Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2015, Az. IV ZR 189/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9625

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 189/15

Verkündet am:

17. Juni 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 27.
Mai
2015 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des 7.
Zivilsenats des [X.] vom 31.
März
2011 wird als unzulässig verworfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß §
5a [X.] erklärten Widerspruch gestützt ist.

Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsur-teil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 17.724,94

festgesetzt.

Von Rechts wegen
-
3
-

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung mit Absicherung des Todesfallrisikos.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. [X.] mit [X.] zum 1.
Dezember 2003
nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit
gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.]) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. [X.] mit dem Versicherungsschein, der eine Belehrung über das Widerspruchsrecht nach §
5a [X.]
enthielt,
die [X.] und eine Verbraucherinformation nach §
10a des [X.] (VAG).
Bis August 2005 zahlte d. [X.] die Prämien. Nach erfolgloser Mahnung kündigte der Versicherer den Vertrag und zahlte im März 2006 den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 11.
August
2009 erklärte d. [X.] den Widerspruch nach §
5a Abs.
1 Satz
1 [X.]

Mit der Klage verlangt d. [X.] -
soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung
-
Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten [X.] nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], ins-gesamt
17.724,94

.

Nach Auffassung d. [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Gemein-schaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] habe der [X.] noch erklärt werden können. Außerdem sei der Versicherer 1
2
3
4
-
4
-

wegen Aufklärungspflichtverletzung nach den Grundsätzen des [X.] bei Vertragsschluss zum Schadensersatz verpflichtet.

Der Versicherer hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß §
5a [X.] erklärten Widerspruch gestützt ist. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Selbst wenn
man den Hinweis im übersandten Versicherungsschein auf das Widerspruchsrecht nicht für ausreichend erachten wollte, weil er -
jedenfalls in dem im Prozess vor-gelegten Exemplar
-
nicht drucktechnisch so hervorgehoben gewesen sei, wie dies gemäß §
5a Abs.
2
Satz
1 [X.] erforderlich gewesen wäre, mit der Folge, dass die Widerspruchsfrist nicht angelaufen wäre, so wäre der Vertrag zwar nicht gemäß §
5a Abs.
1 Satz 1 [X.] be-reits 14 Tage nach Übersendung des Versicherungsscheins und der not-wendigen Unterlagen, aber gemäß § 5a Abs.
2 Satz 4 [X.] ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam [X.].
5
6
7
8
-
5
-

Schadensersatzansprüche wegen Provisions-
und Abschlusskosten stünden d. [X.] nicht zu.

[X.] Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des mit ihr [X.] Schadensersatzanspruchs unzulässig.

Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch nach §
5a [X.] für unwirksam erachtet hat. Es hat die Revision be-schränkt auf die Frage zugelassen, ob §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] mit europäischem
Recht vereinbar sei. Diese in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck ge-brachte Beschränkung der Revisionszulassung auf den aus dem [X.] abgeleiteten Bereicherungsanspruch ist wirksam. Der diesem zu-grunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hin-sicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgebli-chen Prozessstoff beurteilt werden (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 -
[X.], [X.], 101 Rn.
11).

I[X.] Die Revision ist begründet.

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB kann d. [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen [X.] nicht versagt werden.

a) Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachver-halt ist davon auszugehen, dass der von d. [X.] erklärte Widerspruch

ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] normierten 9
10
11
12
13
14
-
6
-

Jahresfrist
-
rechtzeitig war und infolgedessen der zwischen den [X.] geschlossene Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekom-men ist.

aa) Das Berufungsgericht hat ohne revisionsrechtlich zu [X.] erwogen, dass der Versicherer d. [X.] nicht gemäß §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] in drucktechnisch deutlicher
Form über das [X.]srecht belehrt habe, da
in dem bei den Gerichtsakten befindlichen Exemplar des Policenbegleitschreibens
die Widerspruchsbelehrung, nicht drucktechnisch hervorgehoben
sei.
Abschließende Feststellungen zur Ordnungsgemäßheit der Belehrung hat das Berufungsgericht noch nicht getroffen.

bb) Wenn d. [X.] -
was für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist
-
nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt worden ist, bestand das Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und
noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] -
wie hier
zu unterstellen
-
nicht ordnungsgemäß über das 15
16
17
-
7
-

Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherin-formation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

b) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits voll-ständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

c) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Ein etwaiger [X.] war bei Erhebung der Klage im Juni 2010 noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebli-che regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des §
195 BGB nicht abge-laufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2009 beginnen, da d. [X.] erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem [X.] gemäß §
5a [X.] geltend gemachte Bereicherungsan-spruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte d. [X.] Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8.
April 2015 -
IV ZR 103/15, [X.], 865 Rn.
19
ff.).

3. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-18
19
20
21
-
8
-

cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.).

Da es auch hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.09.2010 -
22 O 260/10 -

O[X.], Entscheidung vom 31.03.2011 -
7 [X.] -

22

Meta

IV ZR 189/15

17.06.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2015, Az. IV ZR 189/15 (REWIS RS 2015, 9625)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9625

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZR 76/11

IV ZR 103/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.