Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 26.02.2020, Az. 1 BvL 1/20

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2020, 2678

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Unzulässige Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB XII (juris: SGB 12; Ausschluss von Sozialleistungen für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht) - Nichtanwendbarkeit des § 23 Abs 3 S 7 SGB 12 nicht hinreichend begründet


Tenor

Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

1

Das Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG betrifft den Ausschluss von Ausländern ohne Aufenthaltsrecht von Leistungen der Sozialhilfe gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.].

2

§ 23 [X.] lautet auszugsweise wie folgt:

(1)

(2) Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten keine Leistungen der Sozialhilfe.

(3)

2. sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,

….

1. Leistungen zur Deckung der [X.]edarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege,

2. Leistungen zur Deckung der [X.]edarfe für Unterkunft und [X.]eizung in angemessener [X.]öhe, einschließlich der [X.]edarfe nach § 35 Absatz 4 und § 30 Absatz 7,

3. die zur [X.]ehandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche [X.]ehandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur [X.]esserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen und

4. Leistungen nach § 50 Nummer 1 bis 3.

3

Im sozialgerichtlichen Ausgangsverfahren begehren die dortigen Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) im Wege des Eilrechtsschutzes die [X.]ewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem [X.]. Die Antragsteller sind nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts seit dem 1. März 2010 durchgehend in [X.] gemeldet und besitzen nur die [X.] Staatsbürgerschaft. Im März 2018 stellte die Ausländerbehörde den Verlust des Freizügigkeitsrechts der Antragsteller gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 [X.]/[X.] und die daraus folgende Ausreisepflicht fest. Sie drohte den Antragstellern die Abschiebung nach [X.] an, falls sie nicht spätestens drei Monate nach [X.]estandskraft der Verfügung ihrer Ausreiseverpflichtung nachgekommen sein sollten. Über die gegen die Verlustfeststellung erhobene Klage der Antragsteller hat das zuständige Verwaltungsgericht noch nicht entschieden.

4

Die Antragstellerin zu 1) des fachgerichtlichen Verfahrens ist alleinerziehend. Sie ist die Mutter der übrigen Antragsteller zu 2) bis 4) im Alter von 9, 14 und 17 Jahren. Diese besuchen eine Grund- beziehungsweise Förderschule. Der Antragsteller zu 4) beabsichtigt, im Jahr 2021 seinen [X.]auptschulabschluss zu erwerben. Die Antragsteller leben gemeinsam mit dem schwerbehinderten (Gd[X.] 100, Merkzeichen G, [X.], [X.]), 21 Jahre alten [X.] der Antragstellerin zu 1) zusammen. Dieser besucht tagsüber eine Werkstatt für behinderte Menschen. Seit Mai 2018 erhalten die Antragsteller keine Leistungen nach dem SG[X.] II mehr. Die Kindergeldzahlungen sind seit Januar 2019 eingestellt. Die Familienwohnung der Antragsteller wurde nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts zum 27. September 2019 gekündigt. Eine Räumungsklage ist anhängig. Ihren Lebensunterhalt bestreiten die Antragsteller derzeit wohl überwiegend aus Spenden.

5

Das vorlegende Gericht sieht sich aufgrund der Ausschlussregelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] außer Stande, einen Leistungsanspruch der Antragsteller und damit einen Anordnungsanspruch zu bejahen. Es hält aufgrund der Verlustfeststellung trotz des langjährigen Aufenthalts der Antragsteller in der [X.]undesrepublik [X.] die Rückausnahme nach § 23 Abs. 3 Satz 7 [X.] für nicht anwendbar. Auch die [X.]ärtefallregelung des § 23 Abs. 3 Satz 6 [X.] könne nicht zur Anwendung kommen. Die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] verletze jedoch das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG), indem sie Unionsbürgern, deren Ausreisepflicht noch nicht vollziehbar sei, dem Grunde nach jegliche existenzsichernde Leistung verwehre. Die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG sei bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geboten, da die Antragsteller nicht in der Lage wären, vorläufig erbrachte Leistungen zurückzuzahlen. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bedeute damit eine faktische Vorwegnahme der [X.]auptsache. Aus diesem Grund sehe das Gericht auch von dem Erlass eines [X.]ängebeschlusses für die Dauer des Vorlageverfahrens ab.

6

Die Vorlage ist unzulässig.

7

1. Im Rahmen eines fachgerichtlichen Eilverfahrens ist eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nur ausnahmsweise zulässig (vgl. [X.]VerfGE 46, 43 <51>; 63, 131 <141>; [X.]VerfG, [X.]eschluss der [X.] des [X.] vom 19. Juli 1996 - 1 [X.]vL 39/95 -). Es kann dahinstehen, ob dies hier der Fall ist.

8

2. Die Vorlage entspricht jedenfalls nicht den Anforderungen an die [X.]egründung aus § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.]VerfGG.

9

a) Dem [X.]egründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.]VerfGG genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. [X.]VerfGE 127, 335 <355 f.> m.w.N.). Das Gericht muss sich dabei eingehend mit der Rechtslage auseinandersetzen und die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen, die für die Auslegung der vorgelegten Rechtsvorschrift von [X.]edeutung sind (vgl. [X.]VerfGE 65, 308 <316>; 94, 315 <323>; 97, 49 <60>; 105, 61 <67>; 121, 233 <237 f.>). Richten sich die [X.]edenken gegen eine Vorschrift, von deren Anwendung die Entscheidung nicht allein abhängt, müssen die weiteren mit ihr im Zusammenhang stehenden [X.]estimmungen in die rechtlichen Erwägungen einbezogen werden, soweit dies zum Verständnis der zur Prüfung gestellten Norm oder zur Darlegung ihrer Entscheidungserheblichkeit erforderlich ist ([X.]VerfGE 131, 1 <15>).

Das vorlegende Gericht muss zudem von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm überzeugt sein und die dafür maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. [X.]VerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>). Es muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben, die naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtern, sich eingehend mit der Rechtslage auseinandersetzen und die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen (vgl. [X.]VerfGE 76, 100 <104>; 79, 240 <243 f.>; 85, 329 <333>; 86, 52 <57>; 86, 71 <77 f.>; 88, 187 <194>; 88, 198 <202>; 94, 315 <325>). Dazu gehört die Erörterung der in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen zu denkbaren Auslegungsmöglichkeiten (vgl. [X.]VerfGE 85, 329 <333>; 97, 49 <60>; 105, 61 <67>), insbesondere auch der verfassungskonformen Auslegung. Das vorlegende Gericht muss diese prüfen und vertretbar begründen, weshalb sie ausgeschlossen sein soll (vgl. [X.]VerfGE 85, 329 <333>; 121, 108 <117>). Es muss erkennbar sein, dass das vorlegende Gericht alle Möglichkeiten einer Problemlösung durch Auslegung des einfachen Rechts erwogen hat (vgl. [X.]VerfGE 127, 335 <359 f.>; 131, 88 <117 f.>).

b) Dem genügen die Darlegungen des [X.] hier nicht. Die Vorlage übergeht mehrere Fragen zur Verfassungswidrigkeit und zur Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm, die für die verfassungsrechtliche Prüfung unverzichtbar sind und ohne deren Klärung das [X.]undesverfassungsgericht in diesem Verfahren nicht entscheiden kann. Das vorlegende Gericht macht geltend, § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] sei verfassungswidrig, soweit Unionsbürger vollständig von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen seien, bei denen das Nichtbestehen der Freizügigkeit zwar festgestellt, diese Feststellung aber noch nicht in [X.]estandskraft erwachsen ist. Das Sozialgericht legt jedoch nicht hinreichend dar, dass das geltende Recht in der hier konkret zu entscheidenden Situation einer Auslegung entgegensteht, nach der vor [X.]estandskraft der Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit die Leistung nicht ausgeschlossen ist.

aa) § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] knüpft nicht ausdrücklich an die Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit, sondern nur an das Nichtbestehen eines Aufenthaltsrechts an. Ist schon nicht vom Nichtbestehen der Freizügigkeit die Rede, lässt der Wortlaut der Regelung für sich genommen erst recht nicht darauf schließen, dass der Leistungsausschluss vor [X.]estandskraft der Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit gelten soll. Sollte diese dem Wortlaut nicht ohne Weiteres zu entnehmende Auslegung durch das Fachrecht dennoch vorgegeben sein, hätte das Sozialgericht dies dem [X.]undesverfassungsgericht im Einzelnen darlegen müssen. Dies ist nicht geschehen.

Formal betrachtet begründet das vorlegende Gericht nicht, dass die Antragsteller kein Aufenthaltsrecht im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] haben. Es stellt lediglich fest, die Antragsteller verfügten, "wie bereits in Teil 1 II. 2. f) dargelegt", über kein Aufenthaltsrecht. Dieser Verweis lässt sich nicht nachvollziehen, weil ein entsprechender Gliederungspunkt nicht existiert.

In der Sache verweist das vorlegende Gericht wohl auf seine voranstehenden Ausführungen zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SG[X.] II, der dem hier zur Prüfung gestellten § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] weitgehend gleicht.

§ 7 SG[X.] II lautet auszugsweise wie folgt:

(1)

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht [X.]

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.]undesrepublik [X.] haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

2. Ausländerinnen und Ausländer,

a) die kein Aufenthaltsrecht [X.]

und ihre Familienangehörigen,

Zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SG[X.] II führt das Gericht aus, dass mit der Verlustfeststellung (gemeint ist die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 [X.]/[X.]) alle Aufenthaltsrechte, die gegebenenfalls entstanden waren, entfallen seien und dass auch kein neues materielles Freizügigkeitsrecht entstanden sei. [X.]ier hätte das Sozialgericht wenigstens darlegen müssen, wodurch es zwingend daran gehindert ist, zugunsten der Antragsteller deren Klage gegen die Verlustfeststellung zu berücksichtigen, erblickt das vorlegende Gericht doch gerade hierin den Verfassungsverstoß. Zur [X.]edeutung fehlender [X.]estandskraft der Verlustfeststellung finden sich hier keine Ausführungen.

Überlegungen, die die Relevanz fehlender [X.]estandskraft betreffen könnten, finden sich allerdings im Rahmen der Ausführungen zur Rückausnahme nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SG[X.] II, die dann wohl auf die Parallelregelung in einem Folgesatz zu dem allein zur Überprüfung vorgelegten § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] zu übertragen wären. Zu diesem § 7 Abs. 1 Satz 4 SG[X.] II heißt es im Vorlagebeschluss: "Allein der Erlass der Feststellung und die bislang fehlende Aufhebung der Verlustfeststellung sperren den Leistungsanspruch. Auf die Vollziehbarkeit oder Erledigung auf andere Weise für die Zukunft kommt es nicht an (…). Schon die Verlustfeststellung wirkt der Verfestigung des Aufenthalts entgegen bzw. der Aufenthalt kann nicht mehr als verfestigt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 4, 1. [X.]albsatz SG[X.] II angesehen werden (…). Da die Verlustfeststellung trotz der Klageerhebung wirksam ist, entfaltet sie [X.] und bindet Sozialleistungsbehörden und Sozialgerichte." Ungeachtet der Frage, ob diese Ausführungen für sich genommen ausreichend wären, ist es in einem Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht Aufgabe des [X.]undesverfassungsgerichts, anhand der Erläuterungen des vorlegenden Gerichts zu anderen Regelungen eigenständig die komplexe fachrechtliche Interpretation der eigentlich zur Prüfung gestellten Regelung zu erarbeiten. Das gilt erst recht, wenn die Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts, wie hier, unter Zeitdruck zu treffen ist, weil den Antragstellern derzeit ‒ nicht zuletzt wegen Verneinung eines [X.]ärtefalls (unten, [X.]) ‒ existenzsichernde Leistungen verwehrt werden.

bb) Das vorlegende Gericht macht indessen schon nicht hinreichend deutlich, warum es trotz der Klage gegen die Verlustfeststellung zwingend an der Anwendung der Rückausnahme nach § 23 Abs. 3 Satz 7 [X.] gehindert ist. Zu § 23 Abs. 3 Satz 7 [X.] konstatiert das vorlegende Gericht lediglich, ein solcher Anspruch bestehe wegen der Feststellung des Verlusts der Freizügigkeit nicht. Es verweist dabei auf die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 4 2. [X.]albsatz SG[X.] II und "Teil 1 II. 2. a)" seiner Ausführungen. Auch dieser Verweis lässt sich nicht nachvollziehen, weil ein entsprechender Gliederungspunkt nicht existiert. Das vorlegende Gericht dürfte sich auf seine vorangehenden Ausführungen in Teil 1 II. 1. beziehen. Es legt aber auch in diesem Zusammenhang nicht hinreichend dar, inwiefern es an einer Auslegung des einfachen Rechts gehindert wäre, nach der eine Verlustfeststellung (§ 5 Abs. 4 Satz 1 [X.]/[X.]) der Rückausnahme nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SG[X.] II beziehungsweise § 23 Abs. 3 Satz 7 S[X.]G XII bei Erfüllung der [X.] jedenfalls dann nicht entgegensteht, wenn die Verlustfeststellung nicht bestandskräftig ist. Das Gericht stellt lediglich fest, dass sich im Gesetzestext (wohl des § 7 SG[X.] II) kein Anhaltspunkt dafür finde, dass nur die vollziehbare Verlustfeststellung die Rückausnahme des § 7 Abs. 1 Satz 4 SG[X.] II sperre und dass § 7 Abs. 1 Satz 4 SG[X.] II auf der Annahme eines verfestigten Inlandsaufenthaltes beruhe, eine solche Verfestigung aber bereits mit Erlass der Verlustfeststellung verhindert werde. Zur [X.]egründung seiner Annahme der Verfassungswidrigkeit hätte das Gericht aber vielmehr gerade umgekehrt darlegen müssen, was einer Gesetzesauslegung zwingend entgegensteht, nach der eine Verlustfeststellung die Rückausnahme des § 7 Abs. 1 Satz 4 SG[X.] II nicht sperrt, solange diese Verlustfeststellung nicht bestandskräftig ist. Soweit das vorlegende Gericht sich an einer solchen Auslegung durch die von ihm angenommene, auch die Sozialgerichte bindende [X.] des Verwaltungsaktes über die Verlustfeststellung gehindert sehen sollte, genügen angesichts davon abweichender Rechtsprechung mehrerer [X.]e (vgl. nur [X.] Niedersachsen-[X.]remen, [X.]eschluss vom 28. Mai 2019 - L 8 [X.] 109/19 [X.] ER -, juris, Rn. 9 m.w.N.) die Ausführungen im Vorlagebeschluss nicht, um tragfähig zu belegen, dass § 23 Abs. 3 Satz 7 [X.] bereits bei nicht bestandskräftiger Verlustfeststellung unanwendbar ist.

[X.]) Es kann danach offenbleiben, ob das vorlegende Gericht hinreichend deutlich gemacht hat, warum es an der Anwendung der [X.]ärtefallklausel des § 23 Abs. 3 Satz 6 [X.] gehindert ist. Es begründet, weshalb es die Auslegung des [X.]s [X.]erlin-[X.]randenburg (Urteil vom 11. Juli 2019 - L 15 [X.] 181/18 -, juris; beim [X.]undessozialgericht anhängiges Revisionsverfahren - [X.] 8 [X.] 7/19 R -), im Fall fehlender vollziehbarer Ausreisepflicht generell von einem [X.]ärtefall auszugehen, als unzulässige Auslegung ablehnt. Ob es darüber hinaus hätte darlegen müssen, inwiefern nicht im Einzelfall konkrete [X.]indungen an das [X.]undesgebiet ‒ im Fall der Antragstellerin zu 1) etwa wegen ihres schwerbehinderten [X.]es, der in [X.] in einer Werkstatt für behinderte Menschen betreut wird ‒ angesichts fehlender Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht die Annahme einer besonderen [X.]ärte rechtfertigen können, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvL 1/20

26.02.2020

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvL

vorgehend SG Darmstadt, 14. Januar 2020, Az: S 17 SO 191/19 ER, Vorlagebeschluss

Art 100 Abs 1 GG, § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 5 Abs 4 S 1 FreizügG/EU 2004, § 23 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 12, § 23 Abs 3 S 6 SGB 12, § 23 Abs 3 S 7 SGB 12, § 7 Abs 1 S 2 Nr 2a SGB 2, § 7 Abs 1 S 4 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 26.02.2020, Az. 1 BvL 1/20 (REWIS RS 2020, 2678)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2678

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B 13 R 10/18 R

20 NE 20.2461

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