Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2018, Az. 2 ARs 271/18

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 2992

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Gegenstand

Jugendstrafverfahren: Gerichtsstand bei Aufenthaltswechsel nach Anklageerhebung; Bindungswirkung eines Übernahmebeschlusses bei Nichtvorliegen der Abgabevoraussetzungen


Tenor

Der Abgabebeschluss des [X.] – Jugendrichter – vom 1. Februar 2018 wird aufgehoben.

Dieses Gericht ist für die Untersuchung und Entscheidung der Sache weiter zuständig ist.

Gründe

1

Mit Anklage an das Amtsgericht – [X.] – [X.] vom 9. Mai 2017 wird der zur Tatzeit heranwachsenden [X.] Staatsangehörigen [X.]und dem aus [X.] stammenden [X.]zur Last gelegt, gegenüber der Ausländerbehörde der [X.] [X.] falsche Angaben zu ihrer angeblichen ehelichen Lebensgemeinschaft gemacht zu haben, um so dem Angeschuldigten [X.]ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht im [X.] zu sichern.

2

Was den weiteren Verfahrensablauf und die daraus folgende gerichtliche Zuständigkeit anbelangt, hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

"Das Amtsgericht [X.] hat, nachdem es mit Eröffnungsbeschluss vom 9. November 2017 ([X.]) die Anklage vom 9. Mai 2017 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet hat, das unter anderem gegen die zur Tatzeit heranwachsende Angeklagte gerichtete Verfahren mit Beschluss vom 1. Februar 2018 (Blatt 99 d. SA) an das Amtsgericht – [X.] – [X.] abgegeben, da die Angeklagten ihren Wohnsitz am dortigen [X.] hätten. Das [X.] hat das Verfahren mit Beschluss vom 2. Mai 2018 übernommen ([X.] d. SA). Nachdem festgestellt worden war, dass die Angeklagten in der [X.] vom 12. Oktober 2017 bis 5. Mai 2018 unter wechselnden [X.] Anschriften amtlich gemeldet, jedoch tatsächlich nicht unter einer dieser Anschriften in [X.] aufhältlich waren, hat das Amtsgericht [X.] „unter Ablehnung der Übernahme des Verfahrens“ das Verfahren an das Amtsgericht [X.] zurückgegeben (Blatt 152 d. SA). Das Amtsgericht [X.] hat die Sache nunmehr gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 [X.] dem [X.] vorgelegt; es hält die Ablehnung der Übernahme durch das Amtsgericht [X.] Wedding/[X.] offensichtlich für unzulässig und unwirksam und sich daher nicht mehr für zuständig.

Die Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht [X.] war gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 [X.] nicht zulässig. Danach ist Voraussetzung, dass der jugendliche oder heranwachsende Angeklagte seinen Aufenthaltsort nach Erhebung der Anklage gewechselt hat. Für die Zuständigkeit kommt es lediglich auf den faktischen Aufenthaltsort an, nicht auf den Wohnsitz oder die Meldeanschrift des Jugendlichen oder Heranwachsenden, so dass die Zuständigkeit auch dann begründet werden kann, wenn dieser ohne festen Wohnsitz an einem bestimmten Ort lebt ([X.], Beschluss vom 10. Januar 2007 – 2 [X.], [X.], 162; Beschluss vom 26. Juni 2014 – 2 [X.]; Beschluss vom 8. September 2015 – 2 [X.], [X.] 2015, 353, 354).

Die heranwachsende Angeklagte war zwar in [X.] amtlich gemeldet; es liegen aber keine Hinweise dafür vor, dass sie sich tatsächlich auch dort aufgehalten hat. Dass der Mitangeklagte – der Ehemann der Angeklagten – am 25. Mai 2018 einen in [X.] ansässigen Rechtsanwalt bevollmächtigt hat (Blatt 147 d. SA) ist kein zuverlässiger Hinweis für einen tatsächlichen Aufenthalt auch der Angeklagten in [X.]. Mit Blick darauf, dass den Angeklagten mit der Anklageschrift zur Last gelegt wird, wahrheitswidrige Angaben in Bezug auf ihre eheliche Lebensgemeinschaft gemacht zu haben (Blatt 72 d. SA) ist diese Bevollmächtigung des Mitangeklagten kein ausreichendes Indiz dafür, dass sich die Angeklagten nach Anklageerhebung gemeinsam tatsächlich in [X.] aufgehalten haben.

Der Übernahmebeschluss des Amtsgerichts [X.] vom 2. Mai 2018 ist ohne Rechtswirkungen, nachdem das Amtsgericht [X.] [X.] ihn incidenter wieder aufgehoben und die Akten „unter Ablehnung der Übernahme des Verfahrens“ (Blatt 152 d. SA) an das Amtsgericht [X.] zurückgesandt hat. Eine trotz Fehlens der Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 Satz 1 [X.] ergangene Übernahme hat keine bindende Wirkung für das übernehmende Gericht, sondern kann aufgehoben und die Sache dem abgebenden Gericht zurückgegeben werden (vgl. [X.], Beschluss vom 28. April 1993 – 2 [X.], [X.]R [X.] § 42 Abs. 3 Abgabe 1; [X.], Beschluss vom 27. Juni 2012 – 2 [X.]; [X.] [X.] 20. Auflage § 42 Rn. 24; [X.]/[X.]/Sonnen [X.] 7. Auflage § 42 Rn. 34)."

3

Dem schließt sich der Senat an.

Schäfer     

      

Appl     

      

Zeng   

      

Grube     

      

Schmidt     

      

Meta

2 ARs 271/18

10.10.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 42 Abs 3 S 1 JGG, § 42 Abs 3 S 2 JGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2018, Az. 2 ARs 271/18 (REWIS RS 2018, 2992)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2992

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