Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.12.2014, Az. 4 StR 213/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 713

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Gegenstand

Strafmilderung bei Täter-Opfer-Ausgleich nach vorsätzlichem Eingriff in den Straßenverkehr


Leitsatz

Der vertypte Strafmilderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB ist auf den vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB nicht anwendbar.

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 3. Februar 2014 wird verworfen.

2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 25. April 2013 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in zwei tateinheitlichen Fällen, vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit falscher uneidlicher Aussage in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Außerdem hatte es ihn auf sein Anerkenntnis hin dazu verurteilt, an die Polizeibeamtin [X.]     als Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 800 Euro zu bezahlen. Auf seine Revision hob der Senat mit Beschluss vom 9. Oktober 2013 die Verurteilung wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung u. a. sowie den Gesamtstrafen- und den [X.] auf und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des [X.]s zurück. Die weiter gehende Revision wurde verworfen.

2

Das im zweiten Rechtsgang zuständige [X.] hat den Angeklagten nunmehr wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in zwei tateinheitlichen Fällen, vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und Sachbeschädigung verurteilt (Einzelstrafe: zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe) und mit den rechtskräftigen Einzelstrafen (acht und zehn Monate Freiheitsstrafe) aus der im ersten Rechtsgang erfolgten Verurteilung wegen falscher uneidlicher Aussage in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung, eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren gebildet. Außerdem hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Mit seiner auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision macht der Angeklagte unter anderem geltend, dass bei der Bestimmung der Einzelstrafe für die als vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung u.a. bewertete Tat der [X.] des § 46a Nr. 1 StGB nicht in Betracht gezogen worden sei. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

3

1. Nach den Feststellungen befuhr der alkoholbedingt fahruntüchtige Angeklagte mit seinem Pkw öffentliche Straßen, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte. Als er einer Polizeikontrolle unterzogen werden sollte, ergriff er mit seinem Pkw die Flucht. Nachdem er an einer Einmündung anhalten musste, weil sich ihm der Zeuge S.     mit seinem Pkw quer in den Weg gestellt hatte, stoppten die verfolgenden Polizeibeamten ihr Dienstfahrzeug hinter seinem Wagen. Die Polizeibeamtin [X.]     stieg aus, klopfte an die Beifahrertür des Pkw des Angeklagten und verlangte deren Öffnung. Der Angeklagte leistete der Aufforderung keine Folge. Stattdessen rangierte er sein Fahrzeug mehrmals hin und her. Dabei fuhr er der zurückweichenden Polizeibeamtin [X.]     über den rechten Fuß und stieß gegen das Dienstfahrzeug der Polizei, wodurch ein Sachschaden in Höhe von 1.136,01 Euro entstand. Die Polizeibeamtin [X.]     trat daraufhin vor den Pkw des Angeklagten und forderte ihn aus einem Abstand von zwei bis vier Metern zum Anhalten auf. Der Angeklagte fuhr nun, auch diese Aufforderung missachtend, mit Vollgas an und flüchtete, indem er durch eine zwischen dem [X.] und dem Pkw des Zeugen S.     bestehende etwa 1,6 Meter breite Lücke hindurchfuhr. Die Polizeibeamtin [X.]     konnte sich durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit bringen. Dabei wurde sie von der vorderen rechten Stoßstange des Pkw des Angeklagten erfasst und leicht verletzt. Dem Angeklagten kam es bei seinem Vorgehen allein darauf an, sich der Polizeikontrolle zu entziehen. Als möglich erkannte Verletzungen der Polizeibeamtin [X.]     und eine Beschädigung des Dienstfahrzeugs der Polizei nahm er jeweils billigend in Kauf. Auf seiner weiteren Fluchtfahrt stieß der Angeklagte mit seinem Pkw gegen einen Omnibus (Sachschaden 2.613,01 Euro) und fuhr danach, obgleich er den Anstoß bemerkt hatte, ohne anzuhalten weiter.

4

Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung im zweiten Rechtsgang bei der von ihm verletzten Polizeibeamtin [X.]     entschuldigt und das bereits im ersten Rechtsgang anerkannte Schmerzensgeld an sie bezahlt.

5

2. Das [X.] hat in dem mit bedingtem Schädigungsvorsatz erfolgten Zufahren auf die Polizeibeamtin [X.]     und ihrer sich anschließenden Verletzung einen vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1b StGB, eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und einen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB gesehen. Im Übrigen hat es das Verhalten des Angeklagten als Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB (Beschädigung des [X.]), fahrlässige Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 StGB), unerlaubtes Entfernen vom Unfallort in zwei tateinheitlichen Fällen (§ 142 Abs. 1 StGB) und vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) gewertet. In konkurrenzrechtlicher Hinsicht ist es davon ausgegangen, dass alle Delikte zueinander im Verhältnis der Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB (natürliche Handlungseinheit) stehen.

II.

6

Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

7

1. Das [X.] hat der Bemessung der Strafe für die als vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung u.a bewertete Tat nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB rechtsfehlerfrei den Strafrahmen des § 315b Abs. 3 StGB zu Grunde gelegt und davon abgesehen, den Strafrahmen nach § 46a Nr. 1 StGB zu mildern.

8

a) [X.] des § 46a Nr. 1 StGB ist auf den vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB nicht anwendbar und brauchte daher vom [X.] in Bezug auf diese Vorschrift nicht in Erwägung gezogen zu werden.

9

aa) Obgleich § 46a StGB nach seinem Wortlaut in beiden Varianten für alle Delikte gilt ([X.], Beschluss vom 18. August 2009 – 2 [X.], [X.], 369), können sich aus den verschiedenen tatbestandlichen Voraussetzungen, die in den Nummern 1 und 2 der Bestimmung festgeschrieben sind, Anwendungsbeschränkungen ergeben (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Mai 1995 – 5 [X.], [X.], 492). Im Gegensatz zu § 46a Nr. 2 StGB, der vorwiegend den materiellen Schadensausgleich betrifft und deshalb hier nicht einschlägig ist, zielt § 46a Nr. 1 StGB vorrangig auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat ab (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 8. August 2012 – 2 StR 526/11, [X.], 483 [X.]. 17; Beschluss vom 2. Mai 1995 – 5 [X.], [X.], 492). Dazu bedarf es eines kommunikativen Prozesses zwischen Täter und Opfer, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 23. Mai 2013 – 4 [X.], Rn. 11; Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, [X.], 439; Urteil vom 19. Dezember 2002 – 1 [X.], [X.]St 48, 134, 142 f.; [X.], StGB, 62. Aufl., § 46a Rn. 10a mwN). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das Bemühen des [X.] muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer muss die Leistung des [X.] als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, [X.], 439, 440; Urteil vom 19. Oktober 2011 – 2 [X.], [X.]R StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 8; Urteil vom 27. August 2002 – 1 [X.], [X.]R StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 6). Dies und der Wortlaut des § 46a Nr. 1 StGB schließen eine Anwendung dieser Vorschrift auf "opferlose" Delikte aus (weiter gehend in Bezug auf eine juristische Person, [X.], Urteil vom 18. November 1999 – 4 [X.], [X.], 205).

bb) Danach ist eine Anwendung von § 46a Nr. 1 StGB bei einem vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB grundsätzlich ausgeschlossen.

(1) § 315b StGB schützt die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs ([X.], Beschluss vom 8. Juni 2004 – 4 [X.], [X.], 625; Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 [X.], [X.]St 48, 119, 123; Beschluss vom 23. Mai 1989 – 4 [X.], NJW 1989, 2550; Urteil vom 21. Mai 1981 – 4 [X.], [X.], 122, 123; [X.] in: [X.] Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315b Rn. 3 und § 315 Rn. 4 mwN). Die in der Norm aufgezählten [X.] (Leben, Gesundheit und bedeutende Sachwerte der durch den Eingriff betroffenen Verkehrsteilnehmer) werden dabei lediglich faktisch mit geschützt ([X.], Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 [X.], [X.]St 48, 119, 123; Beschluss vom 14. Mai 1970 – 4 [X.], [X.]St 23, 261, 264 zu § 315c StGB; [X.]/[X.], 2. Aufl., § 315b Rn. 1; [X.] in: [X.] Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315b Rn. 3 und § 315 Rn. 5). Auch wenn § 315b StGB voraussetzt, dass sich die durch die tatbestandliche Handlung begründete abstrakte Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs zu einer konkreten Gefahr für eines der genannten [X.] verdichtet hat (vgl. [X.], Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 [X.], [X.]St 48, 119, 122; [X.]/[X.], 2. Aufl., § 315b Rn. 5) und der Täter bei Eingriffen innerhalb des fließenden Verkehrs mit einem zumindest bedingten Schädigungsvorsatz gehandelt haben muss ([X.], Beschluss vom 5. November 2013 – 4 [X.], [X.], 86, 87; Beschluss vom 18. Juni 2013 – 4 [X.], [X.] 2013, 387, 388; Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 [X.], [X.]St 48, 233, 237 f.), werden die betroffenen Verkehrsteilnehmer dadurch nicht zum Träger des bestimmenden Rechtsguts. Ein zwischen ihnen und dem Täter durchgeführter dialogischer [X.] kann daher grundsätzlich weder zu einem friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat veranlassten Folgen, noch – wie dies von § 46a Nr. 1 StGB vorausgesetzt wird – zu einer Lösung des der Tat zugrunde liegenden [X.] führen (im Ergebnis wie hier [X.] in [X.], 12. Aufl., § 46a Rn. 21; MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., § 46a Rn. 3; NK-StGB/Streng, 4. Aufl., § 46a Rn. 10; [X.]/[X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., § 46a Rn. 4a; a.[X.], StGB, 62. Aufl., § 46a Rn. 8; [X.]/[X.], 2. Aufl., § 46a Rn. 20; [X.]/Weiler/[X.], [X.], 2014, [X.] jeweils zu § 315c StGB; [X.], [X.] 2005, 339, 345; [X.], § 46a StGB – [X.] oder sinnvolle Bereicherung des [X.]?, 2004, [X.]; Kasperek, Zur Auslegung und Anwendung des § 46a StGB, 2002, S. 65 f.; [X.], 50 Jahre [X.], Festgabe aus der Wissenschaft, [X.], 2000, [X.], 333 f.). Hiermit steht in Einklang, dass der [X.] einen Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB sowohl bei der Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB (Urteil vom 4. April 2001 – 5 [X.], [X.]R StGB § 339 [X.] 2, nicht tragend entschieden), als auch bei Steuerdelikten (Beschluss vom 25. Oktober 2000 – 5 StR 399/00, [X.], 200, 201; Beschluss vom 18. Mai 2011 – 1 [X.], [X.], 346) für ausgeschlossen erachtet hat, weil diese Delikte nur Gemeinschaftsrechtsgüter schützen und – im Fall der Rechtsbeugung – Individualinteressen allenfalls mittelbar geschützt werden.

(2) Dem steht nicht entgegen, dass nach § 46a Nr. 1 StGB ein gelungener Täter-Opfer-Ausgleich auch schon anzunehmen sein kann, wenn der Täter eine Wiedergutmachung seiner Tat nur zum überwiegenden Teil erreicht oder lediglich ernsthaft erstrebt hat (so aber [X.], § 46a StGB – [X.] oder sinnvolle Bereicherung des [X.]?, 2004, [X.]; [X.]/Weiler/[X.], [X.], 2014, [X.]). Eine nur zum überwiegenden Teil erreichte oder lediglich erstrebte Wiedergutmachung vermag die Annahme eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB nur dann zu rechtfertigen, wenn sie auf der Grundlage umfassender [X.] geleistet worden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 20. September 2002 – 2 [X.], [X.]R StGB § 46a Anwendungsbereich 2). Hieran fehlt es aber, wenn der Geschädigte nicht Träger des bestimmenden Rechtsguts ist, sondern nur faktisch in den Schutzbereich der verletzten Norm einbezogen wird. Auch kann die gegenüber einem einzelnen Geschädigten geleistete Wiedergutmachung grundsätzlich nicht als eine Teilwiedergutmachung oder ein Wiedergutmachungsbemühen in Bezug auf andere verletzte Rechtsgüter gedeutet werden, deren Träger nicht in den [X.] einbezogen wurden oder für die es – wie hier in Bezug auf das Rechtsgut der Sicherheit im öffentlichen Straßenverkehr – keine individualisierbaren Opfer gibt.

cc) Soweit der Senat in einer früheren Entscheidung eine Anwendung des § 46a StGB bei einer Verurteilung wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, gefährlicher Körperverletzung u.a. für zulässig erachtet hat, betraf dies einen Fall des § 46a Nr. 2 StGB (Beschluss vom 17. Januar 1995 – 4 StR 755/94, [X.], 284).

b) Eine Anwendung der Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB in Bezug auf § 315b StGB kam hier auch nicht deshalb in Betracht, weil sich der Angeklagte durch dieselbe Tat im Rechtssinn (§ 52 Abs. 1 StGB) einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht hat und insoweit ein Täter-Opfer-Ausgleich (Entschuldigung und Zahlung von Schmerzensgeld) erfolgt ist.

Bezugspunkt für den Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB, soweit er zu einem vertypten [X.] führt, ist – wie bei anderen vertypten [X.] grundsätzlich auch – der konkret verwirklichte Straftatbestand. Hat der Täter – wie hier – tateinheitlich mehrere Delikte begangen, führt dies dazu, dass im Hinblick auf jede der konkurrierenden Gesetzesverletzungen gesondert zu prüfen ist, inwieweit ein die Anwendung von § 46a Nr. 1 StGB ermöglichender Opferbezug besteht und – [X.] – ob ein gelungener Ausgleich mit dem betroffenen Opfer erfolgt ist. Ist dies lediglich in Bezug auf eines oder mehrere der konkurrierenden Delikte der Fall, kann dem Täter § 46a StGB als vertypter [X.] auch nur insoweit zugute kommen.

Eine Ausnahme hiervon ist nicht geboten. Zwar wird unter diesen Umständen für einen Täter nur ein eingeschränkter Anreiz für [X.] bestehen, wenn ihm – wie hier – in Tateinheit zu einem dem Täter-Opfer-Ausgleich zugänglichen Delikt auch noch ein zumindest gleichgewichtiges „opferloses“ Delikt zur Last liegt (vgl. [X.], NJW 1996, 3286 zu § 46a Nr. 2 StGB bei einer Verurteilung wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung; [X.] in [X.], 12. Aufl., § 46a Rn. 49 f.; dagegen [X.]/[X.], 2. Aufl., § 46a Rn. 23 [keine Milderungsmöglichkeit auch hinsichtlich des opferbezogenen Delikts]; noch weiter gehend [X.], Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung, 2011, [X.]). Dieser Einwand vermag aber mit Rücksicht auf die systematische Einordnung von § 46a Nr. 1 StGB als vertypter [X.] nicht zu überzeugen. Im Übrigen sind [X.] und [X.], die in Bezug auf die Folgen eines tateinheitlich begangenes Delikt erbracht wurden, dessen Strafandrohung nicht die nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB Maßgebliche ist, bei der konkreten Strafzumessung nach § 46 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen.

2. Die weitere Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Umstand, dass das [X.] die Bildung der Gesamtstrafe aus der von ihm im zweiten Rechtsgang neu festgesetzten Einzelstrafe und den bereits rechtskräftigen Einzelstrafen aus dem nur teilweise aufgehobenen ersten Urteil rechtsfehlerhaft auf § 55 StGB gestützt und § 54 StGB nicht unmittelbar angewendet hat (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Juni 2004 – 2 [X.]; [X.], StGB, 62. Aufl., § 55 Rn. 5), beschwert den Angeklagten nicht.

[X.][X.]

                      Mutzbauer                            [X.]

Meta

4 StR 213/14

04.12.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Coburg, 3. Februar 2014, Az: 3 Ks 105 Js 3600/12

§ 46a Nr 1 StGB, § 315b Abs 3 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.12.2014, Az. 4 StR 213/14 (REWIS RS 2014, 713)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 500 REWIS RS 2014, 713

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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