Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.07.2018, Az. 2 StR 467/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 6217

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Gegenstand

Wiedereinsetzungsantrag des revidierenden Nebenklägers: Begründungsanforderungen nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist


Tenor

Der Antrag der Nebenklägerin, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 19. Mai 2017 zu gewähren, wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge in zwei tateinheitlichen Fällen, besonders schweren Raubes und schwerer Körperverletzung sowie wegen Freiheitsberaubung von mehr als einer Woche in Tateinheit mit falscher Verdächtigung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Der Senat hat die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten mit Beschluss vom heutigen Tag verworfen (§ 349 Abs. 2 [X.]). Auch die Nebenklägerin hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Revision eingelegt. Die [X.], mit der sie ohne nähere Begründung die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist erst am 23. August 2017 und damit nach der mit Ablauf des 11. August 2017 endenden Monatsfrist zur Begründung des Rechtsmittels eingegangen. Das [X.] hat das Rechtsmittel mit Beschluss vom 30. August 2017 als unzulässig verworfen (§ 346 Abs. 1 [X.]).

2

Die Nebenklägerin hat daraufhin mit Schreiben vom 11. September 2017 beantragt, ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Rechtsmittels zu gewähren.

3

Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig (§ 46 Abs. 1 [X.]). Insoweit hat der [X.] in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Der Antrag der Nebenklägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig, da er nicht den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 [X.] entspricht.

a) Im Unterschied zum Angeklagten ist einem Nebenkläger nach ständiger Rechtsprechung das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, der nach Versäumung der Frist zur Revisionsbegründung Wiedereinsetzung beantragt, nach dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Für die Frage, ob der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt für Verschulden seines Kanzleipersonals haftet, kommt es darauf an, ob dieses sorgfältig ausgewählt und überwacht wird und ob eine zur Verhinderung von Fristüberschreitungen taugliche Büroorganisation vorhanden ist ([X.], Beschluss vom 28. April 2016 - 4 StR 474/15; [X.], Beschluss vom 17. März 2010 - 2 StR 27/10; [X.]/[X.], [X.], 60. Aufl., § 44, Rn. 19 f.; [X.], [X.], 7. Aufl., § 44, Rn. 34 f., jeweils m.w.[X.]). Deshalb erfordert die Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht nur eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumnis gekommen ist ([X.], Beschluss vom 28. April 2016 - 4 StR 474/15; [X.], Beschluss vom 3. April 1987 - 2 [X.], [X.]R [X.] § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 1). Vorzutragen sind ferner diejenigen Tatsachen, die ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden des Bevollmächtigten ausschließen. Dies betrifft insbesondere die organisatorischen Vorkehrungen, durch die im Rahmen der Arbeitsabläufe in der Kanzlei sichergestellt werden soll, dass ein fristgebundener [X.] nicht nur rechtzeitig fertiggestellt, sondern auch innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht ([X.], Beschluss vom 28. April 2016 - 4 StR 474/15).

b) Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Nebenklägerin genügt diesen Anforderungen nicht, da er ein eigenes Verschulden des Bevollmächtigten nicht auszuschließen vermag. Zwar darf ein Rechtsanwalt in einfach gelagerten Fällen die Feststellung des Fristbeginns und die Berechnung einer Frist gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büroangestellten überlassen ([X.], Beschluss vom 28. April 2016 - 4 StR 474/15 m.w.[X.]). Durch eine geeignete Büroorganisation muss jedoch sichergestellt sein, dass nur solche Kanzleibeschäftigte Rechtsmittelfristen in den Handakten vermerken bzw. im Fristenkalender notieren, die diesen Ausbildungsanforderungen gerecht und insoweit sorgfältig überwacht werden. Der Vortrag des Vertreters der Nebenklägerin verhält sich hierzu nicht. Weder wird eine generelle Büroorganisation vorgetragen - die Darlegungen beschränken sich insoweit auf die Abläufe im konkreten Einzelfall - noch dargelegt, ob die in Frage kommenden [X.] gut ausgebildet waren und wie deren sorgfältige Überwachung erfolgt ist. Der Vortrag, dass nicht nachvollzogen werden kann, welche der Mitarbeiterinnen der Kanzlei das Empfangsbekenntnis scheinbar nicht richtig gelesen hat, lässt vielmehr auf ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten schließen.“

4

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei.

Schäfer     

        

Krehl     

        

Eschelbach

        

Zeng     

        

Bartel     

        

Meta

2 StR 467/17

11.07.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 19. Mai 2017, Az: 52 Ks 2/17

§ 44 StPO, § 45 Abs 2 S 1 StPO, § 400 StPO, § 85 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.07.2018, Az. 2 StR 467/17 (REWIS RS 2018, 6217)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6217

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