Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2012, Az. 5 StR 521/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 591

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5 StR 521/12
(alt: 5 StR 267/11)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 11. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 11. Dezember 2012
beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 7. Juni 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben; der Vorbehalt der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung unterbleibt.

Der Angeklagte hat die Kosten der Revision zu tragen, [X.] wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt. Je ein Drittel der gerichtlichen Auslagen des ersten Revisionsverfahrens und der hier entstandenen notwendigen Auslagen des Ange-klagten fallen der Staatskasse zur Last, ebenso die gesam-ten gerichtlichen Auslagen der Neuverhandlung vor dem [X.] und des zweiten Revisionsverfahrens sowie die gesamten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten. Die den [X.] im ersten Revisionsver-fahren entstandenen notwendigen Auslagen hat der Ange-klagte zu tragen.

G r ü n d e

Der Angeklagte wurde mit Urteil vom 9. September 2010 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 21 Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 77 Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen in drei Fäl-len, wegen sexuellen Missbrauchs Jugendlicher in 33 Fällen und wegen För-derung sexueller Handlungen Minderjähriger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die daneben vom [X.] verhängte [X.] der Sicherungsverwahrung hat der Senat auf die unbeschränkte Revision des Angeklagten aufgehoben und die Sache

nach Verwerfung der Revision 1
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im Übrigen

an eine andere Strafkammer des [X.]s
zurückverwiesen ([X.], Beschluss vom 26. Oktober 2011

5 StR 267/11, [X.], 9). Das [X.] hat nunmehr mit dem angegriffenen Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten vorbehalten. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

1. Der Vorbehalt der Anordnung der Sicherungsverwahrung hat keinen Bestand.

Das [X.] hat die formellen und materiellen Voraussetzungen des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung nach § 66a StGB in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (aF), die gemäß Art. 316e Abs. 1 Satz 2 [X.] anwendbar ist, nach sorgfältiger Prüfung in nachvollziehba-rer Weise bejaht. Es hat indes übersehen, dass es bei seiner Entscheidung die Frist des § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB aF zu beachten hatte.

Der [X.] hat in seiner Antragsschrift hierzu ausge-führt:

von acht Jahren verhängt worden. Er befindet sich seit dem 12. Okto-ber
2007 durchgängig in Haft ([X.]). Der Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist am 7. Juni 2012 angeordnet worden. Die Ent-scheidung, ob diese vorbehaltene Sicherungsverwahrung tatsächlich [X.] wird, musste mithin gemäß § 66a Abs. 2 Satz 1, § 57 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 StGB spätestens am 11. August 2012 (sechs Monate vor dem Zweidrittel-Zeitpunkt am 11. Februar 2013) getroffen werden.

Damit war bereits bei Anordnung des Vorbehalts absehbar, dass bis zu diesem in § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB a. F. genannten
Zeitpunkt keine aus-reichende Zeit für eine Beobachtung des Verurteilten zur Verfügung stehen würde, die zu besseren Erkenntnissen führen konnte als den in der Haupt-2
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verhandlung möglichen. In diesen Fällen darf ein Gericht den Vorbehalt der nachträglichen
Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht anbringen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 2006

3 [X.] , in [X.]St 51, 159, 164). Denn die durch § 66a StGB a. F. eröffnete Befugnis, über die Gefahr für die Allgemeinheit erst später

auf der Grundlage im Vollzug gewonnener zusätzlicher Erkenntnisse

zu entscheiden, ist, wie gerade aus § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB folgt, auf diejenigen Fälle begrenzt, in denen ein solcher [X.] bis zu dem Zeitpunkt zu erwarten ist oder jedenfalls mög-lich erscheint, zu dem das Verfahren spätestens eingeleitet werden muss, damit unter Berücksichtigung der üblichen Verfahrensdauer rechtzeitig ent-schieden werden kann (vgl. [X.], a. a. [X.]).

Die Einhaltung der Frist des § 66a Abs. 2 StGB a. F. stellt auch eine grundsätzlich verbindliche materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anord-nung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung dar (vgl. [X.], a. a. [X.], 160; [X.], Urteil vom 7. August 2012

1 [X.]

Rdnr. 14). Sie soll sicher-stellen, dass über die Anordnung einerseits erst entschieden wird, wenn eine ausreichende Erkenntnisgrundlage für die Beurteilung der Gefährlichkeit des Verurteilten gegeben ist, andererseits soll aber die Ungewissheit über des-sen künftige Lebensplanung nicht ohne zwingenden Grund hinausgeschoben werden (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 2006

3 [X.] , in [X.]St 51, 159, 161). Vor diesem Hintergrund und angesichts der aus dem Urteil des [X.] vom 4. Mai 2011

2 BvR 2365/09

u. a. ([X.] 128, 326-409) zu ziehenden Folgerungen kam die Anordnung des Vorbehalts der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorliegend nicht in Betracht: Der erforderliche Erkenntnisgewinn war bei einem Zeitraum von zwei Monaten zwischen [X.] am 7. Juni 2012 und spätestmögli-chem [X.] am 11. August 2012, auch angesichts der noch nicht

Dem schließt sich der Senat an.

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2. Der Vorbehalt der Anordnung der Sicherungsverwahrung hatte [X.] zu entfallen (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Einer (vorbehaltlosen) Anord-nung der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB, die in der Sache deutlich näher gelegen hätte als ein Unterbleiben der Maßregel, stünde in einem neuen tatgerichtlichen Verfahren § 358 Abs. 2 Satz 1 StGB entgegen.

[X.] Schneider

Dölp König

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Meta

5 StR 521/12

11.12.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2012, Az. 5 StR 521/12 (REWIS RS 2012, 591)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 591

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 267/11

1 StR 98/12

2 BvR 2365/09

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