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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Einstweilige Anordnung; abschließender Beschluß des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur Überprüfung des Abgeordneten Dr. Gysi
[X.]
- 2 [X.] -
I. im Wege des [X.]festzustellen:
1. | Der Beschluß des Antragsgegners zu 2. vom 8. Mai 1998 in dem Verfahren nach § 44b [X.] zur Überprüfung des Antragstellers auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen [X.] und die geplante Veröffentlichung des Beschlusses durch den Antragsgegner zu 1. als Bundestagsdrucksache verletzen die Rechte des Antragstellers aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. |
2. | Der Antragsgegner zu 2. hat gegen die [X.]rechte des Antragstellers aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, insbesondere seine Rechte auf freie Ausübung seines Mandates, auf Gleichbehandlung als Abgeordneter und auf ein faires Verfahren verstoßen, indem er |
a) | das am 9. Februar 1995 gegen den Antragsteller eingeleitete Verfahren gemäß § 44b des [X.]es bis in den Bundestagswahlkampf 1998 ausdehnte, |
b) | im Unterschied zu allen
anderen Verfahren nach § 44b [X.] nicht eine Auskunft des [X.] für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen [X.], sondern eine gutachterliche Stellungnahme und danach noch vier weitere Stellungnahmen des [X.] anforderte und entgegennahm, das Gutachten und die weiteren Stellungnahmen des [X.] zu immer neuen Vorverurteilungen des Antragstellers mißbrauchte und dadurch dem Antragsteller immer neue öffentliche Auseinandersetzungen aufzwang und seinem Ansehen schadete, |
c) | den Berichtsentwurf seines
Sekretariates vom Juni 1997, der zum Ergebnis kam, eine
Tätigkeit des Antragstellers für das Ministerium für
Staatssicherheit sei nicht nachgewiesen, entgegen seiner
in allen anderen Verfahren nach § 44b
[X.] eingehaltenen Praxis nicht zur
Grundlage seiner Beratungen machte, sondern statt dessen
seine vorläufigen Feststellungen vom 24. März 1998, die
nach Anhörung des Antragstellers mit geringen Änderungen
am 8. Mai 1998 zu den endgültigen Feststellungen wurden,
auf Grund eines am 24. März 1998 gegen 11.30 Uhr den
Mitgliedern des Antragsgegners zu 2. zugeleiteten, von
den Berichterstattern der [X.]/[X.], [X.] und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN-Bundestagsfraktionen ohne Beteiligung der
Berichterstatter der [X.] und der [X.] und ohne
Mitwirkung des Ausschußsekretariats gefertigten Entwurfes
von 98 Seiten in seiner 1/2-stündigen Sitzung um 15.30
Uhr ohne inhaltliche Beratung und ohne Änderungen
beschloß und die Gegenentwürfe der [X.] und der [X.],
die beide eine Tätigkeit des Antragstellers für das
Ministerium für Staatssicherheit als nicht nachgewiesen
ansahen, ohne inhaltliche Beratung ablehnte, |
d) | die Schlußerörterung mit dem Antragsteller am 21. April 1998 den Berichterstattern überließ und dadurch, sowie durch die selektive Berücksichtigung der Stellungnahmen des Antragstellers, insbesondere seiner Stellungnahme vom 26. März 1998, dem Antragsteller das rechtliche Gehör verweigerte und gegen die Richtlinien zum Verfahren nach § 44b [X.] verstieß. |
II. im Wege der einstweiligen Anordnung
das Ruhen des Überprüfungsverfahrens gemäß § 44b [X.] in bezug auf den Antragsteller, insbesondere den Aufschub der Veröffentlichung des Beschlusses des Antragsgegners zu 2. vom 8. Mai 1998 durch den Antragsgegner zu 1. als Bundestagsdrucksache bis zur Entscheidung des [X.] in der Hauptsache anzuordnen.
Antragsteller: Dr. [X.], Mitglied des [X.],
Antragsgegner: | 1. Deutscher Bundestag, vertreten durch die Präsidentin, [X.], [X.], |
2. Ausschuß des [X.] für
Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, vertreten durch den Vorsitzenden Dieter Wiefelspütz, [X.], [X.], |
hier: | Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung |
hat das [X.] - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der [X.]innen und [X.]
Präsidentin [X.],
Graßhof,
Kruis,
Kirchhof,
Winter,
[X.],
Jentsch,
Hassemer
am 27. Mai 1998 beschlossen:
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung liegt als Hauptsache ein Organstreit zugrunde. Er betrifft den Beschluß des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des [X.] vom 8. Mai 1998, mit dem die Überprüfung des Antragstellers auf eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen [X.] abgeschlossen worden ist.
1. Der Antragsteller wird seit Anfang 1995 in einem Verfahren gemäß § 44b Abs. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des [X.] ([X.] - [X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 1996 ([X.]), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 1996 ([X.] 843), auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit oder politische Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen [X.] überprüft. Das vom Ausschuß des [X.] für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (im folgenden: 1. Ausschuß) durchzuführende Überprüfungsverfahren ist durch Richtlinien und Absprachen näher ausgestaltet.
Nr. 3 der Richtlinien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen [X.] ([X.] 1992 [X.]; [X.] 13/1, S. 14; im folgenden: Richtlinien) regelt die das Verfahren abschließende Feststellung des [X.]. Sie lautet:
Der 1. Ausschuß trifft auf Grund der Mitteilungen des [X.] und auf Grund sonstiger ihm zugeleiteter oder von ihm beigezogener Unterlagen die Feststellung, ob eine hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeit oder eine politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit ([X.]/[X.]) der ehemaligen [X.] als erwiesen anzusehen ist.
Das [X.] hat das Überprüfungsverfahren durch Beschluß vom 21. Mai 1996 ([X.] 94, 351) als mit dem [X.] vereinbar angesehen. In seiner Entscheidung hat der Senat darauf hingewiesen, daß das Verfahren von Verfassungs wegen Sicherungen zum Schutz des betroffenen [X.] hinsichtlich der Beteiligungsrechte des [X.], der Verfahrensgestaltung und der abschließenden Verfahrensfeststellung enthalten müsse. Um eine den [X.] belastende abschließende Feststellung zu treffen, müsse der 1. Ausschuß von der Verstrickung des [X.] eine so sichere Überzeugung gewinnen, daß auch angesichts der beschränkten Beweismöglichkeiten vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung ausgeschlossen seien (a.a.[X.]).
2. Am 8. Mai 1998 stellte der 1. Ausschuß mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit abschließend fest, daß im Fall des Antragstellers seine inoffizielle Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen [X.] erwiesen sei. Die Feststellung des Ausschusses wird in einem Bericht begründet. Die Veröffentlichung des Berichts als Bundestagsdrucksache ist ab dem 29. Mai 1998, 18 Uhr, vorgesehen. Zu diesem Zeitpunkt endet die dem Antragsteller gewährte Frist zur Abgabe einer eigenen in die Bundestagsdrucksache aufzunehmenden Erklärung (Nr. 5 der Richtlinien).
Der Antragsteller wendet sich im Wege der Organklage u.a. gegen den Beschluß des [X.] vom 8. Mai 1998. Er ist der Auffassung, daß der 1. Ausschuß mit seiner abschließenden Feststellung gegen die in der Entscheidung des [X.] vom 21. Mai 1996 ([X.] 94, 351) formulierten Grundsätze verstoßen und damit seine Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt habe.
[X.] einer einstweiligen Anordnung möchte der Antragsteller erreichen, daß der abschließende Bericht des [X.] bis zur Entscheidung über die Hauptsache nicht als Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden darf. Er macht geltend: Mit einer Publikation des Berichts des [X.] als Bundestagsdrucksache identifizierte sich der Deutsche Bundestag - jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung - mit der abschließenden Feststellung der Überprüfung. Dadurch erlangten die Vorwürfe, der Antragsteller sei für das Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen, eine neue Qualität. Der Bericht könne dann von jedermann als amtliche Verlautbarung zitiert werden, ohne daß ihm dagegen Unterlassungsansprüche zustünden.
Die Antragsgegner meinen, daß die beantragte einstweilige Anordnung die Hauptsache unzulässigerweise vorwegnähme. Dürfe der abschließende Bericht des [X.] jetzt nicht veröffentlicht werden, so könne die Überprüfung des Antragstellers in dieser Wahlperiode aller Voraussicht nach nicht mehr abgeschlossen werden. Die bislang erarbeiteten Ergebnisse unterlägen dann der Diskontinuität.
Demgegenüber drohe dem Antragsteller durch die Publikation keine wesentliche zusätzliche Beeinträchtigung. Es sei allgemein bekannt, daß der 1. Ausschuß eine belastende Feststellung getroffen habe; auch die wesentlichen Gründe für die Feststellung seien weitgehend schon verbreitet worden.
Der Antrag, im Wege einer einstweiligen Anordnung die Veröffentlichung des Beschlusses des Antragsgegners zu 2. vom 8. Mai 1998 als Bundestagsdrucksache bis zur Entscheidung des [X.] in der Hauptsache aufzuschieben, ist unbegründet, da dies nicht zur Abwehr schwerer Nachteile zu Lasten des Antragstellers dringend geboten ist, § 32 Abs. 1 [X.].
Unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.] im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln. Dabei bleiben die Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, außer Betracht, es sei denn, der Antrag in der Hauptsache erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Voraussetzung für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist, daß diese zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Das [X.] wägt die Nachteile, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Maßnahme aber später für verfassungswidrig erklärt würde, gegen diejenigen ab, die entstünden, wenn die Maßnahme nicht in [X.] träte, sie sich aber im Hauptsacheverfahren als verfassungsgemäß erwiese (vgl. [X.] 86, 390 <395>; st. Rspr.). Im Organstreitverfahren ist dabei zu beachten, daß der Erlaß einer einstweiligen Anordnung einen Eingriff des Gerichts in die Autonomie eines Staatsorgans bedeutet. Er kommt deshalb allein in Betracht, um das strittige organschaftliche Recht des Antragstellers vorläufig zu sichern, damit es nicht im Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch Schaffung vollendeter Tatsachen überspielt werde (vgl. [X.] 89, 38 <44>; 96, 223 <229>).
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
[X.], ob die einstweilige Anordnung schon nicht ergehen kann, weil die Hauptsache offensichtlich unbegründet ist, kann dahinstehen. Jedenfalls bedarf es der einstweiligen Anordnung nicht, um zu verhindern, daß das vom Antragsteller geltend gemachte Recht bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch Schaffung vollendeter Tatsachen überspielt werden kann.
Der Senat hat sich darauf verständigt, die Organklage bis Ende Juli 1998 in der Hauptsache zu entscheiden. Ergeht bis dahin keine einstweilige Anordnung, erweist sich dann aber die Hauptsache als begründet, können die Antragsgegner den Bericht des Ausschusses zwar vorher - wie vorgesehen - in der Form einer Bundestagsdrucksache veröffentlichen. Hierdurch wird jedoch der Öffentlichkeit das Ergebnis des Berichts nicht erstmals bekannt, denn es ist schon jetzt Gegenstand der Berichterstattung in den Medien. Allerdings kann die Veröffentlichung in einer offiziellen Drucksache dem für den Antragsteller nachteiligen Ergebnis zusätzliches Gewicht verleihen. Auch werden die Sachverhaltskomplexe, aus denen der Bericht sein Ergebnis ableitet, im einzelnen bekannt. Dies wird in seinen Auswirkungen allerdings dadurch abgemildert, daß der Antragsteller von seinem Recht Gebrauch machen kann, in einer dem Bericht beizufügenden Erklärung die Beweisführung des Ausschusses zu entkräften.
Die danach für den Antragsteller verbleibenden Nachteile können ausgeglichen werden, falls sich Ende Juli d. J. herausstellt, daß die Hauptsache Erfolg hat. Eine zeitnahe verfassungsgerichtliche Beanstandung des Ausschußberichts würde in der Öffentlichkeit besonders aufmerksam wahrgenommen und gewürdigt und wäre daher geeignet, den Antragsteller von dem Vorwurf zu entlasten, seine inoffizielle Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen [X.] sei erwiesen.
[X.] | Graßhof | Kruis |
Kirchhof | Winter | [X.] |
Jentsch | Hassemer |
Meta
27.05.1998
Sachgebiet: BvE
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 27.05.1998, Az. 2 BvE 2/98 (REWIS RS 1998, 33)
Papierfundstellen: REWIS RS 1998, 33 BVerfGE 99, 19-45 REWIS RS 1998, 33 BVerfGE 98, 139-145 REWIS RS 1998, 33
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