Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2020, Az. IV ZB 18/20

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11176

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:230920BIVZB18.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 18/20

vom
23. September
2020
in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.] Dr.
Karczewski, [X.], die Richte-rinnen Dr.
Brockmöller und Dr.
Bußmann

am 23. September
2020

beschlossen:

Die
Rechtsbeschwerde des
Klägers zu 3
gegen den Be-schluss
des [X.]s Rostock
-
3. Zivilsenat -
vom 28.
Februar 2020 wird auf seine
Kosten als unzulässig verworfen.

[X.]: 4.973,77

Gründe:

[X.] Der Kläger zu 3 (i.F.:
Kläger)
erstrebt
die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
Frist zur Berufungsbegrün-dung.

Er hat gegen das
klageabweisende
Urteil des Landgerichts fristge-recht Berufung eingelegt. Eine Berufungsbegründung ist innerhalb der am 11. Juni 2019 abgelaufenen
Berufungsbegründungsfrist
nicht [X.].
Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2019, eingegangen am selben Tag, hat
der Kläger
beantragt, ihm
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungfrist zu gewähren; am
11. 1
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Juli 2019
ist
die Berufungsbegründung beim [X.] [X.].

Zur Begründung des [X.] hat der
Kläger
vorgetragen, seine Prozessbevollmächtigte habe
am 10. Mai 2019, als eine
Kanzleimitarbeiterin die vorbereitete Berufungsschrift in ihr Büro gebracht habe,
die Fristennotierung überprüft
und festgestellt, dass in der Akte die Berufungsbegründungsfrist
nicht
korrekt notiert gewesen sei. Sie habe daher die Mitarbeiterin aufgefordert, dies sofort und vor allen anderen Arbeiten
an ihrem eigenen Arbeitsplatz im Nachbarzimmer nachzuholen. Diese Anweisung habe die Mitarbeiterin aber nicht ausge-führt. Die Prozessbevollmächtigte habe am
12. Juni 2019 die Handakte gezogen und festgestellt, dass die Fristennotierung entgegen
ihrer [X.] unterblieben und die Berufungsbegründungsfrist am Vortag abge-laufen sei.

Mit Schriftsatz vom 27. September 2019 hat der Kläger weiter [X.], in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten bestehe eine allgemeine Anweisung, bei Notierung einer
Rechtsmittelbegründungsfrist
im Fristenkalender zusätzlich noch eine Vorfrist von mindestens einer Woche zu notieren. Eine Vorfrist könne aber nur dann richtig in den [X.] eingetragen werden, wenn auch die Berufungsbegründungsfrist notiert sei.

Das [X.] hat den Antrag
auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zur ordnungsgemäßen Organisation einer Anwaltskanzlei gehöre die allgemeine Anordnung, dass bei [X.] außer dem Datum des Fristablaufs noch eine Vorfrist notiert werden müsse, die regelmäßig eine Woche zu betragen habe. Werde eine all-3
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-
gemeine Organisationsanweisung durch eine konkrete Anweisung im Einzelfall ersetzt, müsse diese die gleichen Anforderungen erfüllen. Eine solche Anweisung habe der Kläger nicht vorgetragen und glaubhaft ge-macht. Soweit er
geltend mache, dass eine solche Vorfrist ebenfalls von der Büroangestellten nicht eingetragen worden wäre, vermöge der Senat
nicht auszuschließen, dass eine konkrete Einzelanweisung, die die Ein-tragung zweier voneinander abweichender Fristen zum Gegenstand ha-be, bei dieser weniger in Vergessenheit geraten wäre. Soweit der Kläger weit nach Ablauf der [X.] vorgetragen habe, es habe eine allgemeine Anweisung in der Kanzlei gegeben, auch für die Beru-fungsbegründungsfrist
eine Vorfrist zu notieren, sei dies für das [X.] unbeachtlich. Die Darstellung der Büroorganisation in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten gehöre nicht zu den [X.], die auf einen Hinweis weiter zu erläutern wären, da es eines [X.] Hinweises nicht bedürfe.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des
Klägers.

I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1, §
522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Weder verletzt die
Ablehnung der
Wiedereinsetzung den Anspruch des
Klägers
auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. Art.
20 Abs.
3 GG)
noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.

1. [X.] ist das
Berufungsgericht davon ausgegangen, dass
eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfolgen kann, weil der Kläger innerhalb der [X.] nicht vorgetragen 6
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und glaubhaft gemacht hat, dass seine Prozessbevollmächtigten
kein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, das ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen wäre,
trifft.

-
6
-

a) Nach gefestigter
höchstrichterlicher Rechtsprechung gehört zur ordnungsgemäßen Organisation einer Anwaltskanzlei die allgemeine An-ordnung, bei Prozesshandlungen, deren Vornahme ihrer Art nach mehr als nur einen geringen Aufwand an [X.] und Mühe erfordert, wie dies re-gelmäßig bei [X.] der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs noch eine grundsätzlich etwa einwöchige Vorfrist zu [X.]
(vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. November 2018 -
XI [X.], [X.] Rn. 9; vom 25. September 2003 -
V [X.], [X.], 100 un-ter 1 a [juris Rn. 6]). Die Vorfrist dient dazu sicherzustellen, dass auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch eine aus-reichende Überprüfungs-
und Bearbeitungszeit bis zum Ablauf der zu wahrenden Frist verbleibt. Die Eintragung einer Vorfrist bietet eine zu-sätzliche Fristensicherung. Sie kann die Fristwahrung in der Regel selbst dann gewährleisten, wenn die Eintragung einer Rechtsmittelbegrün-dungsfrist versehentlich unterblieben ist
(vgl. [X.], Beschlüsse
vom 20. November 2018 aaO; vom 4.
September 2018 -
VIII ZB 70/17,
NJW-RR 2018, 1325
Rn. 15; jeweils m.w.N.).

b)
Danach ist
das Berufungsgericht zutreffend der Ansicht
gewe-sen, dass hier ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtig-ten des Klägers nicht ausgeschlossen ist. Der Kläger hat
innerhalb der [X.]
nicht vorgetragen, dass
die Mitarbeiterin
seiner Prozessbevollmächtigten angewiesen war, neben der Berufungsbegrün-dungsfrist auch eine Vorfrist zu notieren.

[X.] ist das Berufungsgericht auch davon ausgegan-gen, dass das schuldhafte Unterlassen einer entsprechenden Anweisung für die Fristversäumung mitursächlich
geworden sein kann.
Dabei ist als normaler Ablauf der Dinge zugrunde
zu
legen, dass eine Anweisung zur Eintragung einer Vorfrist von der Kanzleimitarbeiterin ausgeführt worden 9
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wäre. Das gilt unabhängig davon, ob auch die Berufungsbegründungs-frist im konkreten Fall eingetragen wurde, denn
die Eintragung einer Vor-frist dient gerade in den Fällen, in denen wie hier die Eintragung der Rechtsmittelbegründungsfrist versäumt wurde, der Gewährleistung der Fristwahrung. Die Akte wäre dann der Prozessbevollmächtigten noch rechtzeitig vorgelegt worden, um die Berufungsbegründung fristgerecht einzureichen.

2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass der Prozess-bevollmächtigte,
soweit er Aufgaben der Fristennotierung
oder -kontrolle in zulässigem
Umfang
delegiert, alle zur Fristwahrung erforderlichen Maßnahmen
entweder durch allgemeine
Vorkehrungen der Büroorgani-sation
oder durch
konkrete
Einzelanweisungen
an seine Mitarbeiter
zu gewährleisten hat. Sind
die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen oder Anweisungen für eine Fristwahrung unzureichend, scheidet ein der Partei zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten nur aus, wenn er seiner bislang zuverlässigen Kanzleikraft eine konkrete Einzelweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleis-tet hätte ([X.], Beschluss vom 11. März 2020 -
XII ZB 446/19, [X.], 938 Rn. 13). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde gilt für die Eintragung einer Vorfrist zur Rechtsmittelbegründungsfrist
nichts An-deres.
Der Prozessbevollmächtigte hat erst dann ausreichende Vorkeh-rungen zur Fristwahrung getroffen, wenn er
seinen
Mitarbeitern
durch eine allgemein bestehende Anweisung, eine konkrete Einzelanweisung oder auch eine Verbindung beider Maßnahmen
die Notierung einer Vor-frist aufgetragen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 4. September 2018

VIII
ZB 70/17, NJW-RR 2018, 1325 Rn. 23 für die Eintragung einer "[X.]", die den Zweck einer Vorfrist erfüllt, vgl. aaO Rn. 18).
12
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8
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3. Es verletzt den Kläger
auch
nicht in seinem Anspruch auf [X.] Gehör und effektiven Rechtsschutz, dass das Berufungsgericht seinen erst nach Ablauf der [X.] erfolgten
Vortrag zur Erteilung
einer allgemeinen Weisung für die Vorfristeintragung nicht [X.] hat.
Nur erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige An-gaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, dürfen auch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 21.
März 2019 -
V [X.], NJW-RR 2019, 827 Rn. 15 m.w.N.). Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Organisa-tion des [X.] stellt, sind jedoch bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Tragen die zur Be-gründung des [X.] gemachten Angaben diesen Anforderungen nicht Rechnung, deutet das nicht auf Unklarheiten oder Lücken des Vortrags hin, die aufzuklären oder zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische [X.] gefehlt haben (Senatsbeschluss vom 22. Mai 2019 -
IV ZB 33/18, juris Rn. 11; [X.], Beschluss vom 12. Juni 2018

II ZB 23/17, NJW
2018, 2895 Rn.
16). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde gilt dies nach dem oben Gesagten auch für die Notwendigkeit, die erfor-derliche Eintragung einer Vor-

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frist entweder durch allgemeine organisatorische Anweisungen oder durch eine konkrete Einzelanweisung zu gewährleisten
und dies im Wie-dereinsetzungsgesuch entsprechend vorzutragen.

[X.]
Prof. Dr. Karczewski
[X.]

Dr. Brockmöller
Dr. Bußmann

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.04.2019 -
6 O 216/18 -

OLG Rostock, Entscheidung vom 28.02.2020 -
3 U 41/19 -

Meta

IV ZB 18/20

23.09.2020

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2020, Az. IV ZB 18/20 (REWIS RS 2020, 11176)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11176

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VI ZB 52/12 (Bundesgerichtshof)


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XI ZB 31/17

VIII ZB 70/17

XII ZB 446/19

V ZB 97/18

II ZB 23/17

IV ZB 18/20

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