19 R (REWIS RS 2020, 2559)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2559

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