Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.04.2014, Az. VIII ZR 103/13

8. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6014

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Gegenstand

Zwangsverwaltung: Unwirksamkeit einer Vorausverfügung über die Miete gegenüber dem Zwangsverwalter


Leitsatz

Eine in einem Mietvertrag mit fester Laufzeit als Einmalzahlung vereinbarte und vor der Beschlagnahme vollständig gezahlte Miete ist den Hypothekengläubigern gegenüber gemäß § 1124 Abs. 2 BGB insoweit unwirksam, als sie sich auf die (fiktive) anteilige Miete für eine spätere Zeit als den zur Zeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat (beziehungsweise bei Beschlagnahme nach dem fünfzehnten Tage des Monats für eine spätere Zeit als den ersten Monat nach der Beschlagnahme) bezieht.

Tenor

Die Revision der Beklagten zu 1 gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des [X.] vom 15. März 2013 wird zurückgewiesen.

Auf die Rechtsmittel des [X.] werden das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben und das Urteil des [X.] vom 19. Juli 2012 insoweit abgeändert, als hinsichtlich des [X.] zum Nachteil des [X.] entschieden worden ist.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Grundbesitz in [X.]           ,      [X.](Grundbuch von [X.], Blatt  , Gemarkung D.     , Flur  , Flurstück   ), zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beklagten zu 1 bis 3 die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des [X.] zu 85 % als Gesamtschuldner zu tragen sowie die Beklagte zu 1 zu weiteren 15 % allein.

Von den Kosten der ersten und zweiten Instanz haben die Beklagten zu 1 bis 3 die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des [X.] zu 85 % als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 1 zu weiteren 5 % allein zu tragen. Der Kläger hat 10 % der Gerichtskosten und 20 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 zu tragen.

Im Übrigen tragen die Parteien ihre Kosten jeweils selbst.

Das Urteil ist bezüglich der Kosten und der Verurteilung der Beklagten zu 2 und 3 zur Räumung und Herausgabe vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte zu 2 war ursprünglich Eigentümer des [X.]          in [X.]    . Er bewohnt das auf dem Grundstück belegene Haus gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Beklagten zu 3.

2

Nachdem im Jahr 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 2 eröffnet worden war, ordnete das Amtsgericht die Zwangsversteigerung des [X.] an. Am 28. August 2009 wurde der Zuschlag [X.](im Folgenden: Ersteher) zu einem Gebot von 160.000 € erteilt. Dieser hinterlegte einen Betrag in Höhe von 22.000 €; weitere Zahlungen leistete er auf das Gebot nicht. Daraufhin wurde von einem Grundpfandgläubiger - neben einem erneuten Zwangsversteigerungsverfahren - ein Zwangsverwaltungsverfahren über den Grundbesitz eingeleitet. In diesem Verfahren wurde der Kläger durch Beschluss des [X.] vom 26. November 2009 zum Zwangsverwalter über das Grundstück bestellt und nahm es am 1. Dezember 2009 in Besitz.

3

Die Beklagten zu 2 und 3 berufen sich gegenüber dem Kläger auf einen mit ihrer Tochter, der Beklagten zu 1, geschlossenen Untermietvertrag über das Grundstück sowie darauf, dass die Beklagte zu 1 mit dem Ersteher bereits am 28. August 2009 einen Festmietvertrag über das Grundstück für den [X.]raum vom 1. September 2009 bis zum 31. August 2015 abgeschlossen und die für diesen [X.]raum vereinbarte Miete von 35.000 € am selben Tag an den Ersteher gezahlt habe.

4

Die Beklagte zu 1 hat eine am 3. September 2009 notariell beglaubigte Kopie eines von ihr und dem Ersteher unterzeichneten, auf den 28. August 2009 datierten Mietvertrags über den streitigen Grundbesitz vorgelegt. Darin heißt es:

"1) Vermieter ist auf Grund des [X.]] vom 28.08.2009 […] Eigentümer des […] Grundstücks. […]

4) Mietbeginn ist der [X.] Das Mietverhältnis endet am 31.08.2015.

5) [X.] für den gesamten Mietzeitraum vom 01.09.09 bis zum 31.08.2015 beträgt 35.000,00 Euro. […]

7) Mieterin ist berechtigt, eine einmalige Verlängerung der Mietzeit um drei Jahre zu verlangen. […] [X.] während des [X.] wird bereits jetzt mit 80 % […] des zum [X.]punkt des Eintritts des [X.] ortsüblichen Mietzinses für vergleichbare Mietobjekte vereinbart. Der übrige Inhalt des [X.] soll unverändert bleiben.

8) Für den Fall der vorzeitigen Kündigung dieses Vertrages, die nur für den Fall der Durchführung eines Vollstreckungsversteigerungsverfahrens in Betracht kommen kann, ist der rechnerisch nicht verbrauchte Teil des Mietzinses zuzüglich eines [X.] von 30% zu dem rechnerisch ermittelten Betrag an die Mieterin auszuzahlen. […]

10) Mieterin ist uneingeschränkt zur Untervermietung berechtigt, allerdings auch insoweit nur zur Wohnnutzung. […]

Der Vermieter bestätigt mit seiner nachfolgenden Unterschrift, dass er den Mietzins von 35.000 Euro […] im Zusammenhang mit der Unterzeichnung dieses Vertrags erhalten hat."

5

Mit Schreiben vom 22. Februar 2010 forderte der Kläger die Beklagte zu 1 erfolglos zur Zahlung eines ortsüblichen Nutzungsentgelts in Höhe von monatlich 900 € für die [X.] ab Dezember 2009 auf. Die Beklagte zu 1 meint, die an den Ersteher geleistete Einmalzahlung sei dem Kläger gegenüber wirksam. Sie sei deshalb nicht zur Zahlung von Miete oder Nutzungsentgelt an den Kläger verpflichtet. Demgemäß erbrachte sie auch in der Folgezeit keine Zahlungen an den Kläger. Mit Schreiben vom 26. Mai 2010 und vom 6. Februar 2012 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs.

6

Der Kläger hat die Beklagten als Gesamtschuldner auf Räumung des zwangsverwalteten [X.] in Anspruch genommen, die Beklagte zu 1 zusätzlich auf Zahlung von 2.700 € (Nutzungsersatz für die Monate Dezember 2009 bis Februar 2010) nebst vorgerichtlichen Kosten und Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das Landgericht dem [X.] in Höhe von 972,22 € nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Zahlungsklage sowie die Räumungsklage abgewiesen. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgt der Kläger den [X.] weiter, die Beklagte zu 1 begehrt die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der [X.] zu 1 ist unbegründet, die des [X.] hat Erfolg. Über das Rechtsmittel des [X.] ist, soweit es sich gegen die [X.] zu 2 und 3 richtet, antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die [X.] zu 2 und 3 in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten waren. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung ([X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81 ff.).

I.

8

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

9

Dem Kläger stehe gegen die Beklagte zu 1 aus § 535 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 1124 Abs. 2 [X.] lediglich ein Anspruch auf Zahlung von Miete für die Monate Januar und Februar 2010 in Höhe von insgesamt 972,22 € zu. Der vorrangig geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von [X.] in Höhe von insgesamt 2.700 € für Dezember 2009, Januar und Februar 2010 aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Fall, § 818 Abs. 2 [X.] bestehe dagegen nicht. Die Beklagte zu 1 habe den Besitz an dem streitgegenständlichen Grundstück nicht ohne Rechtsgrund erlangt, denn der mit dem Ersteher unter dem 28. August 2009 geschlossene Mietvertrag wirke gemäß § 152 Abs. 2 [X.] auch gegenüber dem Kläger als Zwangsverwalter. Das Grundstück habe sich schon vor der Beschlagnahme im Besitz der [X.] befunden. Nach der vom Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme und der vorgelegten notariell beglaubigten Kopie des Mietvertrags sei davon auszugehen, dass der von der [X.] zu 1 behauptete Mietvertrag tatsächlich, wie von ihr behauptet, bereits am Tage der Versteigerung (28. August 2009) wirksam abgeschlossen worden sei und sie die vereinbarte Mietzahlung von 35.000 € auch erbracht habe.

Die Zahlung an den Ersteher als ursprünglichen Vermieter stehe dem Anspruch des [X.] auf Zahlung der Miete für die Monate Januar und Februar 2010 allerdings nicht entgegen. Denn diese Vorausverfügung sei gemäß § 1124 Abs. 2 [X.] dem Kläger gegenüber unwirksam, soweit sie sich auf die Miete für einen späteren als den zur [X.] beziehe. Da die Beschlagnahme, deren Datum nicht habe aufgeklärt werden können, jedenfalls nicht vor dem 26. November 2011 erfolgt sei, sei die Vorausverfügung nach § 1124 Abs. 2, 2. Halbsatz [X.] selbst dann, wenn die Beschlagnahme noch vor Ablauf des Monats November erfolgt sein sollte, nur noch für den Monat Dezember 2009, nicht aber für die Folgemonate wirksam.

Eine Vorausverfügung im Sinne von § 1124 Abs. 2 [X.] setze nach der Rechtsprechung des [X.] voraus, dass die Miete nach periodischen [X.]abschnitten bemessen sei. Hiervon sei im Streitfall indes auszugehen. Denn anders als in den vom [X.] entschiedenen Fällen, in denen der Mieter die Wohnung jeweils zu lebenslanger Nutzung und somit auf unbestimmte [X.] gemietet habe, sei die Einmalzahlung von 35.000 € hier für ein zeitlich befristetes Mietverhältnis vereinbart worden und könne deshalb ohne weiteres in eine fiktive monatliche Miete umgerechnet werden. Dabei ergebe sich eine (fiktive) monatliche Miete von [X.] (35.000 € geteilt durch 72 Monate).

Ein Anspruch auf Räumung stehe dem Kläger hingegen - derzeit - weder gegen die Beklagte zu 1 aus § 546 Abs. 1 [X.] noch gegen die [X.] zu 2 und 3 aus § 546 Abs. 2 [X.] zu. Zwar sei die Beklagte zu 1 ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, an den Kläger ab Januar 2010 eine monatliche Miete von [X.] zu zahlen. Die auf Zahlungsverzug (§ 543 Abs. 2 Nr. 3a [X.]) gestützten Kündigungen des [X.] seien gleichwohl unwirksam, weil sich die Beklagte zu 1 - jedenfalls bis zur Verkündung des Urteils im Berufungsverfahren - mangels Verschuldens im Sinne des § 286 Abs. 4 [X.] nicht im Verzug mit der Zahlung der (monatlichen) Miete befunden habe. Es liege ein unverschuldeter Rechtsirrtum der [X.] zu 1 über die Verpflichtung vor, trotz geleisteter Mietvorauszahlung an den Ersteher ab Januar 2010 nochmals Miete an den Kläger zahlen zu müssen.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Zwar hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass die Zahlung des Betrages von 35.000 € an den ursprünglichen Vermieter als Vorausverfügung gemäß § 1124 Abs. 2 Halbsatz 2 [X.] dem Kläger gegenüber unwirksam ist, soweit sie sich auf die Miete ab Januar 2010 bezieht. Dem Kläger steht deshalb der in der Revisionsinstanz noch streitige Zahlungsanspruch (je [X.] für die Monate Januar und Februar 2010) zu.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht hingegen angenommen, dass sich die Beklagte zu 1 zumindest bis zur Verkündung des Urteils im Berufungsverfahren in einem unverschuldeten Rechtsirrtum über ihre Verpflichtung zur Zahlung von Miete an den Kläger befunden habe und deshalb die vom Kläger gegenüber der [X.] zu 1 ausgesprochenen Kündigungen wegen Zahlungsverzugs vom 26. Mai 2010 und vom 6. Februar 2012 sowie der hierauf gestützte Räumungsanspruch gegen die [X.] zu 1 bis 3 unbegründet seien.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1 für die [X.] ab Januar 2010 - entgegen der Auffassung der Revision der [X.] zu 1 - ein Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Miete in Höhe von [X.] zu (§ 535 Abs. 2 [X.]).

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte zu 1 mit dem Ersteher einen Mietvertrag über das streitige Grundstück abgeschlossen hat. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die von der [X.] zu 1 an den ursprünglichen Vermieter erbrachte Zahlung von 35.000 € als Vorausverfügung gemäß § 1124 Abs. 2 Halbsatz 2 [X.] dem Kläger gegenüber unwirksam ist, soweit sie sich auf die Miete ab Januar 2010 bezieht.

aa) Die Wirksamkeit von Vorausverfügungen des Vollstreckungsschuldners (hier des [X.]) richtet sich allein nach den Vorschriften der §§ 1124, 1125 [X.], wenn - wie hier - ein Grundpfandgläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt. Dies ergibt sich aus § 146 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 20 Abs. 2 [X.] ([X.]sbeschluss vom 11. Oktober 2011 - [X.], [X.], 112 Rn. 2; [X.], Urteile vom 8. Dezember 2010 - [X.], NJW-RR 2011, 371 Rn. 15; vom 25. April 2007 - [X.], [X.], 2919 Rn. 21; vom 23. Juli 2003 - [X.], [X.], 510 unter [X.] a).

bb) Nach § 1124 Abs. 2 [X.] ist eine Verfügung dem Grundpfandgläubiger gegenüber insoweit unwirksam, als sie sich auf die Miete für eine spätere [X.] als den Monat der Beschlagnahme bezieht. Eine Vorausverfügung im Sinne von § 1124 Abs. 2 [X.] setzt die Existenz einer nach periodischen [X.]abschnitten bemessenen Miete gegen den Schuldner voraus, auf die durch ein Rechtsgeschäft eingewirkt wird ([X.]sbeschluss vom 11. Oktober 2011 - [X.], aaO Rn. 3; [X.]surteile vom 5. November 1997 - [X.], [X.]Z 137, 106, 111 ff.; vom 25. April 2007 - [X.], aaO Rn. 23; vom 11. Juli 1962 - [X.], [X.]Z 37, 346, 351 ff.). An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch nach der Rechtsprechung des [X.]s, wenn der Mietvertrag auf die Lebenszeit des Mieters abgeschlossen und als Gegenleistung bei Abschluss des Mietvertrags eine Einmalzahlung als Miete vereinbart ist. Denn in diesen Fällen kann nicht bestimmt werden, welcher Teil der Einmalzahlung auf die [X.] nach der Beschlagnahme entfällt ([X.]sbeschluss vom 11. Oktober 2011 - [X.], aaO; [X.]surteil vom 25. April 2007 - [X.], aaO Rn. 24).

cc) So verhält es sich im Streitfall nicht. Der Mietvertrag über den streitigen Grundbesitz wurde nicht auf die Lebenszeit der [X.] zu 1, sondern auf eine feste Mietzeit von sechs Jahren abgeschlossen, so dass ohne weiteres eine Umrechnung des geschuldeten Einmalbetrags auf periodische - üblicherweise monatliche - [X.]abschnitte erfolgen kann.

Dies genügt für die Anwendbarkeit des § 1124 Abs. 2 [X.] (vgl. zu der vergleichbaren Interessenlage bei §§ 566b, 566c [X.]: [X.]/Häublein, 6. Aufl., § 566b Rn. 10 und § 566c Rn. 9; [X.], Mietrecht, 11. Aufl., § 566b [X.] Rn. 30; vgl. ferner [X.], NJW-RR 1989, 1421, 1422, zur Umrechnung einer Jahrespacht auf monatliche Beträge bei § 1124 Abs. 2 [X.]). Insbesondere kommt es nicht - wie die Revision der [X.] zu 1 meint - darauf an, ob die Parteien von einer Bemessung nach periodischen [X.]abschnitten ausgegangen sind. Einer Feststellung eines dahin gehenden Parteiwillens bedarf es somit nicht.

Die Regelung des § 1124 Abs. 2 [X.], nach der Vorausverfügungen über die Miete dem Hypothekengläubiger gegenüber grundsätzlich unwirksam sind, dient dem Schutz des Gläubigers, der für die [X.] nach der Beschlagnahme (mit den dort zum Schutz des Mieters bestimmten Einschränkungen für den im [X.]punkt der Beschlagnahme laufenden beziehungsweise den darauf folgenden Kalendermonat) den Gegenwert der Gebrauchsüberlassung erhalten soll. Die bisher vom [X.] - in besonderen Fallkonstellationen - für die Fälle eines Vertragsabschlusses auf die Lebenszeit des Mieters anerkannte Ausnahme beruht darauf, dass in diesen Fällen nicht ermittelt werden kann, wie hoch die monatliche Miete ist. Ob an dieser Rechtsprechung uneingeschränkt festzuhalten ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn anders als bei einem auf die Lebenszeit des Mieters abgeschlossenen Vertrag ist bei einer Festmietzeit ohne weiteres eine (fiktive) Umrechnung einer im Mietvertrag vereinbarten Einmalzahlung auf monatliche Zahlungen möglich. Für eine Einschränkung des durch § 1124 Abs. 2 [X.] beabsichtigten Gläubigerschutzes besteht in diesen Fällen kein Grund. Entgegen der Auffassung der Revision der [X.] zu 1 verbietet es der Wortlaut des § 1124 Abs. 2 [X.] nicht, eine im Mietvertrag vereinbarte Einmalzahlung der Miete, die - wie hier - vor der Beschlagnahme für die gesamte feste Laufzeit des Mietvertrags erbracht wird, insoweit als unwirksam anzusehen, als damit die (fiktive) anteilige Miete für die Monate nach der Beschlagnahme entrichtet worden ist. Im Gegenteil wird dies durch die Formulierung des Gesetzes ("insoweit unwirksam") sogar nahe gelegt.

2. Mit Erfolg wendet sich die Revision des [X.] jedoch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Kläger (zuletzt am 6. Februar 2012) erklärte Kündigung wegen Zahlungsverzugs sei unwirksam. Zu diesem [X.]punkt befand sich die Beklagte zu 1 mit der Zahlung der Miete für die Monate ab Januar 2010 und deshalb mit einem Betrag von (mehr als) zwei Monatsmieten in Verzug (§ 543 Abs. 2 Nr. 3b [X.]). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts entfiel der Zahlungsverzug nicht deshalb, weil die Beklagte zu 1 jedenfalls bis zur Verkündung des Berufungsurteils aufgrund eines unverschuldeten [X.] davon hätte ausgehen dürfen, dass die zu Beginn des Mietverhältnisses an den Ersteher in Höhe von 35.000 € geleistete Zahlung dem Kläger gegenüber wirksam wäre und sie deshalb die geforderte Miete nicht zahlen müsste.

a) An das Vorliegen eines unverschuldeten [X.] sind nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.]s auch im Wohnraummietrecht strenge Anforderungen zu stellen; es besteht kein Grund, im Rahmen von § 543 Abs. 2 Nr. 3 [X.] zu Gunsten des Mieters einen milderen Maßstab anzulegen ([X.]surteile vom 11. Juli 2012 - [X.], NJW 2012, 2882 Rn. 19; vom 25. Oktober 2006 - [X.], [X.], 428 Rn. 27 ff. [X.]). Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt regelmäßig nur vor, wenn der Schuldner die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte ([X.], Urteile vom 11. April 2012 - [X.], [X.], 323 Rn. 31; vom 12. Juli 2006 - [X.], [X.], 3271 Rn. 19; vom 4. Juli 2001 - [X.], [X.], 2012 unter [X.] d; vom 28. Juni 1978 - [X.], NJW 1978, 2148 unter [X.], insoweit in [X.]Z 72, 147 nicht abgedruckt; vom 9. Februar 1951 - [X.], NJW 1951, 398; [X.], Beschluss vom 19. Juli 2011 - [X.], [X.], 1506 Rn. 12). Ein solcher Ausnahmefall ist etwa dann anzunehmen, wenn der Schuldner eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung für seine Auffassung in Anspruch nehmen konnte und mit einer späteren Änderung derselben nicht zu rechnen brauchte.

Bei einer unklaren Rechtslage handelt hingegen bereits fahrlässig, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss. Der Schuldner darf nicht das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage dem Gläubiger zuschieben ([X.], Urteile vom 25. Oktober 2006 - [X.], aaO Rn. 25; vom 27. September 1989 - [X.], NJW-RR 1990, 160, 161; vom 24. September 2013 - [X.]/12 juris Rn. 19). Entscheidet er sich bei zweifelhafter Rechtslage dafür, die von ihm geforderte Leistung nicht zu erbringen, geht er - von besonderen Sachlagen abgesehen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 73. Aufl., § 276 Rn. 23 [X.]) - das Risiko, dass sich seine Einschätzung später als falsch erweist, zumindest fahrlässig ein und hat deshalb seine Nichtleistung zu vertreten, wenn er - wie in einem späteren Rechtsstreit festgestellt wird - zur Leistung verpflichtet war.

Sofern der Schuldner zu einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung nicht in der Lage ist, muss er Rechtsrat einholen; für ein etwaiges Verschulden seines Rechtsberaters hat er nach § 278 [X.] einzustehen ([X.], Urteile vom 25. Oktober 2006 - [X.], aaO Rn. 21 ff.; vom 12. Juli 2006 - [X.], aaO Rn. 20), wobei für einen unverschuldeten Rechtsirrtum des Rechtsberaters die oben dargestellten strengen Grundsätze gelten.

b) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte zu 1 nicht schuldlos gehandelt, als sie im Vertrauen auf die Wirksamkeit der an den Ersteher geleisteten Einmalzahlung die geschuldete und vom Kläger geforderte Nettomiete in Höhe von [X.] monatlich nicht, auch nicht unter dem Vorbehalt der Rückforderung, zahlte, obwohl die Rechtslage - wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeht - insoweit unklar war.

Jedenfalls seit der am 7. September 2010 erfolgten Zustellung der Zahlungsklage vom 26. August 2010, die eine detaillierte Begründung des vom Kläger (hilfsweise) geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung der Miete ab Januar 2010 enthielt, musste die Beklagte zu 1 bei der gebotenen und sorgfältigen Prüfung der Rechtslage mit der Möglichkeit rechnen, dass die an den Ersteher erbrachte Vorauszahlung dem Kläger gegenüber nicht wirksam war und sie deshalb den rechnerisch auf die einzelnen Monate entfallenden Betrag von [X.] als monatlich zu zahlende Miete schuldete. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts entlastet es die Beklagte zu 1 nicht, dass die Frage, ob die von ihr an den Ersteher geleistete Zahlung als Vorausverfügung nach § 1124 Abs. 2 [X.] dem Kläger gegenüber unwirksam war, schwer zu beantworten und nicht sicher einzuschätzen war. Im Gegenteil musste die Beklagte zu 1 gerade mit Rücksicht auf die unsichere Rechtslage mit der Möglichkeit rechnen, dass sie zur Zahlung von Miete an den Kläger verpflichtet war und durfte das mit der unsicheren Rechtslage verbundene Risiko nicht auf diesen abwälzen.

c) Die Gegenrüge der [X.] zu 1, die Fortsetzung des Mietverhältnisses sei dem Kläger zuzumuten, da er die (erste) Kündigung erst am 26. Mai 2010 erklärt, den hierauf gestützten Räumungsanspruch am 24. Juni 2011 geltend gemacht und die vorsorglich wiederholte Kündigung am 6. Februar 2012 ausgesprochen habe, bleibt ohne Erfolg.

Die in § 543 Abs. 1 [X.] genannten Voraussetzungen, insbesondere die Zumutbarkeit der Vertragsfortsetzung, müssen nicht zusätzlich vorliegen, wenn einer der Tatbestände des § 543 Abs. 2 [X.] gegeben ist ([X.], Urteil vom 18. Oktober 2006 - [X.], [X.], 147 Rn. 10). Auch stehen der Wirksamkeit der Kündigung weder § 314 Abs. 3 [X.] - soweit dieser, was auch hier offenbleiben kann, bei der Wohnraummiete im Rahmen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] überhaupt Anwendung findet (vgl. hierzu [X.]surteil vom 11. März 2009 - [X.], [X.], 231 Rn. 17 [X.]) - noch der Einwand der Verwirkung entgegen. Entgegen der Auffassung der [X.] zu 1 ist die Kündigung des [X.] vom 6. Februar 2012 nicht deshalb "unschlüssig", weil die Beklagte zu 1 schon ab Januar 2010 keine Miete mehr gezahlt hat, so dass ein die fristlose Kündigung rechtfertigender Zahlungsrückstand bereits im Februar 2010 aufgelaufen war. Von einer illoyalen Verspätung kann schon deshalb von vornherein keine Rede sein, weil sich der Zahlungsrückstand bis zum Ausspruch der Kündigung vom 6. Februar 2012 noch vervielfacht hatte.

III.

Nach alledem ist die Revision der [X.] zu 1 unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen.

Hingegen kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, soweit bezüglich des Räumungsanspruchs zum Nachteil des [X.] entschieden worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, weil es keiner weiteren Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da jedenfalls die fristlose Kündigung des [X.] vom 6. Februar 2012 begründet ist und das Mietverhältnis mit der [X.] zu 1 beendet hat, sind die [X.] gemäß § 546 Abs. 1, 2 [X.] dem Kläger als Gesamtschuldner zur Räumung und Herausgabe des streitigen Grundbesitzes verpflichtet und somit entsprechend zu verurteilen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Teilversäumnisurteil (das heißt, soweit es die [X.] zu 2 und 3 betrifft) steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem [X.], [X.], durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Dr. [X.]                        Dr. Schneider                      Dr. Fetzer

                  [X.]                            Kosziol

Meta

VIII ZR 103/13

30.04.2014

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Bochum, 15. März 2013, Az: I-10 S 67/12, Urteil

§ 535 Abs 2 BGB, § 1124 Abs 2 BGB, § 20 Abs 2 ZVG, § 146 Abs 1 ZVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.04.2014, Az. VIII ZR 103/13 (REWIS RS 2014, 6014)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6014

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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