Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2012, Az. VIII ZR 146/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8977

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII [X.]/11
vom

21. Februar 2012

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des
[X.] hat am 21. Februar 2012
durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterin Dr.
Hessel sowie [X.]
[X.] und Dr.
Schneider
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision der Kläger ge-gen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 14. April 2011 durch einstimmigen Beschluss nach §
552a ZPO [X.].

Gründe:
1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§
552a Satz
1, §
543 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1, Nr.
2 ZPO).
a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ob die Aus-übung eines Rechts verwirkt ist, richtet sich nach den vom Tatrichter festzustel-lenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls und entzieht sich einer grundsätzlichen Betrachtung (vgl. [X.], Urteil vom 17. November

2010 -
XII
ZR 124/09, NJW 2011, 445 Rn. 15).
b) Das Berufungsgericht bewegt sich mit seiner rechtlichen Würdigung zur Verwirkung des Anspruchs der Kläger auch auf dem Boden der gefestigten Rechtsprechung des [X.], so dass keine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer [X.] Rechtsprechung erforderlich ist.

1
2
3
-
3
-
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere [X.] hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Die Annahme einer Verwirkung setzt somit neben dem [X.]ablauf das Vorliegen besonderer ein solches Ver-trauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus (st. Rspr.; [X.], Ur-teile vom 17. November 2010 -
XII ZR 124/09, aaO; vom 20. Juni 2001 -
XII
ZR 20/99, juris Rn. 13; vom 20. Oktober 1988 -
VII
ZR 302/87, [X.]Z 105, 290, 298; jeweils mwN).
Von diesen rechtlichen Erwägungen ist das Berufungsge-richt ausgegangen.
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
a) Entgegen der Auffassung der Revision bleibt das Rechtsinstitut der Verwirkung auch nach der durch das Mietrechtsreformgesetz (2001) eingeführ-ten Frist des § 556 Abs. 3 Satz 2, 3 BGB, nach deren Ablauf der Vermieter mit [X.] ausgeschlossen ist, anwendbar. Zwar mag des-sen Bedeutung im Betriebskostenrecht durch die Neuregelung geringer gewor-den sein (vgl.
hierzu [X.]/[X.], [X.]. 2011, § 556 Rn. 139; [X.]/Langenberg, Mietrecht, 10. Aufl., § 556 BGB, Rn. 521). Die weitergehende Ansicht der Revision, mit der Einführung der Ausschlussfrist zum 1. Januar 2002 sei kein Raum mehr für eine Verwirkung von Nebenkos-tennachforderungsansprüchen, da der Gesetzgeber mit dieser Neuregelung sämtliche früher über das Verwirkungsrecht gelöste Fallgestaltungen ausdrück-lich geregelt habe und somit der Umkehrschluss gerechtfertigt sei, dass eine Verwirkung im Übrigen ausscheide, findet indes in den Gesetzesmaterialien keine Stütze.

4
5
6
-
4
-

b) Das Berufungsgericht hat jedenfalls im
Ergebnis mit Recht ange-nommen, dass der Anspruch der Kläger auf Zahlung der Betriebskostennach-forderung für das [X.] verwirkt ist.
aa) Das für die Annahme der Verwirkung notwendige [X.]moment ist im Streitfall gegeben. Es ist darin zu sehen, dass die Kläger, nachdem sie mit Schreiben vom 30. Juni 2006 die Betriebskosten für das [X.] gegenüber dem Beklagten abgerechnet hatten, dreieinhalb Jahre haben verstreichen [X.], ehe sie den Nachforderungsanspruch kurz vor der am 31. Dezember 2009 ablaufenden Verjährungsfrist (§§
195, 199 Abs. 1 BGB) gerichtlich geltend machten.
Im Ansatz zutreffend weist die Revision allerdings darauf hin, dass -
wie sich aus § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB ergibt
-
das Recht und die Pflicht, über die Nebenkosten abzurechnen,
nach Ablauf eines Jahres jeweils neu entsteht, so dass der zeitliche Anknüpfungspunkt für das [X.]moment der Verwirkung des [X.] der Kläger für das [X.] -
anders als es das Berufungsgericht offenbar annimmt
-
nicht das [X.], sondern das [X.] ist, in dem die Betriebskostenabrechnung vorgenommen wurde. Auch ist der Revision darin zuzustimmen, dass nach der Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs hinsichtlich der zeitlichen Voraussetzung der Verwirkung der all-gemeine Grundsatz gilt, dass umso seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, je kürzer die Verjährungsfrist ist. Eine Verwirkung vor Ablauf der [X.] kann nur aus ganz besonderen Gründen angenommen werden ([X.], Urteile vom 20. Juni 2001 -
XII
ZR 20/99, aaO Rn. 13; vom 6. Dezember 1988
-
XI
ZR 119/88, NJW-RR 1989, 818 unter 3; jeweils mwN). Solche Gründe, die im Streitfall zugleich das für die Verwirkung notwendige Umstandsmoment dar-stellen, liegen indes vor.
7
8
9
-
5
-
bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
wurden sämtliche von den Klägern beziehungsweise der von ihr beauftragten [X.] für die Jahre 2001 bis 2007 (fristgerecht) erstellten Nebenkostenabrech-nungen von dem Bevollmächtigten des Beklagten mit im Wesentlichen gleich lautenden Schreiben in elf konkret genannten Punkten beanstandet. Eine Reak-tion der Kläger erfolgte in keinem Fall. Die sich aus den Abrechnungen für die Jahre 2001 bis 2004 ergebenden [X.] haben die Kläger verjähren lassen und nicht gerichtlich geltend gemacht.
Soweit die Revision rügt,
das Berufungsgericht habe in diesem Zusam-menhang den unstreitigen Vortrag der Kläger übersehen, dass diese auf das erste Beanstandungsschreiben des Beklagten, betreffend das Abrechnungsjahr 2001, mit Schreiben vom 20. August 2002 ausführlich geantwortet hätten, kann sie mit diesem Vortrag nicht gehört werden, da das Berufungsgericht in seinem für das Revisionsgericht nach § 314 ZPO bindenden Tatbestand ausdrücklich festgestellt hat, dass auch auf dieses Schreiben von Seiten der Kläger nicht reagiert wurde. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist diesbezüglich nicht ge-stellt worden.
Aus der Tatsache, dass die Kläger auf die Beanstandungen des [X.] hin keine Bemühungen unternahmen, ihre Forderungen aus den Jahren 2001 bis 2004 weiter außergerichtlich oder (in unverjährter [X.]) gerichtlich [X.] zu verfolgen, konnte sich über die Jahre bei dem Beklagten der Eindruck verfestigen, dass seine Beanstandungen Erfolg hatten und die Kläger zwar Be-triebskostenabrechnungen
vorlegen, aber die sich daraus ergebenden Nach-zahlungsansprüche auf sich beruhen lassen und nicht gerichtlich durchsetzen werden. Dieser über die Jahre immer gleiche Ablauf konnte bei dem Beklagten in den Jahren 2006 bis 2009 das berechtigte Vertrauen entstehen lassen, die Kläger würden auch den Nachforderungsanspruch aus der Abrechnung für das 10
11
12
-
6
-
[X.], die er in gleicher Weise beanstandet hatte wie die Abrechnungen zuvor, gegen ihn nicht klageweise geltend machen.

Darüber hinaus hat das Berufungsgericht im Streitfall einem weiteren Umstand zu Recht erhebliche Bedeutung zugemessen: Am 6. März 2007 er-warb der Beklagte die streitgegenständliche Wohnung im Wege der Zwangsversteigerung zu Eigentum. Damit war das Mietverhältnis mit den [X.] beendet. Auch in den Monaten danach traten die Kläger wegen des [X.] offener [X.] nicht an den Beklagten heran, sondern ließen weitere 34 Monate verstreichen, ehe sie kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist mit der am 30. Dezember 2009 eingereichten Klageschrift den Nachforderungsanspruch für das [X.] rechtshängig machten.
In ihrer Gesamtheit reichen diese Umstände jedenfalls aus, um im [X.] anzunehmen.
13
14
-
7
-
3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
[X.]
Dr. Frellesen
Dr. Hessel

Dr. [X.]
Dr. Schneider
Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch [X.] erledigt worden.

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.06.2010 -
214 C 489/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 14.04.2011 -
1 [X.] -

15

Meta

VIII ZR 146/11

21.02.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2012, Az. VIII ZR 146/11 (REWIS RS 2012, 8977)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8977

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZR 146/11 (Bundesgerichtshof)

Wohnraummiete: Verwirkung des Anspruchs des Vermieters auf Zahlung einer Betriebskostennachforderung


XII ZR 22/07 (Bundesgerichtshof)

Gewerberaummiete: Angemessene Frist für die Abrechnung vorausgezahlter Nebenkosten und konkludente Änderung der umlagefähigen Nebenkosten


XII ZR 22/07 (Bundesgerichtshof)


2 S 32/22 (Landgericht Krefeld)


XII ZR 124/09 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VIII ZR 146/11

XII ZR 124/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.