Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2012, Az. III ZR 70/12

III. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 341

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[X.]R: ja

BUNDESGERICHTSHOF

IM [X.] DES VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
III ZR 70/12

Verkündet am:

13. Dezember 2012

B o t t

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2012
durch den Vizepräsidenten
Schlick und die Richter
Dr.
[X.], [X.], [X.] und Dr. Remmert

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 5. Zivilse-nats des [X.] in [X.] vom 31. Januar 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem
[X.]n Schadensersatz wegen fehler-hafter Anlageberatung. Auf dessen Empfehlung
zeichnete sie
im April 2004
eine von einer Treuhandkommanditistin gehaltene Beteiligung an der M.

AG & Co.
KG (künftig: M.

). Die Klägerin

M.

wurde im Jahr 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet.

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Die Klägerin macht geltend, über die Risiken und Nachteile der Anlage nicht aufgeklärt worden zu sein. Zudem sei der Emissionsprospekt, den sie [X.] erst nach der Zeichnung der Anlage erhalten habe, fehlerhaft.

Das [X.] hat die auf Verurteilung des [X.]n
zur Zahlung von zum Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie auf Feststel-lung der Verpflichtung des [X.]n zur Freistellung von künftigen wirtschaftli-chen Nachteilen aus der Beteiligung gerichtete Klage abgewiesen. Das Ober-landesgericht hat die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss ge-mäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelasse-nen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu [X.]. Das Urteil beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis des [X.]n, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach-
und Streitstands (vgl. z.B. Senatsurteil
vom 18. Januar 2007 -
III ZR 44/06, NJW-RR 2007, 621 Rn. 6; [X.], Urteil vom 4. April 1962 -
V [X.], [X.]Z 37, 79, 81 ff).

Der Rechtsstreit
ist nicht gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen. Aus der vom Senat beigezogenen Insolvenzakte des Amtsgerichts E.

ergibt sich, dass zwar über das Vermögen des [X.]n ein Insolvenzverfahren eröffnet war.
Das Verfahren wurde
jedoch, nachdem die
Schlussverteilung vollzogen war, am 15. November 2010 gemäß § 200 Abs. 1 [X.] aufgehoben. Die Aufhe-2
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bung des Insolvenzverfahrens lässt die Voraussetzung des § 240 Satz 1 ZPO
entfallen (z.B. [X.]/[X.], 4. Aufl., §
240 Rn. 23; [X.]/[X.], ZPO, 29. Aufl., § 240
Rn. 15), da der Insolvenzverwalter die Verfügungs-

und Prozessführungsbefugnis verliert (z.B. [X.], Urteil vom 22. Februar 1973
-
VI [X.], NJW 1973, 1198, 1199) und der Schuldner sie wiedererlangt. Die mit Beschluss vom 5. Juli 2012
angeordnete, möglicherweise
noch nicht abgeschlossene [X.] (§ 203 [X.]) von 1.642,74 hat
ebenfalls nicht zur
Verfahrensunterbrechung gemäß § 240 ZPO geführt. Im Fall der [X.] gehen die Verfügungs-
und damit die Prozessführungsbe-fugnis
lediglich hinsichtlich des betreffenden Vermögensgegenstands auf den Insolvenzverwalter über (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 1982 -
VIII ZR 158/80, [X.]Z 83, 102, 103; MünchKomm[X.]/[X.], 2. Aufl., § 200 Rn. 40; [X.] in [X.]/[X.]/Vallender, [X.], 13. Aufl., § 200 Rn. 15 mwN; siehe auch [X.],
Urteil vom 17. September 1891 -
Rep. [X.], [X.]Z 28,
68, 70
f), so dass die Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO nur in Verfahren ein-tritt, die den von der [X.] erfassten Vermögensbestandteil
zum Gegenstand haben.
Dies ist vorliegend nicht der Fall.

I.

Das Berufungsgericht hat
in dem vor Erlass des
angefochtenen [X.] gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gegebenen
Hinweis
auf das erstin-stanzliche Urteil und dessen Begründung vollinhaltlich Bezug genommen. Das [X.]
hat ausgeführt, zwischen den Parteien sei ein [X.] zustande gekommen. Der Klägerin sei aber nicht der Beweis für ihre Be-hauptung gelungen, dass sie unrichtig beraten worden sei. Aus den Bekundun-gen eines der vernommenen Zeugen habe sich ergeben, dass eine [X.] anhand des Prospekts stattgefunden habe. Soweit die Klägerin darauf 7
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abstelle, der Emissionsprospekt sei fehlerhaft, sei
nicht ersichtlich, dass dies kausal für ihre Beitrittserklärung geworden sei. Nach ihrem eigenen Vortrag
ha-be sie die Unterlage
erst deutlich nach Unterzeichnung der Beitrittserklärung erhalten. Auch der Ehemann der Klägerin
habe als Zeuge ausgesagt,
weder er noch die Klägerin hätten den Prospekt vor oder kurz nach der Beitrittserklärung gelesen. Vielmehr sei dies erst ein oder zwei Jahre später erfolgt.

II.

Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Auf der Grundlage des bisherigen Sach-
und Streitstands und der hierzu getroffe-nen Feststellungen ist ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den [X.]n
gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung von Pflichten aus einem Anlageberatungsvertrag
nicht auszuschließen.

1.
Die Würdigung der Vorinstanzen, der [X.] sei der Klägerin gegen-über zu einer ordnungsgemäßen Beratung über die von ihm empfohlene Anlage verpflichtet gewesen, nimmt die Revision als ihr günstig hin und ist auch recht-lich nicht zu beanstanden.

2.
Rechtsfehlerhaft ist jedoch die vom Berufungsgericht gebilligte Annahme
des [X.]s, etwaige Fehler des Emissionsprospekts könnten nicht ur-sächlich für die Anlageentscheidung der Klägerin geworden sein.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ent-spricht es der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die [X.] ursächlich geworden ist (z.B. Senatsbeschlüsse
vom 19. Februar 2009 -
III ZR 168/08, juris Rn. 5 und vom 31. Januar 2008 -
III ZR 119/07, juris Rn. 2;
[X.], Urteile
vom 8. Februar 2010 -
II ZR 42/08, BeckRS 2010, 05639 8
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Rn. 23
m. umfangr. [X.] N.
und vom 3. Dezember 2007 -
II ZR 21/06, [X.], 412 Rn. 16; vgl. auch Senatsurteil vom 9. Februar 2006 -
III ZR 20/05, NJW-RR 2006, 685 Rn. 22 mwN). Diese Vermutung kann allerdings widerlegt werden. Davon ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn der Prospekt bei dem konkre-ten Vertragsschluss keine Verwendung gefunden hat ([X.], Urteile
vom 8. [X.] 2010
und vom 3. Dezember 2007 je[X.] aaO). [X.] ist die Vermutung indessen
nicht schon, wenn der Anleger
den Prospekt nicht ausgehändigt erhal-ten und gelesen
hat. Verwendung findet der Prospekt nämlich schon dann, wenn er den Anlagevermittlern oder -beratern als Arbeitsgrundlage für ihre Be-ratungsgespräche dient (Senatsurteile vom 17. Dezember 2009 -
III ZR 14/08, juris Rn. 14 und vom 6. November 2008 -
III ZR 290/07, juris Rn. 18; [X.], Ur-teile vom 6. März 2012 -
VI [X.], [X.], 646 Rn. 28; vom 8. Februar 2010 aaO und vom
3. Dezember 2007 aaO Rn. 17).
Dies gilt, wie sich aus der Senatsentscheidung vom 9. Februar 2006 (aaO)
sowie aus dem oben [X.] VI. Zivilsenats (aaO) ergibt, nicht nur für die eigentliche Prospekt-haftung, sondern
auch bei der Verletzung von Aufklärungspflichten eines Anla-geberaters oder -vermittlers.
Erfolgt die Beratung des Anlegers auf der Basis einer solchen Unterlage, fließen etwaige Fehler des Prospekts in den Inhalt des Gesprächs mit dem Anleger ein und können so für dessen Entscheidung für die empfohlene Investition ursächlich werden. Einen solchen Sachverhalt hat das Berufungsgericht, das die Feststellungen des [X.]s übernommen hat, seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Danach hat es aufgrund der Aussage des Zeugen M.

unterstellt, dass der [X.] die Klägerin anhand des Emissionsprospekts über die Anlage beraten hat.
Dementsprechend können sich Fehler des Prospekts auf die Entscheidung der Klägerin
zugunsten der Beteiligung an der M.

ausgewirkt haben.

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b) Hiernach hätten die Vorinstanzen die Klage nicht ohne
Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Klä-gerin gegen den [X.]n (siehe zur Haftung von Anlageberatern und
-vermittlern im Zusammenhang mit Prospektfehlern insbesondere Senatsurteile vom 16. Juni 2011 -
III ZR 200/09, juris Rn. 14 und vom 5. März 2009
-
III ZR 17/08, [X.], 739 Rn. 12 f) abweisen dürfen.

3.
Da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie
unter Auf-hebung der angefochtenen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzu-verweisen (§ 563 Abs. 1, 3 ZPO).

Schlick

[X.]
[X.]

[X.]

Remmert
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.06.2011 -
9 O 1088/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 31.01.2012 -
5 U 531/11 -

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13

Meta

III ZR 70/12

13.12.2012

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2012, Az. III ZR 70/12 (REWIS RS 2012, 341)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 341

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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