Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.12.2014, Az. 2 StR 439/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 13

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 439/13
vom
30. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen

1.

2.

3.

wegen Mordes

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 1.
Oktober 2014 in der Sitzung am 30. Dezember 2014, an denen
teilgenom-men haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,

[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. [X.],
Prof. Dr. [X.]ehl,
[X.],
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],

Bundesanwältin
beim Bundesgerichtshof

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

,
Rechtsanwalt

als Verteidiger
des Angeklagten S.

K.

,

Rechtsanwältin

,
Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger der Angeklagten I.

K.

,

Rechtsanwältin

in der Verhandlung,
Rechtsanwalt

in der Verhandlung,
Rechtsanwalt

in der Verhandlung
-
3
-

als Verteidiger des Angeklagten [X.]

K.,

Rechtsanwalt

als Vertreter der Nebenklägerin R.

[X.]

,

Rechtsanwalt

in der
Verhandlung

als Vertreter der Nebenklägerin J.

R.

,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Vertreter des [X.] M.

K.,

Justizangestellte

in der Verhandlung,
Justizangestellte

bei der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
4
-
Die Revisionen des Angeklagten S.

K.

und der Ne-benklägerin R.

[X.]

werden verworfen.
Der Beschwerdeführer S.

K.

hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den drei Nebenklägern hierdurch ent-standenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Beschwerdeführerin R.

[X.]

hat die Kosten ih-res Rechtsmittels und die den Angeklagten I.

und S.

K.

hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] verurteilte die drei Angeklagten in einem ersten Urteil jeweils wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Nach Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] durch Urteil des [X.]s vom 22.
Dezember 2011 -
2 StR 509/10 ([X.]St 57, 71 ff.) hat es den Angeklagten S.

K.

erneut wegen Mordes zu lebenslanger Freiheits-strafe verurteilt, die Angeklagten [X.]

und I.

K.

aber freigespro-chen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revision des Angeklagten S.

K.

, soweit er verurteilt wurde, und die Revision der Nebenklägerin R.

1
-
5
-
[X.]

, soweit die Mitangeklagten freigesprochen wurden. Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
A.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Die Angeklagten S.

und I.

K.

sind Geschwister, der Angeklagte [X.]

K.

ist der Ehemann von I.

K.

, deren Ehe trotz dringenden Kinderwunschs kinderlos blieb. Die Angeklagten I.

und [X.]

K.

verfügten über ein Haus, in dem auch der Angeklagte S.

K.

nach seiner Übersiedlung von C.

nach Kö.

eine Wohnung erhielt. Dort nahm der Angeklagte S.

K.

im Jahre 2001 seine Ehefrau L.

auf, die er auf den [X.] geheiratet hatte. Am 7.
Februar 2002 wurde der gemeinsame [X.] M.

geboren.
Die Angeklagten I.

und [X.]

K.

mischten sich in die Ange-legenheiten der Eheleute L.

und S.

K.

ein, insbesondere in die Er-ziehung des Kindes. Sie hegten zunehmend Vorbehalte gegen die Lebensfüh-rung von L.

K.

, die aus ärmlichen Verhältnissen stammte, keinen Beruf erlernt hatte und sich nicht an ihrem Erziehungsstil gegenüber dem Kind [X.]. Während der Angeklagte S.

K.

sich weniger um sein eheliches Kind kümmerte, wurde der Junge
von den Angeklagten I.

und [X.]

K.

wie ihr eigenes Kind behandelt.
Am 13.
November 2003 reiste der Angeklagte S.

K.

auf die [X.] und errichtete vor der Abreise ein Testament, in dem er sein nicht-eheliches erstes Kind und seine Ehefrau L.

K.

enterbte, seiner Schwester und seinem Schwager ein Vermächtnis zuwandte und seinen ehelichen [X.] zum Alleinerben bestimmte. L.

K.

befürchtete, dass ihr Ehemann auf den 2
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4
5
-
6
-
[X.] eine außereheliche Beziehung unterhielt. Sie war während seiner
ihr von der Angeklagten I.

K.

auf Geheiß von S.

K.

ausge-zahlt wurde. Darüber war L.

K.

enttäuscht und besorgt. Auch in der [X.] gab es Streit um Geldangelegenheiten. L.

K.

nahm eine Arbeit als Reinigungskraft auf und die Angeklagte I.

K.

beaufsichtigte den [X.] M.

K.

während ihrer Arbeitszeit. Vor dem Hintergrund anhaltender [X.]itik kam es zu Spannungen zwischen den Eheleuten L.

und S.

K.

. Die Angeklagten I.

und [X.]

K.

verbrachten viel [X.] mit dem Kind, das ihre Zuwendungen gern annahm. L.

K.

fühlte sich aus ih-rer Rolle als Mutter verdrängt und in ihrer Privatsphäre eingeschränkt. Den [X.], eine andere Ehewohnung zu suchen, lehnte ihr Ehemann ab. L.

K.

sah ihn in einer Abhängigkeit von I.

und [X.]

K.

gefangen. Sie äußerte einen Trennungswunsch und zog am 28.
September 2005 für die Angeklagten überraschend und heimlich mit dem Kind in eine eigene Wohnung. Ihrem Ehemann ließ sie durch einen Rechtsanwalt den Wunsch nach [X.] Regelung des Trennungs-
und Kindesunterhalts sowie des [X.] mitteilen.
Die Angeklagten waren über den Verlust des Kontakts zu dem Kind be-stürzt, während sie L.

K.

nicht vermissten. Durch einen Rechtsanwalt ließ S.

K.

seiner Ehefrau den Wunsch nach seinem Umgangsrecht vermit-teln, welches diese zusagte. Im Sorgerechtsstreit wurden aber wechselseitig Vorwürfe erhoben. Der Angeklagte S.

K.

erfuhr auch erst nach länge-rer Kommunikation mit dem Jugendamt von dem neuen Wohnsitz seiner Ehe-frau und des [X.]es. Er wurde von seiner Schwester und seinem Schwager zu
in dieser Sache, einschließlich der Entwürfe für [X.], wurde von allen Angeklagten gemeinsam gestaltet.
6
-
7
-
Der Angeklagte [X.]

K.

bot L.

K.

Geld für den Fall an, dass sie das
Land verlasse, aber das Kind im Hause K.

aufwachsen lassen [X.]. L.

K.

lehnte dies ab und erklärte auch gegenüber dem Jugendamt, dass sie einerseits ihren [X.] niemals verlassen, andererseits auch nicht auf die [X.] zurückkehren wolle.
Am 18.
Januar 2006 einigten sich die Eheleute über den Unterhalt. Die Angeklagte I.

K.

beantragte ein eigenes Umgangsrecht mit dem Kind. Ihr Antrag, den sie durch alle Instanzen verfolgte, blieb ohne Erfolg. Der Ange-klagte S.

K.

als Vater erhielt vom Familiengericht dagegen ein Um-gangsrecht zugesprochen. Er erreichte allerdings nicht das weitere Ziel des al-leinigen Sorgerechts. Er befürchtete, seine Ehefrau könne nach der Scheidung weiter wegziehen und seinen Kontakt mit dem
[X.] vereiteln. Vor dem Hinter-grund der drohenden Ehescheidung nahm er Finanztransaktionen vor, um L.

K.

einen Zugriff auf sein Vermögen zu erschweren.
Spätestens Ende März 2007 beschloss der Angeklagte S.

K.

,
seine Ehefrau zu töten. Er wollte die Trennungssituation und deren Folgen für den [X.] nicht hinnehmen und befürchtete weitere Zahlungsverpflichtungen. Vor dem Hintergrund von Plänen seiner Ehefrau, zu einem Verwandtenbesuch auf die [X.] zu reisen, was mangels ausreichender Mittel allerdings vor-erst nicht realisierbar war, sah er die Möglichkeit, ein Verschwinden der Ehefrau als freiwilligen [X.] darzustellen. Am 29.
März 2007 schrieb er eine Vollmacht für I.

und [X.]

K.

als Stellvertreter bei der [X.] ein weiteres Testament, wonach alle seine Vermögenswerte für den [X.] .

K.

zum Vermö-gensverwalter bestimmt wurde. Am 12.
April 2007 bevollmächtigte der Ange-7
8
9
-
8
-
klagte S.

K.

die Mitangeklagten schriftlich dazu, den Wohnsitz seines [X.]es auf ihre Wohnung umzumelden.
Im April 2007 verhielt sich der Angeklagte S.

K.

gegenüber seiner Ehefrau hilfsbereit, womit er sie in Sicherheit wiegen wollte. Er wirkte bei Renovierungsarbeiten in ihrer Wohnung mit. L.

K.

hegte angesichts die-ser Arbeiten die Hoffnung auf einen Neubeginn der Beziehung. Der Angeklagte S.

K.

erfuhr bei seinen Kontakten, dass L.

K.

derzeit nicht auf die [X.] reisen wollte. Er wechselte ungefragt das intakte Schloss der Wohnungstür aus und behielt einen Schlüssel für sich, so dass er die [X.] zum Zutritt in die Wohnung hatte, während für Dritte, anders als bisher, kein Zweitschlüssel mehr zur Verfügung stand.
Am Mittwoch, dem 18.
April 2007, telefonierte L.

K.

mit einer Freundin. Sie beendete das Telefonat um 14.45 Uhr mit dem Hinweis, dass ihr Ehemann erscheine. Der Angeklagte S.

K.

suchte seine Ehefrau auf und tötete sie in der [X.] zwischen 14.45 Uhr und spätestens 20.00 Uhr, um zu ermöglichen, dass das Kind bei den Angeklagten aufwachsen könne. [X.] zum Tatort und zur Art und Weise der Tatausführung der Tötung von L.

K.

blieben ungeklärt. Bis zum Arbeitsbeginn am nächsten Morgen beseitigte der Angeklagte S.

K.

auch die Leiche seiner Ehefrau so, dass sie bis heute nicht gefunden wurde.
Das [X.] hat die Tat des Angeklagten S.

K.

als Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet. Eine Beteiligung der Angeklagten I.

und [X.]

K.

hieran hat es nicht feststellen können.
B.
Die Revision des Angeklagten S.

K.

ist unbegründet.
10
11
12
-
9
-
I. Die Verfahrensrügen haben aus den vom [X.] er-läuterten Gründen keinen Erfolg. Der Erörterung bedarf nur die Rüge der Ver-letzung von §
136 Abs.
1 Satz 2 [X.]. Sie ist im Ergebnis ebenfalls unbegrün-det.
1. [X.] liegt Folgendes zugrunde:
a) Am 28.
April 2007 erstattete eine Bekannte von L.

K.

Vermiss-tenanzeige bei der Polizei. Durch Befragungen erfuhr die Polizei von der Tren-nungssituation der Eheleute, von dem Geldangebot an L.

K.

für den Fall, dass sie das Land verlasse und das Kind zurücklasse, und von den Reparatur-arbeiten des Angeklagten S.

K.

in der Wohnung seiner Ehefrau. Der in der [X.] zuständige [X.]iminalhauptkommissar Li.

bat den Sachbearbeiter des [X.] G.

am 3.
August 2007 telefonisch um Unterstützung. Dies hielt der Zeuge G.

in einer E-Mail an andere Mitarbei-ter des [X.] wie folgt fest:

.

) ermittelt in der Familie K.

we-gen einer
Vermisstenanzeige bezüglich der vom Vater getrennten [X.]. Diese ist seit drei Monaten verschwunden. Bei der Polizei er-geben sich verdichtende Verdachtsmomente gegen den Kindesvater. Herr Li.

bittet um Mithilfe, da Herr K.

sich in Widersprüche verstrickt (zeitliche Angaben, angebliche Telefonate mit der verschwundenen KM, plötzliche Anmeldung des Kindes beim Vater etc.). Das Kind M.

(07.02.2002) lebt beim Vater und ist dort gemeldet. Herr Li.

ist darum bemüht, die vom Vater gemachten Angaben mit dem Jugendamt [X.]. Es besteht ein sich verdichtender Tatverdacht.
Herr Li.

bittet um Mitteilung bei weiteren hier aufkommenden

Zu einem weiteren Telefonkontakt am 6.
August 2007 vermerkte der [X.]mitarbeiter:

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18
-
10
-

'ergebnisoffen', d.h. zum jetzigen [X.]punkt kann noch nicht von einem Mordfall, sondern nur von einer [X.] gesprochen werden, die bearbeitet wird. Es haben sich allerdings in den Aussagen von Herrn K.

Widersprüche und Ungereimtheiten er-geben. Sollte die Polizei später Informationen des [X.] benöti-gen, wird sie sich hier melden. Bis dahin bleibt der Datenschutz durch das [X.] bestehen.
Nach Angaben von Herrn Li.

ist aktenkundig,
dass Herrn K.

Schwester trotz-wegen Kinderlosigkeit einen extrem ausgeprägten [X.] besitzt, der nahezu pathologisch sei. Mit der Kindesmutter ha-be es eine Vereinbarung gegeben, der zufolge sie gegen Zahlung von 25.000 Euro in die [X.] zurückkehren und auf M.

verzichten wol-le-

b) Der Angeklagte S.

K.

wurde am 14.
August 2007 von [X.]i-minalhauptkommissar Li.

als Zeuge vernommen. Nach dem [X.] wurde er dabei über Rechte gemäß §
52 Abs.
1
und §
55 Abs.
1 [X.] belehrt. Die Vernehmung begann um 09.59 Uhr und wurde um 13.52 Uhr abgebrochen. Dann wollte der Angeklagte S.

K.

zur Arbeit fahren. Später reichte er schriftliche Anmerkungen ein.
Am 21.
August 2007 hielt [X.]iminalhauptkommissar Li.

die bisheri-gen Erkenntnisse in einem Zwischenvermerk zusammen. Dann gab er die Sa-che an das für Kapitalstrafsachen zuständige Kommissariat ab. Dieses gab sie an die St[X.]tsanwaltschaft weiter, die am 22.
August 2007 förmlich ein Strafver-fahren gegen S.

K.

einleitete und beim Ermittlungsrichter die Gestat-tung von Überwachungsmaßnahmen erwirkte.
Am 6.
November 2007 wurde der Angeklagte S.

K.

als Be-schuldigter vernommen und dabei gemäß §
163a Abs.
4 und §
136 Abs.
1 Satz
2 [X.] belehrt.
c) In der Hauptverhandlung widersprach die Verteidigung nach jeder Zeugenvernehmung von Polizeibeamten, die zu den Aussagen des Angeklag-19
20
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-
11
-
ten S.

K.

in seinen Vernehmungen im Vorverfahren Angaben mach-ten, der Verwertung. Das [X.] erhob zu der prozessualen Frage ergän-zend Beweis.
[X.]iminalhauptkommissar Li.

bekundete dabei, dass er zurzeit der Zeugenvernehmung des Angeklagten S.

K.

am 14.
August 2007 noch keinen konkreten Tatverdacht gegen diesen gehabt habe. Ihm sei bei der Über-nahme der Sachbearbeitung aufgefallen, dass der Ehemann der Verschollenen noch nicht förmlich vernommen worden sei. Auch sonst sei der Sachverhalt habe er sich ge-fragt, ob S.

K.

als Beschuldigter zu vernehmen sei. Es habe [X.] in dessen bisherigen Angaben zum Verschwinden seiner Ehefrau, jedoch noch keine ausreichenden Hinweise auf ein Verbrechen gegeben. Die vom [X.] des [X.] bekundete jedoch als Zeuge in der [X.], dies entstamme nicht seinem Sprachgebrauch.
Das [X.] verneinte das Vorliegen eines [X.]. Es nahm an, dass der Angeklagte S.

K.

zurzeit seiner Zeugen-vernehmung am 14.
August 2007 noch nicht als Beschuldigter einzustufen ge-wesen sei. Die Ermittlungen seien einer Klärung der [X.] habe noch nicht dazu gezwungen, ihn in den Status eines Beschuldigten zu versetzen. Der zunächst fehlende [X.] ergebe sich aus der erst nachfolgenden Abgabe
der Sache an die St[X.]tsanwaltschaft. Entscheidend sei, dass der sachbearbeitende [X.]iminal-hauptkommissar nicht von einem konkreten Tatverdacht ausgegangen sei. Bei der Bewertung der Verfahrenslage sei auch zu beachten, dass es dem Schutz 25
26
-
12
-
des Betroffenen diene, wenn er nicht zu rasch in den Status eines Beschuldig-ten versetzt werde.
2. Diese Wertungen treffen nicht zu.
a) Die Beschuldigteneigenschaft setzt zwar nicht nur das objektive Be-stehen eines Verdachts, sondern auch den Verfolgungswillen der Strafverfol-gungsbehörde hinsichtlich einer Verdachtshypothese voraus, der sich in einem Willensakt manifestiert (vgl. [X.], Urteil vom 18.
Oktober 1956 -
4 [X.], [X.]St 10, 8, 12). Wird gegen eine Person förmlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, liegt darin ein solcher Willensakt. Aber auch ohne förmliche Verfah-renseröffnung gegen die Person ist die konkludente Zuweisung der Rolle als Beschuldigter möglich. Dies richtet sich danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten bei seinen Aufklärungsmaßnahmen nach außen darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 27.
Februar 1992 -
5
[X.], [X.]St 38, 214, 228). Das Strafverfahren ist eingeleitet, sobald die Ermittlungsbehörde eine Maß-nahme trifft, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild darauf abzielt, gegen jemanden strafrechtlich vorzugehen (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
Februar 1997 -
StB 14/96, NJW 1997, 1591, 1592). Ist eine Ermittlungshandlung darauf gerichtet,
den Vernommenen als Täter einer Straftat zu überführen, kommt es daher nicht
mehr
darauf an,
wie der [X.] sein Verhalten rechtlich bewertet (vgl. [X.] in Festschrift für [X.], 2013, S.
1119, 1223; [X.], 16, 17).
b) Nach diesem Maßstab lag bei der Vernehmung am 14.
August 2007 eine auf Überführung des Angeklagten S.

K.

als Täter eines Tötungs-delikts gerichtete Maßnahme vor.
[X.]) Das wird aus dem vorangegangenen telefonischen [X.] vom 3.
August 2007 an das Jugendamt deutlich. Dies war eine strafpro-27
28
29
30
-
13
-
zessuale Ermittlungshandlung (§
161 Abs.
1 Satz
1 [X.]). Aufgrund eines sich i-terer Verdachtsmomente gebeten. Dazu wurden die bisherigen Verdachtsmo-mente genannt. Der bestehende Verdacht war damit dem Jugendamt mitgeteilt worden, um zusätzliche Erkenntnisse zu erhalten. Die Relativierung im [X.] Telefonat vom 6.
August 2007 erfolgte, um die Geheimhaltung der [X.] aber nichts an der Qualität der vorher er-folgten Verdächtigung.
War das Ziel des [X.] vom 3.
August 2007 die gegen S.

K.

gerichtete Vertiefung einer bestehenden Verdachtshypothese, so durften bei folgenden Maßnahmen die
Schutznormen aus §
163a Abs.
4 Satz
1 und §
163a Abs.
4 Satz
2 i.V.m. §
136 Abs.
1 Satz
2 [X.] nicht umgan-gen werden.
Wegen der bereits eingetretenen Außenwirkung der Verdachtsmittei-lung an das Jugendamt spielt die verfahrensrechtliche Überlegung keine Rolle, dass im Allgemeinen nicht durch vorzeitige [X.] unnötige Nachteile für den Beschuldigten verursacht werden sollen; sie waren für den Angeklagten S.

K.

bereits bei dem in das Sorgerechtsverfahren eingebundenen Jugendamt eingetreten.
[X.]) Das für die Personensuche wegen Gefahr für Leib oder Leben einer vermissten Person maßgebliche Polizeirecht war dagegen für die Vernehmung am 14.
August 2007 nicht maßgeblich. Das [X.] sieht zwar auch vor, dass jede Person befragt werden kann, wenn Tatsachen die [X.] rechtfertigen, dass sie sachdienliche Angaben machen kann (vgl. §
9 Abs.
1 [X.]). Dazu kann die Person auch vorgeladen werden (vgl. §
10 Abs.
1 31
32
33
-
14
-
Nr.
1 [X.]). Die Einordnung der Person in eine bestimmte Prozessrolle als Beschuldigter oder Zeuge kennt das Polizeiverwaltungsrecht aber nicht. [X.] nach §
52 und §
55 [X.], wie sie hier erfolgt ist, ist bei einer präventivpolizeilichen Befragung dementsprechend nicht vorgesehen. Für präventivpolizeiliche Zwecke war eine mehrstündige förmliche Vernehmung des h-t-lungen aller Art (§
161 Abs.
1 Satz
1 [X.]) ist vielmehr im Strafverfahren üb-lich.
[X.]) Es bestand nach allem ein bereits geäußerter Verdacht gegen den Angeklagten S.

K.

in einem auf strafrechtliche Ermittlungen gerichte-ten Verfahren. Das Ziel der Vernehmung bestand, ebenso wie das Ziel des vo-rangegangenen [X.] an das Jugendamt, in der Suche nach weiteren Verdachtsmomenten gegen ihn.
[X.]) Die Durchführung der Maßnahme als Zeugenvernehmung war dann aber rechtsfehlerhaft, weil die Schutzbestimmungen aus §
163a Abs.
4 i.V.m. §
136 Abs.
1 Satz
2 [X.] nicht beachtet wurden.
Der Verfahrensmangel wurde nicht durch die Belehrung gemäß §
55 Abs.
2 [X.] kompensiert; denn diese Belehrung entspricht nicht dem Hinweis auf ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht als
Beschuldigter (vgl. [X.], Urteil vom 26.
Mai 1992 -
5 [X.], [X.]St 38, 302, 303 f.) und dessen Recht auf [X.].
3. Das Unterlassen einer Belehrung gemäß §
163a Abs.
4 Satz
2 i.V.m. §
136 Abs.
1 Satz
2 [X.] bei der Vernehmung am 14.
August 2007 führt zu einem Beweisverwertungsverbot für diese Zeugenvernehmung (vgl. [X.], Urteil vom 27.
Februar 1992 -
5 [X.], [X.]St 38, 214, 220 ff.; Urteil vom 3.
Juli 34
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36
37
-
15
-
2007 -
1 [X.], [X.]St 51, 367, 376; Urteil vom 18.
Dezember 2008 -
4 [X.], [X.]St 53, 112, 115).
4. Die Unkenntnis darüber, dass die Zeugenvernehmung unverwertbar war, kann ferner dazu geführt haben, dass der Angeklagte S.

K.

bei der nachfolgenden Beschuldigtenvernehmung nur Angaben gemacht hat, weil er meinte, seine Zeugenaussage ergänzen zu müssen. Auch dadurch wurde die Entscheidungsfreiheit des Angeklagten S.

K.

darüber, ob er sich redend oder schweigend verteidigen will, berührt. Dies hätte durch eine qualifi-zierte Belehrung darüber, dass die vorherige Aussage als Zeuge unverwertbar ist, vermieden werden können (vgl. [X.], Urteil vom 3.
Juli 2007 -
1 [X.], [X.]St 51, 367, 376; Urteil vom 18.
Dezember 2008 -
4
[X.], [X.]St 53, 112, 115). Eine solche Belehrung ist jedoch nicht erteilt worden.
5. Es kann offen bleiben, ob deshalb mit einer in der Literatur vertrete-nen Ansicht ein Beweisverwertungsverbot auch für die [X.] mangels qualifizierter Belehrung anzunehmen ist (vgl. [X.]/Wennekers, [X.], 383, 384; SK/[X.], [X.], 4.
Aufl., §
136 Rn.
87; [X.], [X.] 2009, 186, 187) oder ob dies mit der Rechtsprechung des [X.] von einer Abwägung des [X.] mit dem Interesse des [X.] an der Wahrung seiner Rechte abhängt (vgl. [X.], Urteil vom 18.
Dezember 2008 -
4 [X.], [X.]St 53, 112, 116) und auch danach ein Beweisverwertungsverbot besteht. Der [X.] kann nämlich hier ausschließen, dass das Urteil auf der Nichtbeachtung von [X.] bezüg-lich der Zeugenvernehmung oder -
gegebenenfalls -
bezüglich der [X.] beruht.
Das [X.] hat Widersprüche in den Äußerungen des Angeklag-ten S.

K.

zu den Umständen des Verschwindens seiner Ehefrau nicht 38
39
40
-
16
-
nur aus den Angaben bei den genannten
Vernehmungen, sondern auch aus seinen Angaben gegenüber den Zeugen P.

, B.

, [X.]

, [X.]

, [X.]

, [X.]

, [X.]

, Mi.

, F.

, [X.].

, C.

-
Pr.

, Co.

und [X.].

, in einem Telefax vom 30.
April 2007 und in einer eidesstattlichen Versicherung vom 29. Mai 2007 entnommen. Insoweit kommt es auf die Angaben in den Vernehmungen nicht an. Die festzustellenden Widersprüche waren
zudem nur ein Indiz in einer Reihe von Beweisanzeichen gegen den Angeklagten S.

K.

.
II. Die Sachrüge greift ebenfalls nicht durch. Die Beweiswürdigung des [X.]s, die zu der Feststellung seiner Begehung eines Mordes an der Ehefrau geführt hat, weist keinen Rechtsfehler auf.
1. Zunächst hat sich das [X.] rechtsfehlerfrei von der Tatsache überzeugt, dass die verschollene L.

K.

tot ist. Ihr letztes Lebenszeichen bestand in einem am 18.
April 2007 bis um 14.45 Uhr geführten Telefonat. Nichts deutet darauf hin, dass sie sich danach freiwillig spurlos aus ihrem [X.] entfernt hat und endgültig mit unbekanntem Ziel abgereist ist. Das Zurück-lassen ihres Kindes, das Fehlen ausreichender Geldmittel und die Nichtbenach-richtigung aller Bekannten und Verwandten von dem dauerhaften Wechsel des Aufenthaltsorts sprechen dagegen.
2. Auch die Annahme, dass die junge gesunde Frau nicht ohne Verant-wortlichkeit einer anderen Person zu Tode gekommen ist, kann revisionsrecht-lich nicht beanstandet werden. Ein Unglücksfall wäre nicht spurlos verlaufen. Für einen Selbstmord spricht nichts. Eine Verschleppung oder Tötung durch unbekannte Dritte hat die [X.] verneint, weil keine Spuren einer solchen Tat gefunden wurden. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.

41
42
43
-
17
-
3. Auch die Annahme der Tötung durch den Angeklagten S.

K.

ist rechtsfehlerfrei.
Fehlt ein auf das Kerngeschehen der Tat bezogenes Beweismittel, so kann die Überführung eines Angeklagten dadurch erfolgen, dass alle konkret in Frage kommenden Alternativen ausgeschlossen werden (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Mai 2012 -
2 StR 395/11, [X.], 466, 467). Dies hat das [X.] beachtet. Als Hinweise auf die Täterschaft des Angeklagten S.

K.

hat es insbesondere gewürdigt,
-

dass er ein Tatmotiv hatte,
-
dass er in zeitlicher Nähe zum Verschwinden seiner Ehefrau Vollmachten für die Mitangeklagten ausgestellt hat, damit sie ihn im Fall einer Verhinderung bei der Versorgung des Kindes vertreten und den Wohnsitz des Kindes auf ihre Wohnung ummelden könnten,
-
dass er zu einem nicht genau bekannten [X.]punkt vor dem 18.
April 2007 das [X.] ausgewechselt hatte, obwohl ein tech-nischer Grund dafür nicht vorlag,
-
dass er die letzte Person war, die nachweislich Kontakt mit der [X.] hatte,
-
dass er den [X.] am 18.
April 2007 zu sich nahm, obwohl dies nicht der üb-liche Tag für die Ausübung seines Umgangsrechts war,
-
dass er am frühen Morgen des 19.
April 2007 Anrufe auf dem Telefon von L.

K.

tätigte, obwohl sie dann nach Annahme des Schwurgerichts be-reits tot war,
-
dass am 19.
April 2007 vor Arbeitsbeginn ausweislich der Funkzellenkontak-te seines Mobiltelefons seine Wohnung verließ und kurz darauf dorthin zu-rückkehrte,

-
dass er im Laufe der polizeilichen Ermittlungen und gegenüber [X.] widersprüchliche Angaben zur Abwesenheit seiner Ehefrau machte,
44
45
-
18
-
-
dass die Ummeldung des [X.]es beim Einwohnermeldeamt auf seinen Wohnsitz bereits am 23.
April 2007 erfolgte, als noch kein Hinweis auf eine [X.] der Kindesmutter vorlag und
-
dass die polizeilich versiegelte Wohnung seiner Ehefrau in der [X.] vom 22.
April bis 28. April 2007 ohne Beschädigung des von ihm ausgewechsel-ten Türschlosses aufgesucht wurde.
Das [X.] hat sich auf eine Gesamtschau aller Umstände ge-stützt. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Mit dieser Beweiswürdigung hat das [X.] auch ausgeschlossen, dass die Tat von den Mitangeklagten begangen wurde, ohne dass der Angeklagte S.

K.

daran beteiligt war. Zwar hatten auch die Mitangeklagten ein Motiv, aber nicht in gleicher Weise die Gelegenheit zur Tatbegehung. Schließlich deutet eine Vielzahl von Beweisan-zeichen darauf hin, dass er die Tat, die er schließlich auch alleine begangen haben konnte, geplant und ausgeführt hat.
4. Alternativen zu einem Mord aus niedrigen Beweggründen hat das [X.] ebenfalls rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Hat der Angeklagte S.

K.

seine Ehefrau getötet, so scheidet nach den konkreten Um-ständen ein anderes Motiv als das Streben nach dem Sorgerecht für den [X.] und dem Einsparen von Unterhaltszahlungen an die getrennt lebende Ehefrau aus. Dass theoretisch auch andere Möglichkeiten bestehen, ist rechtlich uner-heblich.
C.
Die Revision der Nebenklägerin R.

[X.]

ist ebenfalls unbe-gründet. Sie deckt keinen Rechtsfehler zum Vorteil der freigesprochenen Ange-klagten I.

und [X.]

K.

auf.
46
47
48
-
19
-
Das [X.] hat nicht übersehen, dass es erhebliche Verdachts-momente gegen diese gibt, insbesondere durch Entgegennahme der Vertre-tungsvollmachten des Angeklagten S.

K.

zur Ummeldung des Wohn-sitzes des Kindes, deren Erstellung schließlich auch als Indiz gegen diesen
ge-wertet wurde. Das [X.] hat der Herstellung und Übergabe der Vollmach-ten durch S.

K.

einerseits und deren Annahme durch die [X.] andererseits aber unterschiedliches Gewicht beigemessen und beides gesondert erläutert. Ein Rechtsfehler der Beweiswürdigung liegt daher nicht vor.

Die [X.] hat auch unter Gesamtwürdigung aller Um-stände, einschließlich der Motivlage, nicht die sichere Überzeugung von einer Tatbegehung oder Tatbeteiligung der Mitangeklagten
gewinnen können. Dage-gen bestehen
im Ergebnis
keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Fischer [X.][X.]ehl

Eschelbach

[X.]

49
50

Meta

2 StR 439/13

30.12.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.12.2014, Az. 2 StR 439/13 (REWIS RS 2014, 13)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 13

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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