Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.09.2013, Az. 2 B 42/13

2. Senat | REWIS RS 2013, 2533

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Gegenstand

Dienstliche Beurteilung; Bedeutung der zeitlichen Reihenfolge der Bestimmung von Einzelkompetenzen und Gesamturteil; Aufklärungspflicht; Inhalt des Protokolls


Tenor

Das Urteil des [X.] vom 20. Februar 2013 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

[X.]ie Beschwerde der [X.] hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. [X.]as Berufungsurteil beruht auf dem von der [X.] geltend gemachten Verstoß gegen die dem Gericht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegende Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts.

2

1. [X.]er 1955 geborene Kläger steht als Zollbetriebsinspektor (BesGr A 9 m [X.]) im [X.]ienst der [X.]. In der Beurteilung für den Zeitraum vom 2. Juli 2008 bis zum 1. Juni 2010 wurde der Kläger abschließend mit der dritten Note der insgesamt fünfstufigen Notenskala "In vollem Umfang den Anforderungen entsprechend (7 Punkte)" beurteilt, wobei die vergebene Punktzahl in der Skala von 7 bis 9 der niedrigste Wert ist. Bei den 24 [X.] der dienstlichen Beurteilung wurde der Kläger [X.] mit dem dritten von insgesamt sechs Ausprägungsgraden ("[X.] – stark ausgeprägt") und [X.] mit dem vierten Grad ("[X.] - durchschnittlich ausgeprägt") bewertet. [X.]as Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide verpflichtet, den Kläger zum [X.] 1. Juni 2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut dienstlich zu beurteilen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

3

[X.]as Gesamturteil sei rechtswidrig, weil es nicht aus den bereits bewerteten und gewichteten [X.] entwickelt worden sei. Vielmehr seien umgekehrt und "losgelöst" von den [X.] zunächst in einer Besprechung aufgrund einer vergleichenden Betrachtungsweise der zu beurteilenden Beamten jeweils Notenstufe und Punktzahl des [X.] festgelegt worden. Erst anschließend seien die 24 [X.] bewertet worden. [X.]ie Ausprägungsgrade der [X.] seien letztlich durch ein [X.]omputerprogramm festgelegt worden, um zu einem "schlüssigen" und "rechnerisch richtigen" Gesamturteil zu gelangen.

4

2. Entgegen der Ansicht der Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht bei der Niederschrift über die Berufungsverhandlung die Vorschriften der § 105 VwGO i.V.m. §§ 159 bis 165 ZPO nicht verletzt.

5

[X.]ie Beschwerde sieht es als [X.] an, dass das Oberverwaltungsgericht nicht die Äußerungen der Prozessvertreterin der [X.] in der Berufungsverhandlung in die Niederschrift aufgenommen hat. Bei Aufnahme dieser Aussagen in das Protokoll hätte das Oberverwaltungsgericht nicht zu der das Urteil tragenden Feststellung kommen können, Notenstufe und Punktzahl seien in einer Gremiumsbesprechung vorab und losgelöst von den 24 [X.] des [X.] festgelegt worden.

6

[X.]as Oberverwaltungsgericht war aber nicht verpflichtet, den Inhalt der Ausführungen der Vertreterin der [X.] in der Berufungsverhandlung in die Niederschrift aufzunehmen. [X.]er Begriff der wesentlichen Vorgänge im Sinne von § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO meint die Förmlichkeiten der Verhandlung, d.h. den äußeren Hergang der Verhandlung, nicht aber den Inhalt von Erklärungen ([X.], Urteil vom 21. März 1991 - [X.] - NJW 1991, 2084 <2085>). Zwar sind nach § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO im Protokoll die Aussagen der vernommenen Parteien festzustellen. [X.]as setzt aber eine Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO voraus. Eine solche hat das Oberverwaltungsgericht hier nicht vorgenommen. Im Übrigen stand der Vertreterin der lung des [X.] in das Protokoll zu beantragen, die wesentlich von der [X.]arstellung des in der Berufungsverhandlung ebenfalls angehörten Beurteilers abweicht.

7

3. Begründet ist aber die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe gegen die ihm obliegende Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen. Zwar hat die Beklagte in der Berufungsverhandlung keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Es wird aber in der Beschwerde dargelegt, dass sich dem Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung weitere Ermittlungen zum Zustandekommen der dienstlichen Beurteilung des [X.] von sich aus hätten aufdrängen müssen.

8

Nach der Rechtsauffassung des [X.] muss das abschließende Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung aus den bereits bewerteten und gewichteten [X.] entwickelt werden (vgl. auch Urteile vom 24. November 1994 - BVerwG 2 [X.] 21.93 - BVerwGE 97, 128 <130 f.> = Buch- holz 232.1 § 41 [X.] Nr. 3 und vom 4. November 2010 - BVerwG 2 [X.] 16.09 - BVerwGE 138, 102 = [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 47 jeweils Rn. 46). [X.]anach kommt der Frage, in welcher zeitlichen Reihenfolge die [X.] einerseits und das Gesamturteil andererseits bestimmt worden sind, entscheidende Bedeutung zu.

9

Zur Klärung dieser Frage hat das Oberverwaltungsgericht aber, wie dem Beschluss vom 10. April 2013 über die von der [X.] beantragte [X.] zu entnehmen ist, lediglich den in der Berufungsverhandlung anwesenden Beurteiler, R[X.] B., informatorisch angehört. [X.]ieser hat nach den Gründen dieses Beschlusses des [X.] in der Berufungsverhandlung ausgesagt, die [X.] seien "nachträglich erstellt" worden. Zuvor hatte der Beurteiler allerdings auch mitgeteilt, die [X.] der zu beurteilenden Beamten seien - schlicht aus Zeitgründen - nicht Gegenstand der entscheidenden Gremiumsbesprechung gewesen.

Angesichts des schriftlichen Vorbringens der [X.] zum Zustandekommen der dienstlichen Beurteilung des [X.], in dem dies - durchaus detailliert - anders dargestellt wird, der Gegenäußerung des [X.] und der Bedeutung, die das Oberverwaltungsgericht den [X.] selbst beigemessen hat, hätte sich dem Gericht eine weitergehende Aufklärung des Sachverhalts aufdrängen müssen. Insbesondere hätte das Oberverwaltungsgericht zumindest den für den Kläger zuständigen Berichterstatter, den Sachgebietsleiter [X.], sowie den Fachgebietsleiter, [X.]., als Zeugen zur Klärung der Fragen hören müssen, ob, wann und wie (mit welcher Verbindlichkeit) die [X.] tatsächlich bewertet und gewichtet worden sind, insbesondere, ob dies erst nachträglich - nach Festlegung des [X.] - geschehen ist, um die Gesamtbewertung plausibel zu machen, und welche Funktion dem [X.]omputerprogramm zukommt, das offenbar zur Kontrolle der Plausibilität des [X.] und der Ausprägungsgrade der [X.] verwendet wird. [X.]ann hätte sich das Oberverwaltungsgericht insbesondere hinsichtlich der Bedeutung des [X.]omputerprogramms nicht auf bloße Mutmaßungen beschränken müssen, wie zu verfahren ist, wenn das Programm eine Fehlermeldung dahingehend gibt, dass die vom Berichterstatter angekreuzten Ausprägungsgrade der [X.] im Hinblick auf das Gesamturteil nicht plausibel sind.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

[X.]ie Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

2 B 42/13

24.09.2013

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 20. Februar 2013, Az: 10 A 11064/12.OVG, Urteil

§ 105 VwGO, § 160 Abs 2 ZPO, § 86 Abs 1 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.09.2013, Az. 2 B 42/13 (REWIS RS 2013, 2533)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2533

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