Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2008, Az. IX ZR 213/06

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 5283

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 28. Februar 2008 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 129 Veranlasst das Kreditinstitut, das für den Schuldner ein überzogenes Konto führt, die einer Kontopfändung zugrunde liegende Forderung durch Überweisung an den Pfän-dungsgläubiger zu begleichen, und erteilt der Schuldner hierauf einen entsprechen-den Überweisungsauftrag, kommt in Höhe des überwiesenen Betrages ein Darle-hensvertrag zustande; durch die Überweisung werden die Insolvenzgläubiger be-nachteiligt. [X.], [X.]eil vom 28. Februar 2008 - [X.] - [X.]AG [X.]- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2008 durch [X.] [X.], [X.] Ganter und Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin [X.] und den Rich-ter Dr. [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 9. November 2006 aufgehoben. Auf die Berufung des [X.] wird das [X.]eil des [X.] vom 22. Februar 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf Zahlung von 2.086,27 • nebst Zin-sen abgewiesen worden ist Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.086,27 • nebst Zin-sen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem [X.] seit dem 23. Dezember 2005 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Die verklagte Berufsgenossenschaft pfändete wegen rückständiger Bei-tragsforderungen des Schuldners in Höhe von insgesamt 2.086,27 • dessen Ansprüche aus einer Kontobeziehung mit der Verbandssparkasse [X.](im Folgenden: Sparkasse). Die Sparkasse hatte dem Schuldner auf dem Konto ein Kreditlimit von 10.000 DM (5.112,92 •) eingeräumt. Als die Pfändungs- und Ü-berweisungsbeschlüsse vom 24. August 2004 der Sparkasse zugestellt wurden, war das Konto um 25.000 • überzogen. Der Schuldner war zahlungsunfähig. Die Sparkasse zahlte auf die Pfändungen nicht; vielmehr veranlasste sie den Schuldner, die den Pfändungen zugrunde liegenden Forderungen an die [X.] durch Überweisung von dem überzogenen Konto zu begleichen, und führte die Überweisungen - mit Wertstellung am 25. August 2004 - aus. 1 Auf einen Antrag vom 9. November 2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners am 23. Juni 2005 eröffnet. Der zum [X.] ernannte Kläger hat die Zahlung an die Beklagte angefochten und insofern die Zahlung von 2.086,27 • nebst Zinsen begehrt. Außerdem hat er [X.] in Höhe von 221,25 • sowie Rechtsanwaltsgebühren von 221,25 • als Verzugsschaden verlangt. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebe-gehren weiter. 2 - 4 - Entscheidungsgründe: Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, zur teilwei-sen Verurteilung der Beklagten und im Übrigen zur Zurückverweisung. 3 [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Zahlungen an die Beklagte [X.] nicht anfechtbar, weil es an einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger fehle. Eine Zahlung des Schuldners, die dessen Aktivvermögen nicht [X.], benachteilige die Insolvenzgläubiger nicht. Davon sei auszugehen, wenn - wie im vorliegenden Fall - im Wege einer von dem kontoführenden [X.] bloß geduldeten Überziehung von einem debitorischen Konto des [X.] gezahlt werde. Es finde hier lediglich ein Austausch von [X.] statt. Diese würden allenfalls dann benachteiligt, wenn der neue Kredit besichert sei. Dass die Sparkasse über Sicherheiten verfüge, sei indes nicht vorgetragen. 4 I[X.] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 5 1. Die Überweisungen haben die Insolvenzgläubiger benachteiligt, weil sie mit Hilfe eines Darlehens erfolgten, welches die Sparkasse dem Schuldner zur Erfüllung der den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen zugrunde lie-6 - 5 - genden Forderungen zugesagt hatte. Es handelte sich mithin um keinen Über-ziehungskredit. a) Allerdings kann die Befriedigung eines Gläubigers mit Mitteln, die der Schuldner aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft, in der In-solvenz des Schuldners in der Regel mangels Gläubigerbenachteiligung nicht angefochten werden. Bei der ungenehmigten Kontoüberziehung besteht vor der im Belieben der Bank stehenden Durchführung der Zahlungsanweisung - die zugleich die konkludente Annahme des Kundenangebots auf Abschluss des Darlehensvertrages darstellt - kein Anspruch auf den Kredit, sondern nur die Aussicht, dass die Bank die Überziehung duldet. Die zusätzliche Liquidität, die der Schuldner durch eine geduldete Kontoüberziehung erhält, ist damit auch kein den [X.] haftendes Vermögen, solange der fragliche Be-trag nicht an ihn ausbezahlt oder auf ein im pfändbaren Bereich geführtes Kon-to übertragen wird ([X.] 170, 276, 279 ff.; [X.], [X.]. v. 1. Februar 2007 - [X.] ZB 248/05, [X.], 601, 602). 7 Der [X.] hat jedoch bereits darauf hingewiesen, dass für eine mittelba-re Gläubigerbenachteiligung dann Raum ist, wenn der Anspruch der Bank auf Rückzahlung des Überziehungskredits für die Insolvenzmasse ungünstiger ist als der Anspruch des befriedigten Gläubigers, insbesondere weil die Bank für ihren Darlehensrückzahlungsanspruch über (bessere) Sicherheiten verfügt ([X.] 170, 276, 279 f; [X.], [X.]. v. 1. Februar 2007 aaO Rn. 13). Es kommt sogar eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung in Betracht, wenn sich die Bank und ihr Kunde konkludent über die Erweiterung der Kreditlinie geeinigt haben ([X.] 170, 276, 282; vgl. hierzu auch [X.] Z[X.] 2007, 561, 563; [X.]. Z[X.] 2007, 911 ff; [X.], 228, 229; ablehnend [X.] Z[X.] 2007, 908, 910). 8 - 6 - b) Erledigt die Bank eine Kontopfändung in der Weise, dass sie dem Kunden auf dem bereits überzogenen Konto Kredit gewährt, mit dessen Hilfe der Kunde den pfändenden Gläubiger befriedigen soll, wird dadurch die [X.] in der Regel nicht erweitert. Der neue Kredit ist zweckgebunden und wird typischerweise nur in der Höhe ausgereicht, die zur Erledigung der Pfändung erforderlich ist. Vereinbart die Bank mit dem Schuldner, ihn das Konto überzie-hen zu lassen, damit er einen bestimmten Gläubiger befriedigen kann, [X.] sie dem Kunden einen Anspruch auf Kreditgewährung, noch bevor das Darlehen gewährt wird. Dieser Anspruch ist grundsätzlich für die Gläubiger pfändbar. Er fällt nach Insolvenzeröffnung in die Masse (vgl. § 36 Abs. 1 [X.]), und die Kontoüberziehung benachteiligt die Insolvenzgläubiger. Daran ändert sich auch nichts Wesentliches, wenn es sich um einen treuhänderisch gebun-denen Kredit handelt. Dieser ist zwar möglicherweise unpfändbar. Jedoch hat der [X.] einen derartigen Darlehensanspruch dem [X.], weil die Zweckbindung nicht dem Schutz des Schuldners, sondern den Interessen des mit dem Darlehen befriedigten Gläubigers dient ([X.] 170, 276, 282; [X.], [X.]. v. 7. Juni 2001 - [X.] ZR 195/00, [X.], 1476, 1477). 9 c) Der Tatrichter hat die von ihm festgestellten Tatsachen - die Veranlas-sung des Schuldners, die der Pfändung zugrunde liegende Forderung durch Überweisung von dem überzogenen Konto zu begleichen, durch die Sparkasse und die von dieser anschließend besorgte Ausführung der Überweisung - nicht gewürdigt. Er hat die darin liegenden Willenserklärungen auch nicht ausgelegt. Deshalb kann der [X.] dies selbst tun. 10 Indem die Sparkasse den Schuldner aufgefordert hat, die Überweisun-gen vorzunehmen, hat sie ihm in der entsprechenden Höhe eine Kreditgewäh-11 - 7 - rung angeboten. Denn die Überweisungen konnten mangels Deckung auf dem Konto nur mit entsprechenden [X.] durchgeführt werden. Dieses [X.] hat der Schuldner dadurch angenommen, dass er die [X.] eingereicht hat. Wann ein Kreditvertrag zustande kommt, wenn das Kreditinstitut ohne vorherige Absprache einen von dem Kunden, der auf seinem Konto keine ge-nügende Deckung hat, hereingereichten Überweisungsauftrag ausführt, braucht der [X.] im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. 12 d) Die Beklagte hat eine Gläubigerbenachteiligung auch deshalb in [X.] gestellt, weil das Insolvenzverfahren massearm sei. Damit hat sich das Be-rufungsgericht nicht befasst, weil es nach seinem Standpunkt hierauf nicht an-kam. 13 Durch Masseunzulänglichkeit wird eine Gläubigerbenachteiligung nicht ausgeschlossen. Andernfalls würde das Ziel des Insolvenzverfahrens, die Gläu-biger - und dazu zählen auch die [X.] - zu befriedigen, nicht erreicht und die [X.] erhielten einen nicht gerechtfertigten Vorteil ([X.], [X.]. v. 19. Juli 2001 - [X.] ZR 36/77, [X.], 585, 587; [X.]. v. 18. September 2003 - [X.] ZB 460/02, [X.], 2036; MünchKomm-[X.]/ Kirchhof, 2. Aufl. § 129 Rn. 105; [X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 129 Rn. 10; HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 129 Rn. 36). 14 e) Da die Gläubigerbenachteiligung bereits aus vorstehend mitgeteilten Erwägungen zu bejahen ist, kann offen bleiben, ob die Überweisungen [X.] deshalb gläubigerbenachteiligend waren, weil das Darlehen der [X.] - 8 - se, das die Überweisungen erst möglich gemacht hat, im Unterschied zu den mit Hilfe des Darlehens getilgten Verbindlichkeiten besichert war. f) Auf die am 1. Januar 2008 in [X.] getretene Neuregelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV brauchte der [X.] nicht einzugehen, weil die von dem Schuldner mit Unterstützung der Sparkasse an die Beklagte entrichteten [X.] keine Arbeitnehmeranteile enthielten. Das Beitragsverfahren der gesetzli-chen Unfallversicherung kennt nur die alleinige Beitragspflicht des [X.] (§ 150 Abs. 1 SGB VII). 16 2. Die sonstigen Voraussetzungen der Gläubigeranfechtung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.] liegen ebenfalls vor. 17 a) Die Überweisungen haben der Beklagten im dritten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des [X.] Deckung verschafft. Diese Deckung war inkongruent. 18 Während der gesetzlichen [X.] gebührt die im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung dem Gläubiger nicht in dieser Art ([X.] 136, 309, 311 ff; 157, 350, 353; 162, 143, 149; [X.], [X.]. v. 7. Dezember 2006 - [X.] ZR 157/05, [X.], 227, 228). Das die [X.] beherrschende [X.] wird durch das System der insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln eingeschränkt, wenn für die [X.] der Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des [X.], sich mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung der eigenen fälligen Forderung zu verschaffen, hinter den Schutz der Gläubigergesamtheit zurück. Die Vorschrift des § 131 [X.] ver-19 - 9 - drängt in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag den [X.] zugunsten der Gleichbehandlung der Gläubiger ([X.], aaO). Die Beklagte hat die Befriedigung ihrer Beitragsforderungen zwar nicht im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt. Die Sparkasse hat nicht gemäß §§ 836, 840 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die gepfändete Forderung gezahlt; sie hat vielmehr den Schuldner bewogen, die Forderung, derentwegen die Beklagte vollstreckt hat, zu erfüllen und so die Grundlage der Zwangsvollstreckung weg-fallen zu lassen. 20 Auch diese Erfüllung gebührte der Beklagten jedoch nicht in dieser Art. Eine Befriedigung oder Sicherung ist inkongruent auch dann, wenn sie unter dem Druck unmittelbar bevorstehender Zwangsvollstreckung zu deren Abwen-dung gewährt wurde ([X.] 136, 309, 311, 313; 157, 242, 248; [X.], [X.]. v. 11. April 2002 - [X.] ZR 211/01, [X.], 1193, 1194; v. 15. Mai 2003 - [X.] ZR 194/02, [X.], 1278; v. 7. Dezember 2006 aaO). Der vorliegende Fall steht dem wertungsmäßig gleich. Der Schuldner hat keine unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung abgewendet, sondern eine bereits in Gang befindliche Zwangsvollstreckung durch Leistung an den [X.] erledigt. In einem derartigen Fall ist der von diesem ausgeübte Vollstreckungsdruck eher noch ausgeprägter, als wenn die Zwangsvollstreckung erst bevorsteht. 21 b) Im Zeitpunkt der Überweisungen war der Schuldner zahlungsunfähig. Dies war zwischen den Parteien nie im Streit und wird auch von der Revisions-erwiderung nicht bezweifelt. 22 - 10 - II[X.] Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist entscheidungsreif, soweit der Kläger die Insolvenzanfechtung geltend macht. Insofern ist die Klage aus § 131 Abs. 1 Nr. 2, § 143 [X.] gerechtfertigt. 23 Im Übrigen ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zu den von dem Kläger geltend gemachten Ansprü-chen auf [X.] in Höhe von 221,25 • sowie Rechtsanwaltsge-bühren von ebenfalls 221,25 • als Verzugsschaden hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Dies wird nunmehr nachzuholen sein. 24 Dr. [X.] [X.] Prof. Dr. Gehrlein

[X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 22.02.2006 - 95 C 3/06 - [X.], Entscheidung vom 09.11.2006 - 9 S 162/06 -

Meta

IX ZR 213/06

28.02.2008

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2008, Az. IX ZR 213/06 (REWIS RS 2008, 5283)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 5283

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