Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2016, Az. 1 StR 492/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 1140

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:081216B1STR492.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 [X.]/16

vom
8. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen

wegen
Untreue

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat
auf Antrag des [X.] und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 8. Dezember
2016
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Juni 2016 aufgehoben
a) in den Fällen II
1 A Ziffer 1, 3, 4, 9, 10, 16, 17, 19, 20, 28, 29 und [X.] B Ziffer 36, 38, 39,
40, 41 der Urteilsgründe mit den jeweils zugehörigen Feststellungen;
b) im Ausspruch über die verbleibenden Einzelstrafen sowie über die Gesamtstrafe mit den jeweils zugehörigen Fest-stellungen;
c) im Ausspruch über die Verfallsanordnung nach § 111i Abs.
2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen, mit [X.] der Feststellungen zum Wert des [X.].
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Untreue in 43 Fällen zu [X.] und zehn Monaten verurteilt. [X.] hat es festgestellt, dass der [X.]. Die Kammer hat nur deshalb nicht auf Wertersatzverfall erkannt, weil Ansprüche der Verletzten entgegenstehen.
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge erhebt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übri-gen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die verfahrensrechtlichen Beanstandungen bleiben aus den in der [X.] genannten Gründen ohne Erfolg.
2. Die Annahme tatmehrheitlicher Vergehen der Untreue in den Fällen [X.] A Ziffer 1, 3, 4, 9, 10, 16, 17, 19,
20, 28, 29 und [X.] B Ziffer 36,
38, 39, 40, 41 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand; im Übrigen sind die Schuldsprüche rechtsfehlerfrei.
a) Nach den Feststellungen war der Angeklagte, ein Steuerberater, als Testamentsvollstrecker der
am 28. Juli 2012 verstorbenen

M. eingesetzt. In dieser Funktion hatte er Zugriff auf den Nachlass der Verstorbenen. Bis zum 8. September 2014 überwies er von den Konten der Erblass[X.] in 42 Fällen auf seine beiden Geschäftsgirokonten sowie auf sein Privatgirokonto
insgesamt 484.633,45

dem Geld deckte er seine Lebenshaltungskosten und die Kosten seiner Steu-erberaterkanzlei und schuf sich -
vorgefasster Absicht entsprechend -
eine [X.] von erheblicher Dauer und Gewicht. Die Überweisungen hat die [X.] in zwei Tabellen erfasst, welche
die dem Nachlass entnommenen 1
2
3
4
-
4
-
und seinem Vermögen zugeführten Beträge nach Betrag, Buchungstext, Datum und den betroffenen Konten auflisten.
Feststellungen zum exakten Zeitpunkt der Tathandlungen des Angeklagten oder zu den näheren Umständen der Überweisungen hat das [X.] nicht getroffen. Dem Urteil ist nicht zu [X.], ob das in den Tabellen genannte Datum der einzelnen Überweisung den Tag benennt, an dem der Angeklagte [X.] auf dem Empfängerkonto gemeint ist. Die [X.] hat auch n-reichen von [X.] vorgenommen wurden. Dies könnte in den Fällen von Bedeutung sein, in denen in den Tabellen mehrere Überweisungen für denselben Tag eingetragen wurden (Fälle 3 und 38, 16 und 17, 19 und 20)
oder für aufeinanderfolgende Tage (Fälle 9 und 10, 28 und 29) oder
für Bank-arbeitstage, die nur durch Wochenenden und Feiertage wie [X.] und Pfings-ten (Fälle 4 und 39, 40 und 41) voneinander getrennt sind, oder für nicht weit auseinander liegende Tage mit demselben Buchungstext (Fälle 1 und 36).
Angesichts des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs kommt in den genannten Fällen die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit in Betracht. Hätte der Angeklagte mehrere Überweisungen durch gleichzeitige Abgabe der Überweisungsträger bei der Bank oder in anderer Weise in [X.] kurzer zeitlicher Abfolge auf Grundlage eines einheitlichen Tatentschlus-ses veranlasst, läge die Annahme natürlicher Handlungseinheit nahe, auch wenn die Geldbeträge auf verschiedene Bankkonten des Angeklagten überwie-sen worden sind
(vgl. [X.], Beschlüsse vom 7.
September 2005 -
2
StR 342/05, [X.], 100;
vom 19.
Dezember 2007 -
2
StR 457/07, [X.], 220 f.;
vom 15. Januar 2008
-
4 [X.], [X.], 182 f.;
vom 12. [X.] 2008
-
4 [X.], NStZ
2008, 281 f.;
vom 11.
September 2014

4
StR 5
-
5
-
207/14, [X.], 17
und
vom 26. November 2015
-
2 StR 144/15, wistra 2016,
152 f.).

Der [X.] kann nicht ausschließen, dass in einer neuen Hauptverhand-lung weitere Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme [X.] selbständiger Taten tragen könnten.
Um widerspruchsfreie Fest-stellungen zu ermöglichen, hat er
in den genannten Fällen
mit den [X.] auch die zugehörigen Feststellungen -
mit Ausnahme der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Wert der jeweils erlangten Beträge -
aufgeho-ben.
Diese Aufhebungen führen zum Wegfall der für diese
Taten verhängten Einzelstrafen und der vom [X.] festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe.
Sollten in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getrof-fen werden, die zur Umstellung von mehreren auf eine g[X.]gere Anzahl an Taten
führen, ließe
dies den [X.] unberührt. Den auf der Grundlage des neu gefassten Schuldspruchs festzusetzenden Einzelstrafen wären [X.] höhere Schadensbeträge zugrunde zu legen und bei der [X.] zu berücksichtigen (vgl. [X.], Beschluss vom 4. März 2008 -
5 [X.], [X.], 168, 169). An der Erhöhung der Einzel-strafen ist der neue Tatrichter durch das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2
Satz 1 StPO) nicht gehindert. Zu beachten ist lediglich, dass die Summe der bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neuen Einzelstrafen nicht überschritten wird (vgl. [X.], Beschluss vom 19. November 2002 -
1
StR 313/02, [X.]R StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12) und die neu zu bildende Ge-samtstrafe nicht höher ist als die bisherige (st. Rspr.;
[X.],
Urteil vom 7. März 1989 -
5 [X.], [X.]R StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 3; Beschlüsse vom 6.
Oktober 1995 -
3 [X.], [X.]R StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 7 und vom 19. November 2002 -
1 StR 313/02, [X.]R StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12).
6
7
-
6
-
3. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung auch in den von der Aufhebung nicht berührten Schuldsprüchen nicht stand.
a) Die Strafzumessungserwägungen des [X.] lassen nicht er-kennen, ob es bei der Festsetzung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe die drohenden berufsgerichtlichen Maßnahmen gemäß § 90 StBerG berücksichtigt hat.
Die Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben des [X.] sind jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert (vgl. [X.], Beschlüsse
vom 27. Juli 2016
-
1 StR 256/16, NStZ-RR
2016, 312;
vom 29. September 2015
-
1 [X.]/15,
wistra 2016, 29;
vom 7. April 1986 -
3 [X.], [X.], 133, 134; vom 27. August 1987 -
1 [X.]/87, [X.], 550; vom 13. Februar 1991 -
3 [X.], [X.], 207; vom 2. Februar 2010 -
4 [X.], [X.], 479 f.;
vom 28. Mai 2014
-
3 [X.], [X.]St 59, 244, 252
und vom 24. Juli 2014 -
2 StR 221/14, [X.], 277, 278;
ferner Beschlüsse vom 2. Februar 2010 -
4 [X.], [X.], 301, 302 und vom 11. April 2013 -
2 StR 506/12, [X.], 522, jeweils zu § 114 BRAO).
b) Die Strafzumessungserwägungen des [X.] sind darüber hin-aus auch deshalb fehlerhaft, weil die Höhe der Schadenswiedergutmachung durch den Angeklagten nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehba-ren Weise begründet worden ist. Die Wertung der [X.], der Angeklagte
habe den Schaden lediglich im Umfang von , entbehrt einer tragfähigen Grundlage. Die Verbindlichkeiten sind nicht näher aufgeschlüsselt worden. Eine Differenzierung, in welcher Höhe (noch) [X.], also eine dingliche Absicherung der [X.] angesetzt wurde, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Nicht [X.] ist auch, ob der Angeklagte Alleinerbe seiner verstorbenen Ehefrau ge-8
9
10
-
7
-
worden ist und daher uneingeschränkt über das Anwesen verfügen konnte oder ob seine Tochter ([X.]; Revisionsbegründung vom 17. August 2016, [X.] und 6) Miteigentüm[X.] geworden ist, so dass ihr Miteigentumsanteil nicht zu-gunsten des Angeklagten als eigene Schadenswiedergutmachung angesetzt werden könnte.
Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das Tatgericht in diesen Fällen zu g[X.]geren [X.] gelangt wäre, wenn es die möglichen [X.] Folgen bei der Bemessung der Einzelstrafen bedacht und hin-sichtlich der Schadenswiedergutmachung auf einer korrekten [X.] entschieden hätte.
c) Dagegen teilt der [X.] die Besorgnis des Beschwerdeführers und des [X.] nicht, das [X.] könnte bei der Strafzumes-sung den Umstand übersehen haben, dass der Angeklagte bei Verurteilung bereits 69 Jahre alt war und altersbedingt besonders haftempfindlich sein könn-te.

Eine Fallgestaltung, in der das Alter des Angeklagten die Erörterung sei-

vom 27. April 2006 -
4 StR 572/05,
[X.], 500 f.
mwN) erfordert hätte, lag hier nicht vor.
Das [X.] hat auf eine Gesamtstrafe von drei Jahren und zehn Monaten erkannt. Gesundheitliche Beeinträchtigungen oder eine krankheitsbe-dingt reduzierte Lebenserwartung sind im Urteil nicht festgestellt ([X.] f.). Vielmehr stand der Angeklagte bis zuletzt im Erwerbsleben. Dies lässt dem
An-geklagten die begründete Erwartung, seine Entlassung aus dem Strafvollzug erleben zu können. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass jeder Straftäter schon nach dem Maß der verhängten Strafe die Gewissheit haben muss, im An-11
12
13
14
-
8
-
schluss an die [X.] in die Freiheit entlassen zu werden, gibt es nicht. Insbesondere kann sich aus dem Lebensalter eines Angeklagten, etwa unter Berücksichtigung statistischer Erkenntnisse zur Lebenserwartung, keine Strafobergrenze ergeben ([X.], Urteil vom 27. April 2006 -
4 StR 572/05,
[X.], 500 f.

-zehn
Jah-ren bei einem 74, von neun
Jahren bei einem 75 und von 12 Jahren bei einem 65 Jahre alten Angeklagten).
4. Auch der
Ausspruch über die Verfallsanordnung hält rechtlicher Nach-prüfung
nicht stand. Das [X.] hat nicht bedacht, dass nach § 111i Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 StPO eine (teilweise) Befriedigung des Verletzten vom [X.] bzw. dessen Wert (§ 111i Abs. 2 Satz 2 und Satz 3
StPO) in Abzug zu bringen ist, soweit der Verletzte nachweislich aus dem Vermögen befriedigt wurde, das nicht beschlagnahmt oder im Wege der [X.] gepfändet worden ist. Allein der dann noch verbleibende Vermögenswert unterliegt dem Auffang-rechtserwerb des Staates. Dabei ist zu beachten, dass § 73c Abs. 1 StGB auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung gilt (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Juni 2011
-
4 StR 56/11, [X.]R
StPO § 111i Feststel-lung 2 [Gründe]
und Urteil vom 28. Oktober 2010 -
4 [X.], NJW 2011, 624 Rn. 15 mwN). Die Vorschrift ist zu prüfen, wenn naheliegende Anhalts-punkte für das Vorliegen ihrer Voraussetzungen gegeben sind ([X.], [X.] vom 15. März 2011
-
1 StR 75/11, [X.]St 56, 191, 196).
Der [X.] kann aufgrund der nicht nachvollziehbaren Ausführungen zur Schadenswiedergutmachung die erforderlichen Feststellungen zum Umfang der Befriedigung den Urteilsgründen nicht mit der für eine eigene [X.] gebotenen Sicherheit entnehmen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Juni 2011
-
5 [X.], NStZ
2012, 400 f.;
Urteil vom 28. Oktober 2010 -
4 [X.], [X.]St 56, 39).
15
16
-
9
-
Um dem neuen Tatgericht insoweit insgesamt widerspruchsfreie Fest-stellungen zu ermöglichen, werden deshalb auch die insoweit zugehörigen Feststellungen -
mit Ausnahme der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Wert des [X.] -
aufgehoben.
[X.] Cirener

Ri[X.] Prof. Dr. [X.] gehört

dem [X.] nicht mehr an und ist

daher an der Unterschriftsleistung

gehindert.

Graf Fischer

17

Meta

1 StR 492/16

08.12.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2016, Az. 1 StR 492/16 (REWIS RS 2016, 1140)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1140

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 492/16 (Bundesgerichtshof)

Untreue: Strafzumessung bei drohender berufsgerichtlicher Maßnahme gegenüber einem Steuerberater


1 StR 628/15 (Bundesgerichtshof)

Bankrott: Tatbestandsverwirklichung durch Beiseiteschaffen von Vermögen der späteren Insolvenzmasse


1 StR 628/15 (Bundesgerichtshof)


2 StR 352/15 (Bundesgerichtshof)

Veruntreuende Unterschlagung durch einen GmbH-Geschäftsführer: Revisionsrechtliche Überprüfung der Anordnung des Verfalls gegen den Angeklagten; Vermögensmehrung …


4 StR 164/10 (Bundesgerichtshof)

Strafbarkeit der Nichtrückgabe von Unterlagen


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.