Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.10.2012, Az. IV ZB 13/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2000

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB
13/12
vom

24. Oktober
2012

in der
Nachlasssache

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller

am 24. Oktober 2012

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde
der
Beteiligten zu 1
gegen den Beschluss des [X.]

2.
Zi-vilsenat

vom 14. März 2012 wird auf ihre Kosten zu-rückgewiesen.

[X.]:

Gründe:

[X.] Die Beteiligte zu 2 wurde mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 7.
September 2009 zur berufsmäßigen Nachlasspflegerin für die damals noch unbekannten Erben des Erblassers eingesetzt. In der [X.] berichtete sie in zahlreichen Schriftsätzen von ihrer Tätigkeit ([X.], Ermittlung der Aktiva und Passiva des Nachlasses). Sie schilderte die
Schwierigkeiten, da einerseits eine Reihe gesetzlicher Erben in Betracht kam, die nacheinander

teilweise unwirk-sam

die Erbschaft ausschlugen, andererseits sich verschiedene Gläu-biger meldeten, der Nachlass aber nicht liquide ist, weil er aus [X.] besteht, teilweise in noch nicht auseinandergesetzter [X.]
-
3
-

schaft,
und die Ehefrau des Erblassers Unterlagen vor dem Zugriff der Beteiligten zu
2 vernichtete. Nach einem vorläufigen Nachlassverzeich-nis erstellte die Beteiligte zu
2
ein berichtigtes Nachlassverzeichnis so-wie drei Verwaltungsabrechnungen.

Mit Schriftsatz vom 6.
August 2010 (Eingang 11.
August
2010) stellte sie "fristwahrend"
einen Antrag auf Vergütung ihrer
nachlasspfle-gerischen Tätigkeit.
Mit Schriftsatz vom 12.
Januar 2011 (Eingang 17.
Januar
2011) schrieb sie "rein
vorsorglich stelle ich hiermit zur Frist-wahrung einen weiteren Vergütungsantrag bezüglich der hiesigen nach-lasspflegerischen Tätigkeit". Mit Schriftsatz vom 20.
Juni 2011 teilte sie mit, die Vergütung müsse aus der Staatskasse erfolgen, weil nahezu keine liquiden Nachlassmittel vorhanden seien. Sie bat außerdem um Mitteilung, ob die Nachlasspflegschaft im Hinblick auf die Erbenstellung der Beteiligten zu
3 aufgehoben werde und ob sie ihre Arbeitsstunden bis zum Abschluss der Angelegenheit beziffern solle. Das Nachlassge-richt antwortete
mit Schreiben vom 23.
Juni 2011, die [X.] könne nicht aufgehoben werden, weil im Hinblick auf Zweifel an der wirksamen Ausschlagung eines anderen Miterben die Alleinerbenstellung der Beteiligten zu
3 nicht feststehe. Mit Schreiben vom 23.
August 2011 schrieb das Nachlassgericht an die Beteiligte zu
2, wegen des weiterhin bestehenden Schwebezustands werde angeregt, den Vergütungsfestset-zungsantrag der Staatskasse gegenüber zu stellen und Tätigkeiten sowie Zeitaufwand näher darzulegen. Mit Schreiben vom 28.
September 2011 übersandte die
Beteiligte zu
2 eine Aufstellung ihrer Arbeitszeit als Nach-lasspflegerin an das Nachlassgericht über 66,35 Stunden. Die Bezirksre-visorin widersprach der Vergütungsfestsetzung, weil nicht für den ge-samten Zeitraum
fristwahrende Anträge vorlägen. Die pauschale Anmel-dung von Ansprüchen habe mangels nachvollziehbarer Angaben zum 2
-
4
-

Zeitaufwand keine Überprüfung und Festsetzung ermöglicht und könne deshalb nicht als fristwahrend angesehen werden.

Mit Beschluss vom 12.
Dezember 2011 hat das Amtsgericht der Beteiligten zu
2 eine Vergütung in Höhe
von 2.244,50

m-satzsteuer zugesprochen, wobei ein Teilbetrag von 449,98

dem liqui-den Nachlass entnommen
werden könne, der Restbetrag von 2.220,98

aus der Staatskasse zu erstatten sei. Hiergegen hat die Beteiligte zu
1 als Vertreterin der Staatskasse Beschwerde eingelegt. [X.] sei nur ein Vergütungsantrag, der eine Aufschlüsselung der Tätigkeit nach Datum, Art und Dauer enthalte. Es genüge nicht, wenn sich das [X.] anhand der eingereichten Berichte einen Überblick über die Tätigkeiten verschaffen könne. Vielmehr sei der konkrete Zeitaufwand darzustellen. Die in dem Schreiben angekündigten Ansprüche seien er-loschen.

Das [X.] hat die Beschwerde der Beteiligten zu
1 zurückgewiesen. Nach §
2 Satz
1 [X.]
erlösche der Vergütungsan-spruch, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung gel-tend gemacht werde. Die Vorschrift diene nicht nur dem Schutz des Mündels/Betreuten davor, mit großen aufgesummten Vergütungsforde-rungen konfrontiert zu werden, sondern auch dem Schutz der [X.] davor, nach §
1 Abs.
2 Satz
2 [X.] bei Mittellosigkeit in Anspruch genommen zu werden, was bei rechtzeitiger Inanspruchnahme des [X.]/Betreuten hätte vermieden werden können. Gehe man davon aus, dass die Tätigkeit des [X.] seit dem 1. Januar 1999 ([X.]) nach Stundensätzen für die jeweilige Tätigkeit

also tageweise -
abgerechnet werde, könne eine pauschale Anmeldung dem Grunde nach nicht als ordnungsgemäße Geltendma-3
4
-
5
-

chung i.S. von §
2 [X.] angesehen werden, denn es fehle an jeglicher Prüffähigkeit. Letztlich müsse dies hier aber nicht entschieden werden;
jedenfalls herrsche in der obergerichtlichen Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass zugunsten des [X.] der Gedanke von [X.] und Glauben zu prüfen sei und eine bisher geübte Praxis zwischen Nachlassgericht und Nachlassverwalter nicht unbeachtet bleiben könne. Die Beteiligte zu 2 habe sich hier ausdrücklich auf das durch die [X.] ihr gegenüber in einer Vielzahl von Fällen gewachsene Vertrau-en berufen und der zuständige Rechtspfleger habe seine bisherige Übung auch
bestätigt. Der aktenkundige
Verlauf stütze diese Deutung und könne nur so verstanden werden, dass zwischen dem Rechtspfleger und der Beteiligten zu
2 aufgrund langjähriger
Übung ganz selbstver-ständlich davon ausgegangen worden sei, dass die Beteiligte zu 2 erst dann eine Spezifizierung ihrer Tätigkeit einreichen müsse, wenn die [X.] Bearbeitung eines [X.] anstand. Ohne einen ent-sprechenden Hinweis habe sie daher nicht damit rechnen müssen, dass sich an dieser Übung etwas ändere.

Hiergegen wendet sich die
Beteiligte zu 1 mit der Rechtsbe-schwerde.

I[X.] Diese hat keinen Erfolg. Sie ist zwar gemäß §§
342 Nr.
2, 70 Abs.
1 FamFG statthaft und auch gemäß §§
71 Abs.
1 und
2, 72
FamFG im Übrigen zulässig. Der Senat ist an die Zulassung gebunden. Das Beschwerdegericht hat jedoch rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Vergütungsantrag der Beteiligten zu
2 wegen der besonderen Um-stände des Falls nicht nach §
2 Satz
1
[X.] erloschen ist.

5
6
-
6
-

1. Gemäß §
168 FamFG
i.[X.]. §
1962 BGB setzt das Nachlassge-richt auf Antrag eine dem Nachlasspfleger zu bewilligende Vergütung fest. Nach §
1836 Abs.
1 Satz
2 und 3 BGB richtet sich bei [X.] Führung der Nachlasspflegschaft die Vergütung nach dem [X.]. Der Nachlasspfleger
kann bei Mittellosigkeit die gemäß §
1 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 Satz
1 [X.] zu bewilligende Vergütung aus der Staats-kasse verlangen

1 Abs.
2 Satz
2 [X.]).
Nach §
2
Satz
1 [X.]
er-lischt der Vergütungsanspruch
aber, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend gemacht wird.

2. Das [X.] weist zutreffend darauf hin, dass §
2
[X.] selbst keine Vorgaben dafür enthält, in welcher Form die Ansprü-che angemeldet werden müssen, um die Frist zu
wahren, dass aber
eine pauschale Anmeldung dem Grunde nach nicht als ordnungsgemäße Gel-tendmachung angesehen werden könne.

Welche inhaltlichen Anforderungen §
2 Satz
1 [X.] an die frist-gemäße Geltendmachung stellt, lässt sich weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien entnehmen (vgl. KG
[X.] 2011, 235, 236; [X.] 2009, 161, 162). §
2 [X.] entspricht sinnge-mäß der bis zum 30.
Juni 2005 geltenden Regelung in §
1836 Abs.
2 Satz
4 BGB (BT-Drucks.
15/4874, S.
30), die vor allem im Interesse der Staatskasse geschaffen worden war (BT-Drucks. 13/7158, S.
23). Der Vormund soll zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche angehalten werden, um zu verhindern, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, [X.] die Leistungsfähigkeit des Mündels überfordert
und seine Mittello-sigkeit begründet und damit eine Eintrittspflicht der Staatskasse auslöst, die bei rechtzeitiger
Inanspruchnahme nicht erfolgt wäre (BT-Drucks. 13/7158, S.
23).
Die pauschale Anmeldung von Ansprüchen, die keine 7
8
9
-
7
-

Prüfung der Vergütungshöhe ermöglicht, genügt daher nach ganz einhel-liger Ansicht nicht zur Fristwahrung. Ein Vergütungsantrag muss [X.] die Prüfung und Feststellung der zutreffenden Vergütungshöhe er-möglichen ([X.] 2011, 235, 236; OLG Hamm
[X.] 2009, 161
ff.; OLG München
MDR 2006, 815; OLG Frankfurt [X.] 2001, 243; a.[X.], [X.], 112
ff., sie lehnen die [X.] des §
2 Satz
1 [X.] auf den Vergütungsanspruch des Nach-lasspflegers ab). Die bloße Angabe der Stundenzahl ohne konkreten [X.] reicht für die fristgerechte Geltendmachung des [X.] nicht aus [X.]/Pammler
in
jurisPK-BGB 3.
Aufl. §
1836 Rn.
55).

Ob die [X.] der Beteiligten zu
2 diesen Anforderun-gen genügen, erscheint fraglich, das [X.] ist aber rechts-fehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt,
dass diese Frage offen bleiben kön-ne, weil hier der Ausschlussfrist nach §
2 [X.] der Grundsatz von [X.] und Glauben entgegenstehe.

3. Entgegen
der Ansicht der Beteiligten zu
1 kann der Grundsatz von [X.] und Glauben auch gegenüber der gesetzlichen Ausschlussfrist von §
2 [X.] durchgreifen.

a) Es gibt keine allgemein geltenden Bestimmungen für die [X.] gesetzlicher Ausschlussfristen. Je nach Art und Inhalt des Rechts, das erlöschen soll, richtet sich, welcher Zweck mit der Frist ver-folgt wird und welche Interessen berücksichtigt werden müssen und kön-nen ([X.], Urteil vom 5.
Juni 1975
II ZR 131/73, NJW 1975, 1698; [X.], Urteil vom 8.
Februar 1965

II ZR 171/62, [X.]Z 43, 235, 237). Auch wenn das Nachlassgericht nicht gehalten ist, auf Grund seiner all-gemeinen Beratungspflicht rechtzeitig auf die Folgen einer verspäteten 10
11
12
-
8
-

Antragstellung hinzuweisen, und insbesondere von einem
berufsmäßig tätigen Nachlasspfleger die Kenntnis der für die Anmeldung von Vergü-tungs-
und Aufwendungsersatzansprüchen geltenden gesetzlichen [X.] und der mit deren Ablauf verbundenen Rechtsfolgen erwartet werden kann
(KG
[X.] 2011, 235, 236 m.w.N.),
hindert dies im Einzelfall nicht die Annahme eines [X.] zugunsten eines mit Blick auf § 2 [X.] säumigen [X.].

b) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die Berufung auf eine Ausschlussfrist dann ausgeschlossen ist, wenn der Schuldner den Gläubiger gerade durch sein Verhalten von der rechtzeiti-gen Geltendmachung seines Anspruchs abgehalten hat, was vorliegend der Fall gewesen sei. Soweit das Beschwerdegericht daran die Frage nach den Grenzen der Anwendung des Grundsatzes von [X.] und

13
-
9
-

Glauben geknüpft hat, handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls oh-ne grundsätzliche Bedeutung, die einer weiteren abstrakt-generellen [X.] nicht zugänglich ist.

[X.] [X.]

[X.]

[X.] Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.12.2011 -
309 VI 722/09 -

OLG Hamburg, Entscheidung vom 14.03.2012 -
2 W 9/12 -

Meta

IV ZB 13/12

24.10.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.10.2012, Az. IV ZB 13/12 (REWIS RS 2012, 2000)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2000

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZB 13/12 (Bundesgerichtshof)

Vergütungsanspruch des berufsmäßigen Nachlasspflegers: Anforderungen an die fristgemäße Geltendmachung; Durchgreifen des Grundsatzes von Treu und …


IV ZB 16/17 (Bundesgerichtshof)


IV ZB 36/20 (Bundesgerichtshof)

Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers bei teilmittellosem Nachlass


IV ZB 16/20 (Bundesgerichtshof)

Vergütung des Nachlasspflegers: Bemessung bei teilmittellosem Nachlass


15 W 455/14 (Oberlandesgericht Hamm)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.