Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.09.2010, Az. B 1 KR 1/10 D

1. Senat | REWIS RS 2010, 3619

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - sofortige Beschwerde in vergaberechtlicher Streitigkeit - Vorlage an das BSG gem § 142a Abs 4 S 1 SGG - Teilentscheidung - Gerichtskosten - Fehlen streitwertabhängiger Gebührentatbestände - keine Streitwertfestsetzung - Analogieverbot)


Leitsatz

1. Die Pflicht der Landessozialgerichte, in den gesetzlich bestimmten Fällen sofortige Beschwerden dem BSG vorzulegen, ist nicht auf einen spezifischen Kreis von Rechtsfragen beschränkt.

2. In sofortigen Beschwerden darf ein Landessozialgericht über abtrennbare Verfahrensteile vorab entscheiden und anschließend nur den vorlagepflichtigen Teil dem BSG vorlegen.

3. Für sofortige Beschwerden ist mangels streitwertabhängiger Gebühren für Gerichtskosten kein Streitwert festzusetzen.

4. Für Gerichtskosten gilt ein Analogieverbot.

Tenor

Es ist kein Streitwert nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzen.

Gründe

1

I. Das [X.]hat auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerinnen den Beschluss der 1. Vergabekammer (VK) des [X.]vom [X.]aufgehoben, den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen und der Antragstellerin Kosten auferlegt (Beschluss vom 24.8.2009). Es hat den Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat, mithin den Gegenstandswert (§ 2 Abs 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) für die Antragstellerin, die Antragsgegnerinnen und die Beigeladene zu 5. festgesetzt (Beschluss vom 27.1.2010). Das [X.]will nun einen Streitwert nach dem [X.]festsetzen, sieht sich darin aber durch die Rechtsprechung des [X.]gehindert ([X.]4-1500 § 142a [X.]2) und hat die Sache deshalb dem [X.]vorgelegt (Beschluss vom 3.5.2010).

2

II. 1. Die Vorlage ist zulässig. § 142a Abs 4 Satz 1 SGG schränkt den Fall einer Vorlage an das [X.]nicht auf einen spezifischen Kreis von Rechtsfragen ein, sondern umfasst auch die Streitwertfestsetzung nach dem GKG. Stets, wenn ein [X.]von einer Entscheidung eines anderen [X.]oder des [X.]abweichen will oder es den Rechtsstreit aus den gesetzlich genannten Gründen für grundsätzlich bedeutsam hält, legt es die Sache dem [X.]vor (§ 142a Abs 4 Satz 1 SGG). Ebenso, wie das [X.]sich auf die Entscheidung der Divergenzfrage beschränken und dem Beschwerdegericht die Entscheidung in der Hauptsache übertragen kann, wenn dies nach dem Sach- und Streitstand des Beschwerdeverfahrens angezeigt erscheint (§ 142a Abs 4 Satz 3 SGG), kann das [X.]- wie vorliegend geschehen - über die abtrennbaren, ohne Vorlage an das [X.]entscheidbaren Verfahrensteile vorab entscheiden und nur den vorlagepflichtigen Teil dem [X.]vorlegen. Sachlich schränkt § 142a SGG die Vorlagepflicht bei sofortigen Beschwerden nur dadurch ein, dass sie entsprechend § 124 Abs 2 Satz 4 des [X.](GWB) nicht im Verfahren nach § 118 Abs 1 Satz 3 und nach § 121 GWB gilt (s § 142a Abs 4 Satz 4 SGG). Darum geht es vorliegend indes nicht. Zutreffend hat das [X.]zudem darauf hingewiesen, dass diese Auslegung des § 142a Abs 4 Satz 1 SGG in der Sache mit der Rechtsprechung des [X.]zu § 124 Abs 2 GWB übereinstimmt ([X.]WRP 2008, 1563, Rd[X.]5).

3

2. Entgegen der Rechtsauffassung des vorlegenden [X.]hält der erkennende Senat daran fest, dass nach der vom Gesetzgeber trotz erheblicher Gebührenausfälle nicht geänderten Rechtslage für sofortige Beschwerden in Verfahren bei der Sozialgerichtsbarkeit keine streitwertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen ([X.][X.]4-1500 § 142a [X.]2 Leitsatz 5) und deshalb eine Festsetzung des Streitwerts nach dem [X.]zu unterbleiben hat. Denn die Festsetzung des Streitwerts nach dem [X.]setzt voraus, dass dort Gebühren geregelt sind, die sich nach dem Streitwert richten (§ 63 Abs 1 GKG; vgl auch Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl 2010, § 63 GKG Rd[X.]8 mwN). Daran fehlt es.

4

Abgesehen vom Gebührentatbestand 7504 der Anlage 1 zum [X.]können Gerichtsgebühren für sofortige Beschwerden nach § 142a SGG nicht erhoben werden, weil dafür eine gesetzliche Grundlage im [X.]fehlt und eine analoge Anwendung anderer Kostenvorschriften zu Lasten der Beteiligten ausscheidet (vgl [X.][X.]4-1500 § 142a [X.]2 Rd[X.]18 mwN). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats gilt in Verfahren der sofortigen Beschwerde in der Sozialgerichtsbarkeit grundsätzlich das SGG, soweit nicht § 142a SGG speziell auf Regelungen des [X.]verweist (vgl [X.][X.]4-1500 § 142a [X.]3 Rd[X.]8; [X.]in Hennig, SGG, Stand April 2010, § 142a Rd[X.]7). So liegt es für die Gerichtskosten. Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 [X.]werden Kosten nach den Vorschriften des [X.]erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Zutreffend hat das [X.]erkannt, dass Teil 7 der Anlage 1 zum [X.]- Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - keine [X.]für sofortige Beschwerden nach § 142a Abs 1 SGG beinhaltet, die streitwertabhängig sind.

5

3. Soweit das [X.]aus der in § 142a Abs 1 SGG vorgesehenen entsprechenden Anwendung des § 116 Abs 1 und 2 [X.]etwas anderes ableiten will, vermag ihm der erkennende Senat nicht zu folgen. Die entsprechende Anwendung dieser Regelungen betrifft lediglich die Zulässigkeit sofortiger Beschwerden gegen Entscheidungen oder Nichtentscheidungen von Vergabekammern. Nach § 116 Abs 1 GWB ist nämlich gegen Entscheidungen der Vergabekammer die sofortige Beschwerde zulässig. Sie steht den am Verfahren vor der Vergabekammer Beteiligten zu. Gemäß § 116 Abs 2 GWB ist die sofortige Beschwerde auch zulässig, wenn die Vergabekammer über einen Antrag auf Nachprüfung nicht innerhalb der Frist des § 113 Abs 1 GWB entschieden hat; in diesem Fall gilt der Antrag als abgelehnt. Eine Verweisung auf das [X.]enthalten diese Regelungen nicht.

6

Es widerspräche dem aus § 1 GKG abzuleitenden Analogieverbot im Kostenrecht (vgl [X.][X.]4-1500 § 142a [X.]2 Leitsatz 5 und Rd[X.]18 mwN), dennoch von streitwertabhängigen Gebührentatbeständen im Rahmen der Verfahren nach § 142a SGG auszugehen. Ebenso wenig, wie aus § 202 SGG über den Wortlaut der Norm hinaus eine Verweisung auf die [X.]für sofortige Beschwerden in [X.]vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit abgeleitet werden kann (vgl [X.]PharmR 2010, 360 ff), ist dies durch eine Auslegung des § 116 Abs 1 und 2 [X.]über seinen Wortlaut hinaus zulässig. Eine im Wege analoger Normanwendung zu schließende Regelungslücke könnte allenfalls in Teil 7 des [X.](Anlage 1 zum GKG) diskutiert werden. Besteht sie, so darf sie nicht durch analoge Anwendung der [X.]geschlossen werden, die in Teil 1 der Anlage 1 zum [X.]für zivilrechtliche Verfahren vor den ordentlichen Gerichten für Beschwerdeverfahren nach § 116 GWB vorgesehen sind (KV [X.]1220 - 1223). Einer solchen Lückenschließung steht das Analogieverbot des § 1 GKG entgegen.

Meta

B 1 KR 1/10 D

07.09.2010

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 3. Mai 2010, Az: L 21 KR 45/09 SFB, Beschluss

§ 142a Abs 4 S 1 SGG, § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG, § 1 GKG 2004, § 63 Abs 1 GKG 2004, Anl 1 Teil 7 GKG 2004, Anl 1 Teil 1 GKG 2004, § 116 Abs 1 GWB, § 116 Abs 2 GWB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.09.2010, Az. B 1 KR 1/10 D (REWIS RS 2010, 3619)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3619

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