Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 01.02.2010, Az. 1 C 13/09

1. Senat | REWIS RS 2010, 9851

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Gegenstand

Titelerteilungssperre bei als offensichtlich unbegründet abgelehntem Asylantrag; Altfall; Bestandskraft vor Inkrafttreten


Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.

2

Er wurde im Mai 1983 geboren, ist ledig, [X.] Volkszugehöriger und gehört der [X.] an. Ungeklärt ist, ob er aus [X.] oder der [X.] stammt und Staatsangehöriger eines der beiden Länder oder staatenlos ist.

3

Der Kläger kam im Februar 2000 nach [X.] und beantragte Asyl. Das [X.] (jetzt: [X.]) - [X.] - lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 3. März 2000 als offensichtlich unbegründet ab. Der Kläger habe über seine Identität und Staatsangehörigkeit getäuscht; er stamme nicht, wie von ihm angegeben, aus der [X.], sondern (vermutlich) aus [X.]. Das [X.] stützte die Ablehnung ausdrücklich auf § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG. Der Bescheid des [X.]s ist seit August 2000 bestandskräftig. Seither wird der Kläger von der Ausländerbehörde des Beklagten geduldet. Er verfügt nach wie vor nicht über [X.]. Auch seine Identität steht nicht zweifelsfrei fest.

4

Im November 2004 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Mit Bescheid vom 26. Oktober 2007 lehnte der Beklagte den Antrag - nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 [X.] - ab. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 [X.] dürfe vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden, sofern der Asylantrag, wie im Falle des Klägers, nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt worden sei.

5

Das Verwaltungsgericht wies die hiergegen erhobene Klage ab. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Es könne offen bleiben, ob die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Regelung des § 25 Abs. 5 [X.] vorlägen. Denn der Erteilung des vom Kläger erstrebten Aufenthaltstitels stehe jedenfalls § 10 Abs. 3 Satz 2 [X.] entgegen. Diese Vorschrift sei auch auf Fälle anwendbar, in denen, wie beim Kläger, der Ablehnungsbescheid des [X.]s vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes im Januar 2005 ergangen sei.

6

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist begründet. Das angefochtene Urteil des [X.] beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Erteilung der vom Kläger begehrten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 [X.] entgegensteht. Mangels jeglicher Feststellungen des [X.] zum Vorliegen der (sonstigen) gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das Verfahren ist deshalb an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

8

Entgegen der Ansicht des [X.] steht der Erteilung der vom Kläger begehrten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 [X.] die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 [X.] nicht entgegen. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 [X.] darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Gemäß Satz 2 der Vorschrift darf, sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt wurde, vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Diese Bestimmung verbietet also - vorbehaltlich der in Satz 3 geregelten Ausnahmen - auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 5 (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen). Diese vor der Ausreise geltende strikte Titelerteilungssperre in Fällen, in denen das [X.] - [X.] - den Asylantrag als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt hat, ist erst mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 eingeführt worden. Sie stellt eine erhebliche Verschärfung gegenüber der früheren Rechtslage nach dem [X.] 1990 dar, das in § 30 Abs. 5 [X.] nur eine dem § 10 Abs. 3 Satz 1 [X.] entsprechende Regelung enthielt und eine besondere aufenthaltsrechtliche Sanktion im Falle einer Ablehnung des Asylantrags nach § 30 Abs. 3 AsylVfG nicht kannte.

9

Diese Titelerteilungssperre erfasst nach der Rechtsprechung des [X.] allerdings nicht die Fälle, in denen die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 AsylVfG bereits vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes im Januar 2005 bestandskräftig geworden ist (vgl. dazu im Einzelnen Urteil des [X.] vom 25. August 2009 - BVerwG 1 C 30.08 -, zur [X.] in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Da der den Asylantrag des [X.] ablehnende Bescheid des [X.]s bereits im August 2000 bestandskräftig geworden ist, entfaltet er entgegen der Auffassung des [X.] und des Beklagten keine Sperrwirkung nach § 10 Abs. 3 Satz 2 [X.] zum Nachteil des [X.].

Mangels tatsächlicher Feststellungen des [X.] kann der Senat nicht selbst abschließend entscheiden, ob im Falle des [X.] die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 [X.] vorliegen. Das Verfahren ist daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Meta

1 C 13/09

01.02.2010

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Oldenburg (Oldenburg), 27. Mai 2009, Az: 11 A 3408/07, Urteil

§ 10 Abs 3 S 1 AufenthG 2004, § 10 Abs 3 S 2 AufenthG 2004, § 25 Abs 5 AufenthG 2004, § 30 Abs 3 AsylVfG 1992, § 30 Abs 5 AsylVfG 1992

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 01.02.2010, Az. 1 C 13/09 (REWIS RS 2010, 9851)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9851

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