Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.11.2012, Az. 29 W (pat) 524/11

29. Senat | REWIS RS 2012, 908

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - "LandLust (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft - Verkehrsdurchsetzung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 039 362.9

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 28. November 2012 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und die Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Der Beschluss des [X.] vom 21. Juni 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das [X.]

Abbildung

2

ist am 30. Juni 2010 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35, 39 und 41 angemeldet worden. Noch im Amtsverfahren ist das Waren-/Dienstleistungsverzeichnis beschränkt worden auf Waren der

3

Klasse 16:

4

Wohn- und Gartenzeitschriften.

5

Mit Beschluss vom 21. Juni 2011 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, beim angemeldeten Zeichen handele es sich um eine sprachübliche Wortverbindung zweier gängiger Begriffe, die in ihrer Gesamtheit ohne weiteres mit der Bedeutung von „[X.]“ verständlich sei. Im [X.] Sprachgebrauch gebe es viele entsprechend gebildete Zusammensetzungen, die die Lust auf eine bestimmte Sache zum Ausdruck brächten, wie [X.], Kampfeslust, Lebenslust, Reiselust, Sensationslust, Spiellust usw.. Der Begriff werde vielfach als Veranstaltungsmotto und Werktitel beschreibend verwendet, wie im Verfahren 29 W (pat) 29/07 bereits durch eine Internetrecherche ermittelt worden sei. Der Begriff erschöpfe sich daher in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Wohn- und Gartenzeitschriften in dem schlagwortartigen Hinweis auf Veranstaltungen, Bücher und Zeitschriften, die sich thematisch mit der [X.] bzw. am Landleben beschäftigten. Bei der sich auf teilweisen Fettdruck, teilweise Grauabstufung und teilweise handschriftartige Schrifttypen beschränkenden Grafik des Zeichens handele es sich um einfache, werbeübliche [X.]. Die zugunsten der Anmelderin auch für Klasse 16 erfolgte Eintragung einer gleichlautenden Gemeinschaftsmarke (009534272) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt rechtfertige kein anderes Prüfungsergebnis, weil nach ständiger höchstrichterlicher nationaler und [X.] Rechtsprechung selbst identischen Voreintragungen keine Bindungswirkung zukommen könne. Eine Verkehrsdurchsetzung komme ebenfalls nicht in Betracht. Zwar habe die Anmelderin erhebliche [X.] und Umsatzzahlen sowie erhebliche Werbeaufwendungen für die angemeldete Bezeichnung im Zeitschriften- und Magazinmarkt belegt, aber dabei handele es sich immer um einen titelmäßigen Einsatz, nicht hingegen um die in diesem Zusammenhang geforderte markenmäßige Verwendung. Ob und inwieweit der beteiligte Verkehr dem inhalts- und themenbeschreibenden Zeichen auch eine markenmäßige, auf die betriebliche Herkunft hinweisende Bedeutung beimesse, könne nur durch eine demoskopische Befragung der angesprochenen [X.]e festgestellt werden.

6

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

7

den Beschluss des [X.]es vom 21. Juni 2011 aufzuheben.

8

Sie trägt vor, dass die identische Wort-/Bildmarke für [X.] der Klasse 16 auch vom [X.] in der [X.] (617275) eingetragen worden sei. Aus den mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2010 bereits im Amtsverfahren vorgelegten Unterlagen (Anlage [X.], [X.]. 35 – 41 [X.]), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen werde, ergebe sich ihrer Ansicht nach die Marktführerschaft der mit dem Anmeldezeichen gekennzeichneten Zeitschrift im Segment der Wohn- und Gartenzeitschriften, die [X.], die erhaltene Auszeichnung, der betriebene Werbeaufwand sowie die erfolgte Presseberichterstattung. Entgegen der Ansicht der Markenstelle bedürfe es für den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung nicht noch einer demoskopischen Verkehrsbefragung. Nach der [X.] des [X.] sei dies nur erforderlich, wenn die Feststellung der Verkehrsdurchsetzung auf „besondere Schwierigkeiten“ stoße. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Gerade ein hoher Marktanteil führe zu einer Verkehrsdurchsetzung. Die mit dem Anmeldezeichen gekennzeichnete Zeitschrift der Anmelderin habe in den letzten Jahren beispiellosen Erfolg gehabt, über den in der Presse auch gegenüber dem angesprochenen [X.] der Endverbraucher mehrfach ausführlich berichtet worden sei. Die unbestrittene Marktführerschaft, die Auflagenstärke und die damit einhergehende Bekanntheit belegten die Verkehrsdurchsetzung. Wegen der Einzelheiten zu den aktuellen Daten wird auf den Schriftsatz der Anmelderin vom 14. November 2011 nebst Anlagen [X.] – [X.] ([X.]. 54 – 104 [X.]) sowie auf die eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vom 13. November 2012 (Anlage [X.], [X.]. 105 [X.]) Bezug genommen.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 66 Abs. 1 i. V. m. § 64 Abs. 6 [X.] statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.

a)

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 [X.]. 66 f. – [X.]; [X.], 825, 826 [X.]. 13 – [X.]; 935 [X.]. 8 – [X.]; [X.], 850, 854 [X.]. 18 - [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 233, 235 [X.]. 45 - Standbeutel; 229, 230 [X.]. 27 - BioID; a. a. [X.]. 66 - [X.]; [X.], 710 [X.]. 12 - [X.]; [X.], 949 [X.]. 10 - My World; a. a. [X.] – [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] 2012, 19 [X.]. 8 – Link economy; [X.], 1100 [X.]. 10 – [X.]!; a. a. [X.] - [X.]; [X.], 411 [X.]. 8 - [X.]; 778, 779 [X.]. 11 – [X.]; 949 [X.]. 10 - My World; a. a. [X.] – [X.]).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen [X.]e, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411, 412 [X.]. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944 [X.]. 24 - [X.] 2; [X.] a. a. [X.] – [X.]; 825, 826 [X.]. 13 – [X.]; a. a. [X.] - [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.], 428, 431 [X.]. 53 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Ausgehend hiervon haben Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen [X.]e lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.], 674, 678 [X.]. 86 – Postkantoor; [X.] [X.], 952, 953 [X.]. 10 - [X.]; a. a. [X.] 854 [X.]. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 – [X.]; a. a. [X.] - marktfrisch; [X.], 1153 - anti [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] a. a. [X.] - [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.] Zeiten).

b)

Zu den maßgeblichen inländischen [X.]en zählt hier die Allgemeinheit. Wohn- und Gartenzeitschriften richten sich an jeden Durchschnittsverbraucher.

c)

Der Wortbestandteil des [X.] setzt sich aus den [X.] Substantiven „Land“ und „Lust“ zusammen.

aa)

„Land“ bedeutet „nicht mit Wasser bedeckter Teil der Erdoberfläche; Festland“, „nutzbares Stück Erdboden; bebautes, genutztes Gelände; Ackerboden“, „nicht näher abgegrenztes Gebiet, Gelände; Landstrich, Gegend“, „Gebiet außerhalb der städtischen Zivilisation, das besonders durch das Betreiben von Landwirtschaft geprägt ist; dörfliche Gegend“, „politisch selbständiges, von Grenzen umgebenes Gebiet; Staatsgebiet; Staat“, „Bundesland“ oder „Gesamtheit der Bewohnerinnen und Bewohner eines [X.]“ ([X.] – [X.], 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]).

bb)

Unter „Lust“ wird verstanden ein „inneres Bedürfnis, etwas Bestimmtes zu tun, haben zu wollen“, ein „auf die Befriedigung eines Wunsches gerichtetes Verlangen“, ein „aus der Befriedigung, der Erfüllung eines Wunsches, dem Gefallen an etwas entstehendes angenehmes, freudiges Gefühl; gesteigerte Freude; Vergnügen“ oder ein „heftiges, auf die Befriedigung sinnlicher, besonders sexueller Bedürfnisse gerichtetes [triebhaftes] Verlangen“ bzw. ein „aus der Befriedigung sinnlicher, besonders geschlechtlicher Genüsse entstehendes Gefühl; Erfüllung einer Begierde; Wollust“ ([X.] – [X.], a. a. [X.]).

cc)

In seiner Gesamtheit wird die Wortkombination von den angesprochenen inländischen [X.]en in der Bedeutung von „Verlangen nach oder Vergnügen an einem nutzbaren Gelände außerhalb der städtischen Zivilisation bzw. in einer dörflichen Gegend“, also im Sinne von „[X.](leben)“ verstanden. Der Begriff der „[X.]“ wird in den Printmedien auch definiert als „die ewig junge Sehnsucht nach dem Idyll“, die „Sehnsucht nach dem ruhigen Leben auf dem Land“ oder als „eine Sehnsuchtsmetapher für Ruhe, Entschleunigung, Reinheit und Ursprünglichkeit“ (Top-Trends 2020, [X.], [X.]. 15 [X.]). Im [X.] Sprachgebrauch gibt es viele entsprechend gebildete Zusammensetzungen, die die Lust auf eine bestimmte Sache zum Ausdruck bringen, wie [X.], Kampfeslust, Lebenslust, Reiselust, Sensationslust, Spiellust etc.. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 22. Oktober 2008 (29 W (pat) 29/07) bereits ermittelt hat, wird dieser Gesamtbegriff bereits vielfach als Veranstaltungsmotto oder Werktitel beschreibend verwendet. Die Wortkombination erschöpft sich daher in Bezug auf die angemeldeten „Wohn- und Gartenzeitschriften“ in dem schlagwortartigen Sachhinweis darauf, dass diese sich thematisch mit der „[X.](leben)“ oder der „Sehnsucht nach ländlicher Ruhe und Ursprünglichkeit“ beschäftigen.

dd)

Der Umstand, dass der Gesamtbegriff „[X.]“ lexikalisch nicht nachweisbar (www.duden.de) ist, ändert nichts an seiner Schutzunfähigkeit für die in Rede stehenden Waren.

Denn auch wenn ein Wortzeichen bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, reicht es aus, dass es in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.] GRUR 2003, 58, 59 [X.]. 21 - [X.]; [X.], 146, 147 [X.]. 32 - [X.]; [X.], 674, 678 [X.]. 97 - Postkantoor; [X.], 680, 681 [X.]. 38 - [X.]); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das [X.] nicht infolge einer ungewöhnlichen Veränderung – etwa syntaktischer oder semantischer Art  – hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung seiner schutzunfähigen Bestandteile abweicht ([X.] a. a. [X.]. 98 – Postkantoor; a. a. [X.]. 39 f. – [X.]; a. a. [X.]. 28 – [X.].2; a. a. [X.] 230 [X.]. 29 - BioID; [X.] 2007, 204, 209 [X.]. 77 f. - CELLTECH).

Die Bezeichnung „[X.]“ ist zwar eine sprachliche Neuschöpfung, aber das Publikum ist daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Der Durchschnittsverbraucher wird auch bisher noch nicht verwendete, ihm aber gleichwohl verständliche Sachaussagen als solche und nicht als betriebliche Herkunftshinweise auffassen (BPatG 26 W (pat) 90/09 – brand broadcasting m. w. N.). So liegt der Fall auch bei der hier angemeldeten, nicht besonders ungewöhnlich gebildeten Wortkombination.

ee)

Auch wenn die angegriffene Bezeichnung vage ist und dem Verbraucher keinen eindeutigen Anhalt dafür bietet, welche konkreten Inhalte vermittelt werden sollen, steht dies der Beurteilung des [X.] als nicht unterscheidungskräftig nicht entgegen, weil der Konsument wegen des engen [X.] die betreffende Angabe jedenfalls nicht als herkunftsmäßig unterscheidend auffasst ([X.] [X.], 882 - Bücher für eine bessere Welt). Die Deutung bleibt vielmehr dem individuellen Vorstellungshorizont des einzelnen Verbrauchers überlassen.

d)

aa)

Grundsätzlich kann einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke, unbeschadet der Freihaltebedürftigkeit oder fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente, als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht ([X.] GRUR 1991, 136, 137 - [X.]; [X.], 1153 - anti Kalk; [X.] [X.], 229, 233 [X.]. 73, 74 - BioID). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des [X.], an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen ([X.] a. a. [X.] 1153, 1154 – anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 [X.]. 20 - [X.]). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

bb)

Abgesehen davon, dass die beschreibende Wortkombination „[X.]“ im Vordergrund des [X.]s steht, kann die einfache bildliche Ausgestaltung nicht als Herkunftshinweis dienen.

Diese Typographie weist keine hinreichend charakteristischen Merkmale auf. Es handelt sich vielmehr um einfache, werbeübliche Gestaltungsmittel. Damit fehlt dem beanspruchten [X.] die erforderliche Eignung, die Waren als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

2.

Da es dem in Rede stehenden [X.] hinsichtlich der angemeldeten „Wohn- und Gartenzeitschriften“ bereits an jeglicher Unterscheidungskraft mangelt, kann dahingestellt bleiben, ob ihrer Eintragung auch ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an ihrer freien Verwendbarkeit entgegen steht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

3.

Das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wird jedoch durch Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 [X.] überwunden.

Nach der Rechtsprechung des [X.] zu Art. 3 Abs. 3 [X.]L ist Voraussetzung für eine durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft, dass ein wesentlicher Teil der angesprochenen [X.]e die Marke mit einem Unternehmen in Verbindung bringt (GRUR 2002, 804, 808, [X.]. 65 – [X.]). Die Prüfung, ob das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch konkrete und verlässliche Informationen belegt ist, obliegt dem nationalen Gericht, d. h. hier dem zur Entscheidung berufenen Senat, wobei eine Gesamtschau sämtlicher relevanter Gesichtspunkte geboten ist ([X.] [X.], 723, 727, [X.]. 49, 54 - [X.]). In die Prüfung einzubeziehen sind u. a. der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Markenbenutzung, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke sowie der Teil der beteiligten [X.]e, der die Waren und Dienstleistungen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt ([X.], a. a. [X.], [X.]. 51 - [X.]; [X.]. 60 - [X.]). Dabei kommt es nicht allein auf generelle und abstrakte Angaben, z. B. bestimmte Prozentsätze, an ([X.], a. a. [X.], [X.]. 62 - [X.]), wenngleich in schwierig zu beurteilenden Fällen auch Verbraucherbefragungen nach Maßgabe des nationalen Rechts zusätzlich Berücksichtigung finden können ([X.], a. a. [X.], [X.]. 53 - [X.]).

Der [X.] hat ferner festgestellt, dass „der Verkehr unter bestimmten Voraussetzungen - beispielsweise bei bekannten Titeln regelmäßig erscheinender periodischer Druckschriften - mit einem Werktitel gleichzeitig auch die Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft verbinden kann“ ([X.] [X.], 235, 237 - Wheels Magazine; [X.], 581, 582 [X.]; [X.], 504, 505 - [X.]; [X.], 70, 73 - [X.]). Als Folge der Bekanntheit eines solchen Titels und des regelmäßigen Erscheinens im selben Verlag liege es nämlich nahe, dass er in den angesprochenen [X.]en „jedenfalls teilweise auch als betrieblicher Herkunftshinweis“ verstanden werde ([X.] GRUR 1993, 692, 693 – Guldenburg).

aa)

bb)

cc)

Das Bruttowerbevolumen für die mit „[X.]“ gekennzeichnete Zeitschrift betrug im Jahre 2012 rund … Mio. € (Anlage [X.], [X.]. 61 [X.]). Als Werbemaßnahmen zur Steigerung des Bekanntheitsgrades wurden Mailingaktionen (Anlage [X.], [X.]. [X.]), Werbeaktionen in Fußgängerzonen (Anlage [X.], [X.]. 97 VA) und in Buchhandlungen (Anlage [X.], [X.]. 98 –100 VA) unternommen sowie im Vorabendprogramm der öffentlich rechtlichen Sender [X.] ausgestrahlt (Anlage [X.], [X.]. 101 f. VA; Anlage [X.], [X.]. 62 [X.]). Sämtliche vorstehenden Angaben sind vom Geschäftsführer der Anmelderin eidesstattlich versichert worden (Anlage [X.], [X.]. 105 [X.]).

dd)

Aufgrund des „gigantischen Erfolges“ der Zeitschrift „[X.]“ (Top-Trends 2020, [X.], [X.]. 15 [X.]) ist ihr von der Absatzwirtschaft

ee)

Über den außergewöhnlichen Erfolg der Anmelderin mit der Zeitschrift „[X.]“ ist sowohl in der Fachpresse als auch in der Boulevardpresse ausführlich berichtet worden. Wegen der Einzelheiten dieser Pressberichterstattung in den Jahren 2009, 2010 und 2012 wird auf die mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2010 ([X.]. 35 ff. VA) im Amtsverfahren eingereichten Presseartikel (Anlagen [X.] – [X.], [X.]. 103 – 139 VA; [X.]. 149 – 155 VA) sowie auf die im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 14. November 2012 ([X.]. 54 f. [X.]) vorgelegten Belege (Anlage [X.], [X.]. 69 – 104 [X.]) Bezug genommen. Am 17. Januar 2011 erhielt der Geschäftsführer des Anmelders für den Überraschungserfolg mit der Zeitschrift „[X.]“ von [X.] die Auszeichnung „[X.]“ in der Kategorie Medien. Dieser Erfolg hat einen eigenen Trend mit ausgelöst, der „eine fast absurde Lawine an Nachahmerprodukten zur Folge gehabt hat (Top-Trends 2020, [X.], [X.]. 16 [X.]; Anlage [X.], [X.]. 140 VA, Anlage [X.], [X.]. 141 f. VA).

ff)

Den Senatsmitgliedern als Teil der angesprochenen [X.]e ist ebenfalls die seit einigen Jahren erfolgte Verwendung des [X.] für eine Wohn- und Gartenzeitschrift, deren ständig wachsende Verbreitung im gesamten [X.] und deren Marktführerschaft in diesem Segment selbst bekannt, so dass die hohe Bekanntheit in einem erheblichen Teil der Gesamtbevölkerung auch als gerichtskundig angesehen werden kann.

gg)

Da nach der Rechtsprechung des [X.] die erforderlichen Feststellungen nicht nur aufgrund von generellen und abstrakten Prozentsätzen demoskopischer Untersuchungen möglich sind, vielmehr auch andere Umstände, wie der jeweilige Marktanteil, die Intensität, geografische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung, die aufgewendeten Werbemittel und die dadurch erreichte Bekanntheit in den angesprochenen [X.]en von Bedeutung sein können ([X.], a. a. [X.] - [X.]), sind hier vor allem zu berücksichtigen die mehr als sechsjährige Benutzung des [X.] für eine Wohn- und Gartenzeitschrift im gesamten [X.] mit extrem schnell wachsender Auflage und die außergewöhnliche, bis heute unangefochtene Marktführerschaft der mit dem beanspruchten [X.] gekennzeichneten Zeitschriften im Segment der Wohn- und Gartenzeitschriften. Es ist ferner als allgemeinkundig im Sinne des § 291 ZPO anzusehen, dass eine Mehrheit der angesprochenen [X.]e einschließlich der Senatsmitglieder dieses Kennzeichen der den Markt beherrschenden Herausgeberin der Wohn- und Gartenzeitschrift kennt. Der Senat sieht damit bei einer Gesamtschau aller Umstände die Verkehrsdurchsetzung für die in Klasse 16 eingetragenen Waren „Wohn- und Gartenzeitschriften“ als gegeben an.

Meta

29 W (pat) 524/11

28.11.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.11.2012, Az. 29 W (pat) 524/11 (REWIS RS 2012, 908)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 908

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