Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2007, Az. VI ZR 101/06

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 4536

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am: 27. März 2007 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der [X.]eschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein B[X.]HR: ja B[X.]B § 823 [X.], [X.], § 1004, St[X.]B § 185, TM[X.] § 10 Ein Unterlassungsanspruch wegen eines in ein Meinungsforum im [X.] ehrverletzenden Beitrags kann auch dann gegen den Betreiber des Forums ge-geben sein, wenn dem Verletzten die Identität des Autors bekannt ist. B[X.]H, Urteil vom 27. März 2007 - [X.]/06 - OL[X.] Düsseldorf L[X.] Düsseldorf
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.] und [X.] [X.], [X.], Pauge und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des 15. Zivilsenats des [X.] vom 26. April 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu b) abgewiesen worden ist. Die [X.] der Beklagten wird zurückgewiesen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender eines Vereins, dessen satzungsmäßiger Zweck u.a. die Bekämpfung von Kinderpornographie im [X.] ist. Die Beklagte ist Betreiberin eines [X.]forums, das sich mit sexuellem Missbrauch und Kinderpornographie beschäftigt. Nachdem der [X.] - 3 - ger selbst einen Beitrag in das Forum eingestellt hatte, veröffentlichte ein Un-bekannter dort unter dem Pseudonym "Katzenfreund" einen Beitrag, durch den sich der Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, ebenso durch den später eingestellten Beitrag eines Autors mit dem Pseudonym "[X.]", dessen Identität dem Kläger bekannt ist. Der Kläger hat die Beklagte auf Unter-lassung der Verbreitung dieser Beiträge, Zahlung einer [X.]eldentschädigung von mindestens 2.000,00 • und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.187,38 • in Anspruch genommen. Das [X.] hat der Klage hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens bezüglich beider Beiträge und eines Teils der geltend gemachten Rechtsverfol-gungskosten stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlan-desgericht die Klage hinsichtlich des Beitrags des dem Kläger bekannten [X.] "[X.]" und der insoweit beanspruchten Rechtsverfolgungskos-ten abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte erstrebt mit der [X.] die vollumfängliche Klageabweisung. 2 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 267 veröffent-licht ist, beurteilt den Beitrag des Autors "Katzenfreund" als Meinungsäußerung, die den Kläger in seiner Ehre verletze. Die Diffamierung werde nicht durch die eigenen Beiträge des [X.] gerechtfertigt, mit denen dieser sich zuvor in dem Forum in negativer Weise über seine Diskussionsgegner geäußert habe. [X.] dieses Beitrags bestehe ein Unterlassungsanspruch gegen die [X.] - 4 - te, weil sie als Betreiberin des Forums die Äußerung verbreite und sich insoweit nicht auf das [X.]rundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit berufen könne. [X.] habe der Kläger keinen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte hinsichtlich des Beitrags des ihm bekannten Autors "[X.]". Im Falle der Kenntnis von der Identität des Autors sei bei einem Meinungsforum vorrangig derjenige in Anspruch zu nehmen, der sich geäußert habe. Ein Anspruch auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten bestehe nur in Höhe von 310,65 • hin-sichtlich des Beitrags des Autors "Katzenfreund". I[X.] Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Die [X.] der Beklagten hat keinen Erfolg. 4 1. Rechtlich zutreffend und von den Parteien im [X.] auch nicht angegriffen wertet das Berufungsgericht den Beitrag des Autors "[X.]" als Meinungsäußerung, die den Kläger wegen ihn schmähender Inhalte in seiner Ehre verletzt und dessen Verbreitung er deshalb nicht hinnehmen muss. Im Ansatz zutreffend nimmt das Berufungsgericht auch an, dass die [X.] als Betreiberin des [X.]forums bei Kenntniserlangung von unzulässi-gen Inhalten zum Sperren bzw. Entfernen des von einem [X.] eingestellten Beitrags verpflichtet sein kann. 5 a) Diese Verpflichtung ergibt sich allerdings nicht, wie es im Berufungsur-teil anklingt, aus § 11 Nr. 2 TD[X.] oder § 9 Nr. 2 MDStV. Für die Beurteilung des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs des [X.] ist das im Zeit-punkt der Entscheidung geltende Recht maßgebend ([X.] 131, 308, 311 f.), welches grundsätzlich auch vom Revisionsgericht zu berücksichtigen ist ([X.] 6 - 5 - 9, 101 f.). Abzustellen ist mithin auf die mit dem [X.]esetz zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikati-onsdienste (Elektronischer-[X.]eschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz-El[X.]V[X.]) vom 26. Februar 2007 am 1. März 2007 in [X.] getretenen Vorschriften des [X.]es (B[X.]Bl I S. 179), welches an die Stelle des [X.] und des [X.] getreten ist. Die im [X.] enthaltenen Vorschriften zur Verantwortlichkeit von Diensteanbietern (§§ 7 bis 10 TM[X.]) haben die Regelungen des Teledienstegesetzes und die für [X.] bisher geltenden entsprechenden Regelungen des [X.] unverändert übernommen (vgl. Begründung der Bundesregierung zum [X.]e-setzesentwurf vom 26. Oktober 2006, BT-Drucks. 16/3078, [X.]). Die diesbe-züglichen Vorschriften weisen keinen haftungsbegründenden Charakter auf und enthalten ebenso wie schon die §§ 8 bis 11 TD[X.] in der Fassung von Art. 1 Nr. 4 des [X.]esetzes vom 14. Dezember 2001 (B[X.]Bl I S. 3721) keine [X.]. Wie sich aus § 7 Abs. 1 TM[X.] ergibt, setzen die [X.] Bestimmungen des [X.]esetzes ebenso wie schon § 8 Abs. 1 TD[X.] und § 5 TD[X.] i.d.F. vom 22. Juli 1997 (B[X.]Bl I S. 1870) eine Verantwortlichkeit nach allgemeinen Vorschriften des Zivil- oder Strafrechts voraus (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2003 - [X.] ZR 335/02 - VersR 2003, 1546 [zu § 5 TD[X.] a.F.] m.w.N.; [X.], Haftung für Informationen im [X.], 2. Aufl., Rn. 18). Nach Auffassung des Schrifttums kommt diesen Vorschriften deshalb eine Art "Filter-funktion" zu (vgl. Sobola/[X.], [X.] 2005, 443, 445 m.w.N.). Vorliegend beruht der Unterlassungsanspruch des [X.] auf § 823 Abs. 1 B[X.]B i.V.m. § 1004 Abs. 1 B[X.]B analog sowie § 823 Abs. 2 B[X.]B i.V.m. § 185 St[X.]B. b) Eine Einschränkung der Verantwortlichkeit lässt sich vorliegend insbe-sondere nicht aus der [X.] nach § 10 TM[X.] herleiten. Diese Vorschrift findet ebenso wie § 11 TD[X.], worauf die Revisionserwiderung mit Recht hinweist, auf Unterlassungsansprüche keine Anwendung. Wie sich aus 7 - 6 - § 7 Abs. 2 TM[X.] und dem [X.]esamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung ergibt, betrifft § 10 TM[X.] lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung ([X.] 158, 236, 246 ff. zu § 11 S. 1 TD[X.]). [X.] bleiben von dieser Vorschrift - ebenso wie auch schon von §§ 8, 11 TD[X.] bzw. § 5 TD[X.] Abs. 1 bis 3 a.F. - unberührt ([X.] aaO, [X.]). 8 c) Dem Unterlassungsanspruch steht auch nicht entgegen, dass der be-anstandete Beitrag vorliegend in ein so genanntes Meinungsforum eingestellt worden ist. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die [X.]rund-sätze, die der erkennende Senat für Fernsehsendungen aufgestellt hat, die - wie etwa Live-Diskussionen - einen "Markt der Meinungen" eröffnen (Senats-urteil [X.] 66, 182, 188, "Panorama"), auf den vorliegenden Fall nicht über-tragen werden. Bei der Frage, ob das Fernsehen allein wegen des [X.] einer ehrverletzenden Äußerung belangt werden kann, ist den Besonderheiten Rechnung zu tragen, die sich aus seiner Rolle und den Möglichkeiten und Zwängen fernsehgerechter Darstellung ergeben. Mit Rücksicht darauf hat der erkennende Senat seinerzeit entschieden, dass eine Störerhaftung der Fern-sehanstalt zu verneinen sein kann, wenn während der Live-Übertragung einer Fernsehdiskussion eine ehrverletzende Äußerung durch einen [X.] erfolgt oder wenn das Fernsehen die kritische Äußerung eines [X.] aufgreift, ohne sich mit ihr zu identifizieren (Senatsurteil [X.] aaO, S. 189 f.). Diese Überlegungen sind auf ein im [X.] eröffnetes Meinungsforum nicht übertragbar. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass die für Live-Sendungen in [X.] geltende mediale Privilegierung sich nicht auf Wiederholungen erstrecken kann, da dem Veranstalter hier die Mög-lichkeit offen steht, die (erneute) Verbreitung von Äußerungen Dritter zu verhin-dern ([X.], [X.] 2006, 188, 189; [X.], Von der Presse- zur Providerhaf-tung, 2000, [X.]). Entsprechendes gilt für [X.]foren, sofern dem Betreiber 9 - 7 - - wie vorliegend unstreitig - die erfolgte Rechtsverletzung bekannt ist. In dem Unterlassen, einen als unzulässig erkannten Beitrag zu entfernen, liegt eine der Wiederholung einer Rundfunk- oder Fernsehaufzeichnung vergleichbare Perpe-tuierung der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen. Der Betrei-ber eines [X.]forums ist "Herr des Angebots" und verfügt deshalb vorrangig über den rechtlichen und tatsächlichen Zugriff. [X.]angebote sind - wie etwa auch Aufzeichnungen im Fernsehen - dem nachträglichen Zugriff des Anbieters in keiner Weise entzogen. Auch wenn von ihm keine Prüfpflichten verletzt wer-den, so ist er doch nach allgemeinem Zivilrecht zur Beseitigung und damit zur Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen verpflichtet ([X.]/[X.], [X.], 219, 222). d) Entgegen der Meinung der [X.] kann die Beklagte dem Unterlassungsanspruch auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Kläger habe diese Äußerungen durch von ihm selbst zuvor in das Forum eingestellte eigene Beiträge provoziert. Die Teilnahme an einem Meinungsforum kann nicht als stillschweigende Erklärung der Einwilligung in [X.] innerhalb dieses Forums gewertet werden. Es mag sein, dass der Teilnehmer eines Forums, in dem, wie es häufig und auch vorliegend der Fall ist, Äußerungen unter einem Pseudonym eingestellt werden können, im Einzelfall damit rechnen muss, dass er dort von anonym bleibenden Personen angegriffen und möglicherweise in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wird. Wer dieses Risiko ein-geht, verzichtet damit aber grundsätzlich nicht auf [X.] hinsicht-lich künftiger [X.]. Unterlassungsansprüche sind ihm deshalb nicht abgeschnitten. 10 Der Kläger muss die in dem beanstandeten Beitrag enthaltene Ehrverlet-zung auch nicht nach den [X.]rundsätzen der Meinungsäußerungsfreiheit im Rahmen einer öffentlichen Auseinandersetzung hinnehmen, bei der die [X.] - [X.] zugunsten der freien Rede sprechen kann (vgl. BVerf[X.]E 7, 198, 212 = NJW 1958, 257; BVerf[X.]E 54, 120, 139 = NJW 1980, 2069; BVerf[X.]E 61, 1, 7 = NJW 1983, 1415; BVerf[X.] NJW 1990, 1980). Der Schutz von Meinungsäuße-rungen tritt nämlich regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrechtsschutz zurück, wenn sich die betreffenden Äußerungen - wie vorliegend - als Schmähung dar-stellen (vgl. BVerf[X.]E 82, 272, 281 = NJW 1991, 95). 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt ein Unterlas-sungsanspruch vorliegend auch hinsichtlich des Beitrags b) des Autors "Rum-trauben" in Betracht. 12 a) Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Betreibers eines [X.]fo-rums für dort eingestellte Beiträge entfällt nicht deshalb, weil dem Verletzten die Identität des Autors bekannt ist. Wird ein ehrverletzender Beitrag in ein Forum eingestellt, ist der Betreiber als Störer [X.]. § 1004 Abs. 1 Satz 1 B[X.]B zur Un-terlassung verpflichtet. Ebenso wie der Verleger die Quelle einer von einem Presseerzeugnis ausgehenden Störung beherrscht und deshalb grundsätzlich neben dem Autor eines beanstandeten Artikels verantwortlich ist (vgl. Senatsur-teile [X.] 3, 270, 275 ff. und 14, 163, 174; [X.]/[X.], Presserecht, 5. Aufl., LP[X.] § 6, Rn. 276 f.), kann beim Fernsehen das Sendeunternehmen als "Herr der Sendung" zur Unterlassung verpflichtet sein (Senatsurteil [X.] 66, 182, 188). Diese [X.]rundsätze gelten auch für den Betreiber eines [X.]fo-rums, der insoweit "Herr des Angebots" ist. Der gegen ihn gerichtete Unterlas-sungsanspruch des Verletzten besteht in gleicher Weise unabhängig von [X.] Ansprüchen gegen den Autor eines dort eingestellten Beitrags. 13 b) An einer Sachentscheidung darüber, ob vorliegend ein Unterlas-sungsanspruch gegen die Beklagte hinsichtlich des Beitrags des Autors "Rum-trauben" besteht, ist der Senat gehindert, weil das Berufungsgericht keine Fest-14 - 9 - stellungen zum Inhalt dieses Beitrags getroffen und diesen auch nicht rechtlich gewürdigt hat. 15 3. Hinsichtlich der Entscheidung des Berufungsgerichts über den An-spruch des [X.] auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten haben die beiderseitigen Rechtsmittel keinen Erfolg, da die Revision und die [X.] insoweit nicht begründet worden sind. [X.] [X.]

[X.] Pauge [X.] Vorinstanzen: L[X.] Düsseldorf, Entscheidung vom 14.09.2005 - 12 O 440/04 - OL[X.] Düsseldorf, Entscheidung vom 26.04.2006 - [X.]/05 -

Meta

VI ZR 101/06

27.03.2007

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2007, Az. VI ZR 101/06 (REWIS RS 2007, 4536)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4536

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