Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2016, Az. 2 StR 497/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 5274

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:200916B2STR497.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 497/15
vom
20. September
2016
in der Strafsache
gegen

wegen Betrugs

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 20. September
2016 gemäß §
349 Abs.
4
StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16.
Juli 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs zu einer Freiheits-strafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung aus-gesetzt hat. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verlet-zung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
1. Das [X.] hat die Verurteilung des Angeklagten auf folgende Feststellungen gestützt:
Der Angeklagte, von
Beruf Rechtsanwalt, beantragte am 14.
August 2012 bei der zu diesem Zeitpunkt zuständigen Rechtspflegerin beim Amtsge-richt [X.] den Erlass eines Pfändungs-
und [X.] gegen die M.

GmbH auf Grund eines Vollstreckungsbescheides des
Amtsgerichts
Aschersleben vom 14. Dezember 2011. Der Angeklagte [X.] dabei, dass dieser Vollstreckungsbescheid
-
was ihm bekannt war
-

1
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3
-
bereits mit Urteil des [X.] Bamberg vom 29.
Mai 2012 aufgehoben
worden
war,
das [X.] am 18. Juni 2012 beschlossen
hatte, die Zwangsvollstreckung aus dem am 26. Januar 2012 auf Grundlage des Vollstre-ckungsbescheides des Amtsgerichts
Aschersleben erlassenen Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses gegen die M.

GmbH einstweilig einzustellen,
und
das [X.] den vorbezeichneten Pfändungs-
und Überwei-sungsbeschluss am 7.
August 2012 aufgehoben hatte.
Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts [X.], der die Vorgänge beim Amts-
und [X.] Bamberg nicht bekannt waren und die deshalb davon ausging, dass keine Vollstreckungshindernisse bestünden, erließ am 1.
November 2012 den beantragten Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss über eine Hauptforderung in Höhe von 1.921.451,58

abzüglich seit März 2012 von einer Drittschuldnerin gezahlter 100.000

Am 23.
November 2012 hob das Amtsgericht [X.] den Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss auf.
Das [X.] ist der Ansicht, dass aufgrund des beim
Amtsgericht [X.] erschlichenen Pfändungs-

Vermögen der M.

GmbH in Höhe von 1.921.451,58

-

2. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen (voll-endeten) Betrugs nicht.
a) Wie der [X.] im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, hat der Angeklagte zwar mit seinem Antrag auf Erlass eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses vom 14.
August 2012 die zuständige Rechtspflege-rin beim
Amtsgericht [X.] über das Vorliegen eines vollstreckbaren Schuldtitels gegen die M.

GmbH getäuscht und dadurch einen entsprechen-
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-
den Irrtum bei ihr hervorgerufen. In dem Erlass des Pfändungs-
und Überwei-sungsbeschlusses vom 1.
November 2012 ist dem Grunde nach auch eine Vermögensverfügung des Vollstreckungsgerichts zum Nachteil der M.

GmbH
im Sinne von §
263 Abs.
1 StGB zu sehen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25.
April 2001 -
1
StR 82/01, [X.]R StGB §
263 Abs.
1 Täuschung 19
und vom 19.
November
2013 -
4
StR 292/13, [X.]St 59, 68, 72
f.), weil dem [X.] die Zahlung an den Vollstreckungsschuldner untersagt (§
829 Abs.
1 Satz
1 ZPO), letzterem die Verfügungsbefugnis über die gepfändete Forderung entzo-gen (§
829 Abs.
1 Satz
2 ZPO) und dem Vollstreckungsgläubiger das Recht verliehen wird, die Forderung im eigenen Namen geltend zu machen und ein-zuziehen (§
835 Abs.
1, §
836 Abs.
1 ZPO).
b) Die Feststellungen belegen aber bislang nicht hinreichend den Eintritt eines Vermögensschadens. Das [X.] hat eine schadensgleiche Gefähr-dung des Vermögens der M.

GmbH durch den Erlass
des Pfändungs-
und
Überweisungsbeschlusses in Höhe der in dem Vollstreckungsbescheid titulier-ten 1.921.451,58

. Dies hält [X.] Nachprüfung nicht stand.
aa) Ein tatbestandsmäßiger [X.] ist gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines endgültigen Verlusts eines Vermögensbestandteils so groß
ist, dass dies bereits im Zeitpunkt der Vermögensverfügung eine objektive Minderung des [X.] zur Folge hat (vgl. [X.], StGB, 63.
Aufl., §
263 Rn.
159 mwN). Die bloße Möglichkeit des Eintritts eines solchen Schadens genügt nicht. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen abge-sehen, etwa bei einem ohne Weiteres greifbaren Mindestschaden, muss der Vermögensschaden der Höhe nach beziffert und dies in wirtschaftlich nachvoll-ziehbarer Weise in den Urteilsgründen dargelegt werden (vgl. [X.], [X.] vom 7. Dezember 2011 -
2
BvR 2500/09
u.a., [X.]E 130, 1, 47).
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-
5
-
bb) Nach diesen Maßstäben ist eine schadensgleiche [X.] durch die Feststellungen nicht hinreichend belegt.
(1) Das [X.] geht bereits im Ansatz unzutreffend davon aus,
dass das Vermögen der M.

GmbH durch den Erlass des Pfändungs-
und Überwei-
sungsbeschlusses in Höhe der in dem Vollstreckungsbescheid titulierten 1.921.451,58

r-sieht es, dass von der titulierten Forderung die zuvor gezahlten 100.000

Abzug zu bringen wären.
(2) Aber auch im Übrigen ist eine hinreichend große Verlustwahrschein-lichkeit, die zu einer gegenwärtigen -
bezifferbaren -
Minderung des Vermögens der M.

GmbH hätte führen können, nicht ausreichend festgestellt. Denn der
Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss
vom 1.
November 2012 entfaltete [X.] Rechtswirkungen, weil es bereits im Zeitpunkt seines Erlasses an einem vollstreckbaren Titel und damit an einer schlechthin unerlässlichen Vorausset-zung der Zwangsvollstreckung mangelte, nachdem der Vollstreckungsbescheid des [X.] vom 14.
Dezember 2011 durch das Urteil des [X.] Bamberg vom 29.
Mai 2012 aufgehoben worden war (§
717 Abs.
1 ZPO). Darin liegt ein besonders schwerwiegender Fehler, der für einen mit den Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersicht-lich, mithin offenkundig ist und somit zur Nichtigkeit des Pfändungs-
und Über-weisungsbeschlusses führt (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 1992
-
IX
ZR 226/91, [X.]Z 121, 98, 101 ff.;
Beschluss vom 9.
Juli 2014 -
VII ZB 9/13, NJW 2014, 2732, 2733;
Baumbach/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 74.
Aufl., Grundzüge §
704 Rn.
57; [X.] in [X.], ZPO, 31.
Aufl.,
vor §
704 Rn.
34, [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 13. Aufl., Vorbemerkung zu §
704 Rn.
32; [X.], ZPO, 6. Aufl., vor §
704-945
Rn.
21; [X.] in [X.]/[X.], ZPO, 37.
Aufl., Vorbemerkung [X.] zu §
704 Rn.
58, jeweils mwN). Die Dritt-
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11
12
-
6
-
schuldnerin, der nach den Feststellungen zudem bereits vor Erlass des Pfän-dungs-
und Überweisungsbeschlusses durch das Amtsgericht [X.] bekannt war, dass der diesem Beschluss zugrundeliegende [X.] des [X.] aufgehoben worden war, hätte sich demnach durch Zahlungen an den Angeklagten von vornherein nicht von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der M.

GmbH
befreien
können.
Der Schuldspruch kann auch nicht deswegen bestehen bleiben, weil
-
wie das [X.] meint -
der M.

GmbH die Durchsetzung ihrer Forderun-

orden
sei, weil sich und die Forderungen wahrscheinlich gerichtlich geltend gemacht werden müs-. Zwar kann ein nicht unerhebliches
Prozessrisiko unter dem Gesichtspunkt der schadensgleichen Vermögensgefährdung einen
Betrugsschaden begrün-den (vgl. [X.], Urteil vom 8. Mai 1990 -
1 [X.], [X.]GR StGB §
263 Abs.
1 Vermögensschaden 24;
Beschluss vom 8. Juni 2011 -
3
StR 115/11, [X.]R StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 75 mwN). Nach der Rechtspre-chung des [X.] ist es im Hinblick auf das Be-stimmtheitsgebot des
Art. 103 Abs. 2 GG aber erforderlich, eigenständige Fest-stellungen zum Vorliegen des Vermögensschadens zu treffen, um so dieses Tatbestandsmerkmal von den übrigen
Tatbestandsmerkmalen des
§
263 Abs.
1 StGB sowie die Fälle des versuchten von denen des vollendeten Betrugs hin-reichend deutlich abzugrenzen, mithin den Schaden der Höhe nach zu beziffern und seine Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den [X.] darzulegen (vgl. bereits [X.], Beschluss vom 23. Juni 2010 -
2
BvR 2559/08 u.a., [X.]E 126,
170,
211 f.; Beschluss vom 7.
Dezember 2011
-
2
BvR 2500/09 u.a., [X.]E 130, 1, 47).

13
-
7
-
Daran fehlt es hier. Weder ist ersichtlich, nach welchen wirtschaftlich nachvollziehbaren Maßstäben ein bezifferbarer Vermögensschaden allein in dem Bestehen eines -
hier zudem nicht ohne Weiteres ersichtlichen, jedenfalls nicht näher festgestellten -
zivilrechtlichen [X.] liegen kann, noch werden Parameter für die Berechnung der Höhe eines solchen Schadens er-kennbar
(vgl. auch [X.], Beschluss vom 8. Juni 2011 -
3
StR 115/11, [X.]R StGB §
263 Abs.
1 Vermögensschaden 75).
[X.]

Appl

Ri[X.] Dr. Eschelbach

ist aus tatsächlichen Gründen

an der Unterschrift gehindert.

[X.]

Ri[X.] [X.] ist

Zeng

aus tatsächlichen Gründen

an der Unterschrift gehindert.

[X.]
14

Meta

2 StR 497/15

20.09.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2016, Az. 2 StR 497/15 (REWIS RS 2016, 5274)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5274

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