Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.05.2012, Az. IV ZR 250/11

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6155

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 250/11

Verkündet am:

23. Mai 2012

Bott

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja

[X.]Z:
ja

[X.]R:
ja

BGB § 2325

Der [X.]sanspruch -
hier eines Abkömmlings
-
nach § 2325 Abs.
1 BGB setzt nicht voraus, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits im [X.]-punkt der Schenkung bestand (Abkehr von den [X.] vom 21.
Juni 1972

[X.], [X.], 210 und vom 25. Juni 1997
IV ZR 233/96, [X.] 1997, 373).

[X.], Urteil vom 23. Mai 2012 -
IV ZR 250/11 -
OLG Hamm

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterin
[X.] und [X.] Karczewski
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2012

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 11.
Oktober 2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die am 18.
Juni 1976 geborene Klägerin zu
1 sowie der am 4.
No-vember 1978 geborene Kläger zu
2 machen gegen die Beklagte, ihre Großmutter, im Wege der Stufenklage Pflichtteils-
und Pflichtteilsergän-zungsansprüche nach ihrem am 26.
April 2006 verstorbenen Großvater geltend. Die Großeltern, die im Güterstand der Gütertrennung lebten, hatten vier Kinder, unter anderem die 1984 vorverstorbene Mutter der Kläger. Am 8.
März 2002 errichteten die Beklagte und der Erblasser ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament, in dem sie sich gegen-seitig zu "alleinigen und befreiten Vorerben" sowie ihre noch lebenden Kinder zu "Nacherben des Erstversterbenden und Erben des Längstle-benden" einsetzten.

1
-
3
-

Nach dem Tod des Erblassers verlangten die Kläger Auskunft über den [X.] sowie den Wert der Nachlassimmobilien. Die [X.] antwortete hierauf u.a. mit anwaltlichem Schreiben vom 27.
Febru-ar 2007. Im [X.] an weiteren Schriftwechsel fand am 21.
August 2007 ein Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der [X.]n statt. Diese wurde aufgrund von Unstimmigkeiten über den Um-fang der Auskunftsverpflichtung nicht abgegeben.

Durch Schriftsatz vom 19.
Januar 2009 beantragten die Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine von ihnen beabsichtigte [X.], mit der sie die Beklagte auf Zahlung von je 3.501,33

nehmen wollten sowie im Wege der Stufenklage auf Auskunft durch Vor-lage eines notariell aufgenommenen Verzeichnisses, Abgabe der eides-stattlichen Versicherung und Zahlung. Noch vor Zustellung der Klage zahlte die Beklagte je 3.501,33

Das [X.] hat
der Auskunftsklage stattgegeben, ferner festgestellt, dass die Beklagte ver-pflichtet ist, die mit der [X.] verursachten Kosten der Rechtsverfolgung hinsichtlich des ursprünglichen [X.] zu tragen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel der Beklagten, soweit es sich auf den Feststellungs-ausspruch bezieht, als unzulässig verworfen und im Übrigen
mit Aus-nahme des
Antrags auf Wertermittlung

zurückgewiesen. Ferner hat es das landgerichtliche Urteil aufgehoben, soweit die noch nicht gestellten Klaganträge bezüglich eidesstattlicher Versicherung und Zahlung abge-wiesen worden waren,
und die Sache insoweit an das [X.] zu-rückverwiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabwei-sungsantrag weiter.

2
3
-
4
-

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Über die Revision der [X.] ist, obwohl die Klägerin zu
1) im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten war durch streitiges Endurteil (unechtes [X.]), nicht durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da sich die Revision auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Juli 2011 -
[X.]
ZR 28/10, NJW 2011, 3372 Rn.
6 m.w.N.).

[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Rechtsmittel der [X.]n gegen die im landgerichtlichen Urteil ausgesprochene Fest-stellung ihrer Kostentragungspflicht im Hinblick auf den ursprünglich [X.] [X.] sei unzulässig, weil es entgegen §
520 Abs.
3 ZPO nicht begründet worden sei. Unbegründet sei die Berufung der Beklagten, soweit sie sich gegen die Auskunftsverpflichtung richte. Den Klägern stehe ein Anspruch auf Vorlage eines notariell aufgenom-menen Verzeichnisses gemäß §
2314 Abs.
1 Satz
3 BGB zu. Dieser [X.] sei nicht verwirkt. Das Nachlassverzeichnis habe unter anderem
die lebzeitigen Schenkungen des Erblassers an die Beklagte sowie an dritte Personen in
den letzten Jahren vor dem Tod des Erblassers zu
er-fassen. Die [X.] nach §
2325 BGB und der [X.] umfassten auch die Schenkungen, die der Erblasser vor der [X.] der [X.]en Kläger vorgenommen habe. Aus der Ent-stehungsgeschichte der Norm ergebe sich, dass es allein auf die Pflicht-teilsberechtigung im [X.]punkt des [X.] ankomme. Ziel des §
2325 BGB sei es ungeachtet gewandelter [X.] Verhältnisse, den nächsten Angehörigen des Erblassers ihre nach Art.
14, Art.
6 GG verfassungs-4
5
-
5
-

rechtlich garantierte Teilhabe am Nachlass zu bewahren. Die zeitliche Befristung der Ausgleichspflicht in §
2325 Abs.
3 BGB lasse sich nicht für die Annahme heranziehen, die Vorschrift schütze primär eine be-stimmte Erberwartung.
Eine Differenzierung der [X.] nach dem Bestehen eines Pflichtteilsrechts zum [X.]punkt der Schenkung liefe zumindest bei nachgeborenen
Angehörigen
der gesetzgeberischen Ent-scheidung zuwider, die dem Erblasser nachfolgenden Stämme zu glei-chen Teilen am Nachlass zu beteiligen. Die Anknüpfung an den [X.]-punkt der Geburt sei zufällig und stehe mit dem Sinn und Zweck der Ausgleichspflicht in keinem Zusammenhang. Auf die jeweilige [X.] oder Schutzbedürftigkeit des Pflichtteilsberechtigten komme es demgegenüber nicht an.
Soweit das [X.] die Klage im Übrigen abgewiesen habe, sei das Urteil gemäß §
538 Abs.
2 Nr.
4 ZPO aufzu-heben und der Rechtsstreit an das [X.] zurückzuverweisen. Es habe [X.] über sämtliche Stufen der Stufenklage ent-schieden, obwohl
neben dem bereits erhobenen ursprünglichen Zah-lungsanspruch

zunächst nur der Auskunftsantrag gestellt worden sei.

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel der [X.]n gegen die im landgerichtlichen Urteil ausgesprochene Feststel-lung der Kostentragungspflicht als unzulässig verworfen. Gemäß §
520 Abs.
3 ZPO muss die Berufungsbegründung bei mehreren prozessualen Ansprüchen eine Begründung für jeden der Ansprüche enthalten ([X.], Urteil vom 29.
November 1956
[X.], [X.]Z 22, 272, 278; [X.]/
[X.], ZPO 29.
Aufl. §
520 Rn.
27, 37 m.w.N.). Daran fehlt es. Die Be-rufungsbegründung rügt
die
Verletzung rechtlichen Gehörs sowie materi-6
7
-
6
-

ellen Rechts bei der Anwendung von §
2325 BGB. Diese Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die Stufenklage und den Umfang der Auskunftspflicht im Hinblick auf [X.]sansprüche. Dem Feststellungsantrag lag demgegenüber eine Zahlungsklage zugrunde, mit der die
Kläger unabhängig von einer Auskunftserteilung bereits eine Teilzahlung auf ihren Pflichtteil geltend machten. Nach Zahlung [X.] das [X.] den Feststellungsantrag für begründet, weil die [X.] durch die Zustellung des Klagentwurfs im [X.] in Verzug gekommen sei. Diese Feststellungen sind von der [X.]n nicht angegriffen
worden. Entgegen der Auffassung der Revision genügen die allgemeinen Ausführungen am Beginn der [X.], dass das angefochtene Urteil einer Überprüfung nicht stand-halte, sich als fehlerhaft darstelle und auf den Hauptantrag aufzuheben sei,
nicht.

2. Den Klägern steht als Pflichtteilsberechtigten nach ihrem [X.] gemäß §
2314 Abs.
1 Satz
3 BGB ein Anspruch auf [X.] über
den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariell aufgenommenen Verzeichnisses zu. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte auf Anforderung der Kläger bereits mehrfach privatschriftliche Auskünfte (durch Rechtsanwälte) erteilt hatte. Die verschiedenen Arten von Auskunftsansprüchen nach §
2314 Abs.
1 BGB (auf ein privates [X.] nach Satz
1, auf ein Verzeichnis unter Zuziehung des [X.] gemäß Satz
2 sowie auf ein amtliches Verzeichnis nach Satz
3) stehen nicht in einem Alternativverhältnis. Vielmehr kann der Gläubiger sie neben oder hintereinander geltend machen. Insbesondere kann er verlangen, dass der Erbe trotz Vorlage eines privaten Verzeichnisses danach noch ein amtliches Verzeichnis vorlegt ([X.], Urteil vom 2.
No-vember 1960
V ZR
124/59, [X.]Z 33, 373, 378
f.; [X.] [X.] 2008, 8
-
7
-

383, 385; OLG [X.] [X.] 2007, 329). Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes als auch aus seinem Sinn und Zweck. Ein notarielles Verzeichnis bietet eine größere Gewähr für Klarheit, Über-sichtlichkeit und Richtigkeit.

3. Dieser Auskunftsanspruch ist nicht gemäß § 242 BGB verwirkt. Ein Recht ist erst dann verwirkt, wenn der Berechtigte es längere [X.] hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf einge-richtet hat sowie sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde ([X.], Urteile vom 6.
März 1986
[X.], [X.]Z 97, 212, 220
f.; vom 20.
Oktober 1988
V[X.] ZR 302/87, [X.]Z 105, 290,
298; [X.]/[X.], BGB 71.
Aufl. §
242 Rn.
87, 93
ff.).

Einen solchen Fall hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei [X.]. Entgegen der Auffassung der Revision lässt das Berufungsurteil insbesondere auch keinen Rechtsfehler erkennen, soweit
das [X.] in dem Verhalten der Kläger auf die von der [X.] erteilten Auskünfte keinen ausreichenden Umstand gesehen hat, der bei der Beklagten das Vertrauen hätte wecken können, die [X.] ihr Recht nicht mehr geltend machen.
Die Revision übersieht bereits, dass das Verlangen eines amtlichen Verzeichnisses nach Vorlage eines Privatverzeichnisses allenfalls bei Feststellung besonderer Umstände im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein kann; dafür genügt der reine [X.]ab-lauf gerade nicht ([X.], Urteil vom 2.
November 1960 [X.]O). Es ist daher unerheblich
ist, dass die Kläger nach der privatschriftlichen Auskunftser-teilung im Schreiben vom 27.
Februar 2007 annähernd zwei Jahre ge-wartet haben, bis sie am 19.
Januar 2009 einen [X.] zwecks Auskunftserteilung durch ein notariell aufgenommenes Ver-9
10
-
8
-

zeichnis gestellt haben. Sie haben vorher nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie sich mit der bisherigen Auskunftserteilung zufrieden geben oder gar auf das ihnen zusätzlich zustehende Recht auf ein notarielles [X.] verzichten.
Der Streit der Parteien über den Inhalt der [X.] bestand weiterhin, wie sich in dem gescheiterten Versuch zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung am 21.
August 2007 zeigte. Die Beklagte hat vor Klagerhebung keine Zahlungen an die Klä-ger geleistet, aufgrund derer sie darauf hätte vertrauen dürfen, weitere Forderungen ihr gegenüber würden nicht mehr geltend gemacht werden.

4. Zum auskunftspflichtigen Bestand des Nachlasses gehören
nicht nur die beim Erbfall tatsächlich vorhandenen Nachlassgegenstände, sondern auch sonstige Faktoren, die der Berechnung des Pflichtteils zu-grunde zu legen sind, insbesondere Schenkungen gemäß §
2325 BGB einschließlich unbenannter Zuwendungen unter Ehegatten ([X.], Urteil vom 2.
November 1960 [X.]O; Senatsurteil vom 27.
November 1991
IV ZR 164/90, [X.]Z 116, 167).

a) Der [X.]sanspruch der Kläger bezieht sich auch auf solche unentgeltlichen Zuwendungen, die der Erblasser vor ih-rer Geburt vorgenommen hat. Demgegenüber setzt der Anspruch nicht voraus, dass die Pflichtteilsberechtigung sowohl im [X.]punkt des Erbfal-les als auch schon zur [X.] der Schenkung bestanden hat, -

sogenannte Theorie der Doppelberechtigung (so bisher Senatsurteile
vom 21.
Juni 1972
[X.], [X.], 210, 212
ff.; vom 25.
Juni 1997
IV ZR 233/96, [X.] 1997, 373 unter [X.]; so auch [X.] [X.] 2005, 398;
LG [X.] [X.] 1999, 30; [X.]/[X.], §
2325 Rn.
4; [X.], [X.] 2000, 268, 269
f.; [X.], FamRZ 1998, 1152, 1155-1157).
Seine dem entgegenstehende Rechtsprechung gibt der Senat auf.
11
12
-
9
-

Für den [X.]sanspruch kommt es allein auf die Pflichtteilsberechtigung im [X.]punkt des [X.] an (so auch

[X.]/[X.], 5.
Aufl. §
2325 Rn.
7-10; [X.]/[X.], BGB [2006] §
2325 Rn.
64, 66; [X.]/[X.], BGB 13.
Aufl. Vorb. §§
2325-2331; [X.] in [X.]/[X.], BGB 3.
Aufl. §
2325 Rn.
3;
[X.]/[X.] in [X.], Praxiskommentar Erbrecht §
2325 Rn.
5-8; Mu-scheler, Erbrecht Bd.
[X.]
Rn.
4217-4224; ders. [X.] 2010, 246, 247
ff. v.
[X.], Erbrecht I S.
592; [X.], Erbrecht 24.
Aufl. Rn.
562; [X.]/Kuchinke, Erbrecht 5.
Aufl. §
37 [X.]); [X.]/[X.], Erbrecht 14.
Aufl. §
13 [X.]I 2; [X.], NJW 2006, 2948, 2949
f.; [X.], [X.] 1999,
31; ders. [X.] 1997, 375; [X.], [X.] 1998, 85, 87
ff.; [X.], [X.], 2, 4
f.; [X.], [X.] 1997, 299; [X.], NJW 1973, 597; vermittelnd unter anderem [X.], [X.] 1997, 717, 718
f.; [X.], 488, 489, der darauf abstellt, ob für den Erblasser im [X.]punkt der Schenkung absehbar war, ob mit weiteren Pflichtteilsbe-rechtigten zu rechnen sei).

b) Dies rechtfertigt sich aus folgenden Überlegungen:

[X.]) Dem Wortlaut des
§
2325 Abs.
1 BGB lässt sich nicht entneh-men, dass es für die Pflichtteilsberechtigung nicht nur auf den Erbfall, sondern auch auf den [X.]punkt der Schenkung ankommt (vgl. [X.]/[X.] [X.]O Rn.
64; [X.]/[X.] [X.]O; [X.] [X.]O; [X.] [X.]O 86
f.). Die Vorschrift gewährt dem Pflichtteilsberechtigten einen
Er-gänzungsanspruch, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat. Für die Pflichtteilsberechtigung und den daraus resultie-renden Anspruch ist hiernach allein der [X.]punkt des [X.] maßge-bend.
13
14
15
-
10
-

bb) Hierfür spricht auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. So sah §
2009 des [X.] noch ausdrücklich vor, dass der Pflichtteilsberechtigte bereits zur [X.] der Schenkung vorhan-den und [X.] war (vgl. Protokolle V S.
585-587; zur Ent-stehungsgeschichte [X.] [X.]O Rn.
4217; [X.] [X.]O 2; [X.] [X.]O 89). Die Mehrheit der [X.] lehnte indessen nach in-tensiver Erörterung die zunächst vorgesehene Einschränkung ausdrück-lich ab. Unter anderem
heißt es (Protokolle V S.
586
f.):

der Schenkung zu Grunde zu legen, ist [X.] nothwendig. Der richtige Gedanke sei der: ein [X.] Theil des Nachlasses solle nach dem Willen des Gesetzgebers den nächsten Angehörigen gesichert werden. Damit nun nicht dieser Theil des Kapitals, auf
welchen die Familie mehr oder minder angewiesen sei, verloren gehe, gewähre das Gesetz gegen solche Schenkungen, die das Recht der [X.] thatsächlich vereiteln würden, eine Art Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Eine Unbilligkeit gegen den Erblasser oder den [X.] könne nicht zugestanden werden, denn der Beschenk-te, welcher nach §
2016 nur auf den Betrag seiner Berei-cherung hafte, verdiene weniger Rücksicht und sei auch in anderen Fällen in seinem Erwerbe weniger gesichert,
der Verfügungsfreiheit des Erblassers aber stehe das Recht der Familie gegenüber"

cc) Dem steht eine etwaige Veränderung der wirtschaftlichen und [X.] Verhältnisse seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen [X.] nicht entgegen (so noch
Senatsurteil vom 21.
Juni 1972 [X.]O 212-214).
Es ist nicht einsichtig, warum sich diese Änderung weg von einer Gesellschaft, die im Wesentlichen noch von der Landwirtschaft und der bäuerlichen Wirtschaft geprägt gewesen ist, auf die Frage auswirken soll, ob die
Pflichtteilsberechtigung schon im [X.]punkt der Schenkung 16

17
-
11
-

bestanden haben muss oder nicht ([X.] [X.]O). Ausweislich der Ent-stehungsgeschichte des Gesetzes spielten die [X.] und wirtschaftli-chen Verhältnisse keine entscheidende Rolle
dafür, dass die Mehrheit der [X.] sich ausdrücklich gegen das Erfordernis entschied, die Pflichtteilsberechtigung müsse bereits im [X.]punkt der Schenkung be-standen
haben (vgl. Protokolle V S.
586
f.; ferner [X.], [X.] 1997, 717).

[X.]) Gegen die "Theorie der Doppelberechtigung"
spricht ferner
der Sinn und Zweck des [X.]sanspruchs. Grundgedanke des Pflichtteilsrechts ist die Mindestteilhabe naher Angehöriger
am Ver-mögen des Erblassers. Diese sollen an den von ihm während seines Le-bens geschaffenen Vermögenswerten durch einen schuldrechtlichen [X.] in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbrechts partizipieren. Um eine Verkürzung dieses Teilhabeanspruchs zu verhindern, hat der Ge-setzgeber den Pflichtteilsanspruch hinsichtlich des konkret beim Erbfall vorhandenen Nachlasses um den [X.]sanspruch wegen erfolgter Schenkungen gegen den Erben bzw. Beschenkten nach §§
2325, 2329 BGB ergänzt. Hierfür
ist es unerheblich, ob der im Erbfall Pflichtteilsberechtigte schon im [X.]punkt der Schenkung pflichtteilsbe-rechtigt war oder nicht (so auch [X.]/[X.]
[X.]O
Rn.
8; [X.]/[X.] [X.]O; [X.] [X.]O Rn.
4219; [X.] [X.]O 5; [X.] [X.]O 2950; [X.], [X.] 1997, 375; [X.] [X.]O 598; [X.] [X.]O 88
ff.).

ee) Ohne Bedeutung ist bei dem hier zur beurteilenden [X.],
dass
derjenige, der erst nach der Schenkung [X.] geworden sei, beim Erblasser nie andere Vermögensverhältnisse kennengelernt habe als diejenigen, 18
19
-
12
-

die nach der Schenkung vorhanden gewesen seien (so Senatsurteil vom 21.
Juni 1972 [X.]O 215 für einen erst nach der Schenkung pflichtteilsbe-rechtigt gewordenen neuen Ehegatten). Auch bei nichtehelichen
Kindern, Kindern
geschiedener oder getrennt lebender Eltern sowie allgemein jungen
Kindern, kann es im Einzelfall so sein, dass sie nie in der Lage gewesen sind, eine Vorstellung von den Vermögensverhältnissen des Erblassers zu entwickeln und sich in diese einzuleben. Waren diese Kin-der im [X.]punkt der Schenkung geboren, so steht ihnen gleichwohl ein [X.]sanspruch zu
(so auch [X.] [X.] 2005, 398).
Warum für nach der Schenkung geborene Kinder etwas anderes gelten soll, ist sachlich nicht zu erklären.

Zudem sind subjektive Elemente
wie Kenntnis und Eingewöhnung des Pflichtteilsberechtigten in die Vermögensverhältnisse des Erblassers sowie fehlende oder bestehende Absicht der Pflichtteilsverkürzung durch den Erblasser bei Schenkungen vor Entstehen der Pflichtteilsberechti-gung der Vorschrift des §
2325 Abs.
1 BGB fremd. Auch auf irgendeine Art von Benachteiligungsabsicht, wie sie etwa für §
2287 BGB vorausge-setzt wird, kommt es bei der [X.] nicht an.

ff) Das Erfordernis der Pflichtteilsberechtigung nicht nur im [X.]-punkt des [X.], sondern schon bei der Schenkung führt ferner zu [X.] mit Art.
3 Abs.
1 GG nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung von Abkömmlingen
(vgl. [X.]/[X.] [X.]O Rn.
66; [X.] [X.]O Rn.
4220; [X.] [X.]O 94; [X.] [X.]O; [X.], [X.] 1997, 375; [X.] [X.]O 600; [X.] [X.]O 4
f.; [X.]/[X.] [X.]O; [X.]/[X.] Rn.
7). Hat der Erblasser mehrere Kinder und sind einige im [X.]punkt vor der Schenkung sowie einige danach geboren, so werden letztere
hinsichtlich des [X.]sanspruchs ungleich behan-20
21
-
13
-

delt. Das verstößt
gegen den Grundsatz des §
1924 Abs.
4 BGB, wonach Kinder zu gleichen Teilen erben. Ein nach Art.
3 Abs.
1 GG sachlich ge-rechtfertigter Grund für eine derartige Ungleichbehandlung der Kinder besteht nicht. Ihre Pflichtteilsberechtigung beruht nicht auf einem eige-nen Dispositionsakt,
sondern lediglich auf ihrer
Geburt. Geht
es um eine Mindestteilhabe am Vermögen des Erblassers, kommt eine Differenzie-rung zwischen den Abkömmlingen danach, ob sie vor oder nach der Schenkung geboren wurden, nicht in Betracht.

Die Zufälligkeit der Ergebnisse auf der Grundlage der Theorie der Doppelberechtigung zeigt sich anschaulich im vorliegenden Fall. Die [X.] und der Erblasser hatten vier Kinder, von denen im [X.]punkt des [X.] noch drei lebten. Die Mutter der Kläger war 1984 vorverstor-ben. Zwar ist der genaue [X.]punkt sämtlicher Schenkungen des [X.] an die Beklagte nicht bekannt. Soweit es aber etwa um eine Grund-stücksschenkung des Erblassers an die Beklagte aus dem [X.] geht, steht fest, dass die Mutter der 1976 und 1978 geborenen Kläger zu diesem [X.]punkt noch lebte. Wäre sie nicht danach verstorben und hätte den Erblasser wie ihre drei Geschwister überlebt, so hätte ihr ein Pflicht-teilsergänzungsanspruch zugestanden. Wäre sie erst nach dem Erbfall verstorben, hätten die Kläger an diesem [X.]sanspruch ihrer Mutter, sei es als Erben, sei es ihrerseits als Pflichtteilsberechtigte, partizipiert. Für den [X.]sanspruch kann es aber nicht darauf ankommen, ob die Mutter der Kläger noch vor dem Erbfall ver-storben ist
oder erst danach. Dies führte zu einer ungerechtfertigten Be-nachteiligung des Stammes der Kläger und ihrer Mutter gegenüber den anderen drei Kindern
und unterliefe das
Eintrittsrecht der Kläger nach §
1924 Abs.
3 BGB sowie die dort geregelte Erbfolge nach Stämmen 22
-
14
-

(anders konsequent auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung [X.] [X.]O 268
f.; [X.] [X.]O 1155
f.).

gg) Dem Rechtsgedanken des §
2325 Abs.
3 BGB
lässt sich gleichfalls keine Rechtfertigung der Theorie der [X.] (so noch Senatsurteil vom
25.
Juni 1997 [X.]O unter [X.] c). §
2325 Abs.
1 und 3 BGB haben unterschiedliche [X.]. In Absatz
1 geht es darum, ob und unter welchen Voraussetzungen ein [X.]sanspruch in Betracht kommt. Hierzu gehört die Frage, ob der Pflichtteilsberechtigte diese Stellung bereits im [X.]punkt der Schenkung innegehabt haben muss. Demgegenüber enthält §
2325 Abs.
3 BGB eine Schutzvorschrift für den Beschenkten, wonach mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall zurückliegende Schenkungen unberücksich-tigt bleiben sollen. Mit der Frage der Pflichtteilsberechtigung dem [X.] nach befasst sich diese Vorschrift demgegenüber nicht (vgl. auch [X.] [X.]O 92; [X.] [X.]O 4; [X.] [X.]O 598
f.). Insoweit ist die Grundentscheidung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, der Beschenkte "verdiene weniger Rücksicht" (Protokolle V S.
587).

5. Ohne Erfolg rügt die Revision,
dass das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil, soweit die noch nicht gestellten Klageanträge zu [X.] und [X.]I (eidesstattliche Versicherung und Zahlung im Rahmen der [X.]) abgewiesen worden sind, aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen hat. Das [X.] hatte dem Auskunfts-
sowie dem Feststellungsantrag im Wesentlichen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Eine Entscheidung über die weiteren Stu-fen
der Stufenklage
kam noch nicht in Betracht, weil die Kläger diese [X.] noch nicht
gestellt hatten. Tatsächlich hat das [X.] diese noch nicht gestellten Anträge auch nicht abweisen wollen. Es
hat im Tat-23
24
-
15
-

bestand bei den Klägeranträgen nur den Auskunftsanspruch in der [X.] Stufe sowie den unabhängig davon bestehenden [X.] als gestellt wiedergegeben. In den Entscheidungsgründen finden sich keine Ausführungen zu den noch nicht gestellten weiteren Anträgen der [X.]. Aus Sicht des [X.]s lag daher eine offensichtliche Un-richtigkeit gemäß §
319 ZPO vor. Ausweislich seines Schreibens vom 6.
August 2009 hatte es auch eine Berichtigung nach §
319 ZPO beab-sichtigt, zu der es dann nicht mehr kam.

Soweit das Berufungsgericht, weil es nicht von einem Anwen-dungsfall des §
319 ZPO ausgegangen ist, wegen der Klagabweisung das landgerichtliche Urteil gemäß §
538 Abs.
2 Nr.
4 ZPO aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen hat, liegt hierin entgegen der [X.] der Revision in der Sache jedenfalls kein Verstoß gegen das [X.] ("reformatio in peius") und die Bindung an die [X.] gemäß §
528 ZPO. Der Beklagten ist durch das landge-richtliche Urteil nichts zugesprochen worden, was ihr durch das [X.] wieder genommen worden wäre. Es handelt sich vielmehr

25
-
16
-

lediglich um eine Klarstellung des Inhalts, dass über die weiteren Anträ-ge der Stufenklage erstinstanzlich nach erteilter Auskunft zu entscheiden sein wird.

[X.]
[X.]
[X.]

[X.]
Dr. Karczewski

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.07.2009 -
12 O 27/09 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 11.10.2011 -
I-10 [X.]/09 -

Meta

IV ZR 250/11

23.05.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.05.2012, Az. IV ZR 250/11 (REWIS RS 2012, 6155)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6155

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 250/11 (Bundesgerichtshof)

Pflichtteilsergänzungsanspruch eines Abkömmlings


IV ZR 230/08 (Bundesgerichtshof)

Pflichtteilsrecht: Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei schenkweiser Zuwendung der Todesfallleistung eines Lebensversicherungsvertrages an einen Dritten im …


IV ZR 73/08 (Bundesgerichtshof)

Pflichtteilsrecht: Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei schenkweiser Zuwendung der Todesfallleistung eines Lebensversicherungsvertrages an einen Dritten im …


IV ZR 230/08 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 73/08 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZR 250/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.