Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.01.2012, Az. VI ZR 96/11

6. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10337

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Gegenstand

Beihilfe, Pflegegeld und Halbwaisenrente für ein durch ärztlichen Behandlungsfehler schwerbehindertes Kind eines verstorbenen Bundeswehrangehörigen: Verjährung der auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangenen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen in einem Altfall


Leitsatz

1. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB in der Fassung vom 16. August 1977 gilt nur für das Stammrecht, nicht dagegen für die aus dem Stammrecht fließenden weiteren Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen. Für diese gilt (unmittelbar) die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F..

2. Die ausschließliche Anwendbarkeit des § 197 BGB a.F. gilt auch hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist. Deshalb können Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen bereits vor Kenntniserlangung verjährt sein.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 11. März 2011 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 27. August 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittel hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, die [X.], vertreten durch die Wehrbereichsverwaltung West, macht gegen den beklagten [X.] auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche des [X.] geltend. Dieser ist Halbwaise nach einem verstorbenen Hauptfeldwebel der [X.]. Er erlitt aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers in einem Krankenhaus der Beklagten im September 1989 einen Gesundheitsschaden. Seit Mai 1991 ist er deshalb als Schwerbehinderter anerkannt.

2

Die Klägerin zahlte an [X.] wegen dessen Behinderung über die eigentliche Bezugsdauer nach Vollendung des 18. Lebensjahres und Ende der Schulausbildung hinaus [X.] und zudem Beihilfe sowie ab September 1995 Pflegegeld.

3

Mit Urteil vom 18. November 1996 wurde der Beklagte in einem vorangegangenen Rechtsstreit verurteilt, an den Geschädigten ein Schmerzensgeld in Höhe von 150.000 DM nebst Zinsen zu zahlen, da im Rahmen einer ärztlichen Behandlung im Krankenhaus des Beklagten behandlungsfehlerhaft ein WPW-Syndrom nicht diagnostiziert worden sei.

4

Mit Schreiben vom 5. August 1998 reichte die Mutter des Geschädigten bei der zuständigen Wehrbereichsverwaltung das vorbezeichnete Urteil mit dem zutreffenden Hinweis ein, dass ein zwischenzeitlich eingelegtes Rechtsmittel zurückgenommen worden sei. Durch Verfügung vom 31. Juli 2002 des [X.] wurde die Sache an das [X.] abgegeben "zwecks Prüfung, ob ein Erstattungsanspruch geltend gemacht werden kann". Daraufhin wandte sich die zuständige Sachbearbeiterin der Regressabteilung am 21. August 2002 erstmals direkt an den [X.] ([X.]) als Versicherer des beklagten [X.]. Daran schlossen sich weiterer Schriftverkehr und Telefonate an. Der [X.] vertrat die Auffassung, dass die Forderung bis einschließlich 1999 verjährt sei und leistete für die [X.] ab 1. Januar 2000 Zahlungen. Mit Schreiben vom 25. Juli 2005 verzichtete der [X.] auf Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 20. Juli 2006, soweit noch nicht "bereits Verjährung eingetreten ist". Die vorliegende Klage ist am 13. Juli 2006 beim [X.] eingegangen.

5

Das [X.] hat der - nach teilweiser Erledigung - auf Zahlung von [X.] € und Feststellung gerichteten Klage in Höhe von 5.805,80 € und hinsichtlich des Feststellungsantrags stattgegeben und sie hinsichtlich des weiter gehenden Leistungsantrags wegen Verjährung abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte auch insoweit verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der Entscheidung des [X.]s.

Entscheidungsgründe

I.

6

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 30 Abs. 3 Soldatengesetz ([X.]), § 87a Bundesbeamtengesetz ([X.]) wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung anlässlich des Krankenhausaufenthaltes des [X.] sei bezüglich des Zeitraums vom 1. Juli 1991 bis 31. Dezember 1997 entgegen der Ansicht des [X.] nicht verjährt.

7

Für den rechtskräftig ausgeurteilten Schmerzensgeldanspruch gelte die dreißigjährige Verjährungsfrist. Für den parallel laufenden Anspruch auf Ersatz materiellen Schadens in Form wiederkehrender Leistungen habe zunächst altes Recht gegolten. Wiederkehrende Leistungen seien danach, unabhängig davon, ob sie aus einem vertraglichen oder deliktischen Stammrecht folgen, nach den §§ 197, 201 [X.] a.F. binnen vier Jahren verjährt. Zutreffend habe das [X.] ausgeführt, dass die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche (Beihilfe, Pflegegeld, Waisenrente) solche auf wiederkehrende Leistungen seien. Dies würde bedeuten, dass Ansprüche für den Zeitraum bis 31. Dezember 1997 bei Inkrafttreten des [X.] zum 1. Januar 2002 verjährt wären, wie das [X.] entschieden habe.

8

Das [X.] habe jedoch nicht berücksichtigt, dass nicht der Geschädigte selbst die Ansprüche geltend mache, sondern dass sie mit dem Schadensfall gemäß § 30 Abs. 3 [X.], § 87a [X.] auf die Klägerin übergegangen seien. Im Falle einer cessio legis von deliktischen Ansprüchen stehe nach ständiger Rechtsprechung des [X.] einer Anwendung von § 197 [X.] a.F. entgegen, dass nach dieser Regelung die Verjährung unabhängig von der Kenntnis des Gläubigers eintrete. Denn die besondere Vorschrift des § 852 [X.] a.F. bestimme für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, dass die Verjährung nicht schon mit der Entstehung des Anspruchs beginne, sondern dass der Anspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an [X.], an dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlange, und ohne Rücksicht auf diese Kenntnis erst in 30 Jahren von der Begehung der Handlung an. Solange der Verletzte keine Kenntnis von dem Schaden und der Person des Schädigers erlangt habe, könne ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung nicht vor Ablauf von 30 Jahren von der Begehung der Handlung an [X.]n. Dies gelte auch bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung, die auf den Ersatz des durch wiederkehrende Leistungen entstandenen Schadens gerichtet seien. Es sei verfehlt, wollte man annehmen, dass derartige Ansprüche [X.]n könnten, bevor der Geschädigte die Kenntnis habe, die ihn überhaupt erst in die Lage versetze, sie gelten zu machen. Dem stehe der Schutzzweck des § 197 [X.] a.F. nicht entgegen.

9

Danach sei für den Beginn der Verjährung hier auf die Kenntnis der Bediensteten der Regressabteilung abzustellen, die diese erst im August 2002 erlangt hätten. Kurz danach sei die Klägerin in Verhandlungen eingetreten, so dass die Verjährung bis zur Einreichung der Klage am 13. Juli 2006 gehemmt gewesen sei. Zudem habe der [X.] im Juli 2005 bis zum 20. Juli 2006 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet, soweit noch nicht Verjährung eingetreten war.

II.

Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des die Klage teilweise abweisenden Urteils des [X.].

1. Zutreffend und von der Revision unbeanstandet geht das Berufungsgericht davon aus, die Schadensersatzansprüche des [X.] wegen der vom Beklagten zu vertretenden Fehlbehandlung seien gemäß § 30 Abs. 3 [X.], § 87a [X.] bereits im Zeitpunkt der unerlaubten Handlung auf die Klägerin übergegangen, wobei es sich bei den wegen der Behinderung zu erbringenden Schadensersatzleistungen, die hier in Frage stehen, um regelmäßig wiederkehrende Leistungen im Sinne von § 197 [X.] a.F. gehandelt habe. Die behinderungsbedingt über das achtzehnte Lebensjahr hinaus zu zahlende Waisenrente und der Mehraufwand für die regelmäßige Pflege eines erkrankten Kindes sind regelmäßig wiederkehrende Leistungen, auch wenn die Ansprüche nicht aus § 843 [X.], sondern aus Vertrag und den §§ 249 ff. [X.] hergeleitet werden (vgl. [X.], Urteil vom 30. Mai 2000 - [X.], [X.], 1116, 1117; Beschluss vom 18. Oktober 2005 - [X.], [X.], 132 Rn. 6 f.).

Das Berufungsgericht verkennt auch nicht, dass bei Anwendung der §§ 197, 201 [X.] a.F. hinsichtlich der Schadensersatzansprüche, die den von der Klägerin bis zum 31. Dezember 1997 erbrachten Leistungen kongruent sind, die Verjährung bereits vor Inkrafttreten des [X.] zum 1. Januar 2002 eingetreten ist.

2. Rechtsfehlerhaft ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, dass bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung der Beginn der Verjährung sich auch hinsichtlich regelmäßig wiederkehrender Leistungen nach § 852 [X.] a.F., nicht aber nach § 197 [X.] a.F. richte.

a) Nach § 197 [X.] a.F. [X.]n in vier Jahren die Ansprüche auf Rückstände von regelmäßig wiederkehrenden Leistungen. Die Verjährung beginnt mit dem Schlusse des Jahres, in welchem der Anspruch entsteht (§ 201 Satz 1, § 198 Satz 1 [X.] a.F.). Dem Gesetz ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass in dem Fall, in dem wiederkehrende Leistungen als Schadensersatz wegen einer unerlaubten Handlung zu erbringen sind, für den Beginn und die Dauer der Verjährung § 852 Abs. 1 [X.] a.F. anzuwenden sei, wonach der Anspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an verjährt, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt.

Der erkennende [X.] hat deshalb entschieden, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 [X.] a.F. nur für das Stammrecht gilt, nicht dagegen für die aus dem Stammrecht fließenden weiteren Ansprüche, bei denen es sich um Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen handelt, für die (unmittelbar) die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 [X.] a.F. gilt ([X.]surteile vom 12. Juli 1960 - [X.], [X.], 831, 832; vom 3. Juli 1973 - [X.], [X.], 1066, 1067; vom 24. Juni 1980 - [X.], [X.], 927; vom 30. Mai 2000 - [X.], aaO; vom 26. Februar 2002 - [X.], [X.], 996, 997). Die kurze Verjährungsfrist des § 197 [X.] a.F. kann auch Rentengläubigern entgegengehalten werden, die ein Feststellungsurteil über die Pflicht des Schuldners zum Ersatz künftiger Schäden (und damit gegebenenfalls auch zur Zahlung von Schadenersatzrenten) erstritten haben ([X.]sbeschluss vom 16. Oktober 1979 - [X.], [X.], 88). Eine Abhängigkeit der für die wiederkehrenden Leistungen geltenden von der für das Stammrecht geltenden Verjährungsfrist ergibt sich nach der früheren Rechtslage nur dann, wenn das Stammrecht verjährt ist; in diesem Fall kann sich der Anspruchsteller nicht mit Erfolg auf die (längere) Verjährungsfrist des § 197 [X.] a.F. berufen ([X.]surteile vom 5. Juli 1963 - [X.], [X.], 1160, 1161; vom 3. Juli 1973 - [X.], aaO; vgl. auch § 224 [X.] a.F.).

b) Die ausschließliche Anwendbarkeit des § 197 [X.] a.F. gilt auch hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist. Für eine Gesetzeslücke, die bei Ersatzansprüchen wegen unerlaubter Handlungen einen Abgleich zwischen § 197 [X.] a.F. und § 852 Abs. 1 [X.] a.F. erfordern könnte, ist nichts ersichtlich. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen verjährungsrechtlich vom jeweiligen Stammrecht abzuspalten und der gesonderten Verjährungsfrist des § 197 [X.] a.F. zu unterstellen (so zutreffend [X.], EWiR 2003, 101, 102). Der Gesetzeszweck, das übermäßige Anwachsen von Verbindlichkeiten zu verhindern (vgl. [X.], Urteile vom 23. September 1958 - [X.], [X.]Z 28, 144, 151 f.; vom 6. April 1981 - [X.], [X.]Z 80, 357, 358; vom 27. Januar 1988 - [X.], [X.]Z 103, 160, 169; [X.]. I 305; MünchKomm-[X.]/von [X.], 3. Aufl., § 197 Rn. 1), kann durchaus auch bei Schuldnern relevant sein, die nach den §§ 823 ff. [X.] haften. Dass der Gesetzeszweck in zahlreichen Fällen, etwa bei vorliegendem Versicherungsschutz oder dem Schadensausgleich zwischen solventen Leistungsträgern, in den Hintergrund tritt, rechtfertigt keine Abweichung von der klaren gesetzlichen Regelung.

Unerheblich ist auch, dass dem vorliegend geltend gemachten Anspruch ein Anspruchsübergang gemäß den seinerzeit geltenden § 30 Abs. 3 SG, § 87a [X.] auf die Klägerin zugrunde liegt; durch den Rechtsübergang einer Forderung auf einen Drittleistungsträger wird die Verjährungsfrist nicht berührt (so schon [X.]surteil vom 5. Juli 1963 - [X.], [X.], 1160).

c) Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht für seine Ansicht (ebenso wohl [X.], Beschluss vom 18. April 2005 - 1 U 5650/04, juris) auf das Urteil des erkennenden [X.]s vom 3. Oktober 1967 ([X.], [X.] 1968, 39). Dort hat der [X.] entschieden, dass § 852 [X.] a.F., nicht § 197 [X.] a.F. gilt, wenn der deliktische Anspruch auf Ersatz eines durch Nichterbringung wiederkehrender Leistungen entstandenen Schadens gerichtet ist. Darum geht es hier nicht. Hier ist der durch das von dem Beklagten zu vertretende deliktische Handeln dem [X.] entstandene Schaden durch regelmäßig wiederkehrende Leistungen zu kompensieren. Insoweit richtet sich die Verjährung aber nach § 197 [X.] a.F., nicht nach § 852 [X.] a.F. (so auch MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 852 Rn. 4; RGRK-[X.]/[X.], 12. Aufl., § 852 Rn. 15).

Dem vom Berufungsgericht ebenfalls herangezogenen [X.]surteil vom 13. April 1999 ([X.], [X.], 1126) ist für seine Auffassung nichts zu entnehmen. Soweit dort § 852 Abs. 1 [X.] a.F. herangezogen worden ist, ging es um die Verjährung des Stammrechts.

3. Danach hat das [X.] die Klage hinsichtlich der bis zum 31. Dezember 1997 entstandenen Regressforderungen mit Recht als verjährt angesehen. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, weist der [X.] die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] zurück (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Galke                                                     Zoll                                               Wellner

                         Diederichsen                                       [X.]

Meta

VI ZR 96/11

10.01.2012

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 11. März 2011, Az: 4 U 139/09, Urteil

§ 197 aF BGB, § 852 Abs 1 BGB vom 16.08.1977, § 30 Abs 3 SG vom 06.12.1985, § 87a BBG vom 18.07.1985

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.01.2012, Az. VI ZR 96/11 (REWIS RS 2012, 10337)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10337

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VI ZR 108/11

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