Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2011, Az. V ZB 271/10

5. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4802

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Gegenstand

Bestellung eines Nießbrauchs am eigenen Grundstück


Leitsatz

Ein Nießbrauch kann an dem eigenen Grundstück bestellt werden; der Nachweis eines berechtigten Interesses an der Bestellung ist nicht erforderlich .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 11. Oktober 2010 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 7.000 €.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 1 ist Gläubigerin einer auf dem Grundstück des Beteiligten zu 2 lastenden, am 24. März 2010 in das Grundbuch eingetragenen [X.]. Seit dem 26. Februar 2010 ist dort ein Nießbrauch für den Eigentümer eingetragen.

2

Die Beteiligte zu 1 verlangt die Löschung des Nießbrauchs. Das Grundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen; die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 ihren Antrag weiter.

II.

3

Das Beschwerdegericht meint, der Nießbrauch sei zu Recht eingetragen worden. Die Zulässigkeit der originären Bestellung eines Eigentümernießbrauchs an Grundstücken sei heute unumstritten. Dessen Wirksamkeit sei auch nicht von einem schutzwürdigen Interesse des Eigentümers an der Bestellung abhängig. Es sei ein Gebot der Rechtssicherheit und eines unkomplizierten Grundbuchverfahrens, jeden [X.] an Grundstücken als gültig anzuerkennen. Eine etwaige Gläubigerbenachteiligung müsse die Beteiligte zu 1 nach dem Anfechtungsgesetz geltend machen.

III.

4

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.

5

1. Ohne Rechtsfehler geht das Beschwerdegericht von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde aus (§ 71 Abs. 1 GBO). Die Vorschrift des § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO, nach der die Beschwerde gegen eine Eintragung unzulässig ist, steht dieser nicht entgegen, denn sie findet keine Anwendung, wenn eine Eintragung berichtigt werden soll, die nicht am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teilnimmt ([X.], Beschluss vom 28. September 1989 – [X.], [X.], 372, 375; Beschluss vom 19. Mai 2011 – [X.], [X.], 1337 f.). So verhält es sich hier. Da ein Nießbrauch - von der hier nicht einschlägigen Ausnahme des § 1059a [X.] abgesehen - nicht übertragbar ist (§ 1059 Abs. 1 [X.]), kann sich an dessen Eintragung kein gutgläubiger Erwerb anschließen (vgl. [X.], GBO, 27. Aufl., § 71 Rn. 43; [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 71 Rn. 31; [X.]/v. Oefele/[X.], GBO, 2. Aufl., § 71 Rn. 49).

6

2. Zutreffend nimmt das Beschwerdegericht ferner an, dass der eingetragene Eigentümernießbrauch wirksam und dessen Löschung von dem Grundbuchamt daher zu Recht verweigert worden ist.

7

a) Der Grundstückseigentümer kann einen Nießbrauch für sich selbst bestellen. Die Schaffung eines Rechts am eigenen Grundstück ist im Gesetz zwar nur für die Grundschuld und die [X.] vorgesehen (§§ 1196, 1199 [X.]). Die Vorschrift des § 889 [X.], die bestimmt, dass ein Recht an einem fremden Grundstück bei nachträglicher Vereinigung von Eigentum und dinglichem Recht nicht erlischt, macht aber deutlich, dass dem Gesetz ein Ausschluss des Bestehens dinglicher Rechte an eigenen Grundstücken fremd ist. Auch steht das in § 873 [X.] aufgestellte Erfordernis einer Einigung zwischen zwei Personen der Bestellung eines solchen Rechts nicht entgegen; die Vorschrift soll lediglich verhindern, dass jemand ein Recht gegen seinen Willen erwirbt. Der [X.] hat deshalb die Bestellung einer Eigentümerdienstbarkeit für zulässig erachtet ([X.], Urteil vom 11. März 1964 – [X.], [X.], 209, 210 f.; Urteil vom 8. April 1988 – [X.], NJW 1988, 2362, 2363).

8

Für einen Nießbrauch gilt nichts anderes. Zwar ist dieses Recht nach seiner rechtlichen Konstruktion ebenfalls auf einen [X.] als Berechtigten ausgerichtet. Wie bei der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit kann aber auch bei einem Nießbrauch ein schutzwürdiges Interesse des Eigentümers bestehen, es zunächst als Eigenrecht entstehen zu lassen. Das zeigt sich insbesondere bei einer beabsichtigten Veräußerung des Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt. Eine vorherige, von dem Eigentümer selbst geschaffene dingliche Sicherung der ihm verbleibenden [X.] bietet erhebliche Vorteile gegenüber dem nur schuldrechtlichen Versprechen des Erwerbers, unmittelbar im [X.] an den Erwerb einen Fremdnießbrauch zu bestellen. Auch wenn dieses Versprechen durch einen Rangvorbehalt des Eigentümers (§ 881 [X.]) und eine im Voraus abgegebene Eintragungsbewilligung des Erwerbers flankiert wird, ist der Eigentümer wegen der Möglichkeit von Verfügungsbeschränkungen des Erwerbers, die vor dem nach § 878 [X.] maßgeblichen Zeitpunkt entstanden sind und wegen der Wirkung des [X.] nur für den jeweiligen Grundstückseigentümer (§ 881 Abs. 3 [X.]) nicht in gleicher Weise geschützt (vgl. näher [X.], [X.] [2009], § 1030 Rn. 34; [X.], [X.], S. 223; v. [X.] NJW 1962, 275, 277). Die Bestellung eines Nießbrauchs am eigenen Grundstück wird daher heute zu Recht allgemein als zulässig angesehen (vgl. BayObLG, [X.] 1979, 6, 8; [X.], NJW-RR 1999, 239; [X.], [X.] [2009], § 1030 Rn. 33; Soergel/Stürner, [X.], 12. Aufl., § 1030 Rn. 3; MünchKomm-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 1030 Rn. 22; [X.], [X.], 12. Aufl., § 1030 Rn. 6; RGRK/[X.]e, [X.], 12. Aufl., § 1030 Rn. 5; [X.]/[X.], [X.], 70. Aufl., § 1030 Rn. 3; NK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 1030 Rn. 63; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 1030 Rn. 12; [X.]/Eickmann, 6. Aufl., § 1030 Rn. 9; Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, 2. Aufl., § 1 II 3 b; [X.]/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl., § 32 I 3 c; [X.], [X.] 1958, 352; 1964, 716; v. [X.], NJW 1962, 275; [X.], [X.] 1970, 267, 269 f.; aA noch die ältere Judikatur: [X.], 202, 208 ff.; [X.] 51, 291, 292; [X.], NJW 1961, 561; vgl. aber auch [X.], 231, 235).

9

b) Die Wirksamkeit eines Eigentümernießbrauchs ist nicht von dem Nachweis eines berechtigten Interesses an dessen Bestellung im Einzelfall abhängig. Diese Frage ist allerdings umstritten. Während ein Teil des Schrifttums ein berechtigtes Interesse an der Bestellung eines Nießbrauchs am eigenen Grundstück für erforderlich erachtet ([X.], NJW 1968, 1678; [X.], [X.] 1970, 208; Soergel/Stürner, [X.], 12. Aufl., § 1030 Rn. 3; [X.], [X.], 12. Aufl., § 1030 Rn. 6; RGRK/[X.]e, [X.], 12. Aufl., § 1030 Rn. 5; v. [X.], NJW 1962, 275, 276), spricht sich die inzwischen überwiegende Auffassung dafür aus, den [X.] an Grundstücken unabhängig von dem Nachweis eines solchen Interesses zuzulassen ([X.], [X.] [2009], § 1030 Rn. 35; MünchKomm-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 1030 Rn. 24; [X.]/[X.], [X.], 70. Aufl., § 1030 Rn. 3; NK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 1030 Rn. 63; [X.]/Eickmann, 6. Aufl., § 1030 Rn. 9; [X.]er/Stöber, [X.], 14. Aufl., Rn. 1373; Westermann, Sachenrecht, 7. Aufl., § 121 II; [X.], [X.], S. 224; [X.], [X.] 1958, 352, 358; 1964, 716, 718; [X.], [X.] 1970, 267, 271 ff.). Diese Auffassung überzeugt.

Allerdings hat der [X.] die Bestellung einer Eigentümerdienstbarkeit bislang nur unter der Voraussetzung für zulässig erachtet, dass sie mit Rücksicht auf eine beabsichtigte Übertragung des Eigentums an dem belasteten Grundstück geschieht und aus diesem Grund ein Bedürfnis an der Bestellung zu bejahen ist (Urteil vom 11. März 1964 – [X.], [X.], 209, 211). Soweit dem zu entnehmen ist, dass ein solches Interesse Voraussetzung für die wirksame Schaffung einer Eigentümerberechtigung ist, wird hieran nicht festgehalten. Richtigerweise ist die Bestellung von Rechten am eigenen Grundstück bereits im Hinblick auf die bloße Möglichkeit eines solchen Interesses als zulässig anzusehen; eines entsprechenden Nachweises bedarf es im Einzelfall nicht. Das entspricht der Rechtslage bei der [X.], welche ebenfalls ohne Darlegung des mit ihr verfolgten Zwecks bestellt werden kann. Zugleich wird eine Überforderung des auf dem formellen Konsensprinzip und der Beweismittelbeschränkung beruhenden Grundbuchverfahrens vermieden (so zutreffend [X.]er/Stöber, [X.], 14. Aufl., Rn. 1373) und dem Gebot genügt, im Grundstücksverkehr klare und sichere Rechtsverhältnisse zu schaffen (vgl. [X.], Urteil vom 20. Mai 1988 – [X.], [X.], 298; [X.], Urteil vom 9. Januar 1958 - [X.]/56, [X.]Z 26, 225, 228). Wäre die Wirksamkeit der Bestellung eines [X.]s von dem Nachweis eines - nur schwer nachprüfbaren - berechtigten Interesses abhängig, könnte die Entstehung des Rechts nämlich noch Jahre später mit der Begründung in Zweifel gezogen werden, bei dessen Begründung habe es an einem solchen Interesse des Eigentümers gefehlt (vgl. [X.], [X.] 1964, 716, 718).

c) Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil ein Eigentümernießbrauch dazu genutzt werden kann, Gläubigern den Zugriff auf das Grundstück zu erschweren. Diese Gefahr besteht bei der [X.] ebenfalls; gleichwohl kann diese nach dem Gesetz ohne Nachweis eines berechtigten Interesses am eigenen Grundstück bestellt werden. Der benachteiligte Gläubiger ist deshalb nicht schutzlos, denn die Bestellung dinglicher Rechte am eigenen Grundstück, welche die Zugriffslage für ihn verschlechtert und in [X.] erfolgt, ist nach § 3 Abs. 1 [X.] anfechtbar ([X.], 29, 35 Rn. 25 ff.; offengelassen in [X.], Urteil vom 13. Juli 1995 – [X.], [X.]Z 130, 314, 321). Die Sonderregelungen der Gläubigeranfechtung verdrängen im Regelfall die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, wie § 138 oder § 226 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 1998 – [X.], [X.]Z 138, 291, 299 f.; Urteil vom 4. März 1993 – [X.], NJW 1993, 2041 mwN). Damit steht es in Einklang, dass die Absicht der Gläubigerbenachteiligung Berücksichtigung grundsätzlich nur im Anfechtungsverfahren, nicht aber im Rahmen der Grundbucheintragung findet.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                      [X.][X.]

                    Brückner                                            Weinland

Meta

V ZB 271/10

14.07.2011

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 11. Oktober 2010, Az: 8 W 437/10, Beschluss

§ 1030 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2011, Az. V ZB 271/10 (REWIS RS 2011, 4802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4802

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