Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.01.2011, Az. 2 C 25/09

2. Senat | REWIS RS 2011, 10041

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Soldatenversorgung; Begrenzung des Ruhensbetrages der Versorgungsbezüge; Kapitalabfindung von Seiten einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung


Leitsatz

1. § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung (a.F.) ist einer verfassungskonformen Auslegung nicht zugänglich.

2. § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG a.F. ist mit Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, weil im Falle der Leistung eines Kapitalbetrags durch eine internationale Einrichtung der Umfang des Ruhens der erdienten Versorgung nicht nach der Höhe des Kapitalbetrags bestimmt wird und keine Begrenzung der Höhe der Ruhensanordnung vorgesehen ist.

3. Der Begriff der Versorgung im Sinne von § 55b Abs. 1 Satz 1 SVG a.F. erfasst auch einen Kapitalbetrag, der zu dem Zweck geleistet wird, den Lebensunterhalt im Ruhestand zu bestreiten (im Anschluss an das Urteil vom 22. Februar 1996 - BVerwG 2 C 14.95 - Buchholz 240 § 8 BBesG Nr. 9).

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres 2007 verstorbenen Ehemannes, eines 1992 im Rang eines Oberstleutnants pensionierten Berufssoldaten. Sie führt die Klage fort, mit der der Ehemann die Auszahlung einbehaltener Versorgungsbezüge erreichen wollte.

2

Zwischen 1975 und 1984 war der Ehemann zur Dienstleistung bei der [X.] beurlaubt. Für diese Verwendung hatte er von der [X.] anstelle einer laufenden Versorgung eine Kapitalabfindung erhalten. Aufgrund dessen stellte die [X.] fest, dass 19,26 % des festgesetzten Ruhegehalts ruhten und nicht ausgezahlt würden.

3

2004 beantragte der Ehemann der Klägerin, ihm das Ruhegehalt in voller Höhe auszuzahlen, weil die Summe der einbehaltenen Beträge den Kapitalbetrag inzwischen übersteige. Die darauf gerichtete Klage hat in der Berufungsinstanz Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

4

Die einschlägige Ruhensregelung des § 55b Abs. 3 Satz 1 des Soldatenversorgungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung - [X.] - sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Ruhen ende, wenn die einbehaltenen Beträge den Kapitalbetrag aufgezehrt hätten. Das Ruhen von Versorgungsbezügen sei mit Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG nur insoweit vereinbar, als dadurch die Auszahlung einer höheren als der erdienten Versorgung vermieden werde. Der Einbehalt eines Teils der Versorgungsbezüge sei nur gerechtfertigt, wenn und soweit die einbehaltenen Beträge durch eine andere Versorgungsleistung aus einer öffentlichen Kasse gedeckt seien.

5

Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts.

6

Sie beantragt,

das Urteil des [X.] für das [X.] vom 17. Dezember 2008 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 8. Dezember 2006 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Der Vertreter des [X.] unterstützt die Revision.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Auslegung des § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. durch das Berufungsgericht verletzt [X.]recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) (1.). Die Norm verstößt in der nach ihrem Wortlaut gebotenen Auslegung gegen Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 [X.] (2.). Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts kann der [X.] nicht beurteilen, ob es für den Erfolg der Klage entscheidungserheblich auf die Verfassungswidrigkeit des § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. ankommt (3.).

1. Das Berufungsurteil beruht auf einer die Grenzen verfassungskonformer Auslegung überschreitenden Interpretation von § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F.

Eine verfassungskonforme Auslegung ist nicht möglich, wenn sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde. Die Bindung des Richters an das Gesetz verbietet eine Auslegung, die den normativen Gehalt eines nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetzes grundlegend neu bestimmt (Urteile vom 28. April 2005 - BVerwG 2 [X.] 1.04 - BVerwG 123, 308 <316> = [X.] 240 § 72a [X.] Nr. 1 S. 6; vom 29. September 2005 - BVerwG 2 [X.] 44.04 - BVerwGE 124, 227 <233 f.> = [X.] 240 § 40 [X.] Nr. 34 Rn. 17 und vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 [X.] 22.07 - BVerwGE 131, 242 = [X.] 11 Art. 12 [X.] Nr. 265, jeweils Rn. 25). Im Besoldungs- und [X.] der Beamten kommt dem Gesetzeswortlaut wegen der strikten Gesetzesbindung (§ 2 [X.], § 3 [X.]) besondere Bedeutung zu. Dies gilt in gleichem Maße für den Bereich des Soldatenversorgungsrechts, für den § 1a [X.] eine ebenso strikte Gesetzesbindung festlegt. Daher sind auch hier Vorschriften, die die gesetzlich vorgesehene Versorgung des Soldaten begrenzen oder reduzieren, einer ausdehnenden Anwendung in aller Regel ebenso wenig zugänglich wie versorgungserhöhende Bestimmungen. Die Natur des geltenden [X.]s zieht einer ausdehnenden Auslegung enge Grenzen (vgl. Urteil vom 27. März 2008 - BVerwG 2 [X.] 30.06 - BVerwGE 131, 29 = [X.] 239.1 § 56 [X.] Nr. 6, jeweils Rn. 25 m.w.N.). Es regelt grundsätzlich die Höhe der einzelnen Bezüge, ihre Errechnung und Festsetzung in einer materiell stark differenzierten und verfeinerten Weise durch formelle und zwingende Vorschriften vielfach kasuistischen Inhalts.

Nach § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. findet Absatz 1 Satz 1 auch Anwendung, wenn der Soldat im Ruhestand bei seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung an Stelle einer Versorgung einen Kapitalbetrag als Abfindung oder als Zahlung aus einem Versorgungsfonds erhält. Nach § 55b Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. ruht das Ruhegehalt in Höhe des Betrags, der einer Minderung des [X.] von 2,14 für jedes im zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr entspricht, wenn der Soldat im Ruhestand aus der Verwendung in diesem Dienst eine Versorgung erhält. Satz 3 des § 55b Abs. 1 [X.] a.F. bestimmt, dass der [X.] die von der zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung gewährte Versorgung nicht übersteigen darf.

Der Wortlaut des hier anwendbaren § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. ist einer Auslegung nicht zugänglich, die zu einer Anwendung der Begrenzungsregelung des § 55b Abs. 1 Satz 3 [X.] a.F. auch bei Erhalt eines [X.] führt.

Eine Begrenzung des [X.] der Versorgungsbezüge wegen des Bezugs einer anderen Versorgungsleistung wird allein in § 55b Abs. 1 Satz 3 [X.] a.F. angesprochen. § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. verweist aber nicht auf Satz 3, sondern ausdrücklich nur auf Satz 1 des § 55b Abs. 1. Dieser Verweis kann nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass er den Verweis auf Satz 3 des Absatzes 1 einschließt. Denn der [X.] wird nach § 55b Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. ohne Rücksicht auf die Höhe der Versorgung grundsätzlich als Produkt des Faktors 2,14 mit der Anzahl der im Dienst der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung verbrachten Jahre errechnet. § 55b Abs. 1 Satz 3 [X.] a.F. stellt erst den Bezug zur Höhe der von der Einrichtung gewährten Versorgung her. Damit stellt er nicht nur klar, was sich ohnehin aus § 55b Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. ergibt, er ergänzt die Regelung vielmehr durch eine Höchstgrenze nach der Höhe der Versorgung.

Gegen die Auslegung des Berufungsgerichts spricht auch der systematische Zusammenhang von § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. mit Satz 2 bis 4 des Absatzes 3.

§ 55b Abs. 3 Satz 2 bis 4 [X.] a.F. regelt die Möglichkeit, die Anwendung der Ruhensregelung des Satzes 1 auszuschließen. Der Soldat muss hierfür den nicht auf eigenen Beiträgen beruhenden Teil des [X.] - bzw. einen Teilbetrag hiervon, wenn er einen Teil des Einbehalts abwenden will - innerhalb einer Jahresfrist an den Bund abführen.

Die Auslegung des Berufungsgerichts nimmt der gesetzlichen Abwendungsmöglichkeit nach § 55b Abs. 3 Satz 2 bis 4 [X.] a.F. jegliche Bedeutung. Sie führt dazu, dass der Soldat eine zinslose Stundung der abzuführenden Kapitalanteile und eine zeitlich gestreckte Ratenzahlung erhält, die es ihm ermöglichen, den erhaltenen Kapitalbetrag in voller Höhe bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand zu nutzen. Damit werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Abwendungsbefugnis unterlaufen.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich den [X.] keine Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass der Gesetzgeber Härten der Ruhensregelung für Kapitalabfindungen durch eine Begrenzung der Summe der Ruhensbeträge begegnen wollte.

§ 55b ist durch das Fünfte Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 1968 ([X.]) in das Soldatenversorgungsgesetz eingefügt worden. Die Begründung des Entwurfes der [X.]regierung erläutert die Einfügung von § 55b in das Soldatenversorgungsgesetz mit einer Anpassung an die durch denselben Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen des [X.]beamtengesetzes (vgl. [X.] S. 8). Zu der Parallelregelung des § 160b [X.] in der Fassung dieses Entwurfes heißt es (vgl. [X.] S. 7):

"Bei der Zahlung eines [X.], besonders wenn der Versorgungsempfänger diesen viele Jahre vor dem Eintritt in den Ruhestand erhalten hat, können dadurch Härten eintreten, dass der Kapitalbetrag nicht wie die laufende Versorgungszahlung an den von der internationalen Einrichtung beschlossenen Erhöhungen der Dienst- und Versorgungsbezüge teilnimmt. Dem Beamten oder Versorgungsempfänger wird deshalb die Möglichkeit eröffnet, die Ruhensregelung dadurch auszuschließen, dass er den Kapitalbetrag, soweit er nicht auf eigenen Beiträgen beruht, an den Dienstherrn abführt (§ 160b Abs. 2 [X.])."

Damit wird zum Ausgleich von Härten allein auf die Abwendungsbefugnis und nicht auf die Begrenzung des [X.] durch die Höhe der internationalen Versorgung verwiesen.

2. Kann § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. allein dahingehend ausgelegt werden, dass die Regelung keine Begrenzung des Ruhens der Versorgungsbezüge vorsieht, so verstößt sie gegen Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 [X.].

Die Altersversorgung der Berufssoldaten genießt als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] ebenso verfassungsrechtlichen Schutz wie die durch Art. 33 Abs. 5 [X.] gewährleistete Altersversorgung von Beamten auf Lebenszeit (Beschluss vom 18. April 1991 - BVerwG 2 [X.] 3.91 - BVerwGE 93, 69 <73>). Die Höhe des [X.]s ergibt sich aus den Regelungen der Versorgungsgesetze, die bei Eintritt in den Ruhestand in [X.] sind. Durch diese Regelungen hat der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum ausgeübt, der verfassungsrechtlich bis zu einer Untergrenze eröffnet ist. Er hat bindend festgelegt, was er für die amtsgemäße Versorgung hält. Der [X.], der sich aus der Anwendung der Versorgungsgesetze ergibt, genießt - nicht anders als ein Rentenanspruch - verfassungsrechtlichen Schutz, weil ihn der Versorgungsberechtigte "[X.]" hat. Auch sind die Dienstbezüge im Hinblick auf die künftigen Versorgungsansprüche niedriger festgesetzt. Der Dienstherr behält einen fiktiven Anteil ein, um die spätere Versorgung zu finanzieren (stRspr; vgl. [X.], Urteile vom 6. März 2002 - 2 BvL 17/99 - [X.]E 105, 73 <115> und vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - [X.]E 114, 258 <298>; BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2008 - BVerwG 2 [X.] 26.07 - BVerwGE 133, 25 = [X.] 239.1 § 53 [X.] Nr. 17, jeweils Rn. 11).

Der Gesetzgeber hat durch die allgemeinen gesetzlichen Altersgrenzen zu erkennen gegeben, wann er das zeitliche Verhältnis von aktiver Dienstzeit und Ruhestandszeit für ausgewogen hält (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2008 a.a.[X.] Rn. 13 f.). Daher kann das Erwerbseinkommen, das vorzeitig in den Ruhestand versetzte Beamte (Soldaten) im Ruhestand bis zum Erreichen der allgemeinen Altersgrenze erzielen, in Grenzen auf das Ruhegehalt angerechnet werden. Der Gesetzgeber kann Regelungen treffen, die das Ruhen, d.h. den Einbehalt eines Teils des [X.]en Ruhegehalts im Hinblick auf das Erwerbseinkommen vorsehen (Grundsatz des [X.]s; vgl. zuletzt Urteil vom 17. Dezember 2008 a.a.[X.] Rn. 10 f.).

Abgesehen vom [X.] bei vorzeitiger Pensionierung besteht der verfassungsrechtliche Anspruch auf amtsangemessene Alimentation, d.h. auch der [X.]e [X.], ohne Rücksicht darauf, ob und inwieweit der Berechtigte über Vermögen oder anderweitiges Einkommen verfügt. Diese können jedenfalls dann nicht im Wege der Kürzung oder des Einbehalts auf die Pension angerechnet werden, wenn sie nicht aus öffentlichen Kassen stammen (stRspr; vgl. nur Urteil vom 17. Dezember 2008 a.a.[X.] Rn. 10).

Allerdings genießt der [X.] verfassungsrechtlichen Schutz grundsätzlich nur in Höhe von 100 % des [X.]en, vom Gesetzgeber als amtsangemessen erachteten Betrags. Diese Einschränkung erlangt Bedeutung, wenn ein Versorgungsberechtigter einen weiteren [X.] gegen eine öffentliche Kasse hat und die Summe beider Ansprüche 100 % der als amtsangemessen festgesetzten Versorgung übersteigt. In diesen Fällen kann der Versorgungsberechtigte nur verlangen, dass ihm insgesamt 100 % der festgesetzten Versorgungsbezüge ausgezahlt werden. Der Gesetzgeber kann durch Anrechnungs- oder Ruhensregelungen sicherstellen, dass die Gesamtheit der Versorgungsleistungen die 100 %-Grenze nicht übersteigt. Ruhen bedeutet, dass die festgesetzte Versorgung in Höhe des [X.] nicht ausgezahlt wird (Urteil vom 1. September 2005 - BVerwG 2 [X.] 15.04 - BVerwGE 124, 178 <179> = [X.] 239.1 § 53 [X.] Nr. 14 Rn. 10).

Diese Verrechnung mehrerer Versorgungsansprüche ist jedenfalls dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn und soweit diese Ansprüche aus der doppelten Berücksichtigung von Dienstzeiten in beiden Versorgungssystemen stammen. Hier kann gesetzlich geregelt werden, dass die Dienstzeiten dem Versorgungsberechtigten wirtschaftlich nur einmal zugute kommen. Der [X.] kann hinsichtlich eines Betrags zum Ruhen gebracht werden, der durch eine andere Versorgungsleistung aus einer öffentlichen Kasse kompensiert wird (vgl. zum Zusammentreffen von Hinterbliebenenversorgung und Dienstbezügen Urteil vom 21. September 2006 - BVerwG 2 [X.] 22.05 - [X.] 239.1 § 53 [X.] Nr. 15 Rn. 17).

Dabei werden Versorgungsleistungen durch eine internationale Einrichtung, insbesondere durch die [X.], deshalb wie Versorgungsbezüge aus [X.] öffentlichen Mitteln behandelt, weil sie auch aus diesen Mitteln finanziert sind (vgl. Urteil vom 12. März 1980 - BVerwG 2 [X.] 14.78 - [X.] 232.5 § 56 [X.] Nr. 2 S. 4). Nach alledem ist eine gesetzliche Ruhensregelung, die ein Auszahlungshindernis für einen Teil der [X.]en Versorgung anordnet, im Hinblick auf Art. 33 Abs. 5 [X.] oder bei Soldaten im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 [X.] nur gerechtfertigt, wenn und soweit sie verhindert, dass der Beamte oder Soldat mehr als die [X.]e Versorgung erhält. Dagegen darf eine Ruhensregelung nicht dazu führen, dass ein Teilbetrag der [X.]en Versorgung einbehalten wird, obwohl die so herbeigeführte Versorgungslücke nicht durch eine anderweitige Versorgungsleistung aus einer öffentlichen Kasse ausgeglichen wird. Ein Ruhen ohne derartige vollständige Kompensation stellt eine nicht gerechtfertigte Kürzung der durch Art. 33 Abs. 5 [X.] oder Art. 14 Abs. 1 [X.] gewährleisteten [X.]en Versorgung dar. Das Ruhen ist kein Mittel zur dauerhaften Absenkung des [X.]. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers beschränkt sich auf die Berechnungsmodalitäten des Ausgleichs.

Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen trägt § 55b Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. nicht Rechnung:

Bei der Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit des Berufssoldaten hat der Gesetzgeber in § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F. die Tätigkeit im öffentlichen Dienst einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung berücksichtigt. Daher wird diese Dienstzeit versorgungsrechtlich doppelt berücksichtigt. Sie wirkt sich ruhegehaltserhöhend aus. Darüber hinaus erhält der Soldat eine Versorgungsleistung der NAT[X.] Daher darf der Gesetzgeber durch eine Ruhensregelung sicherstellen, dass eine Besserstellung gegenüber dem während der gesamten Dienstzeit im Dienst des [X.] tätigen Soldaten vermieden wird (vgl. für die Anerkennung von Vordienstzeiten: Urteile vom 16. Juli 2009 - BVerwG 2 [X.] 43.08 - [X.] 239.1 § 11 [X.] Nr. 13 Rn. 21 f. und vom 24. September 2009 - BVerwGE 2 [X.] 63.08 - BVerwGE 135, 14 <20 f.> = [X.] 239.1 § 67 [X.] Nr. 4).

Erwirbt der Soldat für die Dienstzeit bei der [X.] keine laufende Versorgungsleistung, sondern erhält er stattdessen einen Kapitalbetrag, so darf das Ruhegehalt nur insoweit zum Ruhen gebracht werden, als der Gesamtruhensbetrag durch den wirtschaftlichen Wert des [X.] ausgeglichen wird. Der Einbehalt eines Teils des Ruhegehalts muss enden, wenn der Kapitalbetrag bei bestimmungsgemäßer Verwendung für die Altersversorgung aufgezehrt ist. Nur so kann erreicht werden, dass der Soldat bei einem zweckentsprechenden Einsatz des [X.] zur Vervollständigung seiner Altersversorgung in der Regel nicht schlechter steht, als wenn er die gesamte ruhegehaltfähige Dienstzeit im Dienst des [X.] verbracht hätte.

Dem steht nicht entgegen, dass die volle Versorgung durch die Abführung des [X.] nach § 55b Abs. 3 Satz 2 bis 4 [X.] a.F. erlangt werden kann. Die Einräumung einer Wahlmöglichkeit ist nur dann verfassungskonform, wenn beide zur Wahl stehenden Alternativen verfassungskonform sind. Daher sind für den Fall einer Entscheidung gegen die Abwendungsbefugnis Regelungen erforderlich, die gewährleisten, dass die [X.]e Versorgung nicht abgesenkt wird.

Hieran fehlt es aber zum einen, weil nach § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. die Höhe des [X.] für die Höhe des [X.] keine Bedeutung hat. Die gesetzliche Regelung berücksichtigt nicht, in welchem Umfang der Kapitalbetrag bei bestimmungsgemäßer Verwendung geeignet ist, den Einbehalt eines Teils des Ruhegehalts zu kompensieren. Nur soweit dies der Fall ist, liegt eine Überversorgung aus öffentlichen Kassen vor, die ein Ruhen rechtfertigt.

§ 55b Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. führt zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Empfängern laufender Versorgungsleistungen einer internationalen Einrichtung und Empfängern eines einmaligen [X.] von einer internationalen Einrichtung. Er führt außerdem zu einer ungerechtfertigten Gleichbehandlung der Empfänger unterschiedlich hoher Kapitalbeträge unterschiedlicher internationaler Einrichtungen.

Nach Art. 3 Abs. 1 [X.] ist der Gesetzgeber verpflichtet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. zum Folgenden: Beschluss vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 2 [X.] 121.07 - BVerwGE 132, 299 <303 f.> = [X.] 11 Art. 143b [X.] Nr. 5 m.w.N.). Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt seine Konkretisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs, so dass sich je nach Regelungsgegenstand und [X.] unterschiedliche Grenzen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers ergeben ([X.], Beschlüsse vom 4. April 2001 - 2 BvR 7/98 - [X.]E 103, 310 <318> und vom 12. Februar 2003 - 2 BvR 709/99 - [X.]E 107, 257 <270>). Bei der Versorgung der Berufssoldaten hat der Gesetzgeber die Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 [X.] zu beachten, die ihn wie ausgeführt zur Gewährleistung einer amtsangemessenen Versorgung verpflichten.

Diesen Anforderungen wird § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. nicht gerecht:

Da die Norm keine Begrenzung der Höhe des [X.] vorsieht, stellt sie die Empfänger einer einmaligen Versorgungsleistung einer internationalen Einrichtung schlechter als die Empfänger einer laufenden Versorgung durch eine internationale Einrichtung, für die eine solche Begrenzung in § 55b Abs. 1 Satz 3 [X.] a.F. vorgesehen ist. Beide Formen der Leistung der internationalen Einrichtung sollen einen Beitrag zu der amtsangemessenen Versorgung der betroffenen Soldaten leisten, der in der Summe mit der [X.] Versorgung die amtsangemessene Versorgung sichert. Die Ruhensregelung rechtfertigt nach ihrem Sinn und Zweck nur die Vermeidung einer Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen und daher nur eine Verminderung um den Teil der Gesamtversorgung, der die [X.]e amtsangemessene Versorgung übersteigt. Daher ist sowohl für die Versorgungsleistung der internationalen Einrichtung als auch für die Versorgungsersatzleistung einer solchen Einrichtung sicherzustellen, dass das Niveau einer insgesamt amtsangemessenen Versorgung nicht unterschritten wird. Dies hat für beide Leistungsformen durch eine Begrenzung des [X.] seiner Höhe nach zu geschehen. Das Fehlen einer solchen Begrenzung für den Fall der Zahlung eines einmaligen [X.] zu Versorgungszwecken durch die internationale Einrichtung wird nicht durch einen am Zweck der Regelung ausgerichteten und deshalb tragfähigen [X.] gerechtfertigt.

Hinzu kommt noch, dass der [X.] nach § 55b Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. unabhängig von der Höhe des erhaltenen [X.] bestimmt wird. Der Einbehalt der [X.] Versorgung ist für die Empfänger einer hohen Kapitalabfindung also ebenso hoch wie für die Empfänger einer niedrigen Kapitalabfindung, wenn diese für einen gleichen Zeitraum des Dienstes bei einer internationalen Einrichtung geleistet wird. Diese Gleichbehandlung berücksichtigt nicht, dass eine hohe Kapitalabfindung besser geeignet ist, durch Anlage des Kapitals zu einem Ausgleich der Versorgungslücke infolge der Ruhensregelung und damit zu einem insgesamt amtsangemessenen Versorgungsniveau zu führen als eine niedrige Kapitalabfindung. Im Hinblick auf den Zweck der Kapitalleistung, den Empfänger in den Stand zu versetzen, seine Altersversorgung zu vervollständigen, ist mit einer höheren Kapitalleistung ein höherer wirtschaftlicher Vorteil verbunden. Die Gleichbehandlung jeder Kapitalleistung unabhängig von ihrer Höhe ist nicht sachgerecht, weil der Zweck der Ruhensregelung - die Vermeidung einer Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen - die Berücksichtigung der Höhe des wirtschaftlichen Vorteils der Kapitalabfindung im Hinblick auf ihre Eignung, zu einem insgesamt amtsangemessenen Versorgungsniveau beizutragen, verlangt.

3. Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 [X.] ist derzeit nicht zulässig, weil es an den Begründungsanforderungen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.]G fehlt. Denn es steht nicht fest, dass es auf die Verfassungswidrigkeit des § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. entscheidungserheblich ankommt. Die Sache ist daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen kann.

Die Einholung einer Entscheidung des [X.]verfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift setzt voraus, dass zuvor auch die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift geprüft wurde. Das vorlegende Gericht muss mit hinreichender Deutlichkeit darlegen, dass es im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde ([X.], Beschluss vom 28. Mai 2008 - 2 BvL 8/08 - [X.]E 121, 233 <237 f.> m.w.N.).

Wäre § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. mit dem oben dargestellten Inhalt entgegen der Rechtsauffassung des [X.]s verfassungskonform, so wäre die Klage abzuweisen. Dementsprechend wäre das Berufungsurteil aufzuheben; die Berufung gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wäre zurückzuweisen. Wäre § 55b Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. verfassungswidrig und nichtig, so wäre über das Ruhen der Versorgungsbezüge aufgrund der Kapitalabfindung durch Anwendung des allgemeinen [X.] gemäß § 55b Abs. 1 Satz 1 und 3 [X.] a.F. zu entscheiden. Dies wird weder vom Wortlaut dieser Regelungen noch von ihrer Systematik ausgeschlossen. Insbesondere erfasst der gesetzliche Begriff der Versorgung alle laufenden oder einmaligen Zahlungen, die dazu bestimmt sind, den Lebensunterhalt im Ruhestand zu bestreiten (vgl. Urteil vom 22. Februar 1996 - BVerwG 2 [X.] 14.95 - [X.] 240 § 8 [X.] Nr. 9 S. 3 zu § 8 [X.] und § 56 [X.]). Unter diesen weiten Begriff kann auch eine Versorgungsersatzleistung einer internationalen Einrichtung fallen.

Wäre bei Nichtigkeit des § 55b Abs. 3 [X.] a.F. § 55b Abs. 1 [X.] a.F. anwendbar, so fände auch die Beschränkung der [X.] durch Satz 3 dieses Absatzes Anwendung. Danach endet der Einbehalt eines Teils der Versorgungsbezüge, sobald der Gesamtruhensbetrag die Höhe der anderen Versorgungsleistung erreicht. Allerdings ist § 55 Abs. 1 Satz 3 [X.] a.F. auf laufende Versorgungsleistungen zugeschnitten. Verglichen wird der monatliche [X.] mit der monatlichen Versorgungsleistung der internationalen Einrichtung. Tritt an die Stelle einer laufenden anderweitigen Leistung ein Kapitalbetrag, so muss dieser verrentet werden. Die Verrentung stellt die Umwandlung eines feststehenden, in der Regel verzinslich angelegten [X.] in periodisch wiederkehrende Zahlungen dar (vgl. Urteil vom 27. März 2008 - BVerwG 2 [X.] 30.06 - BVerwGE 131, 29 Rn. 31).

Für die im Rahmen der Anwendung von § 55b Abs. 1 Satz 3 [X.] a.F. erforderliche Verrentung ist folgenden Aspekten Rechnung zu tragen (vgl. auch Urteil vom 27. März 2008 a.a.[X.] Rn. 35): Entsprechend dem Zweck des [X.], den Soldaten in den Stand zu versetzen, seine Altersversorgung zu vervollständigen (vgl. Urteil vom 12. März 1980 - BVerwG 6 [X.] 14.78 - [X.] 232.5 § 56 [X.] Nr. 2 S. 5), ist auf dessen bestimmungsgemäße Verwendung abzustellen: Diese besteht darin, das Kapital bis zum voraussichtlichen Eintritt in den Ruhestand, d.h. bis zum Erreichen der allgemeinen Altersgrenze, mündelsicher anzulegen. Daher ist bei der Berechnung des sich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ergebenden monatlichen Betrags einer Leibrente der durchschnittliche Zinssatz für langfristige, mündelsichere Anlagen zum Zeitpunkt der Auszahlung des [X.] einzustellen. Bei der Berechnung der Leibrente ist die durchschnittliche Lebenserwartung eines Soldaten nach den Sterbetafeln für Männer des jeweiligen Jahrgangs zugrundezulegen (vgl. dagegen zum Mittelwert bei Beamten Urteil vom 27. März 2008 a.a.[X.] Rn. 35). Zu berechnen ist der Betrag, der sich bei einer mündelsicheren Anlage des [X.] im Zeitraum zwischen seiner Auszahlung und dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze als monatliche Leibrente mit [X.] vom Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze an ergeben würde. Dieser ist mit den sich für die einzelnen Monate ergebenden Ruhensbeträgen zu vergleichen.

Ergibt diese Berechnung auf der Grundlage der durchschnittlichen Lebenserwartung von [X.] der Klägerin und der für ihn maßgebenden gesetzlichen Altersgrenze, dass der [X.] in keinem Monat den zu errechnenden Betrag einer fiktiven Leibrente nennenswert übersteigt, so wäre die Klage abzuweisen. Auf die Gültigkeit des § 55b Abs. 3 [X.] a.F. käme es dann für die Entscheidung nicht an. Dem [X.] ist es verwehrt, selbst die erforderlichen Feststellungen zu treffen.

Meta

2 C 25/09

27.01.2011

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 17. Dezember 2008, Az: 1 A 282/07, Urteil

§ 55baF SVG, § 55b SVG, Art 3 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, Art 33 Abs 5 GG, Art 100 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.01.2011, Az. 2 C 25/09 (REWIS RS 2011, 10041)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10041

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 C 1/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Zeitlich unbegrenzte Ruhensregelung für Kapitalleistungen aus zwischenstaatlicher Verwendung


2 B 50/18 (Bundesverwaltungsgericht)

Ruhen von Versorgungsbezügen; Kapitalabfindung für Dienstzeit bei zwischenstaatlicher Einrichtung


2 BvL 10/11, 2 BvL 28/14 (Bundesverfassungsgericht)

Zur versorgungsrechtlichen Berücksichtigung von Dienstzeiten in einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung sowie von im Rahmen …


14 B 18.478 (VGH München)

Anrechnung einer Kapitalabfindung auf Ruhegehalt eines Beamten


14 B 15.910 (VGH München)

Kürzung der deutschen Versorgungsbezüge um die während des Ruhestands von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung …


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.