Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2015, Az. I R 28/14

1. Senat | REWIS RS 2015, 2555

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Gegenstand

Besteuerung sog. Invaliditätszulagen an Bedienstete des Europäischen Patentamts


Leitsatz

NV: Die aufgrund von Art. 62a des Statuts der Beamten des Europäischen Patentamts ausgezahlte sog. Invaliditätszulage ist als Gehalt und Bezug i.S. von Art. 16 Abs. 1 des Immunitätenprotokolls anzusehen und in Deutschland von der Besteuerung freizustellen. Es handelt sich nicht um "Renten und Ruhegehälter" i.S. von Art. 16 Abs. 2, die der Besteuerung in Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Bediensteten unterliegen würden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 4. Dezember 2012  9 K 1741/10 aufgehoben.

Die Einkommensteuer wird unter Abänderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids auf 0 € festgesetzt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr 2008 verheiratet und hatte ihren Wohnsitz im Inland. Sie wurde getrennt veranlagt und erzielte als Mitarbeiterin des [X.] ([X.]) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

2

Ab Oktober 2008 erhielt sie statt des regulären Grundgehalts eine sog. [X.]. Weitere Einkünfte erzielte die Klägerin nicht. Sowohl auf das reguläre Grundgehalt als auch auf die [X.] wurde eine interne Steuer zugunsten der [X.] (EPO) einbehalten. Neben den Pflichtbeiträgen der Klägerin für die [X.] Sicherung sowie den [X.] entrichtete sie (für die Grundbeiträge und die [X.]) Beiträge zum Versorgungssystem der EPO.

3

Die Klägerin erklärte für das Streitjahr steuerfreie Einkünfte in Gestalt des Grundgehalts und der [X.]. Sie legte u.a. zwei Bescheinigungen des [X.] vor, wonach die Zulage als Bezug nach Art. 16 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der [X.] ([X.], [X.] 1976, 985) der internen Steuer der EPO unterliege und von der staatlichen Einkommensteuer befreit sei.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) stufte die [X.] als steuerpflichtige Pensionszahlung [X.]. 16 Abs. 2 PPI ein und berücksichtigte das Grundgehalt bei der [X.] (Progressionsvorbehalt).

5

Das Finanzgericht (FG) München wies die hiergegen gerichtete Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 446 veröffentlichtem Urteil vom 4. Dezember 2012  9 K 1741/10 als unbegründet ab.

6

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 0 € herabzusetzen.

7

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und antragsgemäß zur Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr auf 0 €.

9

1. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass das im Streitjahr von der gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) unbeschränkt steuerpflichtigen Klägerin bezogene reguläre Grundgehalt als Gehalt und Bezug [X.]. 16 Abs. 1 [X.] von der [X.] Besteuerung auszunehmen ist. Hierzu bedarf es deshalb keiner weiteren Ausführungen des [X.]s.

2. Streitig ist allein, ob die ab Oktober 2008 gezahlte [X.] als Gehalt und Bezug [X.]. 16 Abs. 1 [X.] anzusehen und steuerfrei zu stellen ist oder als steuerpflichtige Rente und Ruhegehalt [X.]. 16 Abs. 2 [X.]. Der [X.] folgt ersterem; die streitbefangenen Zahlungen unterfallen als Gehälter und Bezüge Art. 16 Abs. 1 [X.] und sind steuerfrei zu stellen. Das [X.] --und ihm folgend die [X.] haben die [X.] zu Unrecht als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst.

a) Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind u.a. die in Art. 14 [X.] genannten Bediensteten des [X.] für die von der Organisation gezahlten Gehälter und Bezüge nach Maßgabe der Bedingungen und Regeln, die der Verwaltungsrat innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Übereinkommens festlegt, zugunsten der Organisation steuerpflichtig. Von diesem Zeitpunkt an sind diese Gehälter und Bezüge von der staatlichen Einkommensteuer befreit (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 [X.]); es handelt sich nicht um eine Ausnahme von der unbeschränkten Steuerpflicht, sondern um eine den Regelungen in § 3 EStG 2002 vergleichbare Steuerbefreiung. Dadurch soll unter allen Umständen die ungehinderte Tätigkeit des [X.] und die vollständige Unabhängigkeit der Personen, denen die Steuerbefreiung gewährt wird, gewährleistet werden (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Gemäß Art. 16 Abs. 2 [X.] ist Abs. 1 auf Renten und Ruhegehälter, die von der Organisation an ehemalige Bedienstete des [X.] gezahlt werden, nicht anzuwenden. Das Besteuerungsrecht verbleibt insoweit beim Ansässigkeitsstaat des ehemaligen Bediensteten (vgl. Schreiben des [X.] vom 3. August 1998, [X.], 1042, Nr. 2).

Nach Art. 8 und 164 Abs. 1 des Übereinkommens über die Erteilung [X.] Patente ([X.] --EPÜ--) vom 5. Oktober 1973 ([X.] 1976, 826) ist das [X.] Bestandteil dieses Übereinkommens. Es ist durch Art. I Satz 1 Nr. 3 des Gesetzes über internationale Patentübereinkommen vom 21. Juni 1976 ([X.] 1976, 649) unmittelbar innerstaatliches Recht geworden und am 7. Oktober 1977 in [X.] getreten (vgl. die Bekanntmachung über das Inkrafttreten des [X.] vom 9. September 1977, [X.] 1977, 792, und Beschluss des [X.] vom 10. März 1971  2 BvL 3/68, [X.] 30, 272, [X.] 1973, 431). Einer ausdrücklichen Aufnahme der Regelung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 [X.] in den Katalog der steuerfreien Einnahmen des § 3 EStG 2002 bedurfte es von daher nicht (vgl. Urteil des [X.] --BFH-- vom 6. August 1998 IV R 75/97, [X.], 410, [X.] 1998, 732).

Mit Beschluss vom 14. Dezember 2007 [X.] 30/07 hat der Verwaltungsrat der [X.] durch Einfügung des Art. 62a in die Statuten der Beamten des [X.] (Statut) die Einführung einer [X.] zum 1. Januar 2008 beschlossen. Nach Art. 62a Abs. 1 Statut scheidet ein Beamter, der die in Art. 54 Abs. 1 [X.]. a Statut vorgesehene Altersgrenze des vollendeten 65. Lebensjahres noch nicht erreicht hat, aus dem Dienst aus und erhält eine [X.]. (Weitere) Voraussetzung ist, dass eine Invalidität vorliegt, d.h. die körperliche und/oder geistige Unfähigkeit, die es dem Beamten endgültig unmöglich macht, seine Tätigkeit oder eine ähnliche Tätigkeit, die ihm zugemutet werden kann, auszuüben (Art. 62a Abs. 2 Statut). Eine solche Unfähigkeit ist nach Art. 62a Abs. 3 Statut von dem in Art. 89 Statut vorgesehenen Ärzteausschuss festzustellen.

Weiter hat der Verwaltungsrat der [X.] ebenfalls im Beschluss vom 14. Dezember 2007 [X.] 30/07 Art. 3 der "Verordnung über die interne Steuer zu Gunsten der [X.]" ([X.]) geändert. Danach wird ab dem 1. Januar 2008 die Steuer auf die gesamten, vom [X.] an die steuerpflichtigen Bediensteten gezahlten "Entgelte, Vergütungen, Zulagen und Beihilfen einschließlich der [X.]" erhoben. Nach Art. 4 [X.] wird die Steuer monatlich im Wege des [X.] erhoben. Diese interne Steuer wird nicht vom Bediensteten abgeführt, sondern ist für diesen lediglich eine Rechengröße, wobei das ihm zustehende Grundgehalt bereits um die interne Steuer bereinigt ist.

b) Die im Streitfall aufgrund von Art. 62a Statut an die Klägerin ausgezahlte [X.] ist --entgegen der [X.] als steuerfreies Gehalt und Bezug [X.]. 16 Abs. 1 [X.] anzusehen und nicht als steuerpflichtige Rente und Ruhegehalt [X.]. 16 Abs. 2 [X.].

aa) Der Revision ist allerdings zunächst nicht darin zu folgen, dass die nationale Besteuerung bereits deshalb entfällt, weil der Verwaltungsrat der [X.] die vom [X.] an die Klägerin gezahlte [X.] nach Art. 3 [X.] der internen Besteuerung unterworfen hat. Der [X.] hat dies bereits zur insofern rechtlich gleichgelagerten Problematik der an (ehemalige) Bedienstete des [X.] neben dem (regulären) Ruhegehalt gezahlten sog. [X.] entschieden ([X.]surteil vom 7. Juli 2015 I R 38/14, [X.], 180) und hieran hält er auch für den Streitfall fest. Zur näheren Begründung wird, auch um Wiederholungen zu vermeiden, auf das [X.]surteil in [X.], 180 verwiesen.

bb) Bei der [X.] nach Art. 62a Statut handelt es sich um "Gehälter und Bezüge" [X.]. 16 Abs. 1 [X.].

aaa) Völkerrechtliche Vereinbarungen und die darin enthaltenen Begriffe sind primär autonom nach Maßgabe völkerrechtlicher Grundsätze auszulegen (vgl. zuletzt [X.]sbeschluss vom 11. Dezember 2013 I R 4/13, [X.], 1, [X.] 2014, 791 unter Hinweis auf [X.], [X.] 2013, 87; derselbe in [X.], Vermeidung der Doppelbesteuerung und ihre Grenzen, Forum der Internationalen Besteuerung, Band 42, 2013, S. 1 ff.; jeweils m.w.N.). Ein völkerrechtlicher Vertrag ist danach nach den Grundsätzen zur Auslegung von Verträgen nach Art. 31 des [X.] über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 ([X.] 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des [X.] vom 3. August 1985 ([X.] 1985, 926) am 20. August 1987 ([X.] 1987, 757), nach [X.] und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Und dies gilt auch für die Bestimmungen des [X.]s als Bestandteil des [X.], obwohl dieses vor dem Inkrafttreten des [X.] über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 beschlossen worden ist, da es sich bei den Auslegungsgrundsätzen des Übereinkommens weitgehend um Völkergewohnheitsrecht handelt, das bereits vor dessen eigentlichen Inkrafttreten Geltung beansprucht. Im Vordergrund steht damit in erster Linie die authentische Interpretation eines im Vertrag verwendeten Begriffs durch den Vertrag selbst (vgl. zum [X.] etwa [X.], Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, 1982, 87), d.h. maßgebend ist zunächst der Wortlaut der Regelung.

bbb) Art. 16 Abs. 2 [X.] sieht ausdrücklich vor, dass Abs. 1 der Norm nicht auf Renten und Ruhegehälter anzuwenden ist, die von der Organisation an "ehemalige Bedienstete" des [X.] gezahlt werden. Art. 16 Abs. 1 [X.] dagegen erfasst über den Verweis auf Art. 14 [X.] Gehälter und Bezüge der "Bediensteten" des [X.]. Unabhängig von der Fragestellung, ob danach eine Abgrenzung zwischen Abs. 1 und 2 an den Gruppen der Bediensteten, nämlich der Gruppe der aktiv Bediensteten einerseits und der Gruppe der ehemaligen Bediensteten andererseits auszurichten ist (vgl. hierzu [X.]surteil in [X.], 180), kann für den Streitfall eine Abgrenzung zwischen Abs. 1 und 2 quasi negativ über Art. 16 Abs. 2 [X.] vorgenommen werden. Denn der Anwendungsbereich von Abs. 1 ist jedenfalls eröffnet, soweit es sich bei der Klägerin zum einen nicht um eine "ehemalige Bedienstete" handelt und/oder zum anderen die [X.] nicht als Rente und Ruhegehalt anzusehen ist.

ccc) Für die Frage, ob die Klägerin bei Bezug der [X.] als "ehemalige Bedienstete" anzusehen ist, sind dem Wortlaut des [X.]s keine weiteren Hinweise zu entnehmen. Es ist daher im Weiteren auf den Sinn und Zweck dieser Regelungen und dem jeweiligen [X.] abzustellen. Hierbei ist insbesondere die dienstrechtliche Stellung des Beziehers einer [X.] nach dem Statut in den Blick zu nehmen. Jenes spricht gegen eine Zuordnung zu den "ehemaligen Bediensteten".

aaaa) Art. 39 Abs. 1 Statut unterscheidet dienstrechtlich zwischen einem aktiven Dienst, einem nicht aktiven Dienst und dem einstweiligem Ruhestand. Empfänger der [X.] nach Art. 62a Statut werden in Art. 42 Statut ausdrücklich der Kategorie des nicht aktiven Dienstes zugewiesen. Demgegenüber werden in Art. 50 Statut abschließend die Tatbestände aufgeführt, die zu einem "endgültigen Ausscheiden aus dem Dienst" und damit zu einer Beendigung des Dienstverhältnisses führen. In [X.]. c dieser Bestimmung wird ausdrücklich die "Versetzung in den Ruhestand" als ein Fall genannt. Dies legt den Schluss nahe, dass mit der Versetzung in den "nicht aktiven Dienst" wegen Invalidität nach Art. 62a Statut (Art. 42 Abs. 1 [X.]. f Statut) lediglich ein vorübergehender Statuswechsel stattfindet, der gerade nicht zu einer (endgültigen) Beendigung des Dienstverhältnisses zur [X.] führt. Hierfür spricht auch, dass die [X.] im "Titel IV" unter der Überschrift "Arbeitsbedingungen" und der [X.]" aufgeführt wird.

bbbb) Diese Schlussfolgerung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass Art. 62a Abs. 1 Statut bestimmt, dass ein Beamter, der die Voraussetzungen für die Invalidisierung erfüllt, "aus dem Dienst aus[scheidet]". Dies kann nicht den in Art. 50 Statut abschließend aufgeführten Tatbeständen, die zu einem "endgültigen Ausscheiden aus dem Dienst" führen, gleichgestellt werden. Die nach Art. 177 Abs. 1 EPÜ gleichermaßen verbindlichen weiteren Sprachfassungen von Art. 16 Abs. 1 [X.] sprechen nach Auffassung des erkennenden [X.]s gegen ein "Ausscheiden aus dem Dienst" im Sinne einer (endgültigen) Beendigung des Dienstverhältnisses. So wird in der [X.] Sprachfassung von "cease to perform his duties" und in der [X.] Sprachfassung von "[X.]" gesprochen und damit --worauf die Revision zutreffend hinweist-- von einer Einstellung der dienstlichen Tätigkeiten, nicht aber von einer Beendigung des zugrunde liegenden Dienstverhältnisses.

cccc) Im Ergebnis wird diese Auslegung am ehesten der im Statut vorgesehenen zeitlichen Begrenzung der [X.] durch Versetzung in den Ruhestand mit Erreichen der Altersgrenze (vgl. [X.] 1 der Durchführungsvorschrift zu Art. 62a Statut i.V.m. Art. 54 Abs. 1a Statut) und dem damit verbundenen (dann) endgültigen Ausscheiden aus dem Dienst (vgl. Art. 50 Abs. 1 [X.]. c Statut) sowie der zwangsläufigen (Rück-)Versetzung in den aktiven Dienst, wenn der in Art. 89 Statut vorgesehene Ärzteausschuss die Voraussetzungen der Invalidität nicht mehr feststellen kann (vgl. [X.] 2 der Durchführungsvorschrift zu Art. 62a Statut), gerecht.

dddd) Die weiteren Hinweise des [X.] auf Art. 83 Abs. 2a und Abs. 3a Statut sowie Art. 18 Abs. 1 [X.]. iii der Versorgungsordnung des [X.] und Nr. VI der Durchführungsvorschrift zu Art. 62a Statut vermögen dies nicht zu entkräften. Zwar wird in diesen Vorschriften möglicherweise ein gewisser systematischer Zusammenhang zwischen der Gewährung einer [X.] und der Versetzung in den Ruhestand erkennbar, dies ist aber wiederum auf die [X.] Sprachfassung von Art. 62a Statut zurückzuführen und lässt die soeben aufgezeigten Regelungszusammenhänge unberücksichtigt.

eeee) Aus der durch den Verwaltungsrat der [X.] im Beschluss [X.] 30/07 in Art. 29 festgelegten Übergangsbestimmung für Beamte, die bei Inkrafttreten des Beschlusses das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet und ein Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit bezogen haben, folgt nichts anderes. Diese werden zwar durch die Übergangsbestimmung in das neue System der [X.] gemäß Art. 62a Statut überführt, damit ist jedoch nicht die Aussage verbunden, dass die neue [X.] wie das frühere Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit nunmehr der nationalen Einkommensbesteuerung nach Art. 16 Abs. 2 [X.] unterliegt.

ddd) Die [X.] nach Art. 62a Statut ist auch nicht als Rente oder Ruhegehalt [X.]. 16 Abs. 2 [X.] anzusehen. Die Auslegung nach dem Wortlaut von Art. 16 [X.] bleibt diesbezüglich ein weiteres Mal unergiebig. Der [X.] ergibt jedoch einen eindeutigen Befund.

Soweit Art. 62a Abs. 7 Statut anordnet, dass auf die [X.] u.a. Beiträge zum Versorgungssystem erhoben werden, lässt dies --entgegen der Vorinstanz, die dem keine weitere Bedeutung beigemessen hat-- nur den Schluss zu, dass es sich bei der [X.] nicht um eine Rente oder ein Ruhegehalt handeln kann. Denn eine Zahlung in das Versorgungssystem bei gleichzeitigem Bezug aus dem Versorgungssystem ist ausgeschlossen. Die Empfänger der [X.] gemäß Art. 62a Statut sind vielmehr ausdrücklich nicht in die Versorgungsordnung aufgenommen worden (vgl. Art. 14 des Beschlusses des Verwaltungsrates der [X.] [X.] 30/07). Weiter ist auch ein gleichzeitiger Bezug von [X.] und von Bezügen aus der Versorgungsordnung ausgeschlossen (Nr. VII Abs. 2 der Durchführungsvorschrift zu Art. 62a Statut; Art. 32 Versorgungsordnung). Dies macht hinreichend deutlich, dass es sich bei der [X.] und dem Ruhegehalt um zwei unterschiedliche (komplementäre) Systeme handelt.

eee) Die aufgezeigten Regelungszusammenhänge werden --entgegen der Annahme des [X.] schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass vor dem Beschluss des Verwaltungsrates der [X.] [X.] 30/07 die Vergütung von Bediensteten, die wegen Invalidität vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Dienst ausscheiden, in Art. 13 und 14 Versorgungsordnung geregelt war. Der Bedienstete erhielt danach ein Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit, das in [X.] als Ruhegehalt der Besteuerung unterlag. Auch wenn die (neue) [X.] diese Regelung ersetzt hat, kann hieraus nicht geschlussfolgert werden, dass die [X.] [X.] nach der bisherigen [X.] an Bedienstete, die wegen Krankheit in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurden, entspreche und deshalb unter Art. 16 Abs. 2 [X.] zu subsumieren sei. Eine dementsprechende Annahme lässt zum einen die aufgezeigten Unterschiede in der Ausgestaltung der [X.] nach Art. 62a Statut (insbesondere Art. 62a Abs. 7 Statut) gegenüber dem früheren Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit in Art. 13 und 14 Versorgungsordnung i.d.F. bis 31. Dezember 2007 und zum anderen die aufgezeigten Regelungszusammenhänge unberücksichtigt. Ein Überschreiten der Organisations- und Personalhoheit der [X.] ist nicht ersichtlich, soweit sich die neu geschaffenen Regelungen zur [X.] im Rahmen der materiellen Vorgaben von Art. 16 Abs. 1 und 2 [X.] bewegen, was vorliegend der Fall ist.

fff) Der von der Vorinstanz angestrengte Vergleich zu den "Parallelregelungen für die Beamten der [X.]" ist möglich, im Streitfall aber wiederum unergiebig. Zur Auslegung internationaler Verträge können zwar Bestimmungen anderer internationaler Verträge herangezogen werden (BFH-Urteil in [X.], 410, [X.] 1998, 732, m.w.N.), dabei sind jedoch auch die Regelungszusammenhänge dieser internationalen Verträge zu beachten. Im Streitfall ergibt sich danach, dass ein Vergleich zur Verordnung ([X.], Euratom, [X.]KS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der [X.] anwendbar sind ([X.] 1968, Nr. L 56, 1) --[X.]-Beamtenstatut-- schon allein deshalb unzulässig ist, weil darin die dienstrechtliche Stellung des "nicht aktiven Dienstes" nicht bekannt ist und --worauf die Vorinstanz ausdrücklich hinweist-- Folgen einer Invalidität in Titel III Kapitel 4 "Endgültiges Ausscheiden aus dem Dienst" geregelt sind. Die Regelungen im [X.]-Beamtenstatut sind daher bereits nicht vergleichbar und können das Urteil des [X.] nicht stützen.

cc) Dem kann schließlich auch nicht entgegen gehalten werden, dass die (erst) mit Beschluss des Verwaltungsrates der [X.] vom 14. Dezember 2007 [X.] 30/07 eingeführte [X.] nicht, wie von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] gefordert, "nach Maßgabe der Bedingungen und Regeln, die der Verwaltungsrat innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Übereinkommens festlegt, zugunsten der Organisation steuerpflichtig" ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass mit dieser Formulierung "statisch" auf die mit Beschluss des Verwaltungsrates der [X.] vom 29. Oktober 1977 [X.] 13/77 und damit auf die innerhalb der in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestimmten Jahresfrist erlassene Fassung der [X.] und nicht auf spätere Fassungen der [X.] verwiesen wird (s. dazu auch [X.], Steuer und Wirtschaft International 2015, 505 Fußnote 5), ergibt sich hieraus für die im Streitfall relevanten Zusammenhänge eine Steuerpflicht der erst zum 1. Januar 2008 geschaffenen [X.] zugunsten der [X.]. Denn Art. 3 [X.] i.d.F. des Beschlusses [X.] 13/77 sieht vor, dass die im [X.] vorgesehene Steuer "auf die gesamten, vom Patentamt an die steuerpflichtigen Bediensteten gezahlten Entgelte, Vergütungen, Zulagen und Beihilfen ... erhoben [wird]". Da sich aus den aufgezeigten Regelungszusammenhängen ergibt, dass die [X.] jedenfalls nicht als Rente oder Ruhegehalt anzusehen ist, handelt es sich demnach um ein Entgelt, eine Vergütung oder Zulage [X.]. 3 [X.] i.d.F. des Beschlusses [X.] 13/77. Es kommt damit nicht darauf an, ob die "Jahresfrist" in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch "dynamisch" dahin zu verstehen ist, dass nur abstrakt eine Steuerpflicht zugunsten der [X.] innerhalb der Jahresfrist festzulegen war, die Voraussetzungen und Inhalte der Steuerpflicht im Einzelnen aber späteren Regelungen vorbehalten bleiben sollten. Es kann weiter offen bleiben, ob ein derartiges Verständnis nicht am ehesten der Regelung in Art. 33 Abs. 2 EPÜ entspricht, wonach dem Verwaltungsrat der [X.] ausdrücklich die Befugnis eingeräumt wird, u.a. das Statut der Beamten und deren Besoldung nicht nur zu erlassen, sondern auch zu ändern.

3. Die Vorinstanz hat ein abweichendes Rechtsverständnis vertreten. Die Sache ist spruchreif und der Klage stattzugeben. Die Einkommensteuer für das Streitjahr ist auf 0 € festzusetzen, da neben dem Grundgehalt und der [X.] keine weiteren inländischen Einkünfte erzielt wurden.

4. [X.] ergeht nach § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

I R 28/14

11.11.2015

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 4. Dezember 2012, Az: 9 K 1741/10, Urteil

Art 16 Abs 1 VorRImmProt, Art 16 Abs 2 VorRImmProt, Art 31 VtrRKonv

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2015, Az. I R 28/14 (REWIS RS 2015, 2555)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2555

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 Sa 167/15 (LArbG München)

Immunität der Europäischen Patentorganisation


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