Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.11.2011, Az. 4 StR 417/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 1488

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sicherungsverwahrung: Anforderungen an die Begründung bei Feststellung eines Hangs


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 7. April 2011, soweit es ihn betrifft, im [X.] aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten [X.]sowie die Revision des Angeklagten [X.].     werden verworfen.

4. Der Angeklagte [X.].    hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen Diebstahls und schweren Raubes schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten [X.].    zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und fünf Monaten und den Angeklagten [X.]zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten [X.]in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

2

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Angeklagte mit ihren Revisionen und rügen die Verletzung materiellen Rechts. Lediglich das Rechtsmittel des Angeklagten [X.]hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg.

I.

3

Die auf die Sachrüge vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten [X.].    nicht ergeben.

II.

4

Entsprechendes gilt hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs, soweit der Angeklagte [X.]verurteilt worden ist. Die Anordnung der Unterbringung dieses Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hält rechtlicher Nachprüfung jedoch nicht stand.

5

1. Das [X.] hat die formellen Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB a.F., die bei der vor dem 31. Dezember 2010 begangenen [X.] nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des Art. 316e Abs. 1 und 2 [X.] sowie der vom [X.] in seiner Entscheidung vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2365/09 (NJW 2011, 1931, [X.]. 172) getroffenen Fortgeltungsanordnung weiterhin anzuwenden ist, rechtsfehlerfrei bejaht.

6

2. Die Gesamtwürdigung, auf deren Grundlage die Strafkammer zur Annahme eines Hangs des Angeklagten zu schweren Gewalttaten im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. i.V.m. der genannten Weitergeltungsanordnung des [X.]s gelangt ist, leidet indes an einem Begründungsmangel, weil der [X.] nicht prüfen kann, ob die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtsfehlerfrei angenommen worden sind.

7

a) Gemäß § 267 Abs. 6 Satz 1 StPO muss die Anordnung einer Maßregel aus sich heraus verständlich im Urteil begründet werden. Wird, was regelmäßig der Fall sein wird, die Feststellung eines Hangs auch mit den Vorverurteilungen des [X.] begründet, dürfen sich die Urteilsgründe nicht mit der bloßen Mitteilung dieser Verurteilungen nach Schuldspruch und Strafmaß begnügen ([X.], Beschluss vom 30. Januar 2007 – 5 [X.], [X.], 478, [X.]. 5). Vielmehr müssen die Urteilsgründe im Zusammenhang mit der Darstellung des Werdegangs des [X.] eine eingehende Mitteilung der Einzelheiten seiner Vortaten und ihrer Genese enthalten ([X.] aaO; vgl. auch [X.], Urteil vom 2. September 1997 – 5 [X.], [X.], 6 [X.]. 5, 6).

8

b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

9

Das [X.] hat die für die Annahme eines Hanges erforderliche Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der delinquenten Entwicklung des Angeklagten seit seiner ersten Straftat im Alter von 14 Jahren vorgenommen und dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass die Verbüßung der in der Vergangenheit verhängten, auch langjährigen Freiheitsstrafen diesen nicht nachhaltig zu beeindrucken vermocht habe. Die Feststellungen zur Person und zum Werdegang des Angeklagten enthalten insoweit aber nur die Mitteilung der Tat- und Urteilsdaten sowie der Schuld- und der [X.]. Es fehlen nähere Darlegungen zu den verübten Taten, zu ihren Begleitumständen und zu Art und Folgen der jeweils verübten Gewalt. Die [X.], die im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund der nur knapp mitgeteilten Delikte auch unter Berücksichtigung der nach Maßgabe der Entscheidung des [X.]s vom 4. Mai 2011 gebotenen strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht fern liegt, entzieht sich daher der gebotenen umfassenden rechtlichen Überprüfbarkeit durch den [X.].

[X.]                                       Cierniak

                           [X.]                                               [X.]

Meta

4 StR 417/11

10.11.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Schwerin, 7. April 2011, Az: 31 KLs 17/10

§ 66 Abs 1 S 1 Nr 3 StGB vom 27.12.2003, § 66 Abs 3 StGB vom 27.12.2003, § 267 Abs 6 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.11.2011, Az. 4 StR 417/11 (REWIS RS 2011, 1488)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1488

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 417/11 (Bundesgerichtshof)


4 StR 594/11 (Bundesgerichtshof)

Anordnung der Sicherungsverwahrung bei schwerer räuberischer Erpressung: Strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der Rechtsprechung des BVerfG


4 StR 362/11 (Bundesgerichtshof)

Sicherungsverwahrung: Vorliegen einer schweren Gewalt- oder Sexualstraftat i.S. der Anordnung des BVerfG


4 StR 594/11 (Bundesgerichtshof)


4 StR 362/11 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.