Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2006, Az. IX ZR 63/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 3588

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 11. Mai 2006 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB a.F. §§ 611, 634, 635 a) Ein mit einem Steuerberater geschlossener Vertrag, der auch eine Beratung in Steuerangelegenheiten zum Gegenstand hat, ist in jedem Fall ein Dienstvertrag. b) Der Steuerberater hat jedenfalls dann kein Nachbesserungsrecht hinsichtlich einer Einzelleistung mit werkvertraglichem Charakter, wenn sein Auftraggeber das Mandat bereits beendet hatte und der Fehler erst von einem neu beauftragten Steuerberater entdeckt worden ist. [X.], [X.]eil vom 11. Mai 2006 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2006 durch [X.] [X.], [X.] Ganter und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das [X.]eil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 24. Februar 2005 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin nimmt die beklagte Steuerberatungsgesellschaft wegen der fehlerhaften Erstellung des Jahresabschlusses und auf diesem Fehler beruhen-der fehlerhafter Steuererklärungen für das [X.] auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin hatte die Beklagte im Jahre 1997 mit der Führung der Buchhaltung, der Erstellung der Jahresabschlüsse mit Erläuterungsbericht, der Erstellung der Steuererklärungen für Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer, der Prüfung der Steuerbescheide und - soweit erforderlich - der Einlegung von Einsprüchen beauftragt. Unter dem 30. November 1999 kündigte sie das Man-dat und beauftragte eine andere Beratungsgesellschaft mit der Erstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 1999. Die neue Beraterin stellte die im vorlie-genden Prozess beanstandeten Fehler fest, die zu Beratungsmehrkosten und [X.] in Höhe von insgesamt 6.818,87 • führten. Diesen Betrag verlangt die Klägerin jetzt noch von der [X.] ersetzt. Nach Ansicht der [X.] 1 - 3 - besteht ein Anspruch auf Schadensersatz deshalb nicht, weil sie keine Gele-genheit erhalten habe, die Fehler des Jahresabschlusses und der [X.] selbst zu beseitigen. Die Vorinstanzen haben die [X.] verurteilt. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe: Die Revision bleibt ohne Erfolg. 2 1. Das Berufungsgericht hat den [X.] zu Recht als Dienstvertrag eingeordnet. 3 a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein [X.], durch den einem Steuerberater allgemein die Wahrnehmung aller steuerli-chen Interessen des Auftraggebers übertragen wird, regelmäßig als [X.] (§§ 611 ff BGB) anzusehen, der eine Geschäftsbesorgung zum [X.] hat. Der Steuerberater schuldet im Rahmen eines derartigen Vertrages unterschiedliche Tätigkeiten, die keineswegs stets auf einen bestimmten Erfolg gerichtet sind. Die steuerliche Beratung bei der Anlage und der Bewertung von Vermögen, bei der Ausschöpfung von Steuervergünstigungen und bei der Ver-tretung des Steuerpflichtigen vor den Steuerbehörden als allgemeiner Beistand in Steuerangelegenheiten stellt eine reine Dienstleistung dar. Dass dazu Zahlen ermittelt, Unterlagen erstellt und Erklärungen gefertigt werden müssen, liegt in der Natur der Sache und steht einer Einordnung des Vertrages als [X.] nicht entgegen. Der Vertrag ist in seiner Gesamtheit nach der vom Auftrag-geber gewählten Zielrichtung zu beurteilen. Unter diesem Gesichtspunkt wird 4 - 4 - nicht schon jede zu erbringende Einzelleistung als Erfolg im Sinne des Werk-vertragsrechts (§ 631 Abs. 2 BGB) geschuldet, selbst wenn sie für sich gesehen auf ein bestimmtes Ergebnis gerichtet ist ([X.] 54, 106, 107 f; 115, 382, 386; [X.], [X.]. v. 21. November 1996 - [X.] ZR 159/95, [X.], 330; vgl. auch [X.]. v. 7. März 2002 - [X.], [X.], 1571, 1572). Ein Werkvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter ist ausnahmsweise bei Einzelaufträgen anzu-nehmen, die auf eine einmalige, in sich abgeschlossene Leistung gerichtet sind, etwa die Anfertigung bestimmter Bilanzen, ein Gutachten oder eine Rechtsaus-kunft zum Gegenstand haben; denn in derartigen Fällen wird der Steuerberater das Risiko im Allgemeinen hinreichend abschätzen können, um für einen be-stimmten Erfolg seiner Tätigkeit als Werkleistung im Sinne von § 631 BGB ein-zustehen ([X.] 115, 382, 386; [X.], [X.]. v. 7. März 2002, aaO). In einer älte-ren Entscheidung hat der [X.] einen Steuerberatervertrag als Dienstvertrag angesehen, in dem der Steuerberater (nur) mit der Buchhaltung, der Erstellung der Jahresabschlüsse und der Vorbereitung der [X.] beauftragt worden war ([X.]. v. 6. Dezember 1979 - [X.], [X.] § 675 BGB Nr. 73 = [X.], 308, 309). Umgekehrt hat der [X.] Werkvertragsrecht auf einen Vertrag angewandt, der Buchhaltungsarbeiten und den Entwurf von Jahresabschlüssen durch ein gewerbliches Unternehmen - keinen Steuerberater - zum Gegenstand hatte; denn die geschuldeten Leis-tungen seien auf eine fehlerfreie Erfassung und Auswertung der vorhandenen Daten, daher auf bestimmte Arbeitsergebnisse und einen Erfolg im Sinne des [X.] gerichtet gewesen, für den allein die Auftragnehmerin die Verantwortung zu tragen habe und der demnach - anders als beim [X.] - in deren eigenen Risikobereich falle ([X.]. v. 7. März 2002, aaO S. 573). b) Nach diesen Maßstäben war der von den Parteien geschlossene [X.] ein Dienstvertrag. Das Berufungsgericht hat zwar als "streitig" bezeichnet, 5 - 5 - ob die Beklagte mit der Wahrnehmung "aller" steuerlichen Interessen der Klä-gerin beauftragt worden ist. Die Gesamtheit der ihr übertragenen Aufgaben war jedoch nicht auf die Erzielung eines bestimmten Erfolges gerichtet, für den sie im Sinne des § 631 Abs. 2 BGB hätte einstehen können. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte "im Sinne eines Bausteinprinzips" verpflichtet war, alle Schritte von der Erfassung der Daten durch die Buchhaltung, deren Umsetzung und Einbeziehung in die auch noch auf weiteren Informationen [X.] Jahresabschlüsse und Bilanzen bis hin zu deren Umsetzung in die Steuererklärungen für Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer durchzuführen. Ziel des Auftrags war es, steuerlich und wirtschaftlich günstige [X.] zu erarbeiten und so, erforderlichenfalls nach Durchführung eines Ein-spruchsverfahrens, eine möglichst vorteilhafte Besteuerung zu erreichen. Auf die abschließenden Entscheidungen der Finanzverwaltung, das "Endergebnis" ihrer Tätigkeit, hatte die Beklagte letztlich keinen Einfluss mehr.
2. Entgegen der Ansicht der Revision handelte es sich bei dem [X.] auch nicht um eine Einzelleistung, auf die unabhängig von der Einordnung des Steuerberatervertrages insgesamt Werkvertragsrecht [X.] gewesen wäre. Einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gemäß § 634 BGB a.F. bedurfte es nicht. 6 a) In der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte und in der Literatur ist die Anwendung der Vorschriften des [X.], insbesondere des hier gegebenenfalls einschlägigen § 634 BGB in der bis zum 1. Januar 2002 gültigen Fassung, auf Einzelleistungen des Steuerberaters innerhalb eines [X.], als Dienstvertrag einzuordnenden Beratervertrages für möglich gehalten worden (zum Beispiel [X.] VersR 2004, 389, 390; [X.], 721; [X.], Die zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters 7 - 6 - 4. Aufl. Rn. 134.2, 295, [X.]/[X.], [X.]. 2003 [X.]. zu § 631 ff Rn. 32; [X.]/[X.], [X.]. Vor § 631 Rn. 87; [X.] EWiR 2002, 667, 668; weitere Nachweise der Rechtsprechung der Oberlan-desgerichte bei [X.], [X.]. v. 7. März 2002, aaO S. 1572; [X.], [X.]. Vor § 1 [X.] Anm. 1.3.2). Wäre dies richtig, haftete die Beklagte zunächst nicht. Nach § 634 BGB a.F. hatte der Besteller dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels mit der Erklärung zu setzen, dass er die Beseitigung des Mangels nach dem Ablauf der Frist ablehne. Zu den Voraussetzungen des § 634 Abs. 2 BGB a.F., unter denen eine Fristsetzung ausnahmsweise entfallen konnte, hat das Berufungs-gericht keine Feststellungen getroffen. b) Ob im Rahmen eines insgesamt als Dienstvertrag anzusehenden Steuerberatervertrages überhaupt eine Verpflichtung des Mandanten bestehen kann, dem Steuerberater die Nachbesserung einzelner Teilleistungen zu er-möglichen, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Ein Nachbesserungsrecht kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Feh-ler, wie im vorliegenden Fall, erst nach Kündigung des Vertrages durch den Mandanten von dessen neuem Steuerberater bemerkt worden ist. 8 aa) Die Anwendung der §§ 634, 635 BGB a.F. in einem solchen Fall stünde im Widerspruch zur Vorschrift des § 627 BGB. Nach § 627 Abs. 1 BGB ist bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 BGB ist, die Kündigung ohne die besonderen Voraussetzungen des § 626 BGB zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete Dienste höherer Art zu leis-ten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, und nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen steht. [X.] leisten in der Regel Dienste höherer Art im Sinne des § 627 BGB, weil 9 - 7 - der Mandant ihnen Einblick in seine Berufs-, Einkommens- und Vermögensver-hältnisse gewährt ([X.] 54, 106, 108; [X.], [X.]. v. 19. November 1992 - [X.] ZR 77/92, NJW-RR 1993, 374 mit weiteren Nachweisen). Der ihnen erteilte [X.] kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung be-endet werden. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin mit Schreiben vom 30. November 1998 Gebrauch gemacht, ohne dass die Beklagte die Kündigung hätte verhindern können. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 627 Abs. 1 BGB, nur Personen des eigenen Vertrauens mit der steuerlichen Beratung befassen zu dürfen, würde nicht erreicht, wenn der Auftraggeber gehalten wäre, dem wirksam gekündigten Berater hinsichtlich bestimmter Teilleistungen Gelegen-heit zur Nachbesserung zu geben und damit erneuten und weiteren Einblick in vertrauliche Einzelheiten der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit zu gewähren.
[X.]) Anders als in dem Fall, welcher der Entscheidung des [X.] vom 7. März 2002 (aaO S. 1573) zugrunde liegt, entspräche eine Nachbesserung in einem solchen Fall auch nicht den Interessen beider [X.]sparteien. 10 Der Steuerberater hat Fähigkeiten und Kenntnisse, welche dem Mandan-ten regelmäßig selbst nicht zur Verfügung stehen. Ob er seine Arbeit mangelfrei erbringt, kann der Mandant oft selbst nicht beurteilen. Auch im vorliegenden Fall sind die Fehler der Leistungen der [X.] nicht von der Klägerin selbst ent-deckt worden, sondern von dem [X.], das die Klägerin nach der Kündigung des Vertrages mit der [X.] neu beauftragt hatte. In einem solchen Fall wäre es umständlich, zeitaufwendig und den Mandanten unnötig belastend, wenn er dem früheren Berater trotz der Kündigung die Möglichkeit einer Mängelbeseitigung einräumen müsste. Der neue Berater, dem der Fehler aufgefallen ist, hat sich regelmäßig bereits eingearbeitet, weil die von ihm zu 11 - 8 - erstellende Bilanz auf derjenigen des vorhergehenden Geschäftsjahres aufzu-bauen hatte (Grundsätze der [X.], § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB, und der [X.], § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Er müsste seine Arbeiten, die zur Aufdeckung des Fehlers geführt haben, unterbrechen und die für die Nachbes-serung erforderlichen Unterlagen wieder dem früheren Berater zur Verfügung stellen, der sich neu einzuarbeiten hätte. Außerdem kann es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem [X.] und dem neuen Berater über die zutreffende steuerrechtliche Einordnung bestimmter Geschäftsvorfälle kommen. Der Vorwurf fehlerhafter Tätigkeit des [X.] wird nicht selten auf derartige Meinungsverschiedenheiten zurückzuführen sein. Zweck der Steuerberatung ist es, die dem Auftraggeber fehlende Sach- und Rechtskunde auf diesem Gebiet zu ersetzen ([X.], [X.]. v. 20. Oktober 2005 - [X.] ZR 127/04, [X.], 2345, 2346). Der Mandant, der wegen seiner fehlenden Sachkunde einen Steuerberater beauftragt hat, kann in der Regel nicht entscheiden, welche Ansicht zutrifft. Ihm ist nicht zuzumuten, 12 - 9 - sich erneut den Ansichten des von ihm bereits gekündigten ehemaligen Bera-ters zu unterwerfen und sich dadurch in Widerspruch zur Auffassung seines neuen Beraters zu setzen, welcher derzeit sein Vertrauen genießt und die [X.] zu erledigen hat. Dr. [X.]

[X.]

[X.] [X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 22.08.2003 - 2 O 486/01 - [X.], Entscheidung vom 24.02.2005 - 11 U 33/03 -

Meta

IX ZR 63/05

11.05.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2006, Az. IX ZR 63/05 (REWIS RS 2006, 3588)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3588

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