Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2003, Az. 3 StR 316/02

3. Strafsenat | REWIS RS 2003, 1696

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[X.] DES VOLKESURTEIL3 [X.]in der [X.] besonders schweren Raubes u. [X.] 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom [X.] 2003, an der teilgenommen haben:[X.] am [X.] Prof. Dr. Tolksdorf,[X.] am [X.] [X.], [X.], [X.], [X.]als [X.],Staatsanwältin in der Verhandlung,Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der [X.],[X.]chtsanwalt ,[X.]chtsanwalt als Verteidiger,Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für [X.]cht erkannt:- 3 -1. Auf die [X.]ision des Angeklagten [X.]wird das Urteil [X.] vom 20. März 2001, soweit es ihn [X.], im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungenaufgehoben.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.]chtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] Die weitergehende [X.]ision wird verworfen.Von [X.]chts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten [X.]unter Freisprechung im üb-rigen wegen "schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung"zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.Nach den Feststellungen war der Angeklagte zusammen mit dem [X.] [X.]am 13. Mai 1994 vor 18 Uhr in das Wohnhaus der Eheleute [X.]in [X.]eingebrochen. Beide waren maskiert, einer hatte eine [X.], der andere eine Pistole bei sich. Als der Wohnungsinhaber [X.] kam, traten ihm beide entgegen und fragten nach [X.]. Sie [X.] ihn, schlugen mit den Waffen auf ihn ein und gaben einen Schuß ausder Pistole ab, bis dieser [X.] öffnete. Sie erbeuteten Bargeld von [X.] 60.000 DM, Schmuck und Uhren im Wert von ca. 170.000 DM und- 4 -Wertpapiere im Wert von nominal ca. 1,5 Millionen DM. Danach umwickeltensie seine Beine mit Paketklebeband und verklebten ihm den Mund. In gleicherWeise fesselten sie auch seine zwischenzeitlich ebenfalls nach Hause zurück-gekehrte Ehefrau.Die mit der Verletzung sachlichen und formellen [X.]chts begründete [X.]-vision des Angeklagten hat nur zum Strafausspruch Erfolg.[X.] Der Schuldspruch hält der rechtlichen Nachprüfung stand.1. Die [X.] zur Vernehmung der Vertrauensperson ([X.]isionsbegrün-dung des [X.]chtsanwalts [X.]vom 8. November 2001) belegen weder eineVerletzung der Aufklärungspflicht, noch eine solche des Fragerechts nachArt. 6 Abs. 3 Buchst. [X.]) Die [X.], das [X.] habe es unterlassen, im Wegeder Gegenvorstellung eine Überprüfung der Sperrerklärung des niedersächsi-schen Innenministeriums vom 15. Mai 1997 zu erwirken, ist nicht begründet.Die [X.]ision vermochte keine konkreten Anhaltspunkte aufzuzeigen, die [X.] Anlaß zur Annahme hätten geben können, daß die Behörde ihrenStandpunkt ändern werde.aa) Hierzu reicht - wie der [X.] in seiner Stellungnah-me zutreffend ausgeführt hat - der bloße [X.]ablauf zwischen dem Erlaß derSperrerklärung im Mai 1997 und dem Ende der Beweisaufnahme im März 2001nicht aus. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die erhebliche Gefährdung [X.] in Anbetracht der besonderen Gefährlichkeit der Tätergrup-pe, die mit Schußwaffen, darunter auch Maschinenpistolen, am Tage in "teuereHäuser" eindrang, um die Bewohner zu berauben und rücksichtslos - auch un-ter Einsatz der Waffen - zur Öffnung von Tresoren zu zwingen, in einem [X.] 5 -chen Maße auf der Hand lag, daß nur gewichtige Umstände eine [X.] erwarten ließen.bb) Auch in der Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Bedrohungder Zeugin [X.]liegt kein solcher Umstand. Zum einen wurde die Sperrerklä-rung auf diese Bedrohung nur bekräftigend gestützt ("eindrucksvoll untermau-ert ..."), und zum anderen ist die Einstellung nicht erfolgt, weil die behaupteteBedrohung widerlegt worden wäre, sondern nur weil die Beweislage nicht aus-reichend erschien.cc) Daß sich die Annahme eines Täterkreises von etwa zehn Personennicht erhärten ließ, ändert nichts Wesentliches an der Gefährlichkeit der ver-bliebenen Verdächtigen. Nach den - nachträglichen - Feststellungen des [X.] waren immerhin die drei Angeklagten an den zwei abgeurteilten [X.]. Ferner wurden weitere konkrete Personen festgestellt, die als Tipge-ber und/oder Beteiligte bei der Verwertung der Beute beteiligt waren. Auf diegenaue Anzahl kommt es für die Beurteilung der Gefährlichkeit ebensowenigan wie auf den Nachweis einer Vereinigungsstruktur nach § 129 StGB.dd) Auch die nachträglich durch das Zeugenschutzgesetz vom 30. [X.] ([X.]) geschaffene Möglichkeit einer audiovisuellen Vernehmungnach § 247 a StPO mußte der [X.] keine Veranlassung geben, sich [X.] der Gegenvorstellung um die Zustimmung zur Durchführung einer derar-tigen Vernehmung der Vertrauensperson zu bemühen.Eine audiovisuelle Vernehmung in der Form, wie sie nach dem [X.] vorgesehen ist, nämlich ohne optische und akustische Verände-rung der Übertragung, hätte die Sicherheitsbedenken der Behörde ersichtlichnicht ausräumen können. Denn dabei findet eine Übertragung von Bild und Ton- 6 -in den Sitzungssaal statt, so daß selbst bei einer Entfernung des [X.] der Öffentlichkeit eine Enttarnung zu befürchten ist.Die [X.] mußte sich aber auch nicht gedrängt sehen, der [X.] eine audiovisuelle Vernehmung nach § 247 a StPO vorzuschla-gen, bei der durch optische und akustische Verzerrung sichergestellt ist, daßder zu vernehmende Zeuge weder an seinem Aussehen noch an seiner [X.] zu erkennen ist. Entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes hat die [X.]cht-sprechung des [X.], die auf eine Entscheidung des [X.] für Strafsachen vom 17. Oktober 1983 (BGHSt 32, 115) zurückgeht, im[X.]punkt der Hauptverhandlung des [X.]s eine akustische und opti-sche Abschirmung ohne Einschränkung für nicht zulässig erachtet. [X.] der 1. Strafsenat des [X.] in einem nach Verkündung desangefochtenen Urteils ergangenen Beschluß vom 26. September 2002 ([X.], 74) zu erkennen gegeben, daß er eine solche technische Veränderungder Bild- und Tonübertragung im Wege einer erweiternden Auslegung fürrechtlich unbedenklich halte. Er ist der Auffassung, daß die Entscheidung [X.] Senats wegen der zwischenzeitlichen Gesetzesänderungen überholtsei und nicht mehr entgegenstehe. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der[X.]chtsfrage hat der 1. Strafsenat eine Vorlage an den [X.] nach§ 132 Abs. 4 [X.] für sachdienlich erachtet und bei den anderen [X.], ob dieser [X.]chtsauffassung zugestimmt werde. Das Anfrageverfah-ren ist jedoch gegenstandslos geworden, bevor die anderen Senate Stellungnehmen konnten, weil die [X.]ision im Ausgangsverfahren zurückgenommenworden ist.Der Senat begrüßt das mit dieser Entscheidung verfolgte Anliegen, ge-genüber der bislang üblichen Vernehmung von polizeilichen Führungs- und- 7 -Vernehmungsbeamten die Vertrauenspersonen selbst als Beweismittel in [X.] einzubringen und damit bessere Erkenntnismöglichkeitenfür alle Verfahrensbeteiligten zu schaffen, insbesondere aber das [X.]. 6 Abs. 3 Buchst. [X.] in weitergehendem Umfang zu [X.]. Er hat jedoch Zweifel, ob dieses Ziel bei Wahrung der berechtigten Inter-essen der Vertrauensperson und der Innenbehörde in den nicht seltenen Fäl-len erreichbar ist, in denen die Vertrauenspersonen dem engeren Umfeld [X.] angehören und Befragungen zur Herkunft ihres Wissens und zuanderen Details naheliegender Weise indirekt zur Offenlegung ihrer Identitätführen können.Durch die optische und akustische Verzerrung könnte zwar das Ausse-hen und die Stimme des Zeugen unkenntlich gemacht werden, auch kann [X.] nach § 68 Abs. 3 Satz 1 StPO dem Zeugen gestatten, keine Angabenzur Person oder über eine frühere Identität zu machen, wozu es in den in [X.] verpflichtet sein dürfte und was sich die Innenbehörde auchzusichern lassen könnte. Einen Schutz davor, daß durch Fragen zur Sacheselbst, insbesondere zur Herkunft der Kenntnisse, die Geheimhaltung derIdentität - gezielt oder ungewollt - gefährdet wird, kann die Strafprozeßordnungaber nicht bieten. Zur Befragung über die Personalien hinaus bestimmt § 68Abs. 3 Satz 2 StPO, daß der Zeuge anzugeben hat, in welcher Eigenschaft(Vertrauensperson oder verdeckter Ermittler) ihm die bekundeten [X.] geworden sind. Ferner sind dem Zeugen nach Absatz 4 dieser Vor-schrift Fragen über Umstände, die seine Glaubwürdigkeit betreffen, insbeson-dere über seine Beziehungen zu dem Beschuldigten oder dem Verletzten, vor-zulegen (sog. Generalfragen). Die damit verbundene Einschränkung, daß [X.] Fragen auf das "Erforderliche" zu beschränken sind, dürfte kaum einmal dieZurückweisung von Fragen rechtfertigen, die für die Beurteilung der [X.] -digkeit erforderlich sind, aber Rückschlüsse auf die Identität des Zeugen er-möglichen. Ebenso ist keine Grundlage erkennbar, auf der das Gericht darüberhinausgehende Fragen zur Sache selbst, insbesondere zur Herkunft [X.] des Zeugen (z. B. eigene Wahrnehmungen oder Kenntnis nur [X.]), zurückweisen darf, selbst wenn auf diese Weise dessen Identitätindirekt offenbart werden könnte. Ein [X.]cht des Zeugen, auf entsprechendeFragen die Auskunft zu verweigern, ist ebenfalls nicht gegeben. Eine entspre-chende Einschränkung des Fragerechts nach § 240 Abs. 2 StPO vermag [X.] dem [X.]gelungsgehalt des § 68 StPO nicht zu entnehmen.Es mag zwar Fälle geben, in denen eine optische und akustische Ab-schirmung des Zeugen zur Vermeidung seiner Gefährdung ausreicht, doch [X.] jedenfalls hier in hohem Maße fraglich. Da die Fragen der [X.] auf die Herkunft der Kenntnisse des sich ersichtlich im Umfeldder Täter bewegenden Zeugen zielten, konnte nicht erwartet werden, daß dieInnenbehörde die Vertrauensperson für eine solche Vernehmung zur Verfü-gung stellen würde, zumal die [X.]chtsprechung diese - wie dargelegt - zumdamaligen [X.]punkt ohnehin noch grundsätzlich verneint hat.b) [X.] Fragerechts nach Art. 6 Abs. 3 Buchst.[X.] ist nicht zulässig erhoben. In dem von der [X.]ision mitgeteilten [X.] 16. März 2000 ([X.].Begr. S. 42) hat die Verteidigung insoweit lediglich die"mehrfache schriftliche Befragung" der Vertrauensperson beantragt, wobei siezur Begründung darauf hingewiesen hat, daß die bisherige Ablehnung [X.] der Verteidiger Anlaß zu diesem Antrag gegeben habe. Der Inhalt [X.]r Fragen wird ebensowenig mitgeteilt, wie der Inhalt der Fragen, die schrift-lich an die Vertrauensperson zu richten sind. Damit ist es aber dem [X.]isions-gericht nicht möglich zu prüfen, ob die [X.] das Fragerecht verletzt- 9 -hat. Insoweit liegt der Fall anders als bei der Entscheidung BGHR [X.]. 6Abs. 3 Buchst. [X.]), wo die Verteidigung einen vorbereitetenFragenkatalog vorgelegt hatte. Dem vorgelegten Antrag auf schriftliche [X.] vom 16. März 2000 brauchte das Gericht wegen seiner Unbestimmtheitnicht zu entsprechen; insoweit ist die Rüge daher unbegründet.2. [X.] zur Lichtbildvorlage ([X.]isionsbegründung des [X.]chtsanwaltsDr. W. vom 8. November 2001):a) Der Beschwerdeführer beanstandet, die [X.] habe sich beider Beweiswürdigung auf die Lichtbilder "[X.]. 19 - 24" bezogen, dieseaber nicht in die Hauptverhandlung eingeführt. Diese Rüge ist unbegründet.Wie sich aus der Beweiswürdigung ([X.]) ergibt, hat der als Zeuge ver-nommene Kriminalbeamte [X.]über die Vorlage dieser Lichtbilder andie Vertrauensperson berichtet, die dabei die von ihr vorher als Täter benann-ten Personen "[X.]" ([X.] ) und "E. " ([X.] ) wiedererkannt ha-be. Damit hat das [X.] nur die Aussage des Zeugen M. , nichtaber die Lichtbilder selbst verwertet. Die Rüge geht somit ins [X.]) Soweit mit der [X.] beanstandet wird, der [X.]wäre bei ordnungsgemäßer Inaugenscheinnahme der Lichtbilder die "fehler-hafte Durchführung der Identifizierung deutlich geworden", ist diese unbegrün-det. Zu einer solchen Beweisaufnahme drängte nichts, da das [X.] er-sichtlich nur von einer Einzelvorlage der Observationsaufnahmen ausgegan-gen ist.3. [X.] zur Vernehmung von Alibizeugen ([X.]isionsbegrün-dung des [X.]chtsanwalts [X.]vom 7. November 2001):- 10 -Soweit mit der Rüge nach § 244 Abs. 2 StPO beanstandet wird, die [X.] benannten 29 Bewohner seines Heimatdorfes [X.]hätten [X.] Wege der [X.]chtshilfe vernommen werden müssen, ist diese unbegründet,da sich die [X.] aus den von ihr in der Ablehnung des [X.] (Anlage zum 8. Januar 2001 des Protokolls) ausführlich darge-legten und plausiblen Gründen nicht zu dieser Aufklärung hatte gedrängt se-hen müssen.Soweit mit der Rüge weiter geltend gemacht wird, für diese Zeugen hättenach § 247 a StPO von [X.] aus in [X.] eine audiovisuelleVernehmung durchgeführt werden müssen, ist diese jedenfalls unbegründet.Die [X.] hat in dem genannten Beschluß eingehend dargelegt, [X.] solche Vernehmung unter den besonderen Umständen des Einzelfallesnicht geeignet gewesen wäre. Damit hat sie die Möglichkeit des § 247 a StPOgeprüft und von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht. Ein Ermessensfehlge-brauch ist dabei nicht erkennbar. Daher kann offen bleiben, ob die Rüge nichtbereits unzulässig gewesen wäre, weil diese Entscheidung nach § 247 a Satz 2StPO unanfechtbar und damit auch nicht [X.] ist, § 336 Satz 2 StPO(BGHR StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte 4; [X.], 241 für § 171 b III[X.]; vgl. auch Nachweise bei [X.], [X.] Aufl. § 247 Rdn. 13;aA [X.] für den Fall, daß auf Grund einer solchen ablehnenden Entschei-dung das Beweismittel letztlich unbenutzt bliebe, [X.], 392, 397).4. Auch die Nachprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hatkeinen [X.]chtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. [X.] das Urteil dem von der [X.]chtsprechung geforderten Korrektiv der [X.] Beweiswürdigung (vgl. die Nachweise in [X.], 74) zum Aus-gleich der eingeschränkten Aufklärungsmöglichkeit durch Verwendung eines- 11 -sachferneren Beweismittels bei der Vernehmung lediglich eines Polizeibeam-ten zu den Angaben der Vertrauensperson gerecht. Dabei ist zu [X.], daß die Angaben der Vertrauensperson in mehrfacher Hinsicht durch diesonstige Beweisaufnahme bestätigt worden sind. So hat insbesondere [X.]angegeben, daß der Angeklagte ihm gegenüber eingeräumt ha-be, daß er kurz nach dem Überfall 200.000 DM für den Ankauf eines Lokalsaufgewandt hatte. Dies ist nicht nur ein Hinweis auf die Richtigkeit der Aussageder Vertrauensperson, sondern auch ein eigenständiges Indiz für die [X.]. Ferner konnten die Angaben über den weiterenVerbleib der geraubten Wertpapiere verifiziert werden. Schließlich sind [X.] [X.]. und [X.], denen gegenüber der Angeklagte die Tatbegehung eingeräumt hatte,Beweismittel, die völlig unabhängig von den Aussagen der [X.] Täterschaft belegen. Dabei hat die [X.] auch die Aspekte, die ge-gen die Richtigkeit der verschiedenen Zeugenaussagen sprechen könnten,gesehen und mit der gebotenen Vorsicht eingehend gewürdigt. Daß sie deneingeschränkten Beweiswert einer Lichtbildvorlage ohne Wahlmöglichkeit nichtberücksichtigt haben könnte, ist nach Sachlage nicht zu besorgen.I[X.] Dagegen hat der Strafausspruch keinen Bestand. Insofern hat die [X.]-vision mit der Verfahrensrüge der Verletzung des Beschleunigungsgebots nachArt. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] ([X.]isionsbegründung des [X.]chtsanwalts Dr. W. vom 7. November 2001) Erfolg.Nach dem dargelegten Verfahrensablauf ist das Verfahren zumindest inder ersten Hälfte des zweiten Hauptverhandlungsdurchgangs in der [X.] vom2. Juni 1998 bis zum 17. September 1999 nicht mit der gebotenen Beschleuni-gung geführt worden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Frist des Art. 6- 12 -Abs. 1 Satz 1 [X.] mit der Festnahme des Angeklagten am 6. Juli 1996 [X.], so daß zu Beginn der zweiten Hauptverhandlung am 2. Juni 1998 bereitseine Verfahrensdauer von fast zwei Jahren gegeben war, während deren sichder Angeklagte darüber hinaus ununterbrochen in Untersuchungshaft befundenhatte. Entscheidend kommt hinzu, daß ein erster Hauptverhandlungsdurchgangvon über einem Jahr und zwei Monaten mit 56 Verhandlungstagen vorausge-gangen war. Auch wenn der Abbruch dieser Hauptverhandlung durch dieKrebserkrankung einer Schöffin und die Erkrankung eines Hilfsschöffen ausverfahrensrechtlichen Gründen unvermeidbar war, mußte doch bei der Gestal-tung der zweiten Hauptverhandlung darauf Bedacht genommen werden, daßmit dem bisherigen langen Verfahren eine erhebliche Belastung des Ange-klagten verbunden war. Damit ist nicht mehr zu vereinbaren, daß die zweiteHauptverhandlung - ähnlich wie bereits beim ersten Durchgang - eine sehrweitgestreckte Terminierung mit großen Abständen und zahlreichen sehr kur-zen Verhandlungstagen aufwies. In diesem [X.] wurde [X.] Monaten an 121 Hauptverhandlungstagen getagt, wobei in 19 dieser [X.] lediglich dreimal oder weniger pro Monat verhandelt wurde (vgl. zur be-sonderen Beschleunigungspflicht nach vorangegangener Verzögerung [X.], 2225 f.). An 42 Hauptverhandlungstagen betrug die Sitzungsdauerweniger als zwei Stunden. Auch wenn berücksichtigt wird, daß der [X.] 17. September 1999 ankündigte, 100 Alibizeugen - aber jeweils nur zweiam Verhandlungstag - zu benennen, und damit zu erkennen gegeben hat, daßer zumindest zu diesem [X.]punkt an einer zügigen Verhandlungsführungselbst nicht interessiert war, und man zusätzlich in [X.]chnung stellt, daß in [X.] zur Alibibeweisführung [X.]chtshilfeermittlungen im Ausland vorgenom-men werden mußten, wiegt dies die unzureichende Verfahrensförderung [X.] des zweiten [X.] nicht auf. Die genauere- 13 -Feststellung der Verfahrensdauer, die auf diese Verzögerung und andere (etwaauch nach Erlaß des angefochtenen Urteils) eingetretenen rechtsstaatswidri-gen Verfahrensverzögerungen entfällt, wird dem neuen Tatrichter vorbehaltensein; er wird nach den Grundsätzen der [X.]chtsprechung - im Wege des [X.] - Art und Ausmaß der Verzögerung festzustellen und das [X.] durch Vergleich der an sich [X.] mit der tatsächlich ver-hängten Strafe ausdrücklich und konkret zu bestimmen haben (vgl. [X.] § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 7, 12; [X.], 181). [X.] er auch das eigene Verhalten des Angeklagten zu berücksichtigen haben.Daß die [X.] bereits die lange Verfahrensdauer als allgemeinen [X.] berücksichtigt hatte, machte die Feststellung der [X.] nicht entbehrlich, da es sich insoweit um [X.] handelte ([X.], 181), wenngleich sich beideGründe zumindest teilweise in ihren Auswirkungen überschneiden.Für die neue Bemessung der Strafe weist der Senat darauf hin, daß [X.] nach § 358 Abs. 2 StPO lediglich gebietet, die nachDurchführung des [X.] gebildete herabgesetzte [X.] höher zu bemessen als die jetzt verhängte Strafe (BGHSt 45, 308). [X.] bedacht werden, daß bei diesem Strafmaß bereits die lange Verfahrens-dauer berücksichtigt worden war und somit die Belastung des Angeklagten [X.] teilweise in die Bemessung der angesichts der außerordentlich schwe-ren Straftat eher mäßigen Strafe eingeflossen ist. Allerdings wird der neue [X.] auch in den Blick zu nehmen haben, ob die verhängte Strafe in Verbin-dung mit den durch vermeidbare Verzögerungen bedingten Belastungen nochin einem angemessenen Verhältnis zu dem heute noch bestehenden öffentli-chen Interesse an der Strafverfolgung steht (vgl. [X.] NJW 2003, 2225,2227).- 14 -Tolksdorf [X.] [X.] [X.] [X.]

Meta

3 StR 316/02

11.09.2003

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2003, Az. 3 StR 316/02 (REWIS RS 2003, 1696)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1696

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