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PDF anzeigenECLI:DE:BGH:2017:200717UIXZR7.17.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 7/17
Verkündet am:
20. Juli 2017
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der IX.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
20. Juli
2017
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richte-rin Lohmann und die Richter Grupp, Dr. Schoppmeyer und Meyberg
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird
das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
vom 9. Dezember 2016 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Düs-seldorf vom 13. Januar 2016 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der
Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Gläubigerantrag am 9. Dezember
2011 eröffneten Insolvenzverfahren
über das Vermögen der Z.
GmbH
& Co.
KG (nachfolgend: Schuldnerin), einer Publi-kums-KG, an der sich der Beklagte als Kommanditist mit einer in das Handels-register
eingetragenen Hafteinlage von 80.000
§
18.6 des Gesellschaftsvertrages lautet:
"Für die Geschäftsjahre 2004 bis einschließlich 2008 erhalten die Kommanditisten vorab eine garantierte Ver-zinsung auf die von ihnen geleistete Kommanditeinlage i.H.v. 6
%
p.a.
für den 1
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Zeitraum vom Tage der Wertstellung der Einlage auf dem Konto der Gesell-schaft bis zum jeweiligen Ende des Geschäftsjahres, zahlbar bis jeweils Ende des dritten
Monats des Folgejahres. Es wird auf den Zinsgarantievertrag ver-wiesen. Die Verzinsung wird auf das Ergebnis angerechnet."
Zugleich schloss die Schuldnerin mit der J.
AG einen Ausschüt-tungsgarantievertrag, in dem diese sich verpflichtete, der Schuldnerin liquide Mittel zur Erfüllung der gegenüber den Kommanditisten bestehenden Verpflich-tung zur Verfügung zu stellen, sollte deren Ertragslage nur eine geringere als die vertraglich vereinbarte Ausschüttung zulassen. Im Geschäftsjahr 2007 er-zielte die Schuldnerin keine Gewinne. Auf der Grundlage des Ausschüttungsga-rantievertrages stellte die
nunmehr ebenfalls insolvente J.
AG der Schuldnerin Mittel zur Verfügung, aus denen die Schuldnerin am 31.
März 2008 über die Treuhandkommanditistin einen als Garantieausschüttung für das Jahr 2007 bezeichneten Betrag von 4.800
Das Amtsgericht hat die auf anfechtungsrechtliche Rückgewähr
dieses Betrages nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klä-gers hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte
sein Klage-abweisungsbegehren
weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat
Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe der geltend ge-machte Anspruch gemäß § 143 Abs.
1, § 134 Abs.
1 InsO zu. Die angefochtene Zahlung stelle eine unentgeltliche Leistung an den Beklagten dar, weil
dieser
keinen
Anspruch auf Auszahlung der streitgegenständlichen Ausschüttung ha-be. §
18.6 des Gesellschaftsvertrags
sei nach Wortlaut und Systematik und un-ter Berücksichtigung des Ausschüttungsgarantievertrages dahin auszulegen, dass den
Kommanditisten ein Vorschuss auf künftige Gewinne garantiert wer-de.
Der Geltendmachung dieses Anspruchs
stehe die Treuepflicht der Gesell-schafter entgegen, der es widerspreche, auf Vorauszahlungen auf die hier aller Voraussicht nach nicht anfallenden Gewinne zu bestehen. Die angefochtene Zahlung habe zudem die Gläubiger benachteiligt
und weder sei der Rückge-währanspruch durch Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen wegen Pros-pektfehlern erloschen, noch könne der Beklagte die Leistung wegen Eintritts der Verjährung verweigern.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die
Leistung an den Beklagten erfolgte nicht unentgeltlich im Sinne von
§
134 Abs.
1 InsO.
1. Unentgeltlich ist eine Leistung im hier gegebenen Zwei-Personen-Verhältnis, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll (vgl. BGH, Urteil vom 6
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5.
März 2015
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IX
ZR 133/14, BGHZ 204, 231; vom 15.
September 2016 -
IX
ZR 250/15, WM 2016, 2312 Rn. 20
f; vom 20. April 2017 -
IX ZR 252/16, WM 2017, 1215 Rn. 10
ff, zVb in BGHZ). Zahlungen, mit denen eine Kommanditgesell-schaft den Anspruch auf Rückgewähr einer Einlage oder auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens erfüllt, sind keine unentgeltlichen
Leistungen
(vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2010 -
IX ZR 225/09, ZIP 2010, 1455
Rn. 11; vom 18.
Juli 2013 -
IX ZR 198/10, NJW 2014, 305 Rn. 9). Auszahlungen
von in "Schneeballsystemen"
erzielten Scheingewinnen können demgegenüber unbe-schadet eines ordnungsgemäßen Zustandekommens des Gewinnverwen-dungsbeschlusses als objektiv unentgeltliche Leistung nach §
134 Abs.
1 InsO angefochten werden (BGH, Urteil vom 22. April 2010,
aaO; vom 18. Juli 2013, aaO). Erhält ein Anleger in derartigen
Fällen Auszahlungen, die sowohl auf Scheingewinne als auch auf die Einlage erfolgen, so sind diese nur gemäß §
134 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit es um die Auszahlung auf Scheingewinne geht. Die Rückzahlung der Einlage stellt in diesen Fällen regelmäßig den Ge-genwert für die vom Anleger erbrachte Einlage dar (BGH, Urteil vom 22. April 2010, aaO).
2. Gemessen hieran ist die Zahlung an den Beklagten nicht unentgeltlich im Sinne von §
134 Abs.
1 InsO. Wie der Senat mit Urteil vom 20. April 2017 (IX ZR 189/16, ZIP
2017, 1284) in einem dieselbe Gesellschaft betreffenden Fall bereits entschieden hat, gewährt der Gesellschaftsvertrag den Kommanditisten
einen Anspruch auf die erhaltene Zahlung, dessen Geltendmachung
auch die Treuepflicht eines Kommanditisten nicht entgegensteht.
a) Über die Regelung des §
169 Abs. 1 HGB hinaus sind Ausschüttungen an die Kommanditisten zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht oder die Ausschüttung durch das Einverständnis aller Gesellschafter gedeckt ist 9
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(BGH, Urteil vom 12.
März 2013 -
II
ZR 73/11, NJW 2013, 2278 Rn. 9 mwN). Solche Ausschüttungen können in der Weise vereinbart
werden, dass sie auch insoweit zu gewähren und zu belassen sind, als sie nicht durch Gewinne ge-deckt sind, also letztlich in Form einer festen Kapitalverzinsung
oder garantier-ter Mindesttantieme zu Lasten des Kapitals gehen (BGH, Urteil vom 12. März 2013, aaO). Sie sind entgeltlich, wenn sie Gegenleistung für die Pflichteinlage
sind. So verhält es sich hier.
aa) Der Gesellschaftsvertrag gewährt hier den Kommanditisten für ihre tatsächlich geleistete Einlage einen Anspruch auf eine gewinnunabhängige Ausschüttung. Dies kann
der Senat selbst feststellen, weil
Gesellschaftsverträ-ge von Publikumsgesellschaften nach ihrem objektiven Erklärungsbefund aus-zulegen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil
vom 19.
Juli 2011 -
II
ZR 153/09,
NZG 2011, 1142 Rn. 11; vom 12.
März 2013 -
II
ZR 73/11, NJW 2013, 2278 Rn.
13). Zwar ist
§
18 des Gesellschaftsvertrags mit "Ergebnisverteilung"
über-schrieben. Aber nach dem insoweit klaren Wortlaut der Regelung in §
18.6 wird den Kommanditisten auf die erbrachte Einlage eine Verzinsung mit einem fes-ten, gewinnunabhängigen Zinssatz garantiert. Dass diese Zinszahlungen auf etwaige Gewinne angerechnet werden, lässt die Verpflichtung zu deren Zahlung nicht für den Fall entfallen, dass Gewinne nicht erwirtschaftet werden (BGH, Urteil vom 20. April 2017 -
IX ZR 189/16, aaO).
bb) Anhaltspunkte dafür, dass die Kommanditisten die Auszahlungen gemäß
§
18.6 des Gesellschaftsvertrags unter dem Vorbehalt einer Rückforde-rung erhalten haben, sind nicht ersichtlich. Dass der Gesellschaftsvertrag keine dahingehende Regelung enthält, steht zwar der Annahme einer gewinnabhän-gigen Vorabausschüttung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 18.
Juli 2013
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IX
ZR 198/10, NJW 2014, 305 Rn. 40). Aus deren Fehlen kann aber nicht ge-11
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schlossen werden, es müsse sich (deswegen) um gewinnabhängige Vorabaus-schüttungen handeln. Vielmehr ist ein Kommanditist, wenn an ihn auf der Grundlage einer Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag eine Auszahlung geleis-tet wurde, obwohl sein Kapitalanteil durch Verlust unter den auf die bedungene Einlage geleisteten Betrag herabgemindert ist oder
durch die Auszahlung unter diesen Betrag herabgemindert wird
oder eine bereits bestehende Belastung vertieft wird, nur dann zur Rückzahlung an die Gesellschaft verpflichtet, wenn der Gesellschaftsvertrag dies
hinreichend klar
vorsieht
(vgl. BGH, Urteil vom 20.
April
2017 -
IX ZR 189/16, aaO, Rn. 11 mwN). Eine solche Regelung wurde hier nicht getroffen.
cc) Die Vorschriften des Handelsgesetzbuches stehen einer derartigen Vertragsgestaltung nicht entgegen. Sie kennen für die Kommanditgesellschaft keinen im Innenverhältnis wirkenden Kapitalerhaltungsgrundsatz. Die Gesell-schafter können ihre Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis insoweit unterei-nander und zur Gesellschaft weitgehend frei gestalten.
Deswegen kann auch der Umstand, dass es sich bei der Zahlung an den Beklagten mangels erwirt-schafteter Gewinne um die Rückgewähr von Einlagen handelt, keine Unentgelt-lichkeit der Leistung im Sinne von
§
134 InsO begründen. Solche Zahlungen können zwar zu einer Haftung nach §
172 Abs. 4, §
171 Abs. 1 HGB führen. Diese Vorschriften betreffen aber ausschließlich die Haftung des Kommanditis-ten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern im Außenverhältnis und nicht des-sen Verhältnis zur Gesellschaft (BGH, Urteil
vom 20. April 2017 -
IX ZR 189/16, aaO, Rn.
12).
b) Die
Ausübung des
Anspruchs auf Auszahlung der garantierten Zinsen war zum Zeitpunkt der Zahlung auch nicht durch die
Treuepflicht des Gesell-schafters eingeschränkt. Allein das Ausbleiben von Gewinnen bei der Schuldne-13
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rin begründet keine solche Treuepflicht,
zumal für die Schuldnerin die Zahlung der gewinnunabhängigen Ausschüttungen durch den Vertrag mit der J.
AG abgesichert war. Der Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 18.
Juli 2013 (IX
ZR 193/10, NJW 2014, 305 Rn.
44) kann insoweit nicht verfangen, als diese Entscheidung Vorauszahlungen auf künftig aller Voraussicht nach nicht anfal-lende Gewinne betrifft, die nur aus Einlagen neu beitretender Gesellschafter finanziert werden können.
III.
Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als
rich-tig dar (§ 561 ZPO). Die Klage wird
ausschließlich auf die Voraussetzungen der §§ 143, 134 InsO gestützt. Eine Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gläubigern
ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Im Übrigen ist das Vorliegen der Voraussetzungen
der § 172
Abs. 4, § 171 Abs. 1 HGB -
wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat
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nicht schlüssig dargetan.
IV.
Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist aufzu-heben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung
bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst ent-scheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Weitere tatsächliche Feststellungen sind nicht zu
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erwarten. Die Berufung des Klägers ist zurückzuweisen, weil das Amtsgericht die Klage mit
Recht abgewiesen hat.
Kayser
Lohmann
Grupp
Schoppmeyer
Meyberg
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.01.2016 -
232 C 17690/14 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.12.2016 -
10 S 4/16 -
Meta
20.07.2017
Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2017, Az. IX ZR 7/17 (REWIS RS 2017, 7712)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 7712
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
IX ZR 189/16 (Bundesgerichtshof)
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