Bundessozialgericht, Urteil vom 18.12.2018, Az. B 1 KR 31/17 R

1. Senat | REWIS RS 2018, 273

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Sozialdatenschutz - elektronische Gesundheitskarte - dauerhafte Speicherung der eingereichten Lichtbilder nach deren Ausstellung unzulässig - Unterlassungsanspruch des Versicherten gegen Krankenkasse - sozialgerichtliches Verfahren - Revision - Anerkenntnisurteil nur auf gesonderten Antrag des Klägers


Leitsatz

1. Versicherte haben gegen ihre Krankenkasse Anspruch darauf, es zu unterlassen, nach Übermittlung der elektronischen Gesundheitskarte in den Herrschaftsbereich der Versicherten die zu deren Ausstellung eingereichten Lichtbilder zu speichern.

2. Ein Anerkenntnisurteil ergeht in Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht nur auf gesonderten Antrag des Klägers.

Tenor

Auf die Revision des [X.] werden das Urteil des [X.] vom 23. November 2016 und der Gerichtsbescheid des [X.] vom 6. April 2016 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 26. Juni 2014 und 16. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2015 verurteilt, die Speicherung eines künftig übersandten Lichtbildes des [X.] über den Zeitpunkt der Übermittlung der hiermit ausgestellten elektronischen Gesundheitskarte in den Herrschaftsbereich des [X.] hinaus zu unterlassen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens und die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Beklagten, ein ihr vom Kläger künftig zur Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte ([X.]) übersandtes Lichtbild bis zum Ende des Versicherungsverhältnisses zu speichern.

2

Der Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versichert. Die Beklagte lehnte seine Anträge ab, ihm einen aktuellen Versicherungsnachweis ohne Lichtbild auszustellen, hilfsweise das Lichtbild nicht bis zum Ende des Versicherungsverhältnisses zu speichern (Bescheide vom 26.6.2014 und 16.1.2015; Widerspruchsbescheid vom 25.3.2015): [X.]n dürften Sozialdaten erheben und speichern, wenn sie für die Ausstellung einer Krankenversichertenkarte erforderlich seien. Unter "Ausstellung" sei die Erst- und die Ersatzausstellung zu verstehen. Die Pflicht zur Speicherung erlösche erst mit Beendigung des Versicherungsverhältnisses. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, gerichtet auf Ausstellung einer [X.] ohne Lichtbild, hilfsweise auf Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die zur Erstellung der [X.] eingesandten Lichtbilder zu speichern und auf Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Speicherung eines künftig eingesandten Lichtbildes nach Ausstellung der [X.] (Gerichtsbescheid vom 6.4.2016). Das L[X.] hat die Berufung zurückgewiesen: Die Beklagte sei zur Speicherung des Lichtbildes berechtigt. Es handele sich um Sozialdaten, die zur Ausstellung der [X.] erforderlich seien. Die Pflicht zur Speicherung erlösche erst mit Beendigung des Versicherungsverhältnisses (Urteil vom 23.11.2016).

3

Die Beklagte hat im Revisionsverfahren anerkannt, ein künftig vom Kläger zur Erstellung der [X.] übermitteltes Lichtbild nach der [X.] umgehend wieder zu löschen und nicht weiter zu speichern. Der Kläger hat das Anerkenntnis nicht angenommen.

4

Der Kläger rügt mit seiner lediglich auf die bisherigen Hilfsanträge gerichteten Revision die Verletzung des § 284 [X.]B V und des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 [X.]. Für die dauerhafte Speicherung des Lichtbildes fehle eine Rechtsgrundlage.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 23. November 2016 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 6. April 2016 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide der Beklagten vom 26. Juni 2014 und 16. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2015 zu verurteilen, die Speicherung eines ihr künftig übersandten Lichtbildes des [X.] über den Zeitpunkt der Übermittlung der hiermit ausgestellten elektronischen Gesundheitskarte in den Herrschaftsbereich des [X.] hinaus zu unterlassen,
hilfsweise
festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, ein ihr künftig übersandtes Lichtbild des [X.] über den Zeitpunkt der Übermittlung der hiermit ausgestellten elektronischen Gesundheitskarte in den Herrschaftsbereich des [X.] hinaus bis zum Ende des Versicherungsverhältnisses zu speichern.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist zulässig und begründet (§ 170 Abs 2 S 1 [X.]). Der erkennende Senat ist durch das Anerkenntnis der [X.]n nicht an einer Entscheidung durch begründetes Sachurteil gehindert (dazu 1.). Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage in Gestalt der vorbeugenden Unterlassungsklage zulässig (dazu 2.) und begründet. Das [X.] verletzt revisibles Recht. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die [X.] es unterlässt, ein ihr künftig übersandtes Lichtbild von ihm zur Ausstellung der [X.] zu speichern, wenn die hiermit ausgestellte [X.] in den Herrschaftsbereich des [X.] gelangt ist (dazu 3.).

8

1. Der erkennende Senat ist trotz des erklärten [X.]s (zu den Anforderungen vgl zB [X.] 119, 293 = [X.] 4-1500 § 101 [X.], Rd[X.] 9 ff; [X.] [X.] 4-1300 § 48 [X.] Rd[X.] mwN) der [X.]n nicht gehindert, durch begründetes Sachurteil und nicht nur durch bloßes [X.] zu entscheiden. Ein [X.] ergeht im Revisionsverfahren nur auf gesonderten Antrag des [X.] (vgl § 555 Abs 3 ZPO idF durch Art 1 [X.] mit den Gerichten vom 10.10.2013 mWv 1.1.2014, [X.] 3786 iVm § 202 S 1 [X.] idF durch Art 9 Gesetz zur Einführung einer zivilprozess[X.]len Musterfeststellungsklage vom 12.7.2018, [X.] 1151 mWv 1.11.2018). Erklärt die [X.] erst in der Revisionsinstanz ein Anerkenntnis, kann der Kläger wählen, ob der Rechtsstreit durch [X.] oder durch streitige Entscheidung mit Begründung beendet wird. Die Regelung bringt die auch in der Revisionsinstanz geltende [X.] mit dem öffentlichen Interesse an der Klärung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, der Wahrung der Rechtseinheit und der Fortbildung des Rechts in ein neues, ausgewogenes Verhältnis. Die [X.] kann Grundsatzentscheidungen des [X.] nicht dadurch verhindern, dass sie den klägerischen Anspruch anerkennt (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu den Entwürfen eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs der BReg und des [X.], BT-Drucks 17/13948 [X.] zu [X.] - neu - <§ 555 [X.]>). Die Regelung gilt nach allen Auslegungsmethoden in Revisionsverfahren für alle, nicht nur für in der mündlichen Verhandlung erklärte [X.] ([X.], NJW 2014, 267, 268 f; [X.] in [X.], ZPO, 7. Aufl 2017, § 555 Rd[X.]).

9

Die Voraussetzungen der entsprechenden Anwendung der Norm in Revisionsverfahren beim [X.] sind erfüllt. Das [X.] enthält hierzu keine Bestimmung über das Verfahren, sondern lediglich eine Regelung des angenommenen [X.]s des geltend gemachten Anspruchs (§ 101 Abs 2 [X.]). Die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Verfahren nach der ZPO und nach dem [X.] schließen die entsprechende Anwendung der Regelung unter Berücksichtigung ihres Zweckes nicht aus (vgl zu § 173 S 1 VwGO entsprechend BVerwGE 152, 346 = [X.] 406.256 [X.] [X.] 3, Rd[X.]5). Es ist ohne Belang, dass das [X.] nicht zusätzlich einen Einwilligungsvorbehalt für die Rücknahme der Revision kennt (so zB § 140 Abs 1 S 2 VwGO; vgl zum Ganzen [X.], [X.] 2015, 549, 551; [X.] in Zeihe/[X.], [X.], Stand Oktober 2018, § 101 [X.] und [X.], im Erscheinen begriffen; aA Fichte, [X.] 2014, 254, 256 f).

Der Kläger hat keinen gesonderten Antrag auf Erlass eines [X.]s gestellt, weder ausdrücklich noch sinngemäß. Die Regelung des § 555 Abs 3 ZPO steht einer Auslegung des Revisionsantrags des [X.] entgegen, hierin sinngemäß einen Antrag auf Erlass eines [X.]s zu sehen (vgl [X.], [X.] 2015, 549, 552; aA zur früheren, bis 2001 geltenden Rechtslage zB [X.] [X.] 1750 § 307 [X.]; [X.] Urteil vom 24.7.2003 - B 4 RA 62/02 R - Juris Rd[X.]).

2. Die Klage ist als kombinierte allgemeine Leistungs- und Anfechtungsklage zulässig (§ 54 Abs 4 [X.]). Die isolierte oder echte Leistungsklage des Bürgers gegen den öffentlich-rechtlichen Leistungsträger ist innerhalb des Klagesystems des [X.], das im Verhältnis zwischen Bürger und öffentlich-rechtlichem Leistungsträger vom Verwaltungsakt als typischem Regelungsinstrument nach dem [X.] und der darauf aufbauenden Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ausgeht 54 Abs 1, 2 [X.]), die Ausnahme (vgl [X.] 112, 170 = [X.] 4-1500 § 54 [X.]7, Rd[X.]2; [X.] [X.] 4-1300 § 84 [X.] Rd[X.]4). Der Kläger begehrt neben der Änderung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung als Leistung, dass die [X.] es unterlässt, ein künftig für seine [X.] eingereichtes Lichtbild von ihm über den Zeitpunkt der Übermittlung der hiermit ausgestellten [X.] in seinen Herrschaftsbereich hinaus zu speichern.

Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis für diese Klage auf eine zukünftige Leistung (vgl § 202 S 1 [X.] iVm § 259 ZPO). Es liegt in der Besorgnis, dass die [X.] - wie in ihrer Verwaltungsentscheidung angekündigt - bei Fälligkeit nicht leisten wird. Der Anspruch hat seine Grundlage in dem bestehenden Versicherungsverhältnis der Beteiligten und der vorinstanzlich geklärten Obliegenheit des [X.], bei der [X.]n für seine [X.] ein Lichtbild einzureichen (vgl zu den Anforderungen [X.] [X.] 3-1500 § 54 [X.] mwN). Die [X.] hat die Besorgnis, bei Fälligkeit des Anspruchs nicht zu leisten, nicht wirksam durch ihre Erklärung des [X.]s im Revisionsverfahren beseitigt. Es widerspräche dem dargelegten Schutzzweck des § 555 Abs 3 ZPO, im Allgemeininteresse Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, ließe man das Anerkenntnis der [X.]n genügen, um ein Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen.

3. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gegen die [X.] Anspruch darauf, die Speicherung eines künftig übersandten Lichtbildes von ihm nach Übermittlung der hiermit ausgestellten [X.] in seinen Herrschaftsbereich zu unterlassen. Rechtsgrundlage ist Art 17 Abs 1 Buchst a [X.] ([X.] - Verordnung 2016/679 des [X.] und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/[X.], ABl [X.] vom [X.]). Danach hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Der hiermit geregelte Löschungsanspruch umfasst auch den Anspruch gegen den Verantwortlichen, eine Speicherung zu unterlassen. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem zuvor bis 24.5.2018 in [X.] geltenden Recht. Für das Löschen der für Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung bei [X.], Kassenärztlichen Vereinigungen und Geschäftsstellen der Prüfungsausschüsse gespeicherten [X.] gilt § 84 Abs 2 [X.] entsprechend (vgl § 304 [X.] [X.] V idF durch Art 2 [X.]1 GKV-VSG vom 16.7.2015, [X.] 1211 mWv 1.1.2017). Diese Verweisung bezieht sich ab 25.5.2018 lediglich auf die [X.] ergänzende Regelungen. Zuvor waren [X.] nach der Gesetzesnorm auch zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die verantwortliche Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich war und kein Grund zu der Annahme bestand, dass durch die Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden (vgl § 84 Abs 2 S 2 [X.] idF durch Art 8 § 2 [X.] Buchst d Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze vom 18.5.2001, [X.] 904 mWv 23.5.2001).

a) Die Norm des Art 17 Abs 1 Buchst a [X.] ist anwendbar. Während des Revisionsverfahrens eingetretene Änderungen der Rechtslage sind bei kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen zu berücksichtigen (stRspr, vgl zB [X.] 43, 1, 5 = [X.] 2200 § 690 [X.] f; [X.] 73, 25, 27 = [X.] 3-2500 § 116 [X.]; [X.] in Zeihe/[X.], [X.], Stand 1.4.2018, § 162 [X.] 10b und § 163 [X.] 4f mwN). Nach § 35 Abs 2 [X.] (idF durch Art 19 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften <[X.]> vom 17.7.2017, [X.] 2541, mWv 25.5.2018) regeln die Vorschriften des [X.] des [X.] und der übrigen Bücher des [X.] die Verarbeitung von [X.] abschließend, soweit nicht die [X.] unmittelbar gilt. Für die Verarbeitungen von [X.] im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich der [X.] fallenden Tätigkeiten finden die [X.] und dieses Gesetz entsprechende Anwendung, soweit nicht in diesem oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist (vgl § 35 Abs 2 S 2 [X.] I). Die Speicherung eines Lichtbildes durch eine [X.], um eine [X.] auszustellen, betrifft [X.] im Sinne von § 35 [X.] I (vgl zur früheren Rechtslage [X.] 117, 224 = [X.] 4-2500 § 291a [X.], Rd[X.]5 ff). [X.] sind personenbezogene Daten (vgl Art 4 [X.] [X.]), die von einer in § 35 [X.] I genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden (vgl § 67 Abs 2 S 1 [X.] idF durch Art 24 [X.] [X.]). Zu den in § 35 [X.] I genannten Stellen gehören die [X.] als Leistungsträger (vgl § 35 Abs 1 [X.]; § 12 [X.]; § 21 Abs 2 [X.] I).

Es bedarf im Hinblick auf die Auffangregelung in § 35 Abs 2 S 2 [X.] I keiner Vertiefung, ob die [X.] unmittelbar für den Streit gilt, ob eine [X.] ein Lichtbild für eine [X.] dauerhaft speichern darf. Die Frage stellt sich, weil die [X.] keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit findet, die nicht in den Anwendungsbereich des [X.]srechts fällt (vgl Art 2 Abs 2 Buchst a [X.]). Nach Art 16 Abs 2 S 1 AEUV erlassen das [X.] und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der [X.] sowie durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des [X.]srechts fallen, und über den freien Datenverkehr. Bei der Tätigkeit der [X.] wird indes die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die [X.] und die medizinische Versorgung gewahrt. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten umfasst die Verwaltung des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten Mittel (vgl Art 168 Abs 7 S 1 und 2 AEUV).

Nach den übrigen Regelungen ist die [X.] sachlich anwendbar (vgl Art 2 Abs 1 bis 4 [X.]). Die von der [X.]n beabsichtigte elektronische, dem Kläger zugeordnete Lichtbildspeicherung, um eine [X.] auszustellen, betrifft eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert werden sollen im Sinne von Art 2 Abs 1 [X.]. Zu den personenbezogenen Daten zählen auch Lichtbilder mit Personenbezug (vgl Erwägungsgrund 51 der [X.]; Klar/[X.], [X.]/[X.], 2. Aufl 2018, Art 4 [X.] Rd[X.] 37; zur Videoaufnahme als personenbezogenes Datum iSd [X.]/46 [X.] Urteil vom 11.12.2014 - [X.]/13 - Juris Rd[X.]2). Der Ausdruck "personenbezogene Daten" bezeichnet alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden "betroffene Person") beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder [X.] Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann (vgl Art 4 [X.] [X.]). Der Ausdruck "Verarbeitung" bezeichnet jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung (vgl Art 4 [X.] [X.]). Der Ausdruck "Dateisystem" bezeichnet jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird (vgl Art 4 [X.] 6 [X.]). Eine Sammlung nach Namen geordneter gespeicherter Lichtbilder, mit deren Hilfe verlorene, zerstörte oder aus anderen Gründen unbrauchbar gewordene [X.] neu erstellt werden sollen, zählt ohne Zweifel hierzu.

b) Die Voraussetzungen des Anspruchs aus Art 17 Abs 1 Buchst a [X.] sind künftig erfüllt, wenn die [X.] das Lichtbild des [X.] weiter speichert, nachdem sie ihm eine hiermit ausgestellte [X.] in seinen Herrschaftsbereich übermittelt hat. Der Kläger ist im Rechtssinne "betroffene Person", auf die sich das Bild bezieht. Er beantragte im Verwaltungsverfahren, die Speicherung des Lichtbildes nach Ausstellung der [X.] zu unterlassen, und widersprach ihr vorsorglich. Die [X.] ist "Verantwortlicher". Dieser Ausdruck bezeichnet die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet; sind die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung durch das [X.]srecht oder das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben, so kann der Verantwortliche bzw können die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach dem [X.]srecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen werden (vgl Art 4 [X.] 7 [X.]). Die [X.] entscheidet als Behörde über die Dauer der Speicherung des Lichtbildes des [X.]. Werden [X.] von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 [X.] I verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen (§ 67 Abs 4 [X.] idF durch Art 24 [X.] [X.]).

Die [X.] hat das gespeicherte Lichtbild des [X.] unverzüglich zu löschen, wenn es für die Zwecke, für die sie es erhob, nicht mehr notwendig ist. So liegt es, wenn die hiermit erstellte [X.] in den Herrschaftsbereich des [X.] übermittelt ist. Die Rechtsgrundlage zur Feststellung der Zwecke, für die der Verantwortliche die Daten erhob, ergibt sich aus der Regelung der rechtmäßigen Datenverarbeitung (vgl Art 6 [X.]). Denn die Norm des Art 17 Abs 1 Buchst a [X.] knüpft nach Wortlaut, Regelungssystem (vgl Art 17 Abs 1 Buchst d [X.]) und -zweck an die Beendigung einer rechtmäßigen Datenverarbeitung an. Die Verarbeitung ist danach [X.] rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt (vgl Art 6 Abs 1 Buchst c [X.]). Die Rechtsgrundlage hierfür wird [X.] festgelegt durch das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt (vgl Art 6 Abs 3 S 1 Buchst b [X.]). Der Zweck der Verarbeitung muss in dieser Rechtsgrundlage festgelegt sein (vgl Art 6 Abs 3 S 2 [X.]).

Das hier berufene [X.] Recht genügt diesen Anforderungen. Danach ist die Erhebung von [X.] durch die in § 35 [X.] I genannten Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. Dies gilt auch für die Erhebung der besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Art 9 Abs 1 [X.] (vgl § 67a [X.] und 2 [X.] idF durch Art 24 [X.] [X.]). Die anschließende Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung von [X.] durch die in § 35 [X.] I genannten Stellen ist nur erlaubt, soweit datenschutzrechtliche Vorschriften des [X.] oder eine andere Vorschrift des [X.] dies erlauben oder anordnen (vgl § 67b [X.] [X.] idF durch Art 24 [X.] [X.]). Hierzu zählen die einschlägigen Regelungen der §§ 15, 284, 291 und 291a [X.] V.

Vorinstanzlich ist rechtskräftig im Einklang mit der Rspr des erkennenden Senats (vgl [X.] 117, 224 = [X.] 4-2500 § 291a [X.], Rd[X.]7 ff) geklärt, dass die [X.] auf dieser Grundlage vom Kläger ein Lichtbild einfordern und nutzen darf, um eine [X.] auszustellen. Die damit einhergehende Berechtigung, das Lichtbild zu speichern, endet aber mit der Übermittlung der [X.] in den Herrschaftsbereich des [X.]. Die [X.] dürfen nämlich [X.] wie das Lichtbild für die [X.] für Zwecke der Krankenversicherung nur erheben und speichern, soweit diese [X.] für die Ausstellung der [X.] erforderlich sind (vgl § 284 [X.] [X.] [X.] V idF durch Art 1 [X.] 9 Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 21.12.2015, [X.] 2408 mWv 29.12.2015). Die [X.] ist mit einem Lichtbild des Versicherten zu versehen (vgl § 291 Abs 2 S 4 [X.] V idF durch Art 1 [X.]0 Buchst c Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 21.12.2015, [X.] 2408 mWv 29.12.2015). § 284 [X.] V regelt die datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Erhebung und Speicherung von [X.] durch die [X.] bereichsspezifisch (vgl § 1 Abs 2 S 1 [X.] idF des [X.] - DSAnpUG-EU - vom 30.6.2017, [X.] 2097 und zu der bis zum 25.5.2018 geltenden Rechtslage [X.] 117, 224 = [X.] 4-2500 § 291a [X.], Rd[X.]6; [X.] 107, 86 = [X.] 4-1300 § 83 [X.], Rd[X.]2; [X.] 102, 134 = [X.] 4-2500 § 295 [X.], Rd[X.], 33 ff mwN).

Mit Abschluss der Übermittlung der [X.] ist der Zweck der Speicherung des Lichtbildes bei der [X.] beendet. Die Erlaubnis zur Datenspeicherung bezieht sich schon nach dem dargelegten Wortlaut begrifflich bloß auf die Ausstellung einer einzigen konkreten ("der") [X.], nicht etwa auf eine Vorratsspeicherung für alle während eines Versicherungsverhältnisses auszustellenden Karten. Der Begriff der "Ausstellung" umfasst nur die Herstellung und Übermittlung der einen [X.] an den Versicherten, die ihn erreicht und ihm verfügbar ist. Herstellung und Übermittlung sind ein zeitlich abgrenzbarer Vorgang, kein Dauerzustand. Die Übermittlung ist in dem Moment abgeschlossen, in dem sich die Karte so im Herrschaftsbereich des Versicherten befindet, dass er sie als Berechtigungsnachweis im Sinne von § 15 Abs 2 [X.] V verwenden kann. Der Versicherte kann die [X.] dann zweckentsprechend nutzen, um sich - mittels Sichtkontrolle überprüfbar - auszuweisen (vgl [X.] 117, 224 = [X.] 4-2500 § 291a [X.], Rd[X.]7). Ab diesem Zeitpunkt bedarf die [X.] der weiteren Lichtbildspeicherung "zur Ausstellung der [X.]" nicht mehr. Die Norm des § 284 [X.] [X.] [X.] V unterscheidet sich auch rechtssystematisch von Regelungen einer weiteren Ausstellung einer [X.]. Das Gesetz sieht für diesen Fall grundsätzlich keine Gebührenpflicht des Versicherten vor (vgl § 15 Abs 6 S 1 [X.] V). Muss die [X.] aufgrund von vom Versicherten verschuldeten Gründen eine [X.] neu ausstellen, kann sie eine Gebühr von 5 Euro erheben (vgl § 15 Abs 6 S 3 [X.] V). Die Gesetzesmaterialien ergeben nichts Abweichendes (vgl auch bereits [X.] 117, 224 = [X.] 4-2500 § 291a [X.], Rd[X.] 31 mit Hinweis auf [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 2007, [X.] § 291 Rd[X.] f).

4. [X.] beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 1 KR 31/17 R

18.12.2018

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Konstanz, 6. April 2016, Az: S 7 KR 877/15, Gerichtsbescheid

§ 12 S 1 SGB 1, § 21 Abs 2 SGB 1, § 35 Abs 1 S 1 SGB 1 vom 17.07.2017, § 35 Abs 2 S 1 SGB 1 vom 17.07.2017, § 35 Abs 2 S 2 SGB 1 vom 17.07.2017, § 15 Abs 2 SGB 5, § 15 Abs 6 S 1 SGB 5, § 15 Abs 6 S 3 SGB 5, § 284 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 5 vom 21.12.2015, § 291 Abs 2 S 4 SGB 5 vom 21.12.2015, § 291a SGB 5, § 304 Abs 1 S 1 SGB 5 vom 16.07.2015, § 67 Abs 2 S 1 SGB 10 vom 17.07.2017, § 67 Abs 4 SGB 10 vom 17.07.2017, § 67a Abs 1 S 1 SGB 10 vom 17.07.2017, § 67b Abs 1 S 1 SGB 10, § 84 Abs 2 S 2 SGB 10 vom 18.05.2001, Art 17 Abs 1 Buchst a EUV 2016/679, Art 17 Abs 1 Buchst d EUV 2016/679, Art 9 Abs 1 EUV 2016/679, Art 6 Abs 1 Buchst c EUV 2016/679, Art 6 Abs 3 S 1 Buchst b EUV 2016/679, Art 6 Abs 3 S 2 EUV 2016/679, Art 4 Nr 1 EUV 2016/679, Art 4 Nr 2 EUV 2016/679, Art 4 Nr 6 EUV 2016/679, Art 4 Nr 7 EUV 2016/679, Art 2 Abs 1 EUV 2016/679, Art 2 Abs 2 Buchst a EUV 2016/679, Art 2 Abs 3 EUV 2016/679, Art 2 Abs 4 EUV 2016/679, Erwägungsgrund 51 EUV 2016/679, Art 16 Abs 2 S 1 AEUV, Art 168 Abs 7 S 1 AEUV, Art 168 Abs 7 S 2 AEUV, § 1 Abs 2 S 1 BDSG 2018, § 555 Abs 3 ZPO vom 10.10.2013, § 259 ZPO, § 202 S 1 SGG vom 12.07.2018, § 101 Abs 2 SGG, § 54 Abs 4 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.12.2018, Az. B 1 KR 31/17 R (REWIS RS 2018, 273)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 273

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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