Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.09.2016, Az. I R 23/15

1. Senat | REWIS RS 2016, 5825

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Gegenstand

Höchstbetragsberechnung für Atomanlagenrückstellungen - Grundsatz von Treu und Glauben - Grundsatz der Abschnittsbesteuerung


Leitsatz

Bei der Ermittlung des Höchstbetrages der Atomanlagenrückstellung nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 RechVersV ist die Kernenergieschäden betreffende Sach- und Haftpflichtversicherungssumme für die summenmäßig am höchsten versicherte Einzelanlage anzusetzen und keine Trennung nach den Sparten Schadens- und Haftpflichtversicherung --unter Berücksichtigung der dort jeweils am höchsten versicherten Anlage-- vorzunehmen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 9. Februar 2015  6 K 2167/12 K wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Rückversicherungsunternehmen, das u.a. inländischen und ausländischen Anlagen zur Erzeugung oder Spaltung von Kernbrennstoffen Versicherungsschutz gewährt. Dieser Versicherungsschutz für Atomanlagen wird in der [X.] aufgrund der Höhe des [X.] von einem Pool in- und ausländischer Versicherungsgesellschaften übernommen. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellten die Prüfer fest, dass die Klägerin der nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (RechVersV) vorzunehmenden Höchstbetragsberechnung für die Bildung der [X.] jeweils die bezogen auf die einzelne Versicherungssparte am höchsten versicherte Anlage --nämlich bei der Sachversicherung die Werte des in dieser Sparte am höchsten versicherten Kraftwerks A und bei der Haftpflichtversicherung die Werte des in dieser Sparte am höchsten versicherten Kraftwerks B-- zugrunde gelegt hatte. Die Prüfer waren demgegenüber der Auffassung, § 30 Abs. 2 Nr. 1 RechVersV meine die insgesamt summenmäßig am höchsten versicherte Anlage und gingen deshalb von den Werten des [X.] aus. Die unterschiedliche Betrachtungsweise führte nur im Jahr 2004 (Streitjahr) zu einer Abweichung bei der Berechnung der Rückstellung in Höhe von insgesamt 36.583,60 €.

2

Auf Grundlage der Feststellungen der Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid und wies später den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

3

Auch das Klageverfahren blieb ohne Erfolg ([X.], Urteil vom 9. Februar 2015  6 K 2167/12 K, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2015, 1746). Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

4

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des [X.] Düsseldorf vom 9. Februar 2015  6 K 2167/12 K den Körperschaftsteuerbescheid vom 2. September 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 2012 dahingehend zu ändern, dass die Berechnung der [X.] spartenbezogen erfolgt, also von einem gegenüber dem Ansatz des [X.] um 36.583,60 € geminderten Jahresüberschuss auszugehen ist.

5

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Ermittlung des Höchstbetrages der [X.] nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] die [X.] betreffende Sach- und Haftpflichtversicherungssumme für die von der Klägerin summenmäßig am höchsten versicherte Anlage anzusetzen und keine Trennung nach den Sparten Schadens- und Haftpflichtversicherung --unter Berücksichtigung der dort jeweils am höchsten versicherten Anlage-- vorzunehmen ist.

7

1. Nach § 341h Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) sind zum Ausgleich der Schwankungen im Schadenverlauf künftiger Jahre Schwankungsrückstellungen zu bilden, wenn insbesondere nach den Erfahrungen in dem betreffenden Versicherungszweig mit erheblichen Schwankungen der jährlichen Aufwendungen für Versicherungsfälle zu rechnen ist, die Schwankungen nicht jeweils durch Beiträge ausgeglichen werden und die Schwankungen nicht durch Rückversicherungen gedeckt sind. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist für Risiken gleicher Art, bei denen der Ausgleich von Leistung und Gegenleistung wegen des hohen Schadenrisikos im Einzelfall nach versicherungsmathematischen Grundsätzen nicht im Geschäftsjahr, sondern nur in einem am Abschlussstichtag nicht bestimmbaren Zeitraum gefunden werden kann, eine Rückstellung zu bilden und in der Bilanz als "ähnliche Rückstellung" unter den Schwankungsrückstellungen auszuweisen. Durch § 341h Abs. 2 HGB hat der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen für sog. Großrisiken kodifiziert, also solcher Risiken, deren mögliche Höchstschäden infolge einer Konzentration hoher Werte oder der Kumulation verschiedener Gefahren des gleichen Risikoobjekts mit hohem Schadensmaximum außergewöhnlich groß sind, während die Zahl der Risiken gering und vielfach die Schadenursache aus technologischen Gründen neuartig und/oder unbekannt ist (vgl. [X.]/[X.] in MünchKommHGB, 3. Aufl., § 341h Rz 17; Ellenbürger/Hammers in [X.], § 341h HGB Rz 19; [X.]/[X.]/Kölschbach in [X.]/Boujong/[X.]/[X.], Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 341h Rz 17; [X.], Die versicherungstechnischen Rückstellungen im Steuerrecht, 3. Aufl., S. 77). Die in § 341h Abs. 2 HGB vorgeschriebenen Rückstellungen dienen --insoweit wie die in Abs. 1 normierten [X.] dem Ausgleich des [X.] für den Ausnahmefall, dass sich kein versicherungstechnisches Kollektiv finden lässt, das groß genug wäre, einen Risikoausgleich innerhalb eines Geschäftsjahrs zu ermöglichen; deshalb muss der Ausgleich in einem am Abschlussstichtag nicht bestimmbaren Zeitraum vorgenommen werden (vgl. [X.][X.]/[X.]/[X.], Versicherungsbilanzen, 3. Aufl., S. 217 f.; [X.]/Kreeb in [X.] Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, § 341h HGB Rz 16; Ellenbürger/Hammers in [X.], a.a.[X.]; [X.], a.a.[X.], S. 80 f.; [X.], Die Körperschaftsteuer, vor §§ 20-21a [X.] Rz 25; [X.] in Rö[X.]er/Herlinghaus/[X.], [X.], § 20 Rz 20; [X.]/[X.], § 20 [X.] Rz 22 "[X.]").

8

2. Auf der Grundlage von § 330 Abs. 1, 3 und 4 HGB konkretisiert § 30 [X.] die Vorgaben des § 341h Abs. 2 HGB für die Bildung bestimmter [X.]. § 341h Abs. 2 HGB und § 30 [X.] gehören insoweit zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, die wegen des in § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes verankerten [X.] und mangels eigenständiger steuerlicher Regelungen auch im Bereich des Steuerrechts zu beachten sind ([X.], a.a.[X.], § 20 [X.] Rz 22; [X.] in Rö[X.]er/Herlinghaus/[X.], a.a.[X.], § 20 Rz 19; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], vor §§ 20-21b [X.] Rz 46 sowie § 20 [X.] Rz 11; [X.]/[X.], § 20 [X.] Rz 21).

9

3. Die Einzelheiten für die Bildung der im Streitfall betroffenen [X.] regelt § 30 Abs. 2 [X.], wonach für die selbst abgeschlossenen und in Rückdeckung übernommenen Sach- und Haftpflicht-Versicherungen von Anlagen zur Erzeugung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe gegen [X.] jeweils eine [X.] als eine der Schwankungsrückstellung ähnliche Rückstellung gemäß § 341h Abs. 2 HGB nach der Maßgabe der nachfolgenden Regelungen zu bilden ist. § 30 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.] bestimmt dazu u.a., dass der Höchstbetrag der [X.] entweder 100 v.H. der Sach- und Haftpflichtversicherungssumme für [X.], die das Versicherungsunternehmen für die von ihm summenmäßig am höchsten versicherte Anlage der in Satz 1 bezeichneten Art auf eigene Rechnung übernommen hat, oder 25 v.H. des Gesamtbetrages der Versicherungssumme für [X.], die das Versicherungsunternehmen zur Versicherung solcher Anlagen auf eigene Rechnung übernommen hat, beträgt. Nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 [X.] ist dabei der niedrigere der beiden Beträge maßgebend.

4. Eine am Wortlaut, der Gesetzesgeschichte, dem [X.] und der Systematik orientierte Auslegung des § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ergibt, dass bei der Ermittlung des Höchstbetrages der [X.] die die [X.] betreffende Sach- und Haftpflichtversicherungssumme für die vom [X.] am höchsten versicherte [X.] anzusetzen und insoweit keine Trennung nach den Sparten Schadens- und Haftpflichtversicherung vorzunehmen ist.

a) Für die vorgenannte Auslegung des § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] spricht zunächst der Normwortlaut. Wenn im Einleitungssatz der Vorschrift angeordnet wird, dass für die selbst abgeschlossenen und in Rückdeckung übernommenen "Sach- und Haftpflicht-Versicherungen" der bezeichneten Anlagen gegen [X.] "jeweils" eine [X.] zu bilden ist, wird hieraus im Schrifttum zwar die separate Rückstellungsbildung je [X.] abgeleitet (in diese Richtung etwa [X.] in [X.] Versicherungsbilanz-Kommentar, § 341h HGB Rz 36). Der [X.] kann sich dem jedoch nicht anschließen. Vielmehr bestimmt § 30 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.] für die Ermittlung des Höchstbetrages der [X.], dass dieser sich (bezogen auf die im Streitfall einschlägige Variante der Norm) auf 100 v.H. der "Sach- und Haftpflichtversicherungssumme" für [X.] belaufe, die das Versicherungsunternehmen für "die von ihm summenmäßig am höchsten versicherte Anlage" der in Satz 1 bezeichneten Art auf eigene Rechnung übernommen habe. Die Norm macht mithin deutlich, dass die Ermittlung des Höchstbetrages der Rückstellung nach einheitlichen und anlagebezogenen Vorgaben zu erfolgen hat, indem sie auf diejenige [X.] abstellt, die in der Summe aus Sach- und Haftpflichtversicherung am höchsten versichert ist. Es ist insoweit offensichtlich, dass sich der Passus "Sach- und Haftpflichtversicherungssumme" auf die vom Versicherungsunternehmen "summenmäßig am höchsten versicherte Anlage" bezieht. Für eine getrennt nach [X.] vorzunehmende Höchstbetragsberechnung enthält der Normwortlaut hingegen keinen Anhalt, obwohl dem Gesetzgeber die Möglichkeit offen gestanden hätte, § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] im Hinblick auf die Höchstbetragsberechnung spartenbezogen auszugestalten. Das ist indessen nicht geschehen.

b) Für die vorgenannte Auslegung sprechen auch die Entstehungsgeschichte des § 30 [X.] und der mit dieser Vorschrift verfolgte Zweck.

aa) Soweit die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass im Entwurf eines [X.] (BTDrucks 7/1470, S. 177 f., 355 f.) eine in § 22 des Körperschaftsteuergesetzes verortete Regelung zur Bildung von [X.] geplant gewesen sei, die eine Differenzierung nach [X.] vorgesehen habe, ist diese nicht Gesetz geworden. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber auf Empfehlung des Finanzausschusses (BTDrucks 7/5310, S. 8 f., 13) dazu entschieden, diejenigen Einzelheiten zur Bildung und Auflösung versicherungstechnischer Rückstellungen, welche bis dahin lediglich im Erlasswege geregelt waren, auch weiterhin der Regelungshoheit der Verwaltung zu überlassen, um eine flexible Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten zu ermöglichen (BTDrucks 7/5310, S. 8 f., 13; vgl. auch [X.]/[X.]/Kölschbach in [X.]/ Boujong/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 341h Rz 19).

bb) Diesen Erwägungen entsprechend hat der Verordnungsgeber auf der Grundlage des § 330 Abs. 1, 3 und 4 HGB in § 30 [X.] Vorschriften über den Ansatz und die Bewertung von versicherungstechnischen Rückstellungen erlassen (vgl. [X.] 823/94, S. 103) und bezogen auf die hier streitbefangenen [X.]en an die Vorgaben des [X.] für das Versicherungswesen ([X.]) in dessen Rundschreiben vom 17. März 1981 R 1/81 (Veröffentlichungen des Bundesamtes für Versicherungswesen --Ver[X.]-- 1981, 122) angeknüpft, die mangels besonderer steuerlicher Vorschriften auch steuerrechtlich anerkannt waren (vgl. [X.] in [X.]/ Drüen, [X.]/[X.]/[X.], § 20 [X.] Rz 15a; [X.], a.a.[X.], § 20 [X.] Rz 19). Der Verordnungsgeber ging dabei davon aus, dass die in § 30 Abs. 2 [X.] zu den [X.]en enthaltenen Regelungen den Vorgaben im vorgenannten Schreiben in Ver[X.] 1981, 122 entsprechen ([X.] 823/94, S. 131). Zwar sprach das Schreiben in Ver[X.] 1981, 122, unter 1. lediglich die Verpflichtung zur Bildung einer Rückstellung für die Versicherung von Atomanlagen aus, die jedes der inländischen Versicherungsaufsicht unterliegende Unternehmen traf, welches die näher beschriebenen Anlagen gegen [X.], nämlich --wie durch Klammerzusatz klargestellt wird-- Sach- und Haftpflichtschäden, versichert hatte; es enthielt insoweit nicht die Aussage, es sei für die angesprochenen Schadensrisiken "jeweils" eine Rückstellung zu bilden. Zur Errechnung des Höchstbetrages der [X.] enthielt das vorgenannte Schreiben in Ver[X.] 1981, 122, unter 2. aber eine dem jetzigen § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] inhaltlich kongruente Regelung. Dies lässt nur den Schluss zu, dass mit § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] lediglich die Fortschreibung der vorherigen aufsichtsrechtlichen Vorgaben intendiert war (vgl. Ellenbürger/Hammers in [X.], § 341h HGB, Rz 21; [X.]/[X.] in MünchKommHGB, a.a.[X.], § 341h Rz 22; [X.]/Kreeb in [X.] Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, § 341h HGB, Rz 5; [X.]/[X.]/Kölschbach in [X.]/Boujong/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 341h Rz 19; [X.], a.a.[X.]), die ihrerseits nur von der Verpflichtung zur Bildung "einer" Rückstellung für die Versicherung von Atomanlagen gegen die sich aus Sach- und Haftpflichtschäden ergebenden [X.] ausgingen.

cc) Angesichts der Tatsache, dass die [X.] aufgrund des hohen Schadenspotentials eines Störfalls der Sicherung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den vom Versicherer geschlossenen Versicherungsverträgen in Form des allmählichen Aufbaus von Mitteln dienen soll (vgl. [X.]/[X.] in MünchKommHGB, a.a.[X.], § 341h Rz 22; [X.], a.a.[X.]), ist der Verordnungsgeber bezogen auf das abzufangende Risiko --die Inanspruchnahme für [X.] in Form von Sach- und [X.] erkennbar von der Überlegung ausgegangen, dass ein Störfall regelmäßig nur in einer einzelnen Anlage vorkommen wird und deshalb --anders als bei [X.] gerade kein Mittelwert des Schadenseintritts existiert ([X.] in [X.]/Drüen, a.a.[X.]). Entsprechend hat er als Maßstab für die Ermittlung des Höchstbetrages der [X.] das auf den potentiellen Schadenseintritt in nur einer einzelnen Anlage (in diese Richtung auch [X.] in [X.]/Drüen, a.a.[X.], § 20 [X.], Rz 16; ebenso [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 20 Rz 21 "[X.]") ausgerichtete objektivierte Verhalten des konkreten Versicherers gewählt, der insoweit für jede von ihm versicherte [X.] einen bestimmten Sach- und [X.] übernimmt und dabei für diejenige Anlage in der Summe den höchsten summenmäßigen Versicherungsschutz anbieten oder decken wird, von der das höchste Schadenspotential bezogen auf Sach- und Haftpflichtschäden ausgeht. Entsprechend geht der Verordnungsgeber bezogen auf die Ermittlung des Rückstellungshöchstbetrages --in Übereinstimmung mit den zuvor im Schreiben des [X.] in Ver[X.] 1981, 122 geäußerten Überlegungen-- davon aus, dass der auf die [X.] Anlage entfallende summenmäßige Versicherungsschutz für Sach- und Haftpflichtschäden regelmäßig (auch) ausreichen wird, um einen potentiellen Störfall in jeder anderen vom Versicherer versicherten Anlage mit geringerem Risikopotential abzufangen. Dem steht nicht entgegen, dass Versicherer in Einzelfällen Anlagen nur bezogen auf das [X.] versichern, denn in derartigen Fällen besteht die Summe des Versicherungsschutzes aus dem übernommenen [X.] zuzüglich des Summanden Null für den Sachversicherungsschutz. Auch in derartigen Fällen ergibt sich sonach ein einzelanlagenbezogener Höchstbetrag, der für die Bildung der [X.] maßgeblich wäre, wenn keine andere Anlage in der Summe höher versichert wäre.

[X.]) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt entgegen den Vorstellungen der Klägerin, dass sich das Prinzip der [X.], demzufolge die Schadenverläufe in den einzelnen [X.] differieren und von den jeweiligen Versichertengruppen getragen werden sollen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 20 Rz 47; auch [X.]/[X.], a.a.[X.], § 20 Rz 12), auf die [X.] bei [X.]en, für die es gerade kein versicherungstechnisches Kollektiv gibt, nicht übertragen lässt. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der eine einzelne Anlage betreffender Störfall sowohl das Sach- als auch das Haftpflichtversicherungsrisiko auslösen wird. Angesichts dessen ist es unerheblich, ob die Klägerin ihren Versicherungsschutz spartenbezogen vergibt bzw. dabei von unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Erwägungen zum Umfang der Deckung ausgeht.

c) Es ist mit den Beteiligten und entgegen der Annahme des [X.] zwar zutreffend, dass sich unter dem Gesichtspunkt einer systematischen Auslegung ein Rückschluss aus den von § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bezogen auf die [X.] abweichend formulierten Bestimmungen in dessen Abs. 1 und 2a deshalb verbietet, weil sowohl bei [X.] für Pharmarisiken als auch den Versicherungen von [X.] jeweils nur eine [X.] betroffen ist. [X.] ist der Klägerin nicht darin beizupflichten, dass sich aus § 30 Abs. 3 Satz 2 [X.], wonach die ähnlichen Rückstellungen in die Schwankungsrückstellung zu überführen sind, sobald in einem Geschäftsjahr die Voraussetzungen nach § 341h Abs. 2 HGB nicht mehr vorliegen, eine Spartenbetrachtung auch für die [X.] ergebe. Da die [X.] in den betreffenden [X.] an die Stelle der Schwankungsrückstellung tritt (vgl. [X.]/[X.] in MünchKommHGB, a.a.[X.], § 341h Rz 25) und die Bildung einer ähnlichen Rückstellung nach § 30 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht zulässig ist, soweit eine Schwankungsrückstellung gebildet wurde, ist es insoweit geboten, bei Fortfall der Voraussetzungen des § 341h Abs. 2 HGB die zurückgestellten Beträge in die Schwankungsrückstellung zu überführen. Daraus folgt bezogen auf die [X.] nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] aber nicht, dass dort die Grundsätze der [X.] ebenfalls gelten würden. Denn die Schwankungsrückstellung unterscheidet sich aus den unter 4.b [X.] genannten Gründen von der [X.]; insoweit wird in § 30 Abs. 3 Satz 2 [X.] zwar technisch die Überführung in die Schwankungsrückstellung geregelt, nicht aber der Unterschied zwischen [X.] und Schwankungsrückstellung aufgehoben.

d) Da es bei der Auslegung des § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] um eine solche von Handelsrecht geht, die aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips und mangels eigenständiger steuerrechtlicher Regelungen auch für das Steuerrecht gilt, bedarf es entgegen der Auffassung der Klägerin keiner (positiven) steuerrechtlichen Bestimmung zur "Durchbrechung" handels- oder aufsichtsrechtlicher Maßstäbe. Das gilt umso mehr, als die Klägerin eine von der vorgenannten Auslegung abweichende handels- oder aufsichtsrechtliche Praxis weder nachgewiesen hat noch eine solche erkennbar ist.

5. Die Klägerin kann sich hinsichtlich der vom [X.] bis zum Veranlagungszeitraum ([X.]) 2002 nicht beanstandeten Handhabung der Höchstbetragsberechnung nicht auf Vertrauensschutz berufen. Für den Steuerpflichtigen ergeben sich aus der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nämlich nur dann Rechtsfolgen, wenn die Finanzbehörde ihm gegenüber einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, sei es durch eine Zusage oder durch nachhaltiges Verhalten. Dieser Vertrauenstatbestand muss zudem ursächlich für Maßnahmen, Handlungen oder Dispositionen des Steuerpflichtigen gewesen sein (vgl. Urteil des [X.] --BFH-- vom 30. Oktober 2014 IV R 61/11, [X.], 332, BStBl II 2015, 478). Im Streitfall hat das [X.] der Klägerin aber weder eine auf die Anerkennung der von ihr bei der Berechnung des Höchstbetrages der [X.] nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] verwendeten Methode gerichtete Zusage erteilt noch durch (positives) nachhaltiges Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Vielmehr hat das [X.] die streitrelevante Problematik lediglich bis zum [X.] 2002 nicht geprüft. Die Anerkennung der in vorangegangenen [X.] durch die Klägerin gebildeten Rückstellungen durch das [X.] und die Betriebsprüfung rechtfertigt indessen die Aufrechterhaltung der streitigen Rückstellungen nicht. Vielmehr verpflichtet der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 der Abgabenordnung) das [X.], eine als unrichtig erkannte Rechtsauffassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufzugeben. Das [X.] ist grundsätzlich an seine rechtliche Würdigung in früheren [X.] nicht gebunden (Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, vgl. [X.]surteil vom 13. Februar 2008 I R 63/06, [X.], 415, [X.], 414; BFH-Urteil vom 17. Oktober 2013 IV R 7/11, [X.], 256, [X.], 302). Dies gilt selbst dann, wenn die fehlerhafte Auffassung in einem Prüfungsbericht niedergelegt worden ist oder wenn das [X.] über eine längere Zeitspanne eine fehlerhafte, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat und der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert haben sollte (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1997 IV R 76/96, [X.] 1998, 578; vom 23. Februar 2012 IV R 13/08, [X.] 2012, 1112; in [X.], 256, [X.], 302).

6. Nach den vorstehenden Grundsätzen hat das [X.] der nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 [X.] vorzunehmenden [X.] der für die Klägerin im Streitjahr zu bildenden [X.] zu Recht die bezogen auf den Sach- und [X.] summenmäßig am höchsten versicherte Anlage [X.] zugrunde gelegt. Dass die auf dieser Grundlage vorgenommene Berechnung der [X.] fehlerhaft sein könnte, ist weder erkennbar noch wird dies von der Klägerin geltend gemacht, weshalb der [X.] von weiteren Ausführungen dazu absieht.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 23/15

07.09.2016

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 9. Februar 2015, Az: 6 K 2167/12 K, Urteil

§ 30 Abs 2 Nr 1 RechVersV, § 30 Abs 3 S 2 RechVersV, § 34h Abs 1 HGB, § 34h Abs 2 HGB, § 330 Abs 1 HGB, § 330 Abs 3 HGB, § 330 Abs 4 HGB, § 5 Abs 1 EStG 2002, § 85 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.09.2016, Az. I R 23/15 (REWIS RS 2016, 5825)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5825

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