Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.08.2021, Az. B 5 R 21/21 BH

5. Senat | REWIS RS 2021, 2957

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Gegenstand

Sozialgerichtsverfahren - Zustellung von Entscheidungen "in Abschrift"


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 24. Februar 2021 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente. Sein Widerspruch gegen den [X.] vom [X.], mit dem er die Berücksichtigung zusätzlicher rentenrechtlicher Zeiten und Entgeltpunkte forderte, hatte teilweise Erfolg. Die Beklagte berechnete mit Bescheid vom [X.] die Altersrente neu und wies im Widerspruchsbescheid vom 28.11.2016 den Rechtsbehelf im Übrigen zurück. Das [X.] hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 4.10.2017). Das L[X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Beschluss vom [X.], dem Kläger zugestellt am [X.]).

2

Der Kläger hat sich mit einem 69 Seiten umfassenden Schreiben vom 6.8.2021 an das B[X.] gewandt und Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung eines [X.]s beantragt. Er trägt [X.] vor, die Frist zur Einlegung der Beschwerde sei mit der Zustellung einer beglaubigten Abschrift des L[X.]-Beschlusses an ihn nicht in Lauf gesetzt worden, weil diese nicht die Unterschriften der beschließenden [X.] des L[X.]-Senats wiedergegeben und zudem weder einen Beglaubigungsvermerk des Urkundsbeamten noch ein angebrachtes Gerichtssiegel enthalten habe. Er habe somit nur eine einfache Abschrift zugestellt erhalten, was unwirksam sei. Darüber hinaus rügt er zahlreiche Verfahrensmängel (zB unzureichende Darstellung des Sachverhalts im Tatbestand, Durchführung des Berufungsverfahrens auf der Grundlage einer in der ihm zugestellten Abschrift nicht handschriftlich von der [X.]in unterzeichneten und daher nur ein "Scheinurteil" darstellenden Entscheidung des [X.], fehlerhafte Bezeichnung der Beklagten mit einer Anschrift in [X.] statt mit der zutreffenden in [X.]) und macht geltend, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht falsch sei.

3

II. Der Antrag des [X.] auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.

4

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für ein Verfahren vor dem B[X.] PKH nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

5

Zwar stehen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des [X.] einer Bewilligung von PKH für das von ihm beabsichtigte [X.] nicht entgegen. Auf der Grundlage seiner Angaben im [X.] könnte er die hierfür anfallenden Kosten für einen Rechtsanwalt nur mit von ihm zu leistenden Monatsraten in Höhe von 160 Euro aufbringen (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 115 Abs 1 und 2 ZPO).

6

Es fehlt jedoch an hinreichenden Erfolgsaussichten für die vom Kläger beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde. Würde ein Rechtsanwalt nach Bewilligung von PKH für den Kläger unverzüglich eine formgerechte Beschwerde einlegen, so wäre die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 [X.]G). Die Beschwerde wäre nicht in der vorgeschriebenen Monatsfrist seit Zustellung des L[X.]-Beschlusses (vgl § 160a Abs 1 Satz 2 [X.]G) erhoben. Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl § 67 Abs 1 [X.]G) käme nicht in Betracht, weil der Kläger nicht alles ihm Zumutbare unternommen hat, um innerhalb der Beschwerdefrist PKH zu erlangen. Dazu gehört die Einreichung des [X.] einschließlich der vorgeschriebenen Erklärung (vgl § 117 Abs 2 ZPO) vor Ablauf der Rechtsmittelfrist (stRspr aller obersten Bundesgerichte; vgl B[X.] Beschluss vom 24.10.2007 - B 5a [X.]/07 B - [X.] 4-1500 § 73a [X.] RdNr 5; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 2 U 149/19 B - juris RdNr 2; [X.] Beschluss vom 25.4.2019 - [X.]/18 - juris Rd[X.], jeweils mwN). Der Antrag des [X.] ist am [X.] beim B[X.] eingegangen. Da ihm der L[X.]-Beschluss am [X.] mittels Postzustellungsurkunde wirksam zugestellt worden ist, ist die Beschwerdefrist bereits am [X.], dem [X.] abgelaufen (vgl § 160a Abs 1 Satz 2 iVm § 64 Abs 2 Satz 1, Abs 3 [X.]G).

7

Die Ansicht des [X.], er habe nur eine einfache Abschrift des L[X.]-Beschlusses zugestellt erhalten, welche die Unterschrift der beschließenden [X.] nicht erkennen lasse, keinen Beglaubigungsvermerk enthalte und deshalb die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt habe, trifft nicht zu.

8

Beschlüsse des L[X.] nach § 153 Abs 4 Satz 1 [X.]G ergehen ohne mündliche Verhandlung und sind gemäß § 133 Satz 2 [X.]G zuzustellen. Zugestellt wird gemäß § 63 Abs 2 [X.]G nach den Vorschriften der ZPO. Maßgeblich hierfür ist § 317 Abs 1 Satz 1 ZPO, der seit seiner Änderung mit Wirkung vom 1.7.2014 durch Art 1 [X.] des [X.] mit den Gerichten (ERVGerFöG vom 10.10.2013 - [X.]) die Zustellung von Entscheidungen "in Abschrift" vorsieht (vgl [X.] Beschluss vom 15.2.2018 - V ZR 76/17 - juris RdNr 4). Dabei sind die zuzustellenden Abschriften gemäß § 169 Abs 2 Satz 1 ZPO von der Geschäftsstelle zu beglaubigen, also mit einem Beglaubigungsvermerk zu versehen und handschriftlich zu unterschreiben (vgl Gesetzentwurf zum ERVGerFöG, BT-Drucks 17/12634 [X.] - zu § 317 Abs 1; s auch [X.] in jurisPK-[X.]G, § 63 RdNr 23, Stand der Einzelkommentierung 25.11.2019; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 137 RdNr 2; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], BeckOGK [X.]G, § 63 RdNr 9, Stand der [X.]). Das ERVGerFöG hat § 169 ZPO darüber hinaus um einen Abs 3 ergänzt, der auch eine Beglaubigung durch maschinelle Bearbeitung ermöglicht. Dabei wird die handschriftliche Unterzeichnung eines Beglaubigungsvermerks durch den Abdruck eines Gerichtssiegels ersetzt (vgl BT-Drucks 17/13948 S 33 - zu § 169 ZPO; s auch [X.] Beschluss vom 15.2.2018 - V ZR 76/17 - juris Rd[X.] f). Das Gerichtssiegel kann - entsprechend dem Zweck der Ermöglichung einer maschinellen Bearbeitung - auch aufgedruckt sein; es muss nicht gesondert erst nachträglich auf das Schriftstück aufgebracht werden (vgl [X.] in [X.], ZPO, 33. Aufl 2020, § 169 RdNr 13).

9

Die vom Kläger übersandte Kopie lässt erkennen, dass die ihm zugestellte Abschrift des L[X.]-Beschlusses diesen Anforderungen entspricht. Sie trägt die Überschrift "Beglaubigte Abschrift" und lässt auf der letzten Seite gut lesbar und unterhalb der in [X.] wiedergegebenen Namen der an der Beschlussfassung mitwirkenden [X.] das aufgedruckte Gerichtssiegel des Berufungsgerichts erkennen. Auch die Wiedergabe der Namen der [X.] ohne Klammern oder ergänzende Zusätze ist nicht zu beanstanden (vgl [X.] Urteil vom 23.1.1975 - [X.]/73 - NJW 1975, 781 = juris RdNr 17 mwN; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] 132/09 - [X.]Z 186, 22 = juris RdNr 17; s auch [X.] in [X.], aaO RdNr 8).

Damit hat der Kläger mit Postzustellungsurkunde am [X.] wirksam eine beglaubigte Abschrift des L[X.]-Beschlusses zugestellt erhalten; die Beschwerdefrist hat somit am darauffolgenden Tag zu laufen begonnen (vgl § 64 Abs 1 [X.]G) und ist am [X.] abgelaufen. Im Übrigen wäre selbst bei Zustellung einer einfachen Abschrift (was hier, wie ausgeführt, nicht der Fall war) ein solcher Fehler nach der Vorschrift zur Heilung von [X.] bei tatsächlichem Zugang des zuzustellenden Dokuments (vgl § 189 ZPO) unbeachtlich (zur Heilung eines solchen Zustellungsmangels s auch BVerwG Beschluss vom 6.7.2007 - 8 PKH 2/07 - juris RdNr 3). Dass in der Zustellung einer nicht beglaubigten Abschrift ein heilbarer Zustellungsmangel liegen kann, hat auch der [X.] in der vom Kläger angeführten Entscheidung vom 22.12.2015 ([X.] - [X.]Z 208, 255 = NJW 2016, 1517 = juris RdNr 14 ff) ausdrücklich anerkannt. [X.] sind kein Selbstzweck (vgl [X.] aaO RdNr 27 mwN). § 189 ZPO hat deshalb den Sinn, eine Zustellung auch dann als bewirkt anzusehen, wenn der [X.] anderweitig erreicht wird (vgl [X.] Urteil vom 13.9.2017 - IV ZR 26/16 - NJW 2017, 3721 RdNr 18). Sind die Voraussetzungen des § 189 ZPO erfüllt, so gilt das zuzustellende Dokument zum Zeitpunkt seines tatsächlichen Zugangs beim Zustellungsadressaten kraft Gesetzes als zugestellt. Das löst zugleich auch den Lauf der Rechtsmittelfrist aus (vgl § 160a Abs 1 Satz 2 [X.]G). Lediglich im Fall von besonders schwerwiegenden [X.], die nicht nach § 189 ZPO geheilt werden können, beginnt eine Rechtsmittelfrist nicht zu laufen (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 31/19 B - juris RdNr 18).

Da dem Kläger nach alledem PKH nicht zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 121 Abs 1 ZPO).

Meta

B 5 R 21/21 BH

31.08.2021

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Augsburg, 4. Oktober 2017, Az: S 4 R 5/17, Urteil

§ 63 Abs 2 SGG, § 64 Abs 1 SGG, § 64 Abs 2 S 1 SGG, § 64 Abs 3 SGG, § 67 Abs 1 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 133 S 2 SGG, § 153 Abs 4 S 1 SGG, § 160a Abs 1 S 2 SGG, § 114 Abs 1 S 1 ZPO, § 115 Abs 1 ZPO, § 115 Abs 2 ZPO, § 117 Abs 2 ZPO, § 169 Abs 2 S 1 ZPO, § 169 Abs 3 ZPO, § 189 ZPO, § 317 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.08.2021, Az. B 5 R 21/21 BH (REWIS RS 2021, 2957)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2957

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZB 104/18

V ZR 76/17

XII ZB 132/09

VI ZR 79/15

IV ZR 26/16

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