8. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 5877
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 10.02.2010 – Az. 15 O 314/08 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nahm die Beklagten ursprünglich wegen Schadensersatzes im Zusammenhang mit einem Steuerberatervertrag in Anspruch. Die Beklagte zu 1), deren Gesellschafter die Beklagten zu 2) und 3) sind, beriet und vertrat die Firma A GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer der Kläger war, in steuerlichen Fragen. Der Umfang der Beauftragung und die im Einzelnen erbrachten Leistungen sind streitig.
Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch von ursprünglich 209.967,91 € stützte sich auf zwei behauptete Beratungsfehler:
Ein Vorwurf betraf einen behaupteten Fehler der Beklagten bei der betriebswirtschaftlichen Auswertung der A GmbH, welche zu einer ungerechtfertigten Bonitätsherabstufung durch die finanzierende Sparkasse geführt habe. Hinsichtlich dieses Teils der Klage ist das Senatsurteil vom 21.10.2010 – Az. 8 U 12/10 – nicht angegriffen worden und der Rechtsstreit damit rechtskräftig entschieden.
Der andere, noch rechtshängige Sachverhaltskomplex betrifft einen Steuerbescheid des Finanzamts B, modifiziert durch nachfolgende Steuerbescheide des Finanzamts C (i.F. für beide: „das Finanzamt“). Ursprünglich forderte das Finanzamt vom Kläger mit Bescheid vom 03.01.2005 einen Betrag von 107.795,55 €. Der Kläger wurde insoweit gem. §§ 191, 34, 69 AO als Haftungsschuldner für die Jahresumsatzsteuer 2002 nebst Verspätungszuschlag und Zinsen sowie auf die Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume März und Juni 2003 der A GmbH in Anspruch genommen. Der Bescheid über die Umsatzsteuerschuld 2002 der Gesellschaft beruhte dabei im Wesentlichen auf einer Veräußerung von Unternehmensvermögen der A GmbH an die D AG, bei der streitig war, ob es sich um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung handelte.
Dieser Bescheid war ursprünglich Grundlage der Klage vor den ordentlichen Gerichten. Gleichzeitig focht der Kläger vor den Finanzgerichten den Bescheid an. In der Folge des finanzgerichtlichen Verfahrens wurde mit Einspruchsbescheid vom 27.02.2007 die Haftungssumme auf 101.819,55 € herabgesetzt, mit Haftungsbescheid vom 17.11.2008 auf 83.775,34 € und schließlich mit Haftungsbescheid vom 10.03.2009 auf 82.882,32 €. Die Vollziehung setzte das Finanzamt gem. § 69 Abs. 2 FGO mit Bescheiden vom 10.10.2008, 29.10.2008 und 02.12.2008 überwiegend aus. Zuletzt war dem Kläger mit Bescheid vom 10.03.2009 unter Berücksichtigung von bereits erfolgten Zahlungen in Höhe von 23.860,77 € nur noch aufgegeben, einen Betrag von 5.851,20 € umgehend zu bezahlen. Die Restforderung war mit Blick auf das laufende finanzgerichtliche Verfahren ausgesetzt.
Mit dem am 03.01.2008 im Mahnverfahren begonnen Haftungsprozess vor den ordentlichen Gerichten, welcher nach Abgabe der Streitsache an das Landgericht mit Schriftsatz vom 03.07.2009 begründet worden ist, hat der Kläger Zahlung von 107.795,55 € auf Grundlage des Haftungsbescheids vom 03.01.2005 an sich verlangt, obschon zu diesem Zeitpunkt das Finanzamt nur noch von einer Haftung in Höhe von 82.882,32 € ausging und unmittelbare Zahlung nur noch in Höhe von 5.851,20 € forderte. Der Kläger hat geltend gemacht, die Steuerforderungen gegen die GmbH und seine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner seien auf eine Pflichtverletzung des Steuerberatervertrages zurückzuführen. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.02.2010 - Az. 15 O 314/08 - abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass das steuerberaterliche Mandatsverhältnis zwischen der A GmbH und den Beklagten weder einen Vertrag zu Gunsten Dritter noch einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter dargestellt habe. Der Kläger habe daher aus eigenem Recht keinen Anspruch gegen die Beklagten. Soweit er aus abgetretenem Recht Zahlung verlange, sei die Abtretung nicht wirksam bzw. verspätet vorgetragen worden. Ergänzend hat das Landgericht ausgeführt, dass der eingetretene Schaden nicht substantiiert dargelegt worden sei.
Mit der Berufung hat der Kläger seinen Zahlungsantrag weiterverfolgt. Der Senat hat die Berufung mit Urteil vom 21.10.2010 zurückgewiesen und mit Blick auf die Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages die Auffassung des Landgerichts bestätigt. Die Klage aus abgetretenem Recht hat der Senat wegen Missbrauchs der Vollmacht im Rahmen der Forderungsabtretung abgewiesen. Ergänzend hat er ausgeführt, dass der Klägervortrag lückenhaft und widersprüchlich gewesen sei.
Der Bundesgerichtshof hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers die Revision im Umfang dieses Sachverhaltskomplexes zugelassen. Mit Urteil vom 13.10.2011 - Az. IX ZR 193/10 - hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Senats im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben und zurückverwiesen, als die Klage in Höhe von 101.819,55 € abgewiesen worden ist. In der Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass der Geschäftsführer als Dritter in den Schutzbereich des Umsatzsteuermandats einbezogen sein kann, welches die GmbH erteilt hat. Ergänzend hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass der Kläger, soweit er noch nicht bestandskräftige Haftungsverbindlichkeiten nicht beglichen habe, Schadensersatz von den Beklagten nur in Form der Freihaltung beanspruchen könne. Die Zurückverweisung gebe dem Kläger die Gelegenheit, seinen bisherigen Zahlungsantrag den Gegebenheiten anzupassen. Ausreichende Feststellungen zu allen haftungsbegründenden Streitpunkten seien nunmehr von den Tatsacheninstanzen nachzuholen. Vorzulegen seien hierfür die tatsächlich eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen, um den Gerichten die Überprüfung zu ermöglichen, ob der Haftungsvorwurf der Finanzverwaltung gegenüber dem Kläger begründet sei. Ferner habe der Kläger darzulegen, dass ihm eine Einsicht in die Umsatzsteuerakten der Finanzverwaltung trotz des Anfechtungsprozesses gegen den Haftungsbescheid verwehrt werde (BGH, a.a.O., Rn. 25f.).
Nach Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof hat der Senat Einsicht in die Verfahrensakten beim Finanzgericht Köln genommen und nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 12.06.2012 den Rechtsstreit gem. § 148 ZPO im Hinblick auf das finanzgerichtliche Verfahren ausgesetzt. In diesem Beschluss hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif sei, da nach Maßgabe des Urteils des Bundesgerichtshofes weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich sei. Antragsänderungen oder ergänzender Sachvortrag durch die Parteien erfolgten nicht.
Das Finanzgericht Köln hob mit Urteil vom 12.06.2013 hat das Finanzgericht Köln – Az. 3 K 1178/07 - den Haftungsbescheid vom 10.03.2009 im ganz überwiegenden Teil bis auf einen Restbetrag von 399,21 € auf und führte zur Begründung aus, dass den Kläger, der zur Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen der GmbH einen Steuerberater eingeschaltet habe, nicht der Vorwurf des groben Verschuldens treffe.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2014 wies der Bundesfinanzhof die Revision des Finanzamts gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln zurück – Az. V R 33/13. Dabei stützt er sich auf den Umstand, dass das Finanzamt bereits die Umsatzsteuerpflicht der GmbH zu Unrecht angenommen habe, weil der dem steuerrechtlichen Streit zu Grunde liegende Geschäftsvorfall als Geschäftsveräußerung im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG und damit steuerrechtlich zu Gunsten der GmbH zu beurteilen sei. Auf die Frage der groben Fahrlässigkeit des Klägers komme es mithin nicht an.
Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes hat der Senat das Verfahren wieder aufgenommen. Daraufhin hat der Kläger den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 31.10.2014 für erledigt erklärt. Er meint, ihm sei die Umstellung des Klageantrages von der Leistung auf Schadensersatz hin zu Feststellung einer Freistellungsverpflichtung bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses jederzeit möglich gewesen, so dass die Klage Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Außerdem habe der Kläger durch den Haftungsbescheid und auf ihn gestützte Vollstreckungsmaßnahmen reale Vermögenseinbußen erlitten. So sei eine Zwangshypothek in Höhe von 78.981,16 € zu Gunsten des Finanzamtes eingetragen worden. Außerdem seien dem Kläger knapp 28.000 € aus einer Einkommenssteuererstattung gepfändet und verrechnet worden. Die Erstattung hieraus sei erst am 19.09.2014 erfolgt. Noch im März 2014 habe das Finanzamt gegen den Kläger vollstreckt und Lohn- und Kontenpfändungen durchgeführt.
In der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2015 hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Haftungsbescheid durch Bescheid vom 10.03.2009 auf 82.882,32 € reduziert worden ist, nachdem zuvor schon Reduzierungen vorgenommen worden waren und dem Klägervertreter auf diesen Hinweis Schriftsatznachlass bis zum 13.08.2015 gewährt. Ferner hat der Senat auf die im Urteil des Bundesgerichtshof (dort Rz 25) aufgeführten Darlegungserfordernisse hingewiesen, insoweit aber keinen Schriftsatznachlass gewährt.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung beantragt,
festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache hat.
Die Beklagten haben der Erledigungserklärung des Klägers widersprochen.
Die Beklagten beantragen,
den Feststellungsantrag abzuweisen.
Sie meinen, dass sich die Klage nicht erledigt habe. Denn der vom Kläger verfolgte Zahlungsanspruch sei zu jedem Verfahrenszeitpunkt schon deshalb unbegründet gewesen, weil der Kläger die Steuerforderung noch nicht beglichen gehabt habe. Im Übrigen seien auch die Haftungsvoraussetzungen nicht gegeben gewesen.
Mit Schriftsatz vom 13.08.2015 hat der Kläger die Erledigungserklärung für den Fall widerrufen, dass sich die Beklagten der Erledigungserklärung endgültig nicht anschließen und eine Schriftsatzfrist mit Blick auf die in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes enthaltenen Ausführungen sowie ergänzende Akteneinsicht beantragt.
Vorsorglich hat der Kläger im insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 13.08.2015 den Antrag gestellt,
festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, den Kläger von sämtlichen Schäden freizustellen, die ihm aus dem belastenden streitgegenständlichen Steuerbescheid erwachsen sind.
Die Beklagten haben hierauf nicht weiter erwidert.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
1.
Der Senat hatte seiner Entscheidung den Antrag auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits zu Grunde zu legen, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 25.06.2015 gestellt hat. Der nachfolgende Schriftsatz vom 13.08.2015, in dem dieser Antrag zurückgenommen und die Feststellung einer Freistellungsverpflichtung begehrt wurde, war nicht zu berücksichtigen.
Aus §§ 261 Abs. 2, 297 ZPO folgt, dass Sachanträge in der mündlichen Verhandlung zu stellen sind. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung können gem. § 296a ZPO Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. Neue Sachanträge fallen zwar nicht unter die Vorschrift, sind aber in Anwendung des in diesen Normen enthaltenen Rechtsgedankens gleichwohl unzulässig, sofern die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet wird (vgl. zur Widerklage BGH v. 12. Mai 1992 – XI ZR 251/91 –, NJW-RR 1992, 1085, juris; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 296a Rn. 2a).
Auch aus dem Umstand, dass dem Kläger gem. § 139 Abs. 5 ZPO eine Schriftsatzfrist zur Stellungnahme auf den gerichtlichen Hinweis vom 25.06.2015 gewährt wurde, folgt keine Berücksichtigungsfähigkeit des neuen Antrags. Denn die Stellungnahmemöglichkeit war auf einen bestimmten streiterheblichen Sachverhalt, nämlich die Haftungsreduzierung über die im Urteil des Bundesgerichtshofs hinaus enthaltenen Bescheide, beschränkt. Darüber hinausgehender neuer Sachvortrag war dagegen ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ebenso wenig zu berücksichtigen wie neue Sachanträge (vgl. Greger in: Zöller, a.a.O. § 139 Rn. 14, § 283 Rn. 5; OLG München v. 4. Februar 1981 – 7 U 3098/80 –, MDR 1981, 502-503, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg v. 3. Juni 1994 – 11 U 62/93 –, MDR 1995, 526, juris).
Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war nicht gegeben. Nach § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat diese zu erfolgen, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler, insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Denn der Hinweis des Senats auf die Ausführungen in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 13.10.2011 war für den Kläger, dem diese Entscheidung als Partei zugestellt worden war, nicht überraschend. Auch die beantragte Akteneinsicht in das Sonderheft zum finanzgerichtlichen Verfahren ist für die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Klägers nicht erforderlich, weil dieser in dem finanzgerichtlichen Verfahren ebenfalls Partei war. Auch sonst gab es für den Senat keine Veranlassung, eine Wiedereröffnung gem. § 156 Abs. 1 ZPO anzuordnen. Der Konzentrationsmaxime war insoweit der Vorrang vor dem Interesse des Klägers einzuräumen, mit dem geänderten Antrag die Feststellung einer nicht näher umrissenen Freistellungspflicht zu verfolgen, obschon nach dem Klägervortrag der Großteil der behaupteten Schäden, die im Einzelnen streitig werden dürften, bereits eingetreten sind. Die beabsichtigte Klageänderung wäre daher auch nicht sachdienlich. Diese Schäden sind gegebenenfalls in einem neuen Verfahren geltend zu machen.
Der Antrag ist zulässig. Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung des Klägers ist eine nach § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässige Beschränkung des Klageantrags mit dem Ziel festzustellen, dass die ursprünglich zulässige und begründete Klage nunmehr erledigt ist. Die Erledigungserklärung ist auch noch in der Berufungsinstanz möglich (Vollkommer in: Zöller, a.a.O., § 91a Rn. 34, 37; Lindacher in: Münchner Kommentar, § 91a Rn. 111).
Der Antrag ist aber nicht begründet. Die Klage war im Wesentlichen von Anfang an nicht begründet bzw. der Klägervortrag war nicht ausreichend. Zu einem kleinen Teil hat sich der Rechtsstreit nicht erledigt.
Im Fall der einseitigen Erledigungserklärung hat das Gericht zu prüfen, ob die zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässige und begründete Klage nachträglich gegenstandslos geworden ist (BGH v. 17.07.2003 – IX ZR 268/02 -, BGHZ 155, 392; BGH v. 27.02.1992 – I ZR 35/90 –, NJW 1992, 2236; BGH v. 06.12.1984 – VII ZR 64/84 -, NJW 1986, 589; Zöller-Vollkommer, a.a.O. § 91a Rn. 43f.). Ein erledigendes Ereignis ist der Eintritt einer Tatsache mit Auswirkungen auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage (BGH v. 17.07. 2003 - IX ZR 268/02 -, BGHZ 155, 392). Die Klage stützte sich im noch anhängigen Sachverhaltskomplex auf die Inanspruchnahme des Klägers durch das Finanzamt. Mit dem Wegfall der Forderung des Finanzamtes ist der Schaden des Klägers und damit eine Voraussetzung für die Begründetheit der Klage entfallen. Erledigendes Ereignis war also die - schrittweise erfolgte - Aufhebung des Haftungsbescheids durch das Finanzamt und letztendlich die rechtskräftige Aufhebung des verbleibenden Haftungsbescheids durch die Finanzgerichte.
a)
Von Anfang an unbegründet war das Begehr des Klägers in Bezug auf den Haftungsbescheid vom 03.01.2005 mit einem Betrag von 107.795,55 € bzw. dem Änderungsbescheid vom 27.02.2007 in Höhe von 101.819,55 € schon deshalb, weil diese Bescheide bei Eingang der Klagebegründung beim Landgericht am 03.07.2009 bereits keinen Bestand mehr hatten. Denn das Finanzamt hatte mit Folgebescheiden, zuletzt mit Haftungsbescheid vom 10.03.2009 die Forderung bereits auf 82.882,32 € weiter herabgesetzt. Nur auf diesen Betrag konnte sich das Begehr des Klägers überhaupt noch beziehen.
b)
Der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch war aber auch in Höhe des verbleibenden Betrags von 82.882,32 € von Anfang an nicht begründet. Denn insoweit ist dem Kläger kein Schaden in Höhe der Steuerschuld entstanden. Soweit der Kläger zuletzt die Klage auf die Erstattung von Schäden gerichtet hat, die aus der unberechtigten Inanspruchnahme gefolgt sein sollen, sind diese, wie ausgeführt, nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Besteht der geltend gemachte Schaden im Steuerberaterregress allein in der Belastung mit einer Steuerverbindlichkeit, kann der Geschädigte, solange die Festsetzung der Steuerschuld nicht bestandskräftig geworden ist, vom Schuldner grundsätzlich selbst dann noch keine Zahlung verlangen, wenn dieser die Freistellung von der Verbindlichkeit endgültig abgelehnt hat. Ein Zahlungsanspruch setzt voraus, dass der Kläger tatsächlich mit einer Verbindlichkeit beschwert ist, die Forderung des Steuerfiskus also erfüllen muss. Bekämpft er dagegen die Forderung, von der er Befreiung verlangt mit einem Rechtsbehelf, so bringt dadurch zum Ausdruck, dass er deren Beseitigung noch für möglich, den Anspruch des Dritten also für nicht endgültig gesichert hält. Solange der Kläger gegen den Bestand der Steuerschuld vorgeht, hat er folglich kein berechtigtes Interesse daran, von seinem Schuldner bereits Zahlung zu erhalten. In einem solchen Falle ist grundsätzlich die Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht der richtige Weg (BGH v. 10.12.1992 – IX ZR 54/92 –, NJW 1993, 1137).
Diesen Weg hat der Kläger nicht beschritten. Trotz ausdrücklichen Hinweises der Gegenseite und zuletzt des Bundesgerichtshofes hat der Kläger an seinem Zahlungsantrag festgehalten. Die Inanspruchnahme durch die Finanzverwaltung erfolgte aber materiell-rechtlich zu Unrecht. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof die durch das Finanzgericht im ganz überwiegenden Teil ausgesprochene Aufhebung des Haftungsbescheids mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2014 rechtskräftig bestätigt. Da der Kläger also materiell mit keiner Steuerschuld belastet war, konnte er von den Beklagten auch nicht die Zahlung des Haftungsbetrages verlangen.
Nichts anderes gilt für den Befreiungsanspruch, der gem. § 264 Nr. 2 ZPO als Beschränkung des Klageantrages zu verstehen und regelmäßig als „Weniger“ im Zahlungsanspruch enthalten ist (vgl. Musielak in: Münchner Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 308 Rn. 11; Becker-Eberhard in: Münchner Kommentar, § 264 Rn. 18; OLG Stuttgart v. 23.05.2011 – 13 U 63/11 –, MDR 2011, 1258; BGH v. 25.11.1993 – IX ZR 51/93 -, NJW 1994, 944; BGH v. 18.02.2011 – V ZR 197/10 -, NJW-RR 2011, 1093; OLG Frankfurt v. 27.06.1989 – 3 UF 274/88 –, juris; a.A. Dörner MDR 1995, 240). Denn auch der Anspruch auf Befreiung von einer Schuld setzt ihr Bestehen voraus, die vorliegend, wie ausgeführt, materiell-rechtlich nicht existierte.
Zwar hat der Bundesgerichtshof in Bezug auf vertragliche Freistellungsklauseln entschieden, dass zur Freistellungsverpflichtung regelmäßig auch die Verpflichtung gehöre, etwaige unberechtigte Ansprüche vom Begünstigten abzuwehren (BGH, Urteil vom 19. April 2002 – V ZR 3/01 –, NJW 2002, 2382, juris; BGH v. 24.6.1970 - VIII ZR 268/67 - NJW 1970, 1594; BGH v. 19.01.1983 – IVa ZR 116/81 –, NJW 1983, 1729, juris). So liegt der Fall hier aber nicht. Denn zwischen den Parteien stand nicht in Streit, ob die vom Kläger vorgenommene Rechtsverteidigung gegenüber dem Finanzamt von den Beklagten durchzuführen oder ggf. vorzufinanzieren sei.
c)
Eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten bestand auch nicht mit Blick auf die vom Kläger an die Finanzverwaltung während des laufenden Verfahrens geleisteten Teilbeträge. Ausweislich des Haftungsbescheids vom 10.03.2009 ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung zeitweise einen Betrag von insgesamt 23.860,77 € unrechtmäßig einbehalten hat, der nach dem Klägervortrag erst im Jahr 2014 wieder erstattet worden ist.
Der Bundesgerichtshof hat offen gelassen, ob von dem zum Schadensersatz Verpflichteten dann Zahlung verlangt werden kann, wenn der Schuldner infolge einer Vollstreckung des Dritten oder zu deren Abwehr schon hat leisten müssen (BGH v. 10.12.1992 – IX ZR 54/92 – NJW 1993, 1137). Im vorliegenden Einzelfall ist jedenfalls eine Zahlungspflicht der Beklagten zu verneinen. Denn die Finanzverwaltung hatte durch die Entscheidungen, mit denen die Aussetzung der Vollziehung angeordnet wurde, deutlich gemacht, dass sie nicht auf einer unmittelbaren Erfüllung der Steuerschuld durch den Kläger in voller Höhe bestand. Zuletzt forderte das Finanzamt nur noch die sofortige Bezahlung eines Betrages von 5.851 €. Ausgehend von dem Grundsatz, dass es den Beklagten als Befreiungsschuldnern überlassen war, auf welche Weise sie die Befreiung des Klägers von der Steuerverbindlichkeit bewirken wollten und insoweit grundsätzlich auch anderen Möglichkeiten als Zahlung an den Gläubiger der Verbindlichkeit, wie etwa eine befreiende Übernahme, Aufrechnungsvertrag oder Hinterlegungsvereinbarung als Möglichkeiten offen standen, (vgl. Staudinger/Bittner (2014) BGB § 257 Rn. 7), hatte sich der klägerische Anspruch noch nicht zu einem Zahlungsanspruch verdichtet.
Der Kläger kann auch nicht aus der Eintragung einer Zwangssicherungshypothek auf sein Grundstück einen Zahlungsanspruch ableiten. Zum Einen handelt es sich bei der Hypothek um ein Sicherungsmittel, das, soweit ersichtlich, nicht zu einer Erfüllung durch den Kläger geführt hat. Zum anderen wurde die Hypothek ausweislich des vorgelegten Grundbuchauszugs am 26.08.2008 eingetragen, wohingegen die Vollziehung der Steuerbescheide mit Bescheiden vom 10.10.2008, 29.10.2008 und 02.12.2008 ganz überwiegend ausgesetzt worden ist. Danach gab die Hypothek für den Kläger keine Veranlassung zur Begleichung der vermeintlichen Steuerschuld.
Aus den vom Kläger vorgelegten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen des Finanzamtes C vom 17.12.2010 und des Finanzamtes E vom 14.03.2014, deren Relevanz für den Fall die Beklagten bestritten haben, folgt nichts anderes. Sie betreffen, soweit ersichtlich, andere Fälle. Weder stimmen die Steuernummern und Geschäftszeichen mit dem streitgegenständlichen Haftungsbescheid überein noch ist verständlich, weshalb das Finanzamt nach der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides bzw. sogar nach Rechtskraft der Entscheidung des Bundesfinanzhofs noch weiter gegen den Kläger in dieser Sache hätten vollstrecken sollen.
d)
Schließlich kann der Senat auch aus einem weiteren Grund nicht feststellen, dass die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war. Maßgeblicher Zeitpunkt ist, wie ausgeführt, die Rechtskraft der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 30.01.2014, mit der endgültig die steuerliche Haftung des Klägers verneint worden war. Zu diesem Zeitpunkt – und bis heute - war aber der Vortrag des darlegungs- und beweisbelasteten Klägers nicht ausreichend, um eine Haftung der Beklagten zu begründen. Im Regressprozess ist der streiterhebliche Umsatzsteuersachverhalt und die Auffassung der Finanzverwaltung durch die ordentlichen Gerichte vollumfänglich zu überprüfen. Ihnen obliegt die Aufgabe zu klären, ob der Haftungsvorwurf der Finanzverwaltung gegen den Kläger begründet ist (vgl. BGH v. 13.10.2011 – IX ZR 193/10 - Rn. 25). Trotz der eindeutigen Ausführungen in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 13.10.2011 hat der Kläger weder die tatsächlich eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen im Prüfungszeitraum und im Juni 2003 vorgelegt noch hat er dargelegt, dass ihm eine Einsicht in die Umsatzsteuerakten der Finanzverwaltung trotz des Anfechtungsprozesses gegen den Haftungsbescheid weiterhin verwehrt worden wäre. Auch hätte der Kläger darlegen müssen, wie es zu der allgemeinen Prüfungsfeststellung des Finanzamtes in dem Bericht vom 18.06.2004 kommen konnte, dass auch die GmbH nach dem Prüfungsbeginn am 12.06.2003 nicht für Auskünfte zur Verfügung stand, welchen Einfluss dies auf die Sachverhaltsfeststellung der Finanzverwaltung gehabt hat, inwieweit diese unrichtig ist und wie sie von Seiten der Beklagten hätte rechtzeitig richtig gestellt werden können (BGH, a.a.O., Rn. 26, 27).
Angesichts des fehlenden Tatsachenvortrags des Klägers war der Senat nicht in der Lage, die erheblichen Feststellungen zu treffen. Dass insoweit nicht nur nach Auffassung des Bundesgerichtshofes, sondern auch nach der des Senates noch weiterer Sachvortrag erforderlich war, hat der Senat auch mit Beschluss vom 12.06.2012 deutlich gemacht.
e)
In Höhe eines Betrages von 399,21 €, in dem der Haftungsbescheid nach dem Urteil des Finanzgerichts Bestand hatte, kann die Erledigung darüber hinaus nicht festgestellt werden, weil der Rechtsstreit insoweit nicht erledigt ist. Auch insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen, wonach dem Senat mangels ausreichenden Tatsachenvortrags des Klägers die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten fehlen.
3.
Die Revision war nicht zuzulassen, da nur die Rechtsanwendung im Einzelfall im Streit stand.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
bis 30.06.2011: 209.967,91 €
bis 13.10.2011: 107.795,55 €
bis 31.10.2014: 101.819,55 €
ab 01.11.2014: 67.000 € (Kosteninteresse).
Meta
03.09.2015
Oberlandesgericht Köln 8. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: U
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 03.09.2015, Az. 8 U 12/10 (REWIS RS 2015, 5877)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 5877
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
Bundesgerichtshof, IX ZR 193/10, 13.10.2011.
Oberlandesgericht Köln, 8 U 12/10, 03.09.2015.
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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4 Sa 400/14 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)
Haftung für Umsatzsteuer - Voraussetzungen der Inanspruchnahme für einen Umsatzsteuerrückforderungsanspruch - Maßgeblichkeit der formellen Bescheidlage