Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2011, Az. VIII ZR 80/10

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9409

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/10 Verkündet am: 16. Februar 2011 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 269 Im Falle einer Klagerücknahme kommt ein der Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2, [X.]. 1 ZPO entgegengerichteter materiell-rechtlicher Anspruch auf Kostenerstattung nicht in Betracht, wenn der Sachverhalt, der zu dieser Kostenent-scheidung geführt hat, unverändert bleibt ([X.] an [X.] 45, 251 sowie [X.], [X.], 169 und [X.], 396). [X.], Urteil vom 16. Februar 2011 - [X.]/10 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2011 durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin [X.], [X.] Achilles, die Richterin [X.] und [X.] Bünger für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 11. März 2010 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Beklagten mieteten im Jahre 1999 von der Klägerin eine preisgebun-dene Wohnung in [X.]. Nach Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen erhöhte die Klägerin die Miete mit Schreiben vom 27. Juli 2001. Die Beklagten widersprachen der Mieterhöhung und zahlten die [X.] in der [X.] nicht. Mit Schreiben vom 28. Juni 2005 kündigte die Klägerin das Miet-verhältnis wegen eines zwischenzeitlich aufgelaufenen Mietrückstandes von 4.414,98 • fristlos. Zur Zahlung dieses Betrages sind die Beklagten mittlerweile durch Urteil des [X.] vom 12. April 2007 rechtskräftig verurteilt worden. Eine im [X.] an die Kündigung erhobene Räumungsklage nahm 1 - 3 - die Klägerin dagegen zurück, nachdem das von ihr angerufene Amtsgericht darauf hingewiesen hatte, dass bei fehlender Zustimmung zur Mieterhöhung die erhöhte Miete erst ab Rechtskraft eines dahin gehend stattgebenden Urteils geschuldet sei und im übrigen Zweifel am Verschulden der [X.]. Mit Beschluss vom 3. November 2005 sind die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO der Klägerin auferlegt worden. Die den [X.] zu erstattenden Kosten sind durch bestandskräftigen Kostenfestset-zungsbeschluss vom 10. November 2005 auf 856,54 • nebst Zinsen festgesetzt worden. Das Amtsgericht hat die auf Rückerstattung des festgesetzten Betrages nebst 7,66 • Zinsen, auf Erstattung der der Klägerin im Räumungsrechtsstreit entstandenen eigenen Rechtsanwaltskosten von 532,90 • sowie von 186,24 • Rechtsanwaltskosten aus Anlass einer dem vorliegenden Rechtsstreit voraus-gegangenen anwaltlichen Zahlungsaufforderung vom 25. April 2007 gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat unter teilweiser Abänderung die-ses Urteils und Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin die Beklagten zur Zahlung von 532,90 • nebst Zinsen verurteilt. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren [X.] in vollem Umfang weiter. 2 Entscheidungsgründe:Die Revision hat keinen Erfolg. 3 [X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: 4 - 4 - 5 Die Klägerin könne lediglich diejenigen Rechtsanwaltskosten erstattet verlangen, die ihr seinerzeit im Räumungsrechtsstreit als Kosten des eigenen Rechtsanwalts entstanden seien. Dagegen seien die Beklagten der Klägerin weder zur Erstattung der von ihr aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 17. November 2005 gezahlten Prozesskosten noch der bei ihr aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits vorprozessual angefallenen Rechtsanwaltskos-ten verpflichtet. Hinsichtlich der aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses erstatteten Kosten habe es am erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verzug der Beklagten mit der Rückgabe der Wohnung und der Übernahme der Kosten durch die Klägerin gefehlt. Mit der durch diesen Verzug veranlassten Klageerhebung seien der Klägerin zwar die Kosten des von ihr beauftragten Rechtsanwalts entstanden, nicht jedoch die Verpflichtung, auch die Kosten der Beklagten zu tragen. Diese Kosten seien vielmehr allein dadurch angefallen, dass die Klägerin die Räumungsklage ohne rechtlich zwingenden Grund [X.]genommen habe. Die von ihr erklärte Klagerücknahme sei keine von ihr unbeeinflussbare zwingende Folge eines prozessualen Ereignisses gewesen. Denn hätte sie das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass die Kündigung nicht gemäß § 569 Abs. 3 [X.] ausgeschlossen gewesen sei, wären die Beklagten auf deren Kosten zur Räumung verurteilt worden. Sie habe dagegen ohne aus-reichende rechtliche Überprüfung des vom Amtsgericht erteilten Hinweises die Klage aus freien Stücken zurückgenommen. 6 Ebenso wenig seien die Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig, die durch die dem vorliegenden Rechtsstreit vorausgegangene Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 25. April 2007 angefallen seien. Auch diese Kosten könnten nicht ursächlich auf den Verzug der Beklagten mit der Herausgabepflicht zurückge-führt werden. Denn die Einschaltung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin 7 - 5 - habe insoweit nicht der Durchsetzung des Herausgabeanspruchs, sondern der Rückforderung der Kosten des vorangegangenen Rechtsstreits gedient. Zur Erstattung dieser Kosten seien die Beklagten jedoch erstmals unter dem 25. April 2007 aufgefordert worden, ohne dass sie sich vorher mit einer Erstat-tungspflicht im Verzug befunden hätten. I[X.] Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. 8 Einem materiell-rechtlichen Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung der Prozesskosten, die sie aufgrund der im Räumungsrechtsstreit erklärten Klagerücknahme an die Beklagten geleistet hat, stehen - anders als das [X.] meint - bereits die in jenem Verfahren nach § 269 Abs. 3 Satz 2, [X.]. 1 ZPO eingetretene Kostenfolge und der daraufhin zugunsten der [X.] ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss entgegen. Ebenso wenig kommt ein Anspruch auf Ersatz der aus Anlass der Zahlungsaufforderung vom 25. April 2007 entstandenen Rechtsanwaltskosten in Betracht, weil insoweit die nach § 280 Abs. 2 [X.] für einen Ersatz des Verzögerungsschadens erforderli-chen zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 [X.] nicht gegeben sind. 9 1. Ein Anspruch auf Ersatz des in der Belastung mit den Prozesskosten des Räumungsrechtsstreits liegenden ([X.] (§ 280 Abs. 1, 2, § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 [X.]) scheidet bereits wegen der in diesem Rechtsstreit nach § 269 Abs. 3 Satz 2, [X.]. 1 ZPO eingetretenen prozessua-len Kostentragungspflicht der Klägerin und des daraufhin ergangenen be-standskräftigen Kostenfestsetzungsbeschlusses aus. Zwar ist - wie in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt ist - eine prozessuale [X.] nicht erschöpfend, sondern lässt grundsätzlich noch Raum für die Durchsetzung materiell-rechtlicher Ansprüche auf Kostenerstattung etwa 10 - 6 - aus Vertrag, wegen Verzuges oder aus unerlaubter Handlung. Dieser materiell-rechtliche Anspruch kann dabei je nach Sachlage neben die prozessuale Kos-tenregelung treten und ihr sogar entgegengerichtet sein, sofern zusätzliche Umstände hinzukommen, die bei der prozessualen Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden konnten. Bleibt hingegen der Sachverhalt, der zu einer abschließenden prozessualen Kostenentscheidung geführt hat, unverändert, geht es nicht an, nunmehr den gleichen Sachverhalt erneut zur Nachprüfung zu stellen und in seinen kostenrechtlichen Auswirkungen materiell-rechtlich entge-gengesetzt zu beurteilen ([X.], Urteile vom 18. Mai 1966 - [X.], [X.] 45, 251, 257; vom 19. Oktober 1994 - [X.], [X.], 169 unter [X.] - Kosten des [X.] bei Antragsrücknahme; vom 22. November 2001 - [X.], [X.], 396 unter [X.]; ebenso BVerwG, Beschlüsse vom 2. Juli 1998 - 2 [X.]/97, juris Rn. 6, und 2 [X.]/97, juris Rn. 2). So ver-hält es sich hier. a) Umstände, die bei der prozessualen Kostenentscheidung nicht [X.] werden konnten, sind vom Berufungsgericht weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist es ohne Bedeutung, dass die Klägerin auf entsprechenden Hinweis des Amtsgerichts ihre Räumungsklage nicht mehr als Erfolg versprechend eingeschätzt und daraufhin deren Rücknahme erklärt hat. Denn die Kostentragungsregelung des § 269 Abs. 3 Satz 2, [X.]. 1 ZPO stellt sich als Ausprägung des allgemeinen, den §§ 91, 97 ZPO zugrunde liegenden Prinzips dar, dass die unterlegene [X.] die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Zu diesem Zweck fingiert sie im Falle der Klagerücknahme den geltend gemachten [X.] ohne Rücksicht auf seine materiell-rechtliche Be-gründetheit als für den anhängigen Rechtsstreit nicht bestehend und bildet da-mit den Rechtsgrund für das prozessuale Unterliegen des Klägers und seine hieran anknüpfende kostenrechtliche Haftung. Diese Haftung kann deshalb auch nicht nachträglich wieder durch eine abweichende Bewertung der [X.] - 7 - riell-rechtlichen Rechtslage rückgängig gemacht werden, die der vom [X.] gewollten und in § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO kostenrechtlich vollzogenen Fiktion zuwiderläuft (vgl. [X.], Urteil vom 19. Oktober 1994 - [X.], aaO). Dem steht nicht entgegen, dass § 269 Abs. 3 Satz 2, [X.]. 2 ZPO eine Berücksichtigung gewisser außerprozessualer Gesichtspunkte bei der Kosten-entscheidung zulässt. Denn diese betreffen - von der in § 93d ZPO getroffenen Sonderregelung einmal abgesehen - nur die auch vor Erlass des [X.] vom 27. Juli 2001 ([X.]) von der Recht-sprechung schon anerkannten Ausnahmefälle, dass der Beklagte sich durch außergerichtlichen Vergleich zur Kostentragung verpflichtet oder zuvor wirksam auf eine Kostenerstattung verzichtet hat (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 80; dazu auch [X.], Beschluss vom 14. Juni 2010 - [X.], [X.], 1769 Rn. 10 mwN). Gleiches gilt für den abweichend geregelten Sonderfall des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO (dazu BT-Drucks. 14/4722 S. 81; vgl. auch [X.], Beschluss vom 27. Oktober 2003 - [X.], NJW 2004, 223 unter [X.]). Liegt hingegen - wie hier - kein derartiger Ausnahmefall vor und nimmt der Kläger seine Klage [X.], begibt er sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen und hat bei gleich bleibendem Sachverhalt die durch den Rechtsstreit veranlassten Kosten ab-schließend und ohne Rücksicht darauf zu tragen, ob dieses Ergebnis mit dem materiellen Recht übereinstimmt oder nicht (vgl. [X.], Urteil vom 19. Oktober 1994 - [X.], aaO; Beschlüsse vom 27. Oktober 2003 - [X.], aaO unter [X.] a, b; vom 6. Juli 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1662 unter [X.] a). 12 b) Soweit Teile der Instanzrechtsprechung und des Schrifttums dem [X.] ([X.], [X.], 322, 323 f.; [X.], [X.], 814, 816 ff.; [X.], ZPO, 22. Aufl., vor § 91 Rn. 19; [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., Vor § 91 Rn. 12; [X.]/[X.], aaO, § 269 Rn. 18c; wie vorste-hend dagegen etwa: [X.], [X.] 2010, 43, 44; MünchKommZPO/Giebel, 13 - 8 - 3. Aufl., [X.]. zu §§ 91 ff. Rn. 17, 21; Musielak/Wolst, ZPO, 7. Aufl., vor § 91 Rn. 17; [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 249 Rn. 95), werden sie der Intention des § 269 Abs. 3 Satz 2, [X.]. 1 ZPO nicht gerecht, die geltend gemachte Klageforderung für die durch den anhängigen Rechtsstreit ausgelösten Kosten-folgen als nicht bestehend zu fingieren und die Kosten abschließend bei dem zu belassen, der sie verursacht hat und dem nach der in den §§ 91, 97 ZPO zum Ausdruck gekommenen Wertung das Risiko zugewiesen ist, an den durch eine Prozessführung entstehenden Kosten grundsätzlich allein nach dem Maßstab von Erfolg oder Misserfolg beteiligt zu werden. Zudem berücksichtigen diese Auffassungen auch nicht hinreichend den etwa in § 99 ZPO zum Ausdruck ge-kommenen Willen des Gesetzgebers, Streitigkeiten allein über die Kosten [X.] wenig Raum zu geben. 2. Der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Ersatz der für die [X.] entstandenen vorgerichtlichen Rechts-anwaltskosten scheitert - wie das Berufungsgericht insoweit zu Recht annimmt - bereits daran, dass die nach § 280 Abs. 2 [X.] für einen Ersatz des [X.] erforderlichen zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 [X.] nicht gegeben sind. Aus dem Umstand, dass die Beklagten der Klägerin diesen Betrag nach Auffassung des Berufungsgerichts geschuldet haben, folgt entge-gen der Auffassung der Revision noch nicht, dass sie sich - als Teil eines zuvor 14 - 9 - hinsichtlich der [X.] eingetretenen Verzuges - auch mit der [X.] dieses Betrages im Verzug befunden hätten.
[X.] [X.] [X.]

[X.]

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 201 C 139/09 - [X.], Entscheidung vom 11.03.2010 - 6 S 170/09 -

Meta

VIII ZR 80/10

16.02.2011

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2011, Az. VIII ZR 80/10 (REWIS RS 2011, 9409)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9409

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VIII ZR 80/10

II ZB 15/09

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