Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2010, Az. I ZB 26/10

I. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 1258

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 26/10 vom 18. November 2010 in der Zwangsvollstreckungssache

- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 18. November 2010 durch [X.] [X.] und [X.], [X.] und Dr. [X.] beschlossen: Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens. Gegenstandswert: 1.000 •. Gründe: [X.] Die Gläubiger betreiben gegen den Schuldner aus einem Urteil des [X.] vom 26. März 2009 die [X.]. Das [X.] hat den Schuldner verurteilt, an die Gläubiger einen Schießstand (Flurstück 876) sowie eine Abstellhalle und eine Freifläche nebst Zugangstoren (Flurstück 874) herauszugeben. 1 Der Schuldner hat gegen die vom Gerichtsvollzieher auf den 27. Januar 2010 anberaumte Zwangsräumung die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO beantragt. Dies hat er unter anderem damit begründet, dass er gegen die Gläubigerin zu 2, seine geschiedene Ehefrau, einen Anspruch auf Zugewinnausgleich habe, den diese nur durch Übereignung des Grundstücks mit der Flurstücknummer 876 (nachfolgend Grundstück 876) erfüllen könne. Die 2 - 3 - Gläubiger sind der beantragten Gewährung von [X.] entgegenge-treten. 3 Das Vollstreckungsgericht hat dem Antrag auf Gewährung von [X.] stattgegeben und die Einstellung der Räumung bis zur Entschei-dung über den Zugewinnausgleich, längstens jedoch bis zum 30. Juni 2010 bewilligt. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubiger hat das Beschwerdege-richt diese Entscheidung aufgehoben und den Antrag auf Vollstreckungsschutz zurückgewiesen. Dagegen hat der Schuldner die vom [X.] zugelassene Rechtsbe-schwerde eingelegt. Nach Ablauf der vom Vollstreckungsgericht angeordneten Befristung des [X.] hat er das Rechtsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Gläubiger haben der [X.] nicht widersprochen. 4 I[X.] Der [X.] hat nach § 91a ZPO über die Kosten zu entscheiden. [X.] sind die Kosten des Verfahrens dem Schuldner aufzuerlegen. 5 1. Die Vorschrift des § 91a ZPO gilt auch im Zwangsvollstreckungsver-fahren. Die Erledigung der Hauptsache kann auch noch im Rechtsbeschwerde-verfahren erklärt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Januar 2010 - [X.], [X.], 250 Rn. 5 mwN). Der [X.] hat die Gläubiger darauf hingewiesen, dass er über die Kosten entscheidet, wenn sie der [X.] des Schuldners nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widersprechen (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO). 6 2. Nach § 91a Abs. 1 ZPO ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluss über die [X.] - 4 - ten zu entscheiden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des [X.] zu berücksichtigen ([X.], [X.], 250 Rn. 5 mwN). Danach sind die Kosten des Verfahrens dem Schuldner aufzuerlegen. 8 Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde war zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hätte sie jedoch keinen Erfolg gehabt, weil das Be-schwerdegericht den Antrag des Schuldners auf Gewährung von [X.] nach § 765a ZPO mit Recht zurückgewiesen hat. Die Vorschrift des § 765a ZPO ermöglicht den Schutz gegen [X.], die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Die An-wendung dieser Bestimmung kommt nur in Betracht, wenn die Zwangsvollstre-ckungsmaßnahme im Einzelfall nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis für den Schuldner führen würde ([X.], [X.], 250 Rn. 7 mwN). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. 9 a) Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Vollstreckung des Räumungsanspruchs führe zu einem für den Schuldner untragbaren Er-gebnis, weil dieser berechtigterweise erwarten könne, das Eigentum an dem zu räumenden Grundstück 876 im Rahmen des laufenden [X.] zugewiesen zu erhalten und das Grundstück 876 damit wieder besitzen und nutzen zu können. Da nach einem anerkannten Rechtsgrundsatz derjenige treuwidrig und missbräuchlich handele, der eine Leistung verlange, die er [X.] zurückzugewähren habe, sei die Vollstreckung mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren. 10 - 5 - Nach den Feststellungen des [X.] ist es noch völlig of-fen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Schuldner gegen die Gläubige-rin zu 2 einen Anspruch auf Zugewinnausgleich hat. Über den Anspruch auf Zugewinnausgleich ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Soweit das Famili-engericht einen Ausgleichsanspruch von mehr als 111.000 • errechnet hat, handelt es sich dabei lediglich um eine vorläufige und unverbindliche Berech-nung. 11 Es kann auch nicht angenommen werden, dass dem Schuldner aufgrund eines - unterstellten - Zugewinnausgleichsanspruchs das Eigentum am [X.] 876 zu übertragen wäre und er damit wieder den Besitz und die Nutzun-gen des Grundstücks 876 erlangen würde. Dem steht entgegen, dass die Gläu-bigerin zu 2 nicht Alleineigentümer, sondern - neben dem Gläubiger zu 1, ihrem neuen Ehemann - lediglich Miteigentümer dieses Grundstücks ist. Das Famili-engericht kann zwar nach § 1383 BGB anordnen, dass der Schuldner des [X.] dem Gläubiger bestimmte Gegenstände seines Vermögens un-ter Anrechnung auf die Ausgleichsforderung zu übertragen hat, wenn dies [X.] ist, um eine grobe Unbilligkeit für den Gläubiger zu vermeiden, und wenn dies dem Schuldner zugemutet werden kann. Die Begründung einer Bruchteilsgemeinschaft zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger zu 1 dürf-te der Gläubigerin zu 2 wegen der zu erwartenden Verwaltungs- und Nutzungs-streitigkeiten zwischen ihrem geschiedenen und ihrem neuen Ehemann jedoch wohl kaum zumutbar sein (vgl. [X.].BGB/[X.], 5. Aufl., § 1383 Rn. 10; [X.]/[X.], BGB [2007], § 1383 Rn. 13). Selbst wenn dem Schuldner der Miteigentumsanteil der Gläubigerin zu 2 am Grundstück zu übertragen [X.], wäre er allein aufgrund seiner Rechtsstellung als Miteigentümer neben dem Gläubiger zu 1 nicht zum Besitz und zur Nutzung des Grundstücks berechtigt. 12 - 6 - Im Übrigen führt die Räumung der Grundstücke auch deshalb nicht zu einem mit Blick auf einen möglichen Zugewinnausgleichsanspruch untragbaren Ergebnis für den Schuldner, weil seine möglichen Ausgleichsansprüche da-durch gesichert sind, dass zu seinen Gunsten aufgrund eines dinglichen Arres-tes Zwangssicherungshypotheken auf den Miteigentumsanteilen der Gläubige-rin zu 2 an den Grundstücken eingetragen sind. 13 b) Die Rechtsbeschwerde macht weiter ohne Erfolg geltend, dem Schuldner würde durch die Räumung die Möglichkeit genommen, den auf dem Grundstück 876 befindlichen Schießstand zu vermieten und damit einen Teil seines Lebensunterhalts zu verdienen. Das [X.] hat darin, dass der Schuldner infolge der Räumung monatliche Einnahmen von 150 • aus dem Be-trieb der Schießanlage verliert, mit Recht keinen Umstand gesehen, der es rechtfertigt, von der [X.] abzusehen. Dass der monatliche Betrag von 150 • - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - angesichts der sehr beengten finanziellen Verhältnisse des Schuldners, der Sozialleistungen nach dem [X.] bezieht, einen erheblichen Teil seiner Lebensgrundlage dar-stellt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. 14 c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist dem Schuldner auch nicht deshalb Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu gewähren, weil die Gläubiger angekündigt haben, ihm nach der Räumung die Zufahrt bzw. den Zugang zu dem von ihm bewohnten Grundstück, das nur über das zu [X.] Grundstück 876 zugänglich ist, zu versperren bzw. zu erschweren. Der 15 - 7 - Schuldner ist nicht daran gehindert, gegen eine unberechtigte Behinderung des Zugangs zu dem von ihm bewohnten Grundstück vorzugehen. Er kann deshalb aber nicht die Einstellung der Zwangsvollstreckung verlangen. [X.] Pokrant Büscher
[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.]/09 - [X.], Entscheidung vom [X.]/10 -

Meta

I ZB 26/10

18.11.2010

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2010, Az. I ZB 26/10 (REWIS RS 2010, 1258)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1258

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