Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.10.2013, Az. V ZB 9/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1579

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB
9/13
vom

30. Oktober
2013

in der Abschiebungshaftsache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 11
Eine in [X.] abgefasste Vollmacht des Betroffenen für seine [X.] ist vorbehaltlich einer erfolgreichen Anfechtung durch den Be-troffenen auch dann wirksam, wenn sie nicht in die Muttersprache des Betroffenen übersetzt worden ist.

[X.], Beschluss vom 30. Oktober 2013 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 30. Oktober
2013
durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.] Lemke und Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und die Richterinnen
Dr. Brückner
und Weinland
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des [X.] vom 9.
Januar
2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der [X.] des [X.] vom 18. Januar 2012 den Be-troffenen in seinen Rechten verletzt
hat.

Gerichtskosten werden in allen
Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein St[X.]tsangehöriger von [X.], wurde nach dem Widerruf seiner unbefristeten Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 29.
August
2008 wegen einer Reihe von Straftaten ausgewiesen. Er erhielt am 8. Dezember 2011 Ersatzdokumente für seinen ausgelaufenen Reisepass. Die 1
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von der beteiligten Behörde erbetene Erklärung, ob er freiwillig ausreisen [X.], gab er nicht ab.
Zur
Sicherung der für den 27. Januar 2012 vorgesehen Abschiebung hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 18. Januar 2012 gegen den Betroffenen Haft von zwei Wochen Dauer, beginnend
ab dem 14. Januar 2012, angeordnet. Dagegen haben die zweitinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten des Be-troffenen mit am 26. Januar 2012 bei dem Amtsgericht eingegangenem
Schrift-satz Beschwerde eingelegt und
darin erklärt, sie seien gebeten worden, die Vertretung des Betroffenen zu übernehmen. Die nach der Abschiebung des Betroffenen am 27. Januar 2012 mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haft festzustellen, weiterverfolgte Beschwerde hat das [X.] als unzulässig deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt.

II.
Nach Ansicht des [X.] ist die Beschwerde des Betroffe-nen mangels wirksamer Bevollmächtigung
seiner Verfahrensbevollmächtigten unzulässig. Die in der Beschwerdeschrift verwendete Formulierung, sie seien gebeten worden, die Vertretung zu übernehmen, wecke bereits Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung. Die nachgereichte schriftliche Vollmacht
vermöge die Bedenken gegen die ordnungsgemäße Bevollmächtigung nicht auszuräu-men. Eine wirksame Vollmacht setze das Wissen und Wollen zur Vollmachter-teilung und damit notwendigerweise voraus, dass der Betroffene verstanden habe, dass er eine Vollmacht für
seine Verfahrensbevollmächtigten [X.]. Daran fehle es, weil die Vollmacht nicht in die Muttersprache des Betroffe-nen übersetzt worden sei.
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III.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist begründet.
1. Die Beschwerde des Betroffenen ist zulässig. Sie ist form-
und fristge-recht eingelegt worden. Anders als das Beschwerdegericht meint, fehlt es auch nicht an einer wirksamen Vollmacht.
a) Dafür muss nicht entschieden werden, ob die Verfahrensbevollmäch-tigten bei Einlegung der Beschwerde eine wirksame Vollmacht hatten. Denn die vollmachtlose Einlegung eines Rechtsmittels kann nach § 11 Satz
5 FamFG i.V.m. § 89 Abs. 2 ZPO mit Rückwirkung genehmigt werden, solange das Rechtsmittel noch nicht mangels Vollmacht als unzulässig verworfen worden ist (GemSOGB, Beschluss vom 17. April 1984 -
GmS-OGB 2/83, [X.]Z 91, 111, 115; [X.], Beschlüsse vom 19. Juli 1984 -
X [X.], [X.]Z 92, 137, 140, vom 10. Januar 1995 -
X [X.], [X.]Z 128, 280, 283
und vom 26.
Januar
2006 -
III ZB 63/05, [X.]Z 166, 117, 124
Rn.
17 sowie Senat, [X.] vom 16. Mai 2013 -
V [X.], [X.], 1223, 1225 Rn. 16).
Jeden-falls eine solche Genehmigung liegt hier in der Unterzeichnung des [X.] durch den Betroffenen.
b) Diese Genehmigung ist wirksam.
[X.]) [X.] ist schon die Erwägung des [X.], dem Betroffenen habe Wissen und Willen zur Unterzeichnung einer Vollmacht ge-fehlt, weil das Formular nicht übersetzt worden sei. Auf die fehlende Überset-zung könnte der Betroffene selbst eine Anfechtung wegen Irrtums nicht stützen. Wer eine Willenserklärung im Bewusstsein abgibt, dass er den wirklichen Sach-verhalt nicht kennt, kann seine
Erklärung nicht wegen Irrtums anfechten, wenn 4
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sich seine bei Abgabe der Erklärung gehegten Mutmaßungen als unrichtig her-ausstellen. Seine Unkenntnis wäre
nicht, wie nach § 119 Abs. 1 BGB erforder-lich, unbewusst, sondern bewusst ([X.], Urteil vom 15. Juni 1951

I
ZR
121/50, NJW 1951, 705;
BAG, NJW 1971, 639, 640). Gerade weil er die Urkunde im Bewusstsein unterzeichnet, ihren Inhalt nicht zu kennen oder man-gels Übersetzung nicht verstanden zu haben, fehlte dem Betroffenen auch nicht das [X.]. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn sich der Betroffene eine bestimmte, wenn auch unzutreffende andere Vorstellung von ihrem Inhalt gemacht hätte ([X.], Urteil vom 27.
Oktober 1994

IX
ZR
168/93, NJW 1995, 190,
191). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
bb) Das etwaige Fehlen des [X.]s führte im Übrigen nicht dazu, dass es an einer wirksamen Genehmigung fehlt. Eine ohne Erklä-rungsbewusstsein abgegebene Erklärung ist nicht unwirksam, sondern analog §
119 BGB anfechtbar, wenn sie sich für den Empfänger als Ausdruck eines bestimmten Rechtsfolgewillens darstellt ([X.], Urteile vom 11. Juli 1968

II
ZR
157/65, NJW 1968, 2102, 2103, vom 7. Juni 1984 -
IX ZR 66/83, [X.]Z 91, 324, 329 f. und vom 2. November 1989 -
IX ZR 197/88, [X.]Z 109, 171, 177 sowie Senat, Beschluss vom 19. September 2002 -
V [X.], [X.]Z 152, 63, 70). Sie bliebe dann wirksam, bis sie angefochten wird. So liegt es hier. Die Unterzeichnung des Vollmachtsformulars durch den Betroffenen stellt sich für seine Verfahrensbevollmächtigten als Erteilung einer Verfahrensvoll-macht dar.
2. Die
Beschwerde ist begründet. Die Haftanordnung durfte nicht erge-hen, weil der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nach dem maßgeblichen Inhalt des Protokolls nicht, wie aber geboten (Senat, Beschlüsse vom 4. März 2010

[X.], [X.]Z 184, 323, 330
f.
Rn. 16 f., vom 21.
Juli
2011

[X.]/11, [X.] 2011, 257, 258 Rn. 8 f. und vom 9
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6
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14.
Juni
2012

V
ZB 48/12, juris Rn. 10),
zu Beginn der Anhörung
in Kopie ausgehändigt und (mündlich) übersetzt worden ist.

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 83 Abs.
2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog und § 128c Abs. 3 Satz 2 [X.], die Festsetzung des [X.] aus § 128c Abs. 2 [X.] i.V.m. § 30 [X.].
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch

Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.01.2012
-
6 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 09.01.2013 -
8 [X.] (019) -

11

Meta

V ZB 9/13

30.10.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.10.2013, Az. V ZB 9/13 (REWIS RS 2013, 1579)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1579

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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