Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2017, Az. I ZR 154/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10679

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Gegenstand

Anhörungsrüge: Sekundäre Darlegungslast des Internetanschlussinhabers hinsichtlich der Anschlussnutzung durch den Ehegatten


Tenor

Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 6. Oktober 2016 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe

1

Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist in der Sache nicht begründet.

2

I. Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG ist durch das [X.]surteil vom 6. Oktober 2016 nicht verletzt.

3

1. Der [X.] hat ausgeführt, eine Abwägung der im Streitfall zu berücksichtigenden Grundrechtspositionen - einerseits der für die Klägerin sprechende Eigentumsschutz gemäß Art. 17 Abs. 2 [X.] und Art. 14 Abs. 1 GG, andererseits der zugunsten des [X.] wirkende Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 7 [X.] und Art. 6 Abs. 1 GG - führe zu dem Ergebnis, dass es dem Anschlussinhaber nicht zumutbar sei, ihm die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von [X.] abzuverlangen. Das Berufungsgericht habe allerdings die Pflichten eines [X.] zu weitgehend eingeschränkt, indem es eine Untersuchung des vom Anschlussinhaber selbst genutzten Computers nicht für erforderlich gehalten habe. Das Urteil erweise sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, weil der [X.] nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu vorgetragen und angegeben habe, auf seinem Computer sei keine entsprechende Software vorhanden gewesen.

4

2. Die Klägerin macht geltend, mit diesen Ausführungen habe der [X.] ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in zweifacher Hinsicht verletzt.

5

a) Zum einen sei der [X.] davon ausgegangen, der gegebenenfalls zu untersuchende Computer habe der Ehefrau des [X.]n gehört. Die Klägerin habe jedoch vorgetragen, es habe sich bei dem fraglichen Computer um einen von den Eheleuten gemeinsam genutzten Rechner gehandelt. In der Revisionsbegründung sei auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] verwiesen worden, in der der [X.] diesen Umstand eingeräumt habe. Diesen Vortrag, bei dessen Beachtung eine weitergehende Untersuchungspflicht des [X.]n nicht hätte verneint werden können, habe der [X.] übergangen.

6

b) Zum anderen habe der [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] ausweislich des Protokolls angegeben, die Abmahnung an die Rechtsanwälte weitergegeben, sich damit nicht weiter beschäftigt und auch seinen [X.] nicht untersucht zu haben. Das Protokoll sei im Berufungsurteil ausdrücklich in Bezug genommen und damit Teil des Tatbestands des Berufungsurteils geworden. Der [X.] habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem er sich auf Feststellungen des Berufungsgerichts bezogen habe, denen zufolge der [X.] vorgetragen und angegeben habe, auf seinem Computer sei keine entsprechende Software vorhanden gewesen. Der [X.] habe in der mündlichen Verhandlung aber lediglich erklärt, er habe keine [X.] auf den Rechnern installiert; dies sei mit der vom [X.] zugrunde gelegten Angabe nicht gleichbedeutend. Die Klägerin habe nicht damit rechnen müssen, dass sich der [X.] maßgeblich auf Tatsachen stützen werde, die vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden seien und deren Gegenteil sich aus der protokollierten [X.]vernehmung ergeben habe. Hätte der [X.] einen nach § 139 Abs. 1 ZPO gebotenen Hinweis dazu erteilt, dass er auf diesen Aspekt maßgeblich abstellen wolle, hätte die Klägerin Gelegenheit gehabt, auf den gegenteiligen Inhalt der [X.]vernehmung und die entsprechende Bezugnahme in der Revisionsbegründung hinzuweisen.

7

3. Die Gehörsrüge der Klägerin ist unbegründet.

8

a) Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht ([X.] 86, 133, 144; [X.], NJW-RR 2004, 1710, 1712). Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des [X.] ausdrücklich zu bescheiden ([X.] 96, 205, 216 f.; [X.], Beschluss vom 24. Februar 2005 - [X.], NJW 2005, 1432 f.). Die [X.] hat auch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2011 - [X.], [X.], 314 Rn. 12 - [X.]; Beschluss vom 3. April 2014 - I ZR 137/12, [X.] 2014, 343 Rn. 2 - BAVARIA).

9

b) Danach liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin nicht vor. Der [X.] hat sich mit dem von der Klägerin als übergangen gerügten Sachvortrag befasst, ihn jedoch nicht für durchgreifend erachtet.

aa) Soweit die Klägerin mit der Anhörungsrüge geltend macht, der [X.] habe Vortrag dazu übergangen, dass der [X.] und seine Ehefrau den stationären Computer gemeinsam genutzt hätten, verweist die Anhörungsrüge auf Vortrag im zweiten Absatz auf Seite 15 der Revisionsbegründung. An dieser Stelle findet sich der in Bezug genommene Vortrag jedoch nicht; die Anhörungsrüge bezieht sich hier nach dem inhaltlichen Zusammenhang erkennbar auf den ersten Absatz der genannten Seite der Revisionsbegründung.

Auf diesen als übergangen gerügten Vortrag kam es jedoch für die [X.]sentscheidung nicht an. Zunächst ist festzuhalten, dass sich die rechtliche Prüfung an der maßgeblichen Stelle des [X.]surteils (Rn. 25 bis 27) nicht auf in der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin liegende Umstände bezog, sondern darauf, ob der [X.] der ihm als Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast zu der Frage genügt hat, ob und gegebenenfalls welche Personen selbständigen Zugang zum [X.]anschluss besaßen und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kamen. In diesem Zusammenhang hat der [X.] ausgeführt, dass es nach dem Ergebnis der durchzuführenden Grundrechtsabwägung dem [X.]n nicht zumutbar war, den Computer seiner Ehefrau auf die Existenz von [X.] hin zu untersuchen. Für dieses Ergebnis ist nicht relevant, ob nicht nur die Ehefrau, sondern auch der [X.] diesen Computer genutzt hat, wie von ihm im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch das Berufungsgericht angegeben. Gegen die Feststellung des Berufungsgerichts (S. 4 des Berufungsurteils), der [X.] habe erstinstanzlich vorgetragen, seine Ehefrau habe über einen eigenen Computer Zugang zum [X.] gehabt, hat die Revision der Klägerin keine [X.] erhoben; solches macht auch die Anhörungsrüge nicht geltend. Für die Revision war danach davon auszugehen, dass es sich bei dem fraglichen Computer um denjenigen der Ehefrau handelte.

bb) Soweit die Anhörungsrüge die Angaben des [X.]n im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch das [X.] als übergangen ansieht, er habe die Abmahnung an die Rechtsanwälte weitergegeben und sich nicht weiter damit beschäftigt, er habe auch nicht seinen [X.] untersucht, liegt ebenfalls kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör der Klägerin vor. Betroffen ist hier wiederum kein in der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin liegender Umstand, sondern die Frage, ob der [X.] seiner sekundären Darlegungslast als Anschlussinhaber genügt hat. Gegen die Feststellung des Berufungsgerichts (S. 4 des Berufungsurteils), der [X.] habe erstinstanzlich vorgetragen, auf seinem Computer - nach dem inhaltlichen Zusammenhang des im Berufungsurteil in Bezug genommenen erstinstanzlichen Urteils handelte es sich um ein vom [X.]n auf berufliche Fahrten mitgenommenes Notebook - sei keine [X.] vorhanden gewesen, hat die Revision keine [X.] erhoben; die Anhörungsrüge macht solches auch nicht geltend. Dieser Vortrag war somit in der Revisionsinstanz zugrunde zu legen. Den Inhalt der persönlichen Anhörung des [X.]n hat der [X.] insoweit ebenfalls gewürdigt; er steht dem gefundenen Ergebnis jedoch nicht entgegen.

II. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher     

       

Koch     

       

Löffler

       

Schwonke     

       

Feddersen     

       

Meta

I ZR 154/15

18.05.2017

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 6. Oktober 2016, Az: I ZR 154/15, Urteil

Art 6 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 321a ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2017, Az. I ZR 154/15 (REWIS RS 2017, 10679)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1961 WM2017,1268 REWIS RS 2017, 10679


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 154/15

Bundesgerichtshof, I ZR 154/15, 18.05.2017.

Bundesgerichtshof, I ZR 154/15, 06.10.2016.


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