Bundessozialgericht, Urteil vom 10.03.2011, Az. B 3 KS 2/10 R

3. Senat | REWIS RS 2011, 8728

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Gegenstand

Künstlersozialversicherung - Arzt - publizistische Tätigkeit - Medizinjournalist - anderweitige Alterssicherung aufgrund einer bestehenden Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständische Versorgungswerk - Versicherungsfreiheit in Rentenversicherung nach KSVG - Revisibilität - Verletzung von Bundesrecht - Auslegung von Landesrecht


Leitsatz

Für Publizisten, die aufgrund ihrer publizistischen Tätigkeit einem berufsständischen Versorgungswerk angehören, besteht Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem KSVG in entsprechender Anwendung von § 4 Nr 1 KSVG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 25. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rentenversicherungspflicht der Klägerin als Medizinjournalistin in der Künstlersozialversicherung (KSV).

2

Die 1973 geborene Klägerin ist approbierte Ärztin. Nach Tätigkeiten als Frauenärztin, bei einer Healthcare-Werbeagentur sowie als Vorstandsreferentin bei der [X.] () in [X.] hat sie sich im September 2004 in [X.] als Medizinjournalistin selbstständig gemacht. Während der Beschäftigung bei der war sie Pflichtmitglied der [X.] sowie der zu 2. beigeladenen Nordrheinischen Ärzteversorgung. Von der [X.] ([X.]) wurde sie im Hinblick hierauf antragsgemäß ab dem [X.] von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit (Bescheid vom 21.11.2000). Seit dem Umzug nach [X.] im Jahr 2001 ist sie Pflichtmitglied der zu 1. beigeladenen Ärztekammer [X.]. Von der Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Ärztekammer [X.] wurde sie mit Wirkung zum [X.] zugunsten der Beigeladenen zu 2. befreit, der sie weiterhin angehört.

3

Die Beklagte stellte fest, dass die Klägerin aufgrund ihrer selbstständigen publizistischen Tätigkeit versicherungspflichtig in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz ([X.]) ist. Die Versicherungspflicht gelte auch für Mitglieder berufsständischer Versorgungseinrichtungen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs 1 Satz 1 [X.] befreit worden seien, wenn der Kammerberuf nicht mehr ausgeübt werde. Dass die Versorgungskammern medizinische Fachjournalisten wegen ihrer berufsspezifischen Tätigkeit weiterhin zu Pflichtbeiträgen heranzögen, schließe die Versicherungspflicht nach dem [X.] insoweit nicht aus (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 25.4.2005).

4

Die Klägerin hat Klage erhoben, soweit sie auch in die Rentenversicherungspflicht nach dem [X.] einbezogen worden ist. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]): Als selbstständige Publizistin unterliege sie der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach dem [X.]. Die Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit nach § 4 [X.] 1 [X.] lägen nicht vor, da sie neben ihrer Tätigkeit als Medizinjournalistin keine weitere Beschäftigung oder Tätigkeit ausübe. Das L[X.] hat das Urteil des [X.] sowie die angefochtenen Bescheide der [X.] geändert und festgestellt, dass die Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem [X.] versicherungsfrei ist (Urteil vom [X.]). In Auslegung [X.] [X.] hat es ausgeführt, dass die Klägerin Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 1. und damit grundsätzlich auch Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Kammer sei, hier nur befreit aufgrund und zu Gunsten der Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2. Davon könne zwar nach dem [X.] Landesrecht sowie der Satzung der Beigeladenen zu 2. grundsätzlich auch eine Befreiung erteilt werden. Hier bestehe jedoch eine solche Befreiungsmöglichkeit nicht, da die Tätigkeit der Klägerin als Medizinjournalistin eine ärztliche Tätigkeit im Sinne der landesrechtlichen Regelungen über die Zugehörigkeit zur Ärztekammer [X.] und zu deren Versorgungswerk darstelle. Hiervon ausgehend sei die Klägerin zwar bei wörtlicher Auslegung auch in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig nach dem [X.]. Unter Berücksichtigung der in § 4 [X.] 1 [X.] geregelten Ausnahmen von der grundsätzlichen Versicherungspflicht widerspreche dies aber dem Sinn und Zweck der Künstlersozialversicherung. Dass der Gesetzgeber die hier vorliegende Fallkonstellation nicht berücksichtigt habe, stelle eine planwidrige Lücke des Gesetzes dar, die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen sei.

5

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Der vom L[X.] zutreffend ausgelegte Ausschlusstatbestand des § 4 [X.] 1 [X.] sei abschließend. Hiernach sei die Klägerin nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem [X.] frei. Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift sei Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung. Darüber hinaus sei die publizistische Tätigkeit der Klägerin nicht als Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit anzusehen. Soweit hier überhaupt die Problematik einer "doppelten" Beitragspflicht bestehe, betreffe dies eher die weite Auslegung des Begriffs der ärztlichen Tätigkeit in § 3 Abs 2 der Beitragsverordnung der Beigeladenen zu 1.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des L[X.] [X.] vom [X.] zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] [X.] vom [X.] zurückzuweisen.

7

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Sofern der Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht bereits der [X.]sbescheid der [X.] vom 21.11.2000 entgegensteht (dazu unter 2.), besteht Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 4 [X.] 1 [X.] (dazu unter 3.). Letzteres hat das [X.] auf der Grundlage seiner nicht zu beanstandenden Auslegung hamburgischen Landesrechts zutreffend entschieden.

9

1. Grundsätzlich allerdings unterliegt die Klägerin als Journalistin der Versicherungspflicht (auch) in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das gebietet § 1 iVm § 2 Satz 2 [X.] (hier § 1 [X.] anzuwenden idF des [X.] in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004, [X.] und § 2 [X.] idF des 2. [X.]-Änderungsgesetzes vom 13.6.2001, [X.] 1027). Hiernach werden selbstständige Künstler und Publizisten nach § 1 [X.] in der allgemeinen Rentenversicherung, der gesetzlichen Krankenversicherung und der [X.] Pflegeversicherung versichert, wenn sie eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben und im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig iS des § 8 SGB IV. Nach § 2 Satz 2 [X.] ist Publizist im Sinne dieses Gesetzes, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt. Eine solche Tätigkeit übt die Klägerin als Medizinjournalistin aus, was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht und weshalb die Beklagte grundsätzlich zutreffend eine Versicherungspflicht der Klägerin nach dem [X.] festgestellt hat.

2. Ob dieser Feststellung hinsichtlich der gesetzlichen Rentenversicherung bereits der [X.]sbescheid der [X.] vom 21.11.2000 entgegensteht, kann letztlich offenbleiben.

a) Mit dem [X.]sbescheid vom 21.11.2000 hat die [X.] die Klägerin im Hinblick auf deren Mitgliedschaft in der [X.] mit Wirkung vom [X.] "von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit" und hinsichtlich der [X.] ausgeführt: "Die [X.] gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der jeweiligen [X.], soweit [X.] in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne [X.] Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu zahlen wären. Die Wirkung der [X.] ist grundsätzlich auf die jeweilige berufsständische Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt."

b) Welche Regelungswirkungen dies gegenwärtig noch hat, muss der [X.] nicht entscheiden. Insbesondere kann offenbleiben, ob sich die Regelung auf die [X.] von der Versicherungspflicht und der Bestimmung ihres Beginns beschränkt hat, wie es der 12. und ihm folgend der 5. [X.] des BSG in ähnlichen Konstellationen angenommen haben (vgl [X.], 215, 221 = [X.] 3-2940 § 7 [X.] 4 S 17; [X.], 74, 77 = [X.] 3-2600 § 56 [X.] 12 S 58). Dagegen könnte sprechen, dass aus der für die Auslegung maßgeblichen Empfängerperspektive auch unter Berücksichtigung der für die Behörde maßgeblichen Umstände (vgl [X.], 104, 110 = [X.] 3-1300 § 32 [X.] 2 S 11 f; [X.], 1 = [X.] 4-3250 § 33 [X.] 1, Rd[X.] 11 jeweils mwN) die Angaben über die Dauer der [X.] jedenfalls in der hier verwandten Formulierung als eigenständige Regelung zu verstehen und nicht erkennbar war, dass damit nur eine unverbindliche Erläuterung der Rechtslage bezweckt gewesen sein soll (so für ähnliche Formulierungen [X.], 215, 221 = [X.] 3-2940 § 7 [X.] 4 S 17; [X.], 74, 77 = [X.] 3-2600 § 56 [X.] 12 S 58). Insoweit könnte die Inbezugnahme des in der maßgebenden Norm des § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI nicht verwandten Merkmals der [X.] aus Sicht der Klägerin so zu deuten sein, dass hier zusätzlich eine selbstständige Regelung auch zur Dauer der [X.] getroffen und sie somit für die gesamte Dauer der - hier noch fortbestehenden - Pflichtmitgliedschaft im ärztlichen Versorgungswerk von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit worden ist. Dies kann letztlich aber ebenso offenbleiben wie die weitere Frage, ob die [X.] auch ohne förmliche Aufhebung nach § 48 Abs 1 SGB X gegenstandslos geworden ist, wie es der 5. [X.] des BSG in einer vergleichbaren Konstellation angenommen hat (vgl [X.], 74, 78 f = [X.] 3-2600 § 56 [X.] 12 S 59 f). Diese Rechtsauffassung mag fraglich erscheinen, weil durch den [X.]sbescheid mit Dauerwirkung entschieden wird, dass eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht besteht und demzufolge seine Aufhebung oder Änderung aus Gründen sowohl der Rechtsklarheit als auch des Vertrauensschutzes den allgemeinen Vorschriften der §§ 45 ff SGB X und damit hier des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X unterworfen sein könnte (hiervon ausgehend wohl auch der 12. [X.] des BSG, vgl [X.], 215, 217 = [X.] 3-2940 § 7 [X.] 4 S 12). Abschließend zu entscheiden ist diese Frage hier jedoch nicht, weil die Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 4 [X.] 1 [X.] frei ist.

3. Falls die Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht bereits durch den [X.]sbescheid vom 21.11.2000 freigestellt ist, besteht Versicherungsfreiheit jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 4 [X.] 1 [X.].

a) Unmittelbar greift der Tatbestand von § 4 [X.] 1 [X.] allerdings nicht ein. Hiernach ist in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem [X.] versicherungsfrei, wer aufgrund einer Beschäftigung oder einer nicht unter § 2 [X.] fallenden selbstständigen Tätigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit ist, es sei denn, die Versicherungsfreiheit beruht auf einer geringfügigen Beschäftigung oder einer geringfügigen selbstständigen Tätigkeit iS von § 8 SGB IV. Die Vorschrift soll diejenigen selbstständigen Künstler und Publizisten von der besonderen Rentenversicherungspflicht nach dem [X.] ausnehmen, die dieses Schutzes nicht bedürftig erscheinen, weil sie bereits anderweitig kraft Gesetzes für das Alter gesichert sind. Dabei hat der Gesetzgeber neben Beamten, Richtern und Soldaten an Personen gedacht, die bereits wegen einer anderweitigen Beschäftigung oder Tätigkeit zumindest in einem am Durchschnitt ausgerichteten Umfang in die [X.] Sicherung einbezogen sind (vgl BT-Drucks 9/26 S 18). Damit ist grundsätzlich zwar auch die Situation der Klägerin erfasst. Jedoch fällt sie nicht in den unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift, weil ihre Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht auf einem Beschäftigungsverhältnis, sondern auf ihrer selbstständigen Tätigkeit als Medizinjournalistin beruht und dies dem Wortlaut nach für den Ausschlusstatbestand des § 4 [X.] 1 [X.] unbeachtlich ist. Demnach besteht Versicherungsfreiheit nach dem [X.] für Selbstständige grundsätzlich nur, soweit der betreffende Künstler oder Publizist wegen "einer nicht unter § 2 fallenden selbständigen Tätigkeit" in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit ist, die Freistellung in der gesetzlichen Rentenversicherung also auf einer zusätzlichen, weiteren selbstständigen Tätigkeit neben seiner künstlerischen oder publizistischen Betätigung beruht.

b) Ungeachtet dessen genießt die Klägerin allerdings [X.] zum Versorgungswerk der Ärzte eine Alterssicherung, wie es für den Ausschlusstatbestand des § 4 [X.] 1 [X.] vom Gesetzgeber gerade vorausgesetzt ist. Rechtsgrundlage hierfür ist § 2 Abs 1 Satz 1 des [X.] für die Heilberufe ([X.]) iVm § 6 Abs 1 Satz 1 der Satzung der [X.]. Danach gehören zunächst der zu 1. beigeladenen [X.] als Pflichtmitglieder alle auf Grund einer Berufserlaubnis oder [X.] zur Berufsausübung berechtigten Ärztinnen und Ärzte an, die in der [X.] entweder ihren Beruf ausüben (§ 2 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 [X.]) oder, falls sie ihren Beruf nicht oder nicht in der [X.] ausüben, dort ihre Hauptwohnung im Sinne des Melderechts haben, es sei denn, dass sie Mitglied einer anderen [X.] im [X.] sind (§ 2 Abs 1 Satz 1 [X.] 2 [X.]). Hieran anknüpfend sind nach den Satzungsregelungen sowohl der [X.] als auch der Beigeladenen zu 2., deren Mitglied die Klägerin trotz ihres Umzugs geblieben ist, alle verkammerten Ärzte Pflichtmitglieder des jeweiligen Ärzte-Versorgungswerks (vgl § 6 Abs 1 Satz 1 der Satzung der Beigeladenen zu 2.). Zu befreien hiervon nach § 6 Abs 5 Buchstabe f der Satzung der Beigeladenen zu 2. sind nur diejenigen "Ärzte und Ärztinnen, die keine ärztliche Tätigkeit ausüben".

Eine solche Pflichtmitgliedschaft ohne [X.]smöglichkeit besteht wegen der Tätigkeit als Medizinjournalistin auch für die Klägerin. Das hat das [X.] in Auslegung der genannten landesrechtlichen Vorschriften ohne Verstoß gegen [X.] und damit für den [X.] bindend (§ 163 SGG) entschieden. Nach seiner im angefochtenen Urteil niedergelegten und begründeten Rechtsauffassung ist die Tätigkeit als Medizinjournalistin als ärztliche Tätigkeit im Sinne der landesrechtlichen Regelungen über die Zugehörigkeit zur [X.] und zum Versorgungswerk zu qualifizieren. Insoweit sei nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, der sich das Berufungsgericht anschließe, eine weite Auslegung des Begriffs der Berufsausübung vorzunehmen, da die berufsständischen Kammern die Belange der Gesamtheit der von ihr vertretenen Berufsangehörigen wahrnähmen und dafür die Erfahrungen von Berufsangehörigen aus allen Tätigkeitsbereichen nutzen sollen (Verweis auf [X.], NJW 1997, 814 ff und [X.]E 92, 24). Eine ärztliche Tätigkeit sei deshalb immer dann anzunehmen, wenn die Anwendung oder Mitverwendung von ärztlichem Wissen der Tätigkeit ihr Gepräge gebe (Verweis auf VG Karlsruhe, [X.], 751 ff).

Diese Auslegung des Landesrechts durch das [X.] ist für den erkennenden [X.] bindend, weil sie nicht gegen Vorschriften des [X.]s verstößt (§ 162 SGG). Ein Verstoß gegen [X.] liegt nicht bereits dann vor, wenn das Revisionsgericht aus seiner Sicht möglicherweise zu einer anderen Gesetzesauslegung kommen würde. [X.] ist vielmehr erst dann verletzt, wenn das Berufungsgericht den Rahmen zulässiger Gesetzesauslegung überschritten und damit die Bindung an Gesetz und Recht (Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) missachtet (Willkürverbot) oder wenn es bei der Gesetzesauslegung bundesrechtliche Normen herangezogen hat, die den ihnen beigelegten Regelungsgehalt nicht aufweisen ([X.], 215, 219 = [X.] 3-3300 § 9 [X.] 1 S 5; BSG [X.] 3-6935 Allg [X.] 1 S 3). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist eine Verletzung von [X.] nicht ersichtlich. Wie die Beklagte zu Recht darlegt, könnte der Begriff der ärztlichen Tätigkeit zwar auch enger verstanden werden. Nicht zu verkennen ist jedoch, dass eine medizin-journalistische Tätigkeit wie hier von der Klägerin ausgeübt auf ärztliches Wissen aufbaut und ihr zum Teil Aufgaben der medizinischen Aufklärung zukommen, wie sie vergleichbar auch von ambulant oder stationär praktizierenden Ärzten erbracht werden. Anhaltspunkte für eine willkürliche und deshalb vom BSG zu korrigierende Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Landesrechts bestehen deshalb nicht.

c) Diese bereits bestehende Alterssicherung über das Versorgungswerk der Ärzte begründet entgegen der Auffassung der Beklagten in entsprechender Anwendung von § 4 [X.] 1 [X.] die Versicherungsfreiheit der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem [X.]; das hat das [X.] zutreffend dargelegt. Insoweit besteht eine planwidrige Regelungslücke, die durch die analoge Anwendung von § 4 [X.] 1 [X.] zu schließen ist. Ein solcher Analogieschluss setzt voraus, dass die geregelte Norm analogiefähig ist, das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, so dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen [X.] gekommen. Analogie ist die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestandes auf einen ihm ähnlichen, aber ungeregelten Sachverhalt. Dieser beruht - in Anlehnung an Art 3 Abs 1 GG - auf der Forderung normativer Gerechtigkeit, [X.] gleich zu behandeln (vgl [X.], 102, 104 = [X.] 3-2500 § 38 [X.] 1 S 3; BSG [X.] 4-2700 § 8 [X.] 4 Rd[X.] 15; BSG [X.] 4-2700 § 8 [X.] 36 Rd[X.] 25; vgl auch [X.], 380, 389, jeweils mwN).

So liegen die Verhältnisse hier: Mit § 4 [X.] 1 [X.] ist eine Vorkehrung für diejenigen nach dem [X.] versicherungspflichtigen Künstler und Publizisten getroffen worden, die einen anderweitigen Versicherungsschutz für das Alter durch eine Alterssicherung aufgrund einer weiteren Tätigkeit oder Beschäftigung neben ihrer künstlerischen oder publizistischen selbstständigen Tätigkeit erworben haben. Soweit dadurch ein ausreichender Schutz für das Alter bereits besteht, soll nach der ausdrücklichen gesetzgeberischen Intention keine zusätzliche Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen (vgl BT-Drucks 9/26 S 18; ebenso [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl 2009, § 4 Rd[X.] 1). Keine Regelung hat der Gesetzgeber dagegen für die Gruppe getroffen, deren künstlerische oder publizistische Tätigkeit selbst - wie hier bei der Klägerin - die Zugehörigkeit zu einem weiteren Alterssicherungssystem begründet und die dadurch eine doppelte Altersversorgung erlangt. Diese Möglichkeit ist im Gesetzgebungsverfahren offenkundig nicht gesehen worden, so dass die analoge Anwendung des § 4 [X.] 1 [X.] geboten erscheint. Denn einerseits entspricht dieser Fall genau der Situation, auf die der Gesetzgeber mit der [X.]sregelung zu reagieren suchte. Andererseits besteht aber auch kein Anhaltspunkt dafür, dass für diese Gruppe die von der Grundregel des § 4 [X.] 1 [X.] abweichende Heranziehung zu zwei Alterssicherungssystemen bewusst angestrebt worden sein könnte. Das entspricht schon nicht der Intention des Gesetzgebers, wie sie - oben bereits dargestellt - mit § 4 [X.] 1 [X.] verfolgt worden ist. Im Übrigen ist auch kein Grund erkennbar, der eine solche unterschiedliche Behandlung vor dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG rechtfertigen könnte. Von daher ist die hier betroffene Gruppe von [X.]-Versicherten zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung in analoger Anwendung von § 4 [X.] 1 [X.] ebenso von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem [X.] freizustellen wie die Gruppe derjenigen, die zusätzlich zu ihrer selbstständigen Tätigkeit iS von § 1 [X.] einer weiteren unselbstständigen oder selbstständigen Tätigkeit nachgehen und hierdurch eine zur [X.] nach § 4 [X.] 1 [X.] führende Alterssicherung erlangen.

4. [X.] beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 3 KS 2/10 R

10.03.2011

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KS

vorgehend SG Hamburg, 29. April 2008, Az: S 22 KR 514/05, Urteil

§ 1 KSVG vom 09.12.2004, § 2 S 2 KSVG vom 13.06.2001, § 4 Nr 1 KSVG, § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6, § 162 SGG, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.03.2011, Az. B 3 KS 2/10 R (REWIS RS 2011, 8728)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8728

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