Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2014, Az. B 4 AS 12/14 R

4. Senat | REWIS RS 2014, 1278

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen - Vertretung der Bedarfsgemeinschaft - Zurechnung von Vertreterverschulden - Haftungsbeschränkung zugunsten minderjähriger Kinder - Erlass von Erstattungsbescheiden nach Eintritt der Volljährigkeit


Leitsatz

Die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach dem BGB gilt bei der Erstattung von SGB 2-Leistungen auch für einen nach Eintritt der Volljährigkeit des Leistungsempfängers erlassenen Bescheid, wenn die für die Verbindlichkeit kausale Handlung des gesetzlichen Vertreters sowie der SGB 2-Leistungsbezug in die Phase der Minderjährigkeit fallen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren noch über die Rechtmäßigkeit einer Erstattungsforderung des [X.]n für den [X.]raum vom [X.] bis 31.12.2006.

2

Der im Februar 1989 geborene Kläger lebte 2006 in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter, seiner Halbschwester und seinem Stiefvater, deren Mitglieder seit Januar 2005 [X.] II-Leistungen bezogen. Der Stiefvater gab bei der erstmaligen Antragstellung im August 2004 an, dass der Kläger Schüler sei. In den - gleichfalls von ihm auch für die Bedarfsgemeinschaft unterschriebenen und bei der bis zum Ende des Jahres 2010 zuständigen [X.] ([X.]) abgegebenen - [X.] verneinte er diesbezügliche Änderungen. Die Funktion des [X.] ist ab Anfang des Jahres 2011 auf den [X.]n übergegangen (im Folgenden: [X.]r).

3

Der [X.] berücksichtigte bei den [X.] II-Leistungen für den Kläger als bedarfsminderndes Einkommen nur das Kindergeld in Höhe von 154 Euro. Für die [X.] von September 2006 bis Dezember 2006 wurden ihm zunächst monatliche Leistungen in Höhe von 260,24 Euro bewilligt (Bescheid vom 30.3.2006 in der Fassung des Änderungsbescheids vom [X.]). Wegen eines Umzugs der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in eine Wohnung mit niedrigeren Unterkunftskosten und der Anrechnung von Erwerbseinkommen der Mutter des [X.] im Dezember 2006 erfolgten weitere Änderungsbescheide, nach deren Inhalt sich als [X.] II-Leistungen für den Kläger im November 2006 ein Betrag in Höhe von 253,12 Euro und im Dezember 2006 ein [X.] II-Anspruch in Höhe von 239,39 Euro ergab. Bei Eintritt seiner Volljährigkeit am [X.] verfügte der Kläger lediglich über ein Girokontoguthaben in Höhe von 27,29 Euro.

4

Erst aufgrund eines Datenabgleichs im Juli 2007 erfuhr der [X.], dass dem Kläger für die [X.] vom 18.9.2006 bis 17.7.2007 wegen seiner Teilnahme an einer von der [X.] geförderten berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme eine [X.]B - bewilligt durch einen an seinen Stiefvater gerichteten Bescheid der [X.] vom 28.9.2006 - in Höhe von 211 Euro monatlich zuerkannt worden war. Daraufhin hob der [X.] die den Kläger betreffenden [X.] II-Bewilligungen für den [X.]raum vom [X.] bis [X.] teilweise auf und forderte die Erstattung von insgesamt 1581,87 Euro (Bescheid vom 13.11.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom [X.]).

5

Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Im Berufungsverfahren hat der [X.] den angefochtenen Aufhebungs- und [X.] für die [X.] vom 1.1.2007 bis zum [X.] (Tag vor Eintritt der Volljährigkeit des [X.]) aufgehoben. Daraufhin hat das L[X.] das Urteil des [X.] sowie den Bescheid vom 13.11.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom [X.] in der Fassung des [X.] abgeändert und den [X.] aufgehoben, "soweit für den [X.]raum vom 1. September 2006 bis zum 31. Dezember 2006 ein über 27,29 Euro hinausgehender Betrag gefordert" worden ist. Im Übrigen hat das L[X.] die Berufung - betreffend den [X.]raum vom 28.2. bis [X.] - zurückgewiesen und die Revision "beschränkt auf den [X.]raum vom 1. September 2006 bis 31. Dezember 2006 zugelassen" (Urteil vom 17.10.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das L[X.] ausgeführt, die Neuberechnung des [X.]n sei zwar dem Grunde nach zu Recht erfolgt, weil der Kläger [X.]B erhalten habe. Seine Haftung sei jedoch analog § 1629a BGB auf dasjenige Vermögen beschränkt, das er besessen habe, als er volljährig geworden sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Erstattungsforderung erst nach Eintritt der Volljährigkeit begründet worden sei. § 1629a BGB bezwecke zu verhindern, dass der Betroffene mit seiner Volljährigkeit nur eine scheinbare finanzielle Freiheit erlange, weil er durch eine von seinem Vertretungsberechtigten begründete Verbindlichkeit belastet sei. Dieser Zweck werde nur erreicht, wenn die Haftungsbeschränkung die bei Eintritt der Volljährigkeit dem Grunde nach bestehenden Forderungen gegen den Minderjährigen erfasse, ohne dass es auf den [X.]punkt der Geltendmachung, Konkretisierung oder Fälligkeit ankomme. Im Übrigen sei die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.

6

Mit seiner Revision rügt der [X.] eine Verletzung von § 50 [X.] X iVm § 1629a BGB. Es sei nicht bereits mit dem Zufluss der [X.]B während der Minderjährigkeit des [X.] eine Erstattungsforderung begründet worden. Vielmehr sei diese erst durch den nach Eintritt seiner Volljährigkeit erlassenen Aufhebungs- und [X.] entstanden, sodass § 1629a BGB nicht angewandt werden könne. Es fehle auch an einer Handlung iS des § 1629a BGB. Es erfolge keine Zurechnung eines Verhaltens iS des § 38 [X.] II oder § 278 BGB. Vielmehr führe allein der Zufluss von Einkommen aus der [X.]B zu der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung.

7

Der [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] vom 17. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung des [X.] insgesamt zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die mit der Aufhebung der [X.] verbundene Erstattungsverfügung rechtswidrig ist, soweit die Erstattungsforderung des Beklagten einen Betrag in Höhe von 27,29 Euro übersteigt.

Gegenstand des Verfahrens ist der Aufhebungs- und [X.] des Beklagten vom 13.11.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom [X.], gegen den sich der Kläger zu Recht mit der Anfechtungsklage wendet (§ 54 Abs 1 SGG). Im Revisionsverfahren streitig ist nur noch die Erstattungsverfügung des Beklagten, soweit der [X.]raum vom September bis Dezember 2006 betroffen ist. Das Berufungsgericht hat die Revision in zulässiger Weise nur bezogen auf die Aufhebung und Erstattung der in diesem [X.]raum von dem Beklagten an den Kläger bewilligten [X.] II-Leistungen zugelassen. Da der Kläger das Berufungsurteil nicht angefochten hat, ist der Bescheid vom 13.11.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom [X.] bestandskräftig geworden, soweit die mit der noch streitigen Erstattungsverfügung verbundene Aufhebung der [X.]en betreffend den (noch) streitigen [X.]raum von September 2006 bis Dezember 2006 verfügt worden ist.

Die Erstattungspflicht des [X.] folgt aus § 50 Abs 1 S 1 [X.] X. Nach dieser Regelung sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Der Beklagte bewilligte dem Kläger von September bis Dezember 2006 [X.] II-Leistungen in Höhe von 1012,93 Euro, obgleich er - schon wegen der im Einzelnen vom Berufungsgericht begründeten Anrechnung der ab September 2006 neben dem Kindergeld zugeflossene [X.] - nur [X.] II-Leistungen in Höhe von 531 Euro beanspruchen konnte. Insoweit ist die Leistungsbewilligung bestandskräftig aufgehoben worden.

Der Kläger muss die überzahlten [X.] II-Leistungen jedoch nur bis zur Höhe seines Vermögens bei Eintritt seiner Volljährigkeit erstatten. Dieses belief sich auf einen Betrag in Höhe von 27,29 Euro. Die nur begrenzte Erstattungspflicht folgt aus § 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 [X.] in der Fassung der Bekanntmachung vom [X.] ([X.]). Hiernach beschränkt sich die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstige vertretungsberechtigte Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes.

Der Rechtsgrundsatz des § 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 [X.] gilt gleichermaßen für die auf § 50 Abs 1 S 1 [X.] X beruhenden Ansprüche auf Erstattung der an einen Minderjährigen erbrachten [X.] II-Leistungen gemäß den §§ 20 bis 22 [X.] II und ist von Amts wegen zu beachten. Der 14. Senat des BSG hat bereits entschieden, dass dem Erstattungsanspruch eines Grundsicherungsträgers gemäß § 50 Abs 1 S 1 [X.] X gegen einen Minderjährigen die Haftungsbeschränkung aus § 1629a [X.] entgegenstehen kann ([X.] - [X.] [X.]/10 R - [X.], 289 = [X.]-4200 § 38 [X.]). Unter Hinweis auf die der Einführung des § 1629a [X.] vorausgehende Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 13.5.1986 - 1 BvR 1542/84 - [X.]E 72, 155) hat der 14. Senat ausgeführt, dass das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG abgeleitete Recht auf Selbstbestimmung berührt werde, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder kraft der ihnen zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1629 Abs 1 [X.]) über erlangtes Vermögen hinaus finanziell verpflichten könnten. Die in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte Regelung des § 1629a [X.] gelte mangels anderer Anhaltspunkte für die "Minderjährigenhaftung" im [X.] II entsprechend. Hiervon sei auch der Gesetzgeber ausgegangen. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 34a [X.] II (idF des [X.] <[X.]l I 453>). Hierin habe der Gesetzgeber betont, dass die Regelung des neuen § 34a [X.] II dem praktischen Bedürfnis nach Inanspruchnahme des Verursachers Rechnung trage, weil insbesondere bei der Leistungserbringung an minderjährige Kinder auch ein Anspruch gegenüber den gesetzlichen Vertretern bestehen könne. Im Übrigen gelte bei Eintritt der Volljährigkeit zugunsten der Schuldner § 1629a [X.], sodass insoweit eine Beschränkung auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen gegeben sein könne (vgl BT-Drucks 17/3404, [X.]).

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des 14. Senats an. In gleicher Weise geht er davon aus, dass die Haftungsbeschränkung nicht erst im Verwaltungsvollstreckungsverfahren gilt (so [X.] Urteil vom [X.] - VIII R 45/01 - [X.]E 203, 5). Eine Verweisungsnorm innerhalb des [X.] ist nicht erforderlich, denn § 1629a [X.] entspricht - wie zB der Grundsatz von Treu und Glauben (§§ 157, 242 [X.]) oder die im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ergänzend heranzuziehenden bereicherungsrechtlichen Grundsätze - einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der ohne ausdrückliche Verweisung auf das geschriebene Recht des [X.] auch für Erstattungsansprüche eines Leistungsträgers gegen einen Leistungsempfänger gilt (vgl zur Entbehrlichkeit einer Verweisungsnorm bei allgemeinen Rechtsgrundsätzen [X.] in [X.] Komm, Stand Juni 2014, § 61 [X.] X RdNr 5).

Die Voraussetzungen für die Haftungsbeschränkung nach § 50 [X.] X iVm § 1629a [X.] sind für die gegen den Kläger erhobene Erstattungsforderung erfüllt, soweit diese das bei ihm am Tag seiner Volljährigkeit vorhandene Vermögen von 27,29 Euro übersteigt. Die Erstattungsforderung des Beklagten betrifft während der Minderjährigkeit erbrachte Leistungen und ist durch eine sonstige Handlung des gesetzlichen Vertreters iS des § 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 [X.] begründet worden.

Die hier im Jahre 2006, also während der Minderjährigkeit des [X.], überzahlten Leistungen wurden wesentlich durch die Handlungen seiner Mutter bewirkt. Eine "sonstige Handlung" iS des § 1629a Abs 1 S 1 [X.] kann auch in einem pflichtwidrigen Unterlassen des gesetzlichen Vertreters bestehen, wenn hieraus Verbindlichkeiten für den Minderjährigen erwachsen (Coester in Staudingers Komm zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Stand April 2007, § 1629a Rd[X.]3). Ein solches pflichtwidriges Unterlassen lag hier vor. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) hatte die Mutter des [X.] diesem bereits zu Beginn der berufsfördernden Maßnahme zugesagt, dass sie den Beklagten über den Bezug der [X.] informieren werde. Hierzu war sie auch nach § 60 Abs 1 S 1 [X.] [X.] I verpflichtet. Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat hiernach Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Auch das Verschweigen von Umständen kann als unrichtige Angabe angesehen werden, wenn eine Mitteilungspflicht bestand, weil die Umstände für die fragliche Leistung rechtlich erheblich waren und dies dem Betroffenen auch bekannt war oder sein musste (Roller in von [X.]/Schütze, [X.] X, 8. Aufl 2014, § 11 RdNr 7 mwN). Ein solcher Sachverhalt ist hier nach den Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) gegeben. Nach den tatsächlichen Umständen, die das Berufungsgericht im Rahmen seiner Überprüfung der im Revisionsverfahren nicht mehr streitigen Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung für den [X.]raum vom 28.2. bis [X.] gewürdigt hat, hatte der Kläger seine Mutter bereits zu Beginn der berufsvorbereitenden Maßnahme darüber informiert, dass er und die anderen [X.] darauf hingewiesen worden seien, dass der [X.]-Bezug dem zuständigen [X.] II-Träger zu melden sei.

Die sozialrechtliche Mitteilungspflicht der Mutter des [X.] als dessen gesetzliche Vertreterin (§ 11 Abs 1 [X.] [X.] X) bleibt dadurch unberührt, dass für den im letzten Quartal 2006 17-jährigen Kläger grundsätzlich die Regelung des § 36 Abs 1 [X.] I zur sozialrechtlichen Handlungsfähigkeit in Teilbereichen (Stellung und Verfolgung von Anträgen, Entgegennahme von Sozialleistungen) anwendbar war. Hiernach kann - wer das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hat - Anträge auf Sozialleistungen stellen und verfolgen sowie Sozialleistungen entgegennehmen (§ 36 Abs 1 S 1 [X.] I). Unabhängig von dem Umstand, dass der Kläger von der ihm eingeräumten sozialrechtlichen Handlungsfähigkeit keinen Gebrauch gemacht hat, ist das hier streitige Aufhebungs- und Erstattungsverfahren ein eigenständiges Verwaltungsverfahren. Es ist nicht auf die Gewährung von Sozialleistungen gerichtet und deswegen von § 36 Abs 1 S 1 [X.] I, der erkennbar auf den rechtlichen Vorteil für den Minderjährigen abstellt, von vornherein nicht umfasst ([X.] - [X.] [X.]/10 R - [X.], 289 = [X.]-4200 § 38 [X.], Rd[X.]4).

Die Haftungsbegrenzung wegen einer Verletzung der Mitteilungspflicht der Mutter des [X.] entfällt auch nicht deshalb, weil die [X.] für den hier streitigen [X.]raum vom [X.] bis 31.12.2006 wegen Einkommenserzielung nach Erlass des [X.] (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 3 [X.] X) aufgehoben worden ist. Die Erstattungsforderung gegenüber dem Kläger wird dadurch nicht zu einer Verbindlichkeit ohne Handlungsbezug, bei der grundsätzlich von einer Nichtanwendbarkeit der Haftungsbeschränkungsmöglichkeit des § 1629a Abs 1 [X.] auszugehen ist (Coester in Staudingers Komm zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Stand April 2007, § 1629a RdNr 44). Die allein den Kläger nach Eintritt seiner Volljährigkeit treffende Erstattungsverpflichtung war vielmehr durch ein pflichtgemäßes Verhalten seiner Mutter während der Minderjährigkeit beeinflussbar. Insofern ist zu Gunsten des [X.] davon auszugehen, dass die von § 60 Abs 1 S 1 Nr 1 [X.] I geforderte unverzügliche Mitteilung des [X.]-Bezugs zu einer Anpassung der Höhe der [X.] II-Leistungen durch den Beklagten geführt hätte, sodass es nicht zu einer Überzahlung und Erstattungspflicht des [X.] für in der [X.] der Minderjährigkeit entstandene Verbindlichkeiten gekommen wäre. Dies "begründet" iS des § 1629a [X.] eine Verbindlichkeit zu Lasten des [X.] durch ein Handeln seiner Mutter als gesetzliche Vertreterin (§ 1629 Abs 1 [X.]).

Der Reduzierung der Erstattungsforderung des Beklagten auf das im [X.]punkt des Eintritts seiner Volljährigkeit vorhandene Vermögen des [X.] steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte den Bescheid vom 13.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] erst nach Eintritt der Volljährigkeit des [X.] erlassen hat. Die Haftungsbegrenzung des § 1629a [X.] als verfassungsunmittelbarer Grundsatz verfolgt einen Schutz des Minderjährigen vor nachteiligen Verfügungen seiner gesetzlichen Vertreter. Dieser Schutz wäre - worauf das [X.] zutreffend hinweist - weitgehend beseitigt, wenn es darauf ankäme, zu welchem [X.]punkt die durch eine Handlung des gesetzlichen Vertreters verursachte Verbindlichkeit dem Grunde nach entstanden oder durch Verwaltungsakt konkretisiert und geltend gemacht worden ist. Zwar lag der Entscheidung des 14. Senats (vgl [X.] - [X.] [X.]/10 R - [X.], 289 = [X.]-4200 § 38 [X.]) ein Sachverhalt zugrunde, in dem der [X.] während der Minderjährigkeit des Adressaten erging. Nichts anderes kann jedoch gelten, wenn bereits der Ausgangsbescheid an den Volljährigen gerichtet wird. Andernfalls hätte es - worauf der Kläger zu Recht hinweist - der Grundsicherungsträger in der Hand, entgegen § 1629a [X.] die Erstattung für die von einem Leistungsempfänger während seiner Minderjährigkeit bezogenen Leistungen durch Erlass des [X.]s nach seiner Volljährigkeit - ggf auch durch gezieltes Abwarten - zu erreichen. Entscheidend ist daher nur, dass die für die Verbindlichkeit kausale Handlung - im Sinne eines Tuns oder pflichtwidrigen Unterlassens - sowie der Leistungsbezug in die Phase der Minderjährigkeit fallen (vgl [X.] in [X.] zum [X.], 6. Aufl 2012, § 1629a [X.] Rd[X.]4). Diese Auslegung begünstigt insbesondere auch keine zweckwidrige Inanspruchnahme von Sozialleistungen, weil der Grundsicherungsträger den gesetzlichen Vertreter zumindest seit dem 1.4.2011 über § 34a [X.] II nF auf Erstattung in Anspruch nehmen kann (zur Inpflichtnahme des gesetzlichen Vertreters nach § 34 Abs 1 S 1 [X.] [X.] II idF des [X.] <[X.]l I 2954>; [X.] in Eicher/Spellbrink, [X.] II, 2. Aufl 2008, § 34 RdNr 11, 13a, 29).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 4 AS 12/14 R

18.11.2014

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Halle (Saale), 6. August 2010, Az: S 6 AS 3032/08, Urteil

§ 50 Abs 1 S 1 SGB 10, § 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 BGB vom 02.01.2002, § 38 S 1 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2014, Az. B 4 AS 12/14 R (REWIS RS 2014, 1278)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1278

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