Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2005, Az. XII ZB 40/02

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5128

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[X.][X.]/02
vom 9. Februar 2005 in der Familiensache

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB § 1685 Abs. 2 Zu den Anforderungen an die sozial-familiäre Beziehung einer Bezugsperson des Kindes. [X.], Beschluß vom 9. Februar 2005 - [X.]/02 - KG
AG [X.] Tempelhof-Kreuzberg

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 9. Februar 2005 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des 3. Zivilsenats des [X.] in [X.] - als [X.] - vom 23. Januar 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung
- auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Kammer-gericht zurückverwiesen.

Gründe:
[X.] Die minderjährige [X.] S. wurde am 10. Januar 1996 als Kind der mit-einander verheirateten Antragsgegner geboren. Der Antragsteller ist der leibli-che Vater von [X.]; er begehrt eine Regelung des Umgangs mit dem Kind. Der Antragsteller hatte - nach seinem Vortrag - Anfang 1995 ein Verhält-nis mit der Antragsgegnerin begonnen und sich seit [X.]s Geburt, spätestens aber seit August 1997, um diese gekümmert. Er lebte jedenfalls von Mitte [X.] 1997 bis zu seinem Auszug etwa September 1998 gemeinsam mit der An-tragsgegnerin und [X.] in einer Wohnung zusammen. In der [X.] von [X.] 3 [X.] 1998 bis März 1999 bestand zwischen dem Antragsteller und [X.], welche - nach seinem Vortrag - die Wochenenden bei ihm verbrachte, weiterhin [X.]. Nach einem Umzug im März 1999 gestattete die Antragsgegnerin dem Antragsteller bis Mitte Mai 1999 keinen Umgang mit [X.]. Danach wurde der Umgang wieder aufgenommen. Seit August 1999 ist er unterbrochen, nachdem die Antragsgegnerin dem Antragsteller jeden Kontakt zu [X.] untersagt hatte. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Regelung des Umgangs mit [X.] abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Begehren weiter.

I[X.] Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. 1. Nach Auffassung des [X.] ist die Beschwerde des [X.] unbegründet, weil diesem bereits kein eigenes Antragsrecht zuste-he. Der Kreis der Umgangsberechtigten werde ausschließlich durch die §§ 1684, 1685 BGB bestimmt. Zu diesem Kreis gehöre der Antragsteller nicht. Ein Umgangsrecht nach § 1684 BGB scheide aus, da diese Vorschrift nur dem Vater im Rechtssinne ein Umgangsrecht einräume, nicht aber dem "Erzeuger", von dem das Kind genetisch abstamme. Auch § 1685 BGB (i.d.F. des [X.] vom 16. Dezember 1997, [X.] I 2942) begründe für den Antragsteller kein Umgangsrecht. Nach dieser Vorschrift könnten zwar der Ehemann der Kindesmutter, deren früherer Ehemann oder derjenige, der - 4 - das Kind in Familienpflege gehabt habe, ein Umgangsrecht beanspruchen. Eine analoge Anwendung auf andere Personen - hier auf den Partner einer [X.] Lebensgemeinschaft als "[X.] Vater" - scheide jedoch aus, da eine Regelungslücke nicht bestehe. Der Gesetzgeber habe sich vielmehr bewußt für eine enumerative Aufzählung der Umgangsberechtigten entschieden, um eine zu starke Ausweitung von [X.] zu verhindern. 2. Ob diese von der weiteren Beschwerde angegriffene Beurteilung nach der bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung bestehenden Rechtslage zutrifft, kann dahinstehen. Durch das mit seinem wesentlichen Inhalt am 1. April 2004 in [X.] getretene Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes, zur Registrierung von Vorsorgeverfügungen und zur Einführung von Vordrucken für die Vergütung von Berufsbetreuern vom 23. April 2004 ([X.] I [X.]98) ist § 1685 Abs. 2 BGB neu gefaßt worden. Nach dessen Satz 1 haben - neben Eltern (§ 1684 BGB) sowie Großeltern und Geschwistern (§ 1685 Abs. 1 BGB) - nunmehr "enge Bezugspersonen des Kindes, wenn diese für das Kind tatsäch-liche Verantwortung tragen oder getragen haben (sozial-familiäre Beziehung)", ein Recht auf Umgang mit dem Kind, sofern dieser dem Wohl des Kindes dient. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung ist dabei nach § 1685 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. in der Regel dann anzunehmen, wenn die Person mit dem Kind längere [X.] in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Da diese Neuregelung keine Überleitungsregelung vorsieht, gilt sie für bereits [X.] kindschaftsrechtliche Verhältnisse ebenso wie für bereits anhängige Um-gangsrechtsverfahren. Sie ist auch für die Entscheidung des vorliegenden Ver-fahrens maßgebend; denn das Rechtsbeschwerdegericht hat das bei Erlaß sei-ner Entscheidung geltende Recht auch dann anzuwenden, wenn das Gericht der Vorinstanz - wie hier - diese Rechtslage bei seiner Entscheidung noch nicht - 5 [X.]ücksichtigen konnte (vgl. etwa [X.]surteil vom 24. März 1999 - [X.] ZR 190/97 - FamRZ 1999, 778, 780 [für das Revisionsverfahren]). Unter Zugrundelegung der neuen Rechtslage kann der Antragsteller nicht, wie in der angefochtenen Entscheidung geschehen, von vornherein aus dem Kreis der umgangsberechtigten Personen ausgeschlossen werden: Der Antragsteller hat, wie § 1685 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. es voraussetzt, für [X.] tatsächliche Verantwortung getragen. Das ergibt sich aus der Vermu-tung des § 1685 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F.. Nach den Feststellungen des [X.] hat der Antragsteller über ein Jahr mit [X.] und deren Mutter zu-sammengewohnt und damit die Voraussetzungen des § 1685 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. erfüllt. Umstände, die darauf schließen lassen, daß der Antragsteller trotz des über längere [X.] andauernden Zusammenlebens mit [X.] und ihrer Mutter keine tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen hat, sind nicht ersichtlich. Der vom [X.] festgestellte Umstand, daß der [X.] auch nach seinem Auszug aus der mit [X.] und deren Mutter ge-meinsam bewohnten Wohnung weiterhin Kontakt zu dem Kind unterhalten hat, spricht - im Gegenteil - für die (jedenfalls damalige) sozial-familiäre Beziehung des Antragstellers zu dem Kind, an die das Gesetz die Umgangsberechtigung knüpft. Auf die Frage, ob das Kind, wie vom Antragsteller geltend gemacht, an den Wochenenden regelmäßig bei ihm übernachtet hat, kommt es dabei nicht entscheidend an. Der Umstand, daß der Kontakt des Antragstellers zu [X.] seit August 1999 unterbrochen ist, nachdem ihm die Antragsgegnerin den Umgang [X.] hat, steht einer Umgangsberechtigung nicht entgegen. Denn die Frage, ob die sozial-familiäre Beziehung noch fortbesteht, ist für die Einräumung eines Umgangsrechts für sich genommen - also vorbehaltlich der Frage, ob der be-- 6 - gehrte Umgang dem Kindeswohl dient (§ 1685 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. i.V. mit § 1685 Abs. 1 BGB) - ohne Belang. Zwar billigt § 1685 Abs. 2 BGB n.F. ein Um-gangsrecht nur "engen Bezugspersonen des Kindes" zu. Damit soll - entgegen einer mißverständlichen Gesetzesfassung - aber kein aktueller persönlich-vertrauter Bezug des Kindes zu der den Umgang begehrenden Person zur Vor-aussetzung des Umgangsrechts erhoben werden. Ausreichend ist vielmehr, daß die den Umgang begehrende Person für das Kind in der Vergangenheit tatsächlich Verantwortung getragen hat, daß sie damit eine sozial-familiäre Be-ziehung zu dem Kind begründet hat und daß sie deshalb für das Kind - jeden-falls in der Vergangenheit - eine enge Bezugsperson war. Dieses Verständnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte der [X.] belegt: Das [X.] hatte § 1685 Abs. 2 BGB a.F. für mit Art. 6 Abs. 1 GG insoweit nicht vereinbar erklärt, als er den leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater in den Kreis der Umgangsberechtigten auch dann nicht mit einbezog, wenn zwischen ihm und dem Kind eine sozial-familiäre Bezie-hung besteht oder bestanden hat ([X.] FamRZ 2003, 816, 824). Der Regie-rungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Anfech-tung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes wollte diese verfassungsgerichtliche Vorgabe umsetzen, den Kreis der nunmehr Umgangsberechtigten aber nicht auf (biologische) Väter beschränken. Nach § 1685 Abs. 2 BGB i.d.F. des [X.] sollten deshalb auch "[X.] Bezugspersonen des Kindes" umgangsberechtigt sein, "wenn zwischen die-sen und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat" (BT-Drucks. 15/2253 [X.], 12). Eine Beschränkung auf "aktuelle" Bezugsperso-nen des Kindes war mit dieser Formulierung nicht beabsichtigt. Das zeigt auch die Stellungnahme des Bundesrates zu dem Entwurf, nach der das Umgangs-recht auf bestimmte enumerativ aufgezählte Personengruppen beschränkt blei-ben und deshalb (u.a.) dem Ehegatten oder früheren Ehegatten eines [X.] - teils sowie dem leiblichen Vater des Kindes zustehen sollte, "wenn zwischen diesen Personen und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat" (BT-Drucks. 15/2253, S. 15 und BT-Drucks. 15/2716 S. 1). Die Gesetz gewordene Fassung ist das Ergebnis des [X.]; an der mit den vorangehenden Entwürfen übereinstimmenden Zielsetzung, dem leiblichen Vater ein Umgangsrecht losgelöst vom Fortbestand der sozial-familiären Beziehung zu dem Kind zu eröffnen, hat die Endfassung nichts ge-ändert. 3. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben. Der [X.] vermag jedoch in der Sache nicht abschließend zu entscheiden. Nach § 1685 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. i.V. mit § 1685 Abs. 1 BGB steht einer engen Bezugsperson des Kindes ein Umgangsrecht nur dann zu, wenn der [X.] dient. Ob diese Voraussetzung unbe-schadet des längere [X.] zurückliegenden Kontakts des Antragstellers mit Isa-bel hier vorliegt, hat das [X.] - von seinem Ausgangspunkt her [X.] - nicht festgestellt. Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben - 8 - und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen, damit es die erfor-derlichen Feststellungen nachholt. Hahne [X.] [X.] Wagenitz [X.]

Meta

XII ZB 40/02

09.02.2005

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2005, Az. XII ZB 40/02 (REWIS RS 2005, 5128)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5128

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