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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 416/13
vom
8. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen
schweren sexuellen Missbrauchs einer Widerstandsunfähigen
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Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8.
Januar 2014 gemäß §
349 Abs. 4 [X.] einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der aus-wärtigen großen Strafkammer des [X.] in [X.] vom 15.
August 2013 mit den Feststellungen aufge-hoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die erhobene Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] ohne Erfolg. Die Sachbeschwerde führt indes zur [X.] und Zurückverweisung der Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung.
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Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift insoweit im We-sentlichen Folgendes ausgeführt:
"Die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge hat hingegen [X.] auf Erfolg. Die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite ist lückenhaft.
Der Tatrichter ist verpflichtet, den festgestellten Sachverhalt, so-weit
er bestimmte Schlüsse zugunsten oder zuungunsten des [X.] nahelegt, im Urteil erschöpfend zu würdigen. Seinem Urteil muss bedenkenfrei entnommen werden können, dass er bei seiner Prüfung keinen wesentlichen Gesichtspunkt außer Acht ge-lassen hat, der geeignet sein könnte, das Beweisergebnis zu be-einflussen. Für die Überzeugungsbildung zur Frage des Vorsatzes ist hierfür eine Auseinandersetzung mit [X.] festgestellten, für den inneren Tathergang wesentlichen oder sich aufdrängenden Umständen erforderlich (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., §
337 Rn. 124 m.w.N.). Darüber hinaus müssen in [X.], in denen Aussage gegen Aussage steht und die Entschei-dung allein davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Um-stände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, die die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des [X.]n beeinflussen können ([X.], 383, 384 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
1. Nach den Urteilsfeststellungen äußerte der Angeklagte [X.] nach der Tat spontan gegenüber der Geschädigten, er ha-be geglaubt, sie sei wach und 'mache mit' ([X.]). Mit derselben Begründung verband er auch seine Entschuldigung im Rahmen des nachfolgenden [X.] über '[X.]', wobei er seine Annahme, die Geschädigte sei wach gewesen, damit begründete, wahrgenommen zu haben, dass sich die Zeu-gin beim Geschlechtsverkehr bewegt und gestöhnt habe ([X.]). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Geschädigte nach den Feststellungen zu diesem Zeitpunkt mit dem Rücken zum Angeklagten lag und er zunächst noch die von ihr getragene '[X.]' herunter zog ([X.]), hätte es der näheren Ausei-nandersetzung bedurft, warum auszuschließen ist, dass der An-geklagte -
entgegen seinen Bekundungen unmittelbar nach der Tat -
nicht der Fehlvorstellung erlag, die Zeugin sei (zumindest in-2
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folge des [X.]) wach gewesen. Dies gilt um so mehr, als nach den
Urteilsfeststellungen der Alkoholisierungs-grad der Geschädigten, die noch vor dem Einschlafen [X.] über ihr Mobiltelefon verschickte, nicht so gravierend war, dass ihre Aussagetüchtigkeit in Frage gestanden hätte ([X.]. Im Falle einer -
nach den vorgenannten Umständen in Betracht zu ziehenden -
Fehlvorstellung vom Wachzustand der Geschädigten bei Ausübung des Geschlechtsverkehrs würde es aber für eine Strafbarkeit nach §
179 StGB am Vorsatz hinsichtlich des [X.] der [X.] fehlen.
Eine Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer solchen Fehl-vorstellung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der [X.] bei seiner Einlassung in der Hauptverhandlung die vorgenannte Äußerung, er sei davon ausgegangen, die Geschädigte sei bei Vollzug des [X.] wach gewesen, nicht wiederholte, sondern stattdessen einvernehmliche Zärtlichkeiten ohne Geschlechtsver-kehr behauptete. Diese -
im Rahmen der Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei als widerlegt angesehene ([X.], 11) -
Einlas-sung kann durch das Bestreben motiviert gewesen sein, sich nach Konfrontation mit dem schweren strafrechtlichen Tatvorwurf dadurch zu verteidigen, indem er diesen durch Bestreiten des [X.] möglichst weit von sich wies. Auch hiermit hätte sich
das Tatgericht auseinandersetzen müssen.
2. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen wäre des Weiteren eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich ge-wesen, ob der Angeklagte möglicherweise irrig von einer Einwilli-gung der Zeugin in den Geschlechtsverkehr ausgegangen ist. An der vorsätzlichen Ausnutzung der [X.] einer schlafenden Person fehlt es nämlich auch dann, wenn der Täter eine Einwilligung des schlafenden Sexualpartners angenommen hat (vgl. zum Ganzen [X.], 90; [X.], 316). Eine solche irrige Fehlvorstellung lag hier gleichfalls nicht fern: Angeklagter und Zeugin hatten zuvor eine -
wenn auch [X.] zurückliegende -
sexuelle Beziehung mit einvernehmli-chen Geschlechtsverkehr ([X.]) und beide verband bis zum Tattag eine 'innige Freundschaft' ([X.]). 'Man verbrachte viel Zeit miteinander, der Angeklagte übernachtete mehrfach bei der Zeugin, wobei er auch mit ihr gemeinsam in ihrem Bett schlief' ([X.]). Feststellungen dazu, dass die Zeugin gegenüber dem Angeklagten die Wiederaufnahme sexueller Kontakte unmissver--
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ständlich abgelehnt hätte, enthält das Urteil nicht. Die Behauptung des Angeklagten, die Zeugin habe ihn bei dem [X.] vor der Tat 'angeflirtet' und 'aufreizend' mit ihm getanzt [X.] seinen entblößten Oberkörper als 'geil' bezeichnet ([X.]), hat die Zeugin 'ausdrücklich auch nicht in Abrede stellen wollen' ([X.]). Selbst wenn die Geschädigte eine eigene sexuelle [X.] dieses von ihr nicht in Abrede gestellten Verhaltens be-stritt ([X.]) und deshalb zur Überzeugung der Kammer objek-tiv mangelndes Einverständnis der Zeugin prinzipiell feststellbar sein mag, hätte vor dem Hintergrund, dass die Geschädigte dem Angeklagten selbst anbot, nach dem [X.] mit ihr im Bett zu übernachten ([X.]), die Möglichkeit mangelnder Vorstellung des Angeklagten vom fehlenden [X.] im Rahmen der Beweiswürdigung näherer Erörterung und Problematisierung bedurft (vgl. auch [X.], 316, 317). Der Hinweis der Kammer, dem Angeklagten hätte [X.] des -
nach anfänglichem einvernehmlichen Geschlechts-verkehr -
mehrere Jahre nur platonisch gepflegten Charakters der Beziehung bewusst gewesen sein müssen, dass die Zeugin kein Interesse sexueller Natur an
ihm gehabt habe ([X.]), reicht für eine rechtlich gebotene Auseinandersetzung mit den für die innere Tatseite wesentlichen Umständen nicht aus, denn auch ei-ne fahrlässige irrige Fehlvorstellung würde den Vorsatz entf[X.] lassen."
Dem stimmt der Senat zu.
[X.] Hubert Mayer
Gericke Spaniol
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Meta
08.01.2014
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2014, Az. 3 StR 416/13 (REWIS RS 2014, 8891)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 8891
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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