Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24.07.2019, Az. VII B 65/19

7. Senat | REWIS RS 2019, 5114

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Gegenstand

Rechtsstreit gegen einen Duldungsbescheid des FA nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens


Leitsatz

1. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Anfechtungskompetenz aus §§ 4, 11 AnfG auf den Insolvenzverwalter über .

2. Wenn der Rechtsstreit gegen den Duldungsbescheid des FA nicht mehr anhängig ist, kann der Insolvenzverwalter das Verfahren nicht mehr aufnehmen (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 18. September 2012 - VII R 14/11, BFHE 238, 505, BStBl II 2013, 128) .

3. Hat das FG die Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid als unbegründet abgewiesen, kommt die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für den Insolvenzverwalter nach § 727 ZPO nicht in Betracht .

4. Das FA kann den Anfechtungsanspruch gegen den Anfechtungsgegner während des Insolvenzverfahrens auch mit Zustimmung des Insolvenzverwalters nicht selbst weiterverfolgen (Fortführung Senatsurteil vom 29. März 1994 - VII R 120/92, BFHE 174, 295, BStBl II 1995, 225) .

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des [X.] vom 7. Mai 2019 - 3 K 56/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Beklagte (das Finanzamt --[X.]--) hat als Anfechtungsgläubiger einen [X.] gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung [X.]) i.V.m. §§ 1, 2, 3 Abs. 2, 4 und 11 des [X.] ([X.]) erlassen und die Duldung der Vollstreckung in den dem Ehemann der Klägerin ursprünglich gehörenden Anteil an einer Partnerschaftsgesellschaft begrenzt. Die Klägerin hat die Bescheide angefochten. Die Klage ist mit Urteil des Finanzgerichts ([X.]) vom 22. März 2017 - 3 K 56/15 abgewiesen worden.

2

Die von der Klägerin beim [X.] ([X.]) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist mit Beschluss vom 4. Mai 2018 - VII B 61/17 als unzulässig verworfen worden. Über das Vermögen des Ehemannes der Klägerin war zwischenzeitlich mit Beschluss des Amtsgerichts vom … November 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

3

Mit Schreiben vom 24. Juli 2018 beantragte der Insolvenzverwalter (Antragsteller) unter Hinweis auf § 727 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils vom 22. März 2017 in dem Verfahren 3 K 56/15 mit folgendem Inhalt: "Die Klägerin (…) ist dazu verurteilt, an Herrn … als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn (…) abzutreten: Ihren (…) Anteil an der Partnerschaft (…) einschließlich ihres (…) etwaigen Anspruchs auf Zahlung einer Abfindung bei Ausscheiden aus der vorgenannten Partnerschaft".

4

Er sei in Bezug auf den streitgegenständlichen Anfechtungsanspruch Rechtsnachfolger des [X.]. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] sei ausschließlich der Insolvenzverwalter berechtigt, die von den [X.] erhobenen materiell-rechtlichen Anfechtungsansprüche zu verfolgen. Ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch laufendes Klageverfahren des [X.] könne er aufnehmen. Den vormaligen Klageantrag könne er nach Maßgabe der §§ 143, 144 und 146 der Insolvenzordnung ([X.]) erweitern. Das gelte auch bei Vorliegen eines [X.]s. Die Anfechtungsklage werde zur Leistungsklage des Insolvenzverwalters. Wenn das Klageverfahren des [X.] bereits abgeschlossen worden sei und aus Sicht des Gläubigers Erfolg gehabt habe, könne die Vollstreckungsklausel auf den Insolvenzverwalter gemäß § 727 ZPO als Rechtsnachfolger umgeschrieben werden. Dem geänderten Anspruchsinhalt sei nach § 143 Abs. 1 [X.] Rechnung zu tragen.

5

Das [X.] lehnte den Antrag mit Beschluss vom 7. Mai 2019 - 3 K 56/15 als unbegründet ab. § 727 ZPO sei nicht anwendbar. Das [X.] vollstrecke nicht aus dem klageabweisenden Urteil, sondern aus dem Verwaltungsakt. Aus Verwaltungsakten könnten nur Hoheitsträger vollstrecken, der Antragsteller könne deshalb auch nicht Rechtsnachfolger eines Hoheitsträgers werden. Die Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs durch [X.] nach § 191 AO sei als hoheitliche Maßnahme dem [X.] vorbehalten. Der Insolvenzverwalter müsse im Wege der Leistungsklage einen vollstreckbaren Titel gegen den [X.] erwirken. Vollstreckungstitel sei dann das erwirkte Leistungsurteil.

6

Das Verfahren sei durch den [X.]-Beschluss vom 4. Mai 2018 - VII B 61/17 rechtskräftig beendet worden. Der Insolvenzverwalter könne deshalb nicht mehr nach § 17 [X.] in das Verfahren eintreten. Zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Rechtskraft des [X.]-Urteils vom 22. März 2017 - 3 K 56/15 habe für den Insolvenzverwalter keine Möglichkeit mehr bestanden, in den Rechtsstreit einzutreten und die Anfechtungsklage in eine Leistungsklage zu wandeln. Das Begehren des Antragstellers würde zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Umschreibung des Urteils führen. Die Wandlung einer Anfechtungsklage in eine Leistungsklage sei allein in einem laufenden finanzgerichtlichen Verfahren möglich. Dem Antragsteller stehe es frei, die Vollstreckung aus dem [X.] gegenüber dem [X.] freizugeben und die Auszahlung des [X.] anzuordnen (§ 16 Abs. 2 [X.]).

7

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit welcher er an seinem Antrag vom 24. Juli 2018 festhält. Das [X.] sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass § 727 ZPO nicht anwendbar sei. Es handele sich nicht um einen Fall der Vollstreckung von Verwaltungsakten zugunsten des [X.], eines Landes o.ä., sondern um die Vollstreckung zugunsten sämtlicher Gläubiger im Insolvenzverfahren.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Beschwerde ist unbegründet.

9

Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass der Antragsteller nicht aus dem [X.] vollstrecken kann. Denn die Durchsetzung eines [X.]s durch [X.] nach § 191 AO ist als hoheitliche Maßnahme dem [X.] vorbehalten (Senatsurteil vom 18. September 2012 - VII R 14/11, [X.], 505, [X.], 128), weshalb der Antragsteller selbst einen Vollstreckungstitel erstreiten muss ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 191 AO Rz 197).

Ist das Verfahren noch anhängig, regelt § 17 Abs. 1 [X.] den Fortgang eines Verfahrens über den [X.]. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] wird das Verfahren unterbrochen und der Insolvenzverwalter ist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 [X.] zur Aufnahme dieses Verfahrens berechtigt. Die Vorschrift gilt --jedenfalls entsprechend-- auch für den Rechtsstreit über die Anfechtungsklage gegen einen [X.] (Senatsurteil in [X.], 505, [X.], 128; anderer Ansicht Niedersächsisches [X.], Beschluss vom 20. September 1994 - XV 377/91, Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 1066, und MünchKomm[X.]/Kirchhof, 1. Aufl., § 17 Rz 10). Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der [X.] aus § 11 [X.] erloschen, der [X.] gehört nunmehr zur Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter ist nach § 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] berechtigt, die von den [X.] erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wird (vgl. Senatsbeschluss vom 30. August 2010 - VII B 83/10, [X.], 2298, zum Verbraucherinsolvenzverfahren; Senatsurteil vom 29. März 1994 - VII R 120/92, [X.], 295, [X.] 1995, 225).

Im finanzgerichtlichen Verfahren werden die Beteiligten ausgewechselt. Der Insolvenzverwalter kann nämlich nicht die Beteiligtenstellung des [X.] erlangen. Vielmehr muss er den Klageantrag umstellen, weil sich sein Anspruch auf Herausgabe des betroffenen Gegenstandes an die Insolvenzmasse richtet (MünchKomm[X.]/Kirchhof, a.a.[X.], § 16 Rz 14; [X.] in [X.], § 191 AO Rz 197; Senatsurteil in [X.], 505, [X.], 128).

Im vorliegenden Fall gelten diese Grundsätze jedoch nicht, weil das Verfahren vor dem [X.] bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr anhängig war. Der Antragsteller konnte mithin das Verfahren nicht mehr aufnehmen und den Klageantrag nicht mehr umstellen.

Aus dem Urteil des [X.] selbst kann der Antragsteller nicht vollstrecken, weil der Tenor keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Deshalb begehrt der Antragsteller, wenn er eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils beantragt, im Ergebnis eine Umschreibung des Tenors - ohne dass ihm die Umstellung des Klageantrags noch möglich ist. Eine solche nachträgliche Umschreibung des rechtskräftigen Urteils sieht die Finanzgerichtsordnung ([X.]O) nicht vor.

An diesem Ergebnis vermag der allgemeine Verweis in § 155 [X.]O auf die Vorschriften der ZPO nichts zu ändern. Denn auch die vom Antragsteller benannte Vorschrift des § 727 ZPO gestattet keine Umschreibung des vorliegenden Tenors. Soweit ein Titel mangels eines vollstreckbaren Inhalts (wie hier) nicht klauselfähig ist, kann § 727 ZPO keine Anwendung finden ([X.]/[X.], 5. Aufl., § 727 Rz 5). Denn nur wenn ein Urteil einen vollstreckbaren Inhalt hat, kann es mit einer Vollstreckungsklausel versehen werden ([X.]/[X.], a.a.[X.], § 724 Rz 37). Daran fehlt es im Streitfall.

Der vom [X.] aufgezeigte Weg, dem [X.] die Vollstreckung aus dem [X.] zu gestatten und damit die Möglichkeit der Anordnung der Auszahlung des [X.] zu eröffnen, ist nicht gangbar. Die Vorschriften des [X.] lassen nicht zu, dass der Insolvenzverwalter den [X.] "freigibt" mit der Folge, dass der Anspruch vor Beendigung des Insolvenzverfahrens weiterverfolgt werden kann (Senatsurteil in [X.], 295, [X.] 1995, 225, unter Geltung der Konkursordnung zu § 13 [X.] a.F.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII B 65/19

24.07.2019

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 7. Mai 2019, Az: 3 K 56/15, Beschluss

§ 191 AO, § 4 AnfG, § 11 AnfG, § 16 Abs 1 AnfG, § 17 Abs 1 AnfG, § 727 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24.07.2019, Az. VII B 65/19 (REWIS RS 2019, 5114)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5114

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