Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.08.2020, Az. X R 12/19

10. Senat | REWIS RS 2020, 3603

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Gegenstand

Beiträge an einen nicht der Versicherungsaufsicht unterliegenden Solidarverein als Vorsorgeaufwendungen


Leitsatz

1. Beiträge an einen nicht der Versicherungsaufsicht unterliegenden Solidarverein, der Leistungen in Krankheitsfällen gewährt, können --unbeschadet weiterer Voraussetzungen-- nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn auf die Leistungen des Vereins ein Rechtsanspruch besteht.

2. Eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V kann auf der Grundlage sowohl deutschen als auch ausländischen Rechts bestehen (Anschluss an BSG-Urteil vom 20.03.2013 - B 12 KR 14/11 R, BSGE 113, 160, Rz 14).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom [X.] - 3 K 157/18 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde in den Streitjahren 2015 und 2016 gemeinsam mit ihrem nicht am gerichtlichen [X.]erfahren beteiligten Ehemann zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie ist freiberuflich tätig und zahlt für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall Beiträge an einen eingetragenen [X.]erein ([X.]).

2

In der Satzung des [X.] heißt es u.a.:

"§ 2 Zweck des [X.]ereins

(1)  

Die (…) ist eine aufsichtsfreie Personenvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Ziff. 1 [X.]ersicherungsaufsichtsgesetz ([X.]) und keine Krankenkasse oder Krankenversicherung.

(2)  

Zwecke des [X.]ereins sind:

  

a. 

Die Mitglieder sichern sich gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zu, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht; (…)

(4)  

Mit der Umsetzung der [X.] werden die [X.]oraussetzungen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB [X.] bzw. vergleichbare Ansprüche gemäß § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 [X.] erfüllt."

3

Die in § 2 Abs. 1 der Satzung in Bezug genommene Norm des § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.] in der beim Inkrafttreten der Satzung gültigen Fassung ([X.] a.F.; heute § 3 Abs. 1 Nr. 1 des [X.]ersicherungsaufsichtsgesetzes --[X.]-- in der seit 2016 geltenden Fassung) lautete: "Der Aufsicht nach diesem Gesetz unterliegen nicht: Personenvereinigungen, die ihren Mitgliedern, ohne dass diese einen Rechtsanspruch haben, Unterstützungen gewähren, insbesondere die [X.] und [X.] der Berufsverbände".

4

Die Mitglieder des [X.] leisten einkommensabhängige Beiträge nach Maßgabe einer vom [X.]orstand des [X.] festgelegten Beitragsordnung. Die Hälfte dieser Beiträge wird einem [X.] des Mitglieds gutgeschrieben. Die Auszahlung dieses Guthabens kann jedes Mitglied zur Deckung seiner Krankheitskosten verlangen (§ 5 Abs. 2 der Satzung). Die andere Hälfte der Beiträge wird einem [X.] gutgeschrieben. Zu Auszahlungen aus dem [X.] heißt es in § 5 Abs. 3 der Satzung: "1Aus dem [X.] können weitere Unterstützungen an die Mitglieder erbracht werden, die auch die Hilfe im Pflegefall abdecken. 2Über einen Antrag auf Unterstützung der Kosten für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung oder eine andere gebotene Form der Therapie entscheidet der [X.]orstand nach Maßgabe der [X.]. 3Ein Anspruch auf Leistung besteht nur in Fällen der medizinischen Notwendigkeit. 4Diese soll dem individuellen Bedarf entsprechen, wobei mindestens das Leistungsniveau der gesetzlichen Pflege- oder Krankenversicherung erreicht werden soll. 5In anderen Fällen entscheidet der [X.]orstand nach pflichtgemäßem Ermessen."

5

In Streitfällen ist der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen. Die Mitglieder können statt dessen ein Schlichtungsverfahren und anschließend ggf. ein Schiedsverfahren nach §§ 1025 ff. der Zivilprozessordnung einleiten (§ 11 der Satzung).

6

Die Klägerin machte die an [X.] gezahlten Beiträge als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.]. a und b des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der für [X.]orsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG geltende Höchstbetrag war bei der Klägerin und ihrem Ehemann bereits durch anderweitige Aufwendungen ausgeschöpft. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) versagte den Abzug in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 2015 und 2016 und verwies hierfür auf das Urteil des [X.] ([X.]) vom 19.06.2013 - 2 K 71/13 (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2013, 1496).

7

In diesem Urteil hatte das [X.] für den [X.]eranlagungszeitraum 2011 auf die Klage eines anderen Mitglieds des [X.] entschieden, dass die Beiträge an [X.] nicht als Sonderausgaben abziehbar seien. Zum einen seien [X.] --wie [X.]-- nicht in der damals geltenden Fassung des § 10 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG a.F.) genannt, die nur [X.]ersicherungsunternehmen, berufsständische [X.]ersorgungseinrichtungen, Sozialversicherungsträger und Anbieter i.S. des § 80 EStG aufzähle. Zum anderen gewähre [X.] --ausweislich seiner damals geltenden Satzung-- auf seine Leistungen keinen Rechtsanspruch. Der erkennende [X.] hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil mit Beschluss vom 21.02.2014 - X B 142/13 ([X.]N[X.] 2014, 899) zurückgewiesen. Zur Begründung hat der [X.] ausgeführt, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Rechtsfrage offensichtlich so zu entscheiden sei, wie das [X.] es getan habe. Jedenfalls die Frage, ob [X.] unter § 10 Abs. 2 EStG a.F. falle, sei eindeutig zu verneinen. Dabei hat der [X.] allerdings ausdrücklich auf die ab dem [X.]eranlagungszeitraum 2013 geltende Erweiterung des § 10 Abs. 2 EStG hingewiesen, wonach seitdem auch Beiträge an Einrichtungen, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 13 des [X.] (SGB [X.]) gewähren, als [X.]orsorgeaufwendungen berücksichtigt werden können.

8

Das [X.] hat mit Urteil vom 09.06.2015 - L 4 [X.] 27/13 für die im Jahr 2009 geltende Satzung des [X.] entschieden, dass er aufgrund des darin fehlenden Rechtsanspruchs der Mitglieder auf Leistungen keine Einrichtung sei, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB [X.] gewähre. Das [X.] ([X.]) hat die hiergegen eingelegte Revision wegen unzureichender Begründung als unzulässig verworfen (Beschluss vom 18.04.2017 - B 12 [X.] 18/15 R; [X.]erfassungsbeschwerde noch anhängig unter 1 BvR 2062/17).

9

Die für die [X.]ersicherungsaufsicht zuständige [X.] ([X.]) hat gegen [X.] im Jahr 2016 ein auf die Einstellung und Abwicklung des Geschäftsbetriebs gerichtetes [X.]erfahren eingeleitet. Sie vertritt die Ansicht, [X.] gewähre seinen Mitgliedern einen Rechtsanspruch auf Leistungen und betreibe daher erlaubnispflichtige [X.]ersicherungsgeschäfte, ohne dass ihm die erforderliche Erlaubnis erteilt worden sei. Im Zeitpunkt der mündlichen [X.]erhandlung vor dem [X.] war das von der [X.] geführte [X.]erfahren noch nicht abgeschlossen. Das [X.] hat festgestellt, [X.] beabsichtige im Hinblick auf das von der [X.] geführte [X.]erfahren, seine Satzung dahingehend zu ändern, dass Ansprüche auf Leistungen aus dem [X.] der Höhe nach auf die vorhandenen Geldmittel beschränkt würden.

Im [X.]erfahren zur Einkommensteuer 2015 und 2016 der Klägerin blieben die Einsprüche und Klagen ohne Erfolg. Das [X.] entschied (E[X.] 2019, 888), [X.] sei kein in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG genannter [X.]ersorgungsträger. Er falle nicht unter [X.]. a Satz 1 dieser Regelung, weil er weder ein [X.]ersicherungsunternehmen sei noch ihm die hierfür erforderliche Erlaubnis erteilt worden sei. Auch [X.]. a Satz 2 (anderweitige Absicherung im Krankheitsfall) sei nicht einschlägig, weil diese Regelung auf Einrichtungen beschränkt sei, die ihren Sitz außerhalb des [X.] hätten. Hierfür sprächen sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die Gesetzessystematik und die Materialien.

Danach ließ das [X.] offen, ob die Beiträge die [X.]oraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfüllten, insbesondere ob auf Leistungen des [X.] ein Anspruch bestanden habe. Das [X.] gab in diesem Zusammenhang aber "zu bedenken", dass [X.] weder mit den Trägern der gesetzlichen noch der privaten Krankenversicherung vergleichbar sei. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfordere, dass ein bestehender Rechtsanspruch auf Leistungen jedenfalls nicht einseitig durch den [X.]erpflichteten aufgehoben oder eingeschränkt werden könne. Zwar möge die Klägerin in den Streitjahren einen Rechtsanspruch gehabt haben. [X.] könne diesen Anspruch aber jederzeit einschränken, indem der [X.]orstand die [X.] ändere.

Mit ihrer Revision bringt die Klägerin vor, das [X.] habe den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]. a Satz 2 EStG rechtsfehlerhaft auf Einrichtungen in Drittstaaten beschränkt. Der Gesetzgeber habe über die in [X.]. a Satz 1 genannten [X.]ersicherungsunternehmen hinaus weitere Einrichtungen als Leistungsempfänger definieren wollen. In den Gesetzesmaterialien werde auf den Maßstab des Sozialversicherungsrechts bzw. des privaten [X.]ersicherungsvertragsrechts verwiesen. Ferner sei im Referentenentwurf eines Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen ([X.]) die Einfügung eines § 176 SGB [X.] vorgesehen gewesen, wonach Solidargemeinschaften wie [X.] unter bestimmten [X.]oraussetzungen als Einrichtungen, die eine anderweitige Absicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB [X.] gewähren, anzuerkennen seien.

Auch habe das [X.] die Satzung des [X.] unzutreffend ausgelegt. Aufgrund der entsprechenden [X.]orgaben in der Satzung sei der [X.]orstand nicht befugt, den Mitgliedern Ansprüche in einer Weise zu entziehen, dass das Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr erreicht werde. In einem solchen Fall könnten sich die Mitglieder unmittelbar auf die Satzung berufen.

Die Entscheidung des [X.] verletze zudem Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, da nach der Rechtsprechung des [X.] Beiträge zur Erlangung eines sozialhilfegleichen [X.]ersorgungsniveaus einkommensteuerlich abziehbar sein müssten.

Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil und die [X.] vom 07.05.2018 (2016) und 15.05.2018 (2015) aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2015 vom 02.11.2016 und für 2016 vom 07.11.2017 dahingehend zu ändern, dass weitere [X.]orsorgeaufwendungen in Höhe von 3.519,84 € (2015) bzw. 3.840 € (2016) als Sonderausgaben berücksichtigt werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Es hält das vorinstanzliche Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass --im Gegensatz zum [X.] im späteren Regierungsentwurf des [X.]es (BTDrucks 19/13397) keine Regelung zu Solidargemeinschaften enthalten sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen [X.]erhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Mit der vom [X.] gegebenen [X.]egründung können die [X.]oraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG in [X.]ezug auf [X.] nicht verneint werden (dazu unten 1.). Im zweiten Rechtsgang wird es daher auf die Frage ankommen, ob es sich bei [X.] um eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SG[X.] [X.] gewährt und ob auf die Leistungen des [X.] ein Anspruch besteht (unten 2.).

1. [X.]oraussetzung für den Abzug von [X.]orsorgeaufwendungen ist neben der Zahlung entsprechender [X.]eiträge u.a., dass sie an bestimmte [X.]ersorgungsträger geleistet werden (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). In diesem Zusammenhang hat das [X.] zwar zu Recht die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a Satz 1 EStG auf [X.] ausgeschlossen (dazu unten a). Die in [X.]ezug auf [X.]uchst. a Satz 2 dieser Regelung vom [X.] gegebene [X.]egründung ist aber rechtsfehlerhaft (unten b).

a) [X.] fällt nicht unter § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a Satz 1 EStG.

Selbst wenn [X.] als "[X.]ersicherungsunternehmen" anzusehen sein sollte, würde ein Sonderausgabenabzug voraussetzen, dass dieses Unternehmen das [X.]ersicherungsgeschäft im Inland betreiben darf (Doppelbuchst. aa) oder ihm die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist (Doppelbuchst. [X.]). Gemäß § 8 Abs. 1 des [X.]ersicherungsaufsichtsgesetzes bedürfen [X.]ersicherungsunternehmen zum Geschäftsbetrieb der Erlaubnis der Aufsichtsbehörde. Da [X.] nach den --insoweit im Revisionsverfahren nicht angegriffenen-- Feststellungen des [X.] weder eine solche Erlaubnis erteilt war noch die [X.]oraussetzungen etwaiger Ausnahmetatbestände von der Erlaubnispflicht erfüllt waren, durfte [X.] das [X.]ersicherungsgeschäft im Inland nicht betreiben.

Da dies zwischen den [X.]eteiligten nicht streitig ist, sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.

b) Die Auffassung des [X.], der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a Satz 2 EStG beschränke sich auf Einrichtungen mit Sitz außerhalb des [X.], ist rechtsfehlerhaft.

aa) Nach der genannten Regelung werden Krankenversicherungsbeiträge über Satz 1 hinaus nur berücksichtigt, wenn es sich um [X.]eiträge an eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SG[X.] [X.] oder eine der [X.]eihilfe oder freien Heilfürsorge vergleichbare Absicherung i.S. des § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 des [X.]ersicherungsvertragsgesetzes ([X.][X.]G) gewährt.

Aus dem Wortlaut dieser Regelung folgt [X.] als das [X.] meint-- kein Ausschluss solcher Einrichtungen, die ihren Sitz im [X.] haben. Im Gegenteil lässt die [X.]ezugnahme gerade auf Normen des [X.]n Sozialversicherungs- bzw. Privatversicherungsrechts erkennen, dass auch [X.] Einrichtungen erfasst sind. In Übereinstimmung damit kann die anderweitige Absicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SG[X.] [X.] nach der Rechtsprechung des [X.]SG auf der Grundlage sowohl [X.]n als auch ausländischen Rechts bestehen (Urteil vom 20.03.2013 - [X.] 12 [X.] 14/11 R, [X.]SGE 113, 160, Rz 14).

Aus der --vom [X.] in den [X.]ordergrund seiner Argumentation gestellten-- den § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a Satz 2 EStG einleitenden Wendung "Darüber hinaus" folgt nichts anderes. Diese Wendung will im [X.]erhältnis zu [X.]uchst. a Satz 1 nicht etwa einen Gegensatz in der örtlichen Anknüpfung schaffen, sondern die begünstigten [X.]ersorgungsträger über die [X.]eschränkungen des Satzes 1 ("[X.]ersicherungsunternehmen") hinaus auch auf bestimmte "Einrichtungen" erweitern. Dementsprechend formuliert auch das [X.]SG, dass die --in Satz 2 in [X.]ezug genommene-- Norm des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SG[X.] [X.] nicht nur "[X.]ersicherungen", sondern jegliche anderweitige "Absicherung" erfasst, die das Gesetz als ausreichend ansieht (vgl. Urteil vom 03.07.2013 - [X.] 12 [X.] 2/11 R, Sozialrecht 4-2500 § 5 Nr. 20, Rz 29).

[X.]) Aus denselben Gründen folgt auch aus der Gesetzessystematik das Gegenteil des vom [X.] gefundenen Auslegungsergebnisses. Gerade der ausdrückliche [X.]ezug des Satzes 2 auf Normen des [X.]n Rechts, deren originärer Anwendungsbereich --zumindest auch-- Inlandsfälle einbezieht, zeigt, dass ein rein einkommensteuerrechtlicher Ausschluss von Einrichtungen mit Sitz in EU-/EWR-Staaten hier nicht gewollt sein kann.

cc) Die Gesetzesmaterialien stützen ebenfalls die Auffassung des [X.] nicht, sondern belegen gerade das Gegenteil. Im Gesetzentwurf der [X.]undesregierung vom 25.05.2012 für ein Jahressteuergesetz 2013 ([X.]RDrucks 302/12, 86; gleichlautend [X.]TDrucks 17/10000, 54) wird zur Erläuterung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a Satz 2 EStG zunächst auf die sozialrechtlichen [X.]orschriften verwiesen. Damit können aufgrund des im Gesetzeswortlaut enthaltenen [X.]erweises auf das SG[X.] [X.] nur die inländischen sozialrechtlichen [X.]orschriften gemeint sein. Weiter heißt es, der neu eingefügte [X.]uchst. a Satz 2 ermögliche den Sonderausgabenabzug "auch" für [X.]eiträge an [X.]ersicherungsunternehmen in Drittstaaten. Aus dem [X.]egriff "auch" folgt erkennbar, dass die [X.] an Drittstaaten-[X.]ersicherungsunternehmen nur ein Teil des Anwendungsbereichs der Norm sein soll. Abschließend heißt es, "auch wenn" der Steuerpflichtige weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe, bilde das Sozialrecht den Maßstab. Die Formulierung "auch wenn" zeigt gleichermaßen, dass der Anwendungsbereich der Norm gerade nicht auf die hier genannten [X.] begrenzt sein soll.

Das Jahressteuergesetz 2013 ist zwar letztlich nicht beschlossen worden. Die hier maßgeblichen Inhalte des entsprechenden Gesetzentwurfs sind aber unverändert in den Entwurf des [X.] aufgenommen (vgl. den [X.]ericht des Finanzausschusses vom 27.02.2013, [X.]TDrucks 17/12532, 5, 89 f.) und in diesem Gesetzgebungsverfahren beschlossen worden.

2. Danach kommt es für die Abziehbarkeit der von der Klägerin an [X.] geleisteten [X.]eiträge in entscheidungserheblicher Weise darauf an, ob [X.] als Einrichtung anzusehen ist, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall gewährt (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a Satz 2 EStG) und ob auf die Leistungen des [X.] ein Anspruch besteht (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.]uchst. a Satz 1 EStG). Hierzu hat das [X.] keine revisionsrechtlich bindenden Feststellungen getroffen, was im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein wird.

a) Allerdings hat das [X.] --nicht tragend-- ausgeführt, dass die Klägerin in den Streitjahren gegen [X.] einen Rechtsanspruch auf Leistungen im Krankheitsfall über dem sozialhilfegleichen [X.]ersorgungsniveau gehabt haben "mag".

Es wird diese [X.]ermutung noch durch Auslegung der Satzung des [X.] erhärten müssen. Insoweit enthalten § 2 Abs. 2 [X.]uchst. a und § 5 Abs. 3 Satz 3 der Satzung Formulierungen, aus denen sich ein Rechtsanspruch ergeben könnte. [X.] verweist § 2 Abs. 1 der Satzung aber auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 [X.]AG a.F., woraus man entnehmen könnte, dass es sich bei [X.] um eine Einrichtung handele, die ihren Mitgliedern keinen Rechtsanspruch gewährt.

Ergänzend kann das [X.] auch weitere Quellen heranziehen (z.[X.]. Internetauftritt, Werbematerial, Protokolle von Mitgliederversammlungen des [X.]).

b) Darüber hinaus müsste das [X.] sich in rechtlicher Hinsicht nochmals vertieft mit seiner im vorinstanzlichen Urteil --ebenfalls nicht tragend-- angedeuteten Auffassung befassen, der von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.]uchst. a EStG vorausgesetzte "Anspruch" auf die Leistungen erfordere, dass ein solcher Anspruch auch mit Wirkung für die Zukunft nicht ohne Einverständnis des Mitglieds bzw. [X.]ersicherten beseitigt werden kann.

aa) In diesem Zusammenhang hätte das [X.] zu prüfen, ob sowohl das Recht der gesetzlichen als auch der privaten Krankenversicherung --im Sinne eines typusprägenden [X.]ergleichsmaßstabs-- wirksame [X.]orkehrungen auch gegen einen Entzug von Leistungsansprüchen lediglich mit Wirkung für die Zukunft enthält.

Die vom [X.] im Rahmen seiner kursorischen Prüfung genannte Norm des § 23 SG[X.] [X.] scheint eine solche änderungsfeste Regelung --jedenfalls auf den ersten [X.]lick-- nicht zu enthalten. Das [X.] kann sich aber ergänzend mit der Frage auseinandersetzen, ob sich eventuell aus dem [X.]erfassungsrecht --zumindest für einen Kernbestand an [X.] ein Schutz vor nachteiligen Änderungen des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt.

Ebenso dürfte sich für die private Krankenversicherung jedenfalls aus den vom [X.] allein genannten Normen der § 193 Abs. 1 und § 203 Abs. 3 [X.][X.]G, § 152 Abs. 1 [X.]AG weder ein Kündigungsausschluss noch ein [X.]erbot von [X.]ertragsanpassungen mit Wirkung für die Zukunft ergeben. Ob sich solche Rechtsfolgen aus den --vom [X.] nicht erwähnten-- Regelungen der §§ 206, 208 [X.][X.]G ergeben, wird das [X.] noch zu prüfen haben.

[X.]) Sollte dies der Fall sein und sollten die Leistungsansprüche der [X.]ersicherten gegen die Träger der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung auch durch ihre Zukunftsfestigkeit und Unentziehbarkeit charakterisiert werden, wird das [X.] weiter prüfen müssen, ob es bei [X.] vergleichbare [X.]orkehrungen gegen einen Entzug von Leistungsansprüchen mit Wirkung für die Zukunft gibt.

Allein die vom [X.] angeführte Möglichkeit, die [X.] des [X.] durch bloßen [X.]orstandsbeschluss zu ändern, dürfte in diesem Zusammenhang noch nicht schädlich sein. Denn die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass Änderungen der [X.] sich stets in dem durch die --insoweit [X.] Satzung hierfür gezogenen Rahmen halten müssen.

Entscheidend dürfte daher sein, ob etwaige satzungsmäßige Leistungsansprüche der Mitglieder des [X.] in vergleichbarer Weise unentziehbar sind wie --hier unterstellt-- die Ansprüche von [X.]ersicherten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung. Dagegen könnte die Formulierung des [X.] sprechen, [X.] beabsichtige eine Satzungsänderung dahingehend, Leistungsansprüche nur noch im Rahmen der vorhandenen Mittel zu gewähren. Die rechtliche Möglichkeit einer solchen Satzungsänderung könnte ein Indiz gegen die Unentziehbarkeit der Ansprüche darstellen.

[X.] wird das [X.] aber zu erwägen haben, ob etwaig von [X.] abgeschlossene Rückversicherungsverträge, die gerade Großschäden abdecken, zu dem Schluss führen könnten, dass [X.] bei einer am Tatsächlichen orientierten [X.]etrachtung stets genügend Mittel zur Abdeckung aller Leistungsansprüche zur [X.]erfügung stehen könnten. Sollte dies der Fall sein, könnte die beabsichtigte Satzungsänderung eventuell als lediglich formal erscheinen und keine erkennbaren praktischen Auswirkungen auf die Leistungsansprüche der Mitglieder haben.

c) Der Senat weist ferner auf den eventuellen Normwiderspruch hin, der darin liegt, dass einerseits in § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.]uchst. a EStG lediglich "Krankenversicherungen" erwähnt sind, andererseits § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a Satz 2 EStG aber auch andere "Einrichtungen" --und zwar ausdrücklich für Zwecke des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.]uchst. a [X.] als zulässige [X.]eitragsempfänger ansieht. Ein solcher Normwiderspruch ließe sich nur dadurch auflösen, dass [X.]eiträge an andere Einrichtungen i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a Satz 2 EStG die [X.]oraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.]uchst. a EStG auch dann erfüllen, wenn es sich bei dieser Einrichtung nicht zugleich um eine "Krankenversicherung" handelt.

d) Hinsichtlich der [X.]eiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.]uchst. b EStG hat das [X.] ausgeführt, [X.] sei nicht als Träger der gesetzlichen Pflegeversicherung anzusehen, die in dem Klammerzusatz der genannten Norm als "[X.] Pflegeversicherung und private Pflege-Pflichtversicherung" definiert werde. Gegen diese Würdigung hat die Klägerin im Revisionsverfahren keine Einwendungen erhoben. Ihr steht es aber frei, solche Einwendungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

Sollte das [X.] im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommen, dass diejenigen [X.]eiträge, die dem Erwerb eines Schutzes im Krankheitsfall dienen, die [X.]oraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.]uchst. a, Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllen, wird es erwägen müssen, ob aus dem von der Klägerin an [X.] gezahlten Gesamtbeitrag ein Anteil auszuscheiden ist, der dem Erwerb eines Schutzes im Pflegefall dient und möglicherweise nicht die [X.]oraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.]uchst. b EStG erfüllt.

3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 12/19

12.08.2020

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 20. März 2019, Az: 3 K 157/18, Urteil

§ 10 Abs 1 Nr 3 S 1 Buchst a EStG 2009, § 10 Abs 1 Nr 3 S 1 Buchst b EStG 2009, § 10 Abs 2 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5, EStG VZ 2015, EStG VZ 2016

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.08.2020, Az. X R 12/19 (REWIS RS 2020, 3603)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3603

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