Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2004, Az. XII ZR 203/01

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2205

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/01 Verkündet am: 21. Juli 2004 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache

Nachschlagewerk: ja [X.]Z: ja

BGB § 1612 b Abs. 1; EStG §§ 31, 64, 66; [X.] §§ 3, 6; [X.] 1408/71 Art. 4, 13, 73, 76; [X.] 574/72 Art. 10; [X.] 1399/99; HUÜ 73 Art. 4 Auf die Unterhaltsschuld eines im Ausland lebenden barunterhaltspflichtigen Eltern-teils wird das dem anderen Elternteil nach [X.] Recht gewährte Kindergeld zur Hälfte angerechnet, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil in einem ausländi-schen St[X.]t kindergeldberechtigt wäre, sein dort begründeter Kindergeldanspruch aber wegen der sich aus dem [X.] Recht ergebenden Kindergeldberechtigung des anderen Elternteils ruht. [X.], Urteil vom 21. Juli 2004 - [X.]/01 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juli 2004 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], Prof. Dr. [X.], Dr. Ahlt und Dose für Recht erkannt: Die Revision gegen das Teilanerkenntnis- und Schlußurteil des 21. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 9. Juli 2001 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist der [X.] des [X.]n, eines [X.] St[X.]ts-angehörigen, der in [X.] lebt und arbeitet. Die Parteien streiten, ob auf den vom [X.]n geschuldeten Unterhalt das Kindergeld hälftig [X.] ist, das die in [X.] berufstätige Mutter des [X.], die mit dem [X.]n weder verheiratet ist noch war, in [X.] bezieht. Nach der Urkunde des Jugendamtes der [X.] vom 17. November 1995 schuldet der [X.] dem Kläger den [X.] zuzüglich eines [X.] % des Regelbedarfs. Mit seiner Abänderungsklage begehrte der Kläger eine Erhöhung des Unterhalts auf zunächst 128 % des jeweiligen [X.] der jeweiligen Altersstufe ab dem 1. Juli 1999. - 3 - Nach Zustellung der Klage hat der [X.] in der Urkunde des General-konsulats der Bundesrepublik [X.] in [X.] vom 13. Juli 1999 eine Unterhaltsverpflichtung ab dem 1. Juli 1998 in Höhe von 114 % des [X.] der jeweiligen Altersstufe, abzüglich des hälftigen Kindergelds, aner-kannt. Ausgehend von einem bereinigten Nettoeinkommen des [X.]n von 2.790 DM hat das Amtsgericht - Familiengericht - diesen verurteilt, an den Klä-ger ab dem 1. Juli 1999 Unterhalt in Höhe von 128 % des [X.] abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat das Oberlandesge-richt durch Versäumnisurteil vom 4. Dezember 2000 zurückgewiesen. Nach Einspruch des [X.] hat der [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] wegen der geänderten Rechtslage (§ 1612 b Abs. 5 BGB) anerkannt, ab dem 1. Januar 2001 Unterhalt in Höhe von 135 % des [X.] abzüglich des hälftigen Kindergelds zu schulden. Das [X.] hat daraufhin das Versäumnisurteil antragsgemäß mit der Maßgabe auf-rechterhalten, daß der [X.] ab dem 1. Januar 2001 einen monatlichen Un-terhalt in Höhe von 135 % des [X.] der jeweiligen Altersstufe abzüg-lich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen hat. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom [X.] zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe: Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
- 4 - [X.] Der [X.] war zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vertreten. Gleichwohl ist über die Revision des [X.] nicht durch Ver-säumnisurteil, sondern durch Endurteil (unechtes Versäumnisurteil) zu [X.], da sie sich auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestell-ten Sachverhalts als unbegründet erweist (Senatsurteil vom 10. Februar 1993 - [X.] ZR 239/91 - NJW 1993, 1788).

I[X.] 1. Nach Auffassung des [X.]s, dessen Entscheidung in [X.], 845 veröffentlicht ist, ist das an die Mutter des [X.] ausge-zahlte Kindergeld hälftig auf den Unterhaltsanspruch des [X.] gegen den [X.]n anzurechnen. Zwar setze § 1612 b Abs. 1 BGB bei wörtlicher Ausle-gung voraus, daß auch der barunterhaltspflichtige Elternteil grundsätzlich kin-dergeldberechtigt sein müsse, weil anderenfalls der andere Elternteil nicht - wie von § 1612 b Abs. 1 BGB verlangt - "vorrangig" kindergeldberechtigt sein kön-ne. Daran fehle es im vorliegenden Fall, da der [X.] in [X.] wohne, dort steuerpflichtig und deshalb - nach Maßgabe der §§ 31 ff. EStG und des Bundeskindergeldgesetzes - in [X.] nicht kindergeldberechtigt sei. Indes widerspreche eine solche wörtliche Auslegung des § 1612 b Abs. 1 BGB dem Sinn und Zweck des Kindergeldes. Das Kindergeld solle die Unterhaltslast der Eltern erleichtern und ihre Leistung für die Familie ausgleichen. Dabei stehe das Kindergeld wegen der Gleichwertigkeit von Betreuung und Barunterhalt beiden Elternteilen jeweils zur Hälfte zu. Lediglich aus Gründen der [X.] 5 - tungsvereinfachung ordne das Gesetz an, daß das Kindergeld grundsätzlich an den betreuenden Elternteil ausgezahlt werden soll. Dies bedeute jedoch nicht, daß die von § 1612 b Abs. 1 BGB vorgeschriebene hälftige Anrechnung des Kindergeldes, das an den betreuenden Elternteil ausgezahlt werde, zu unter-bleiben habe, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil im Ausland wohne und dort steuerpflichtig sei. Insoweit sei eine teleologische Reduktion des Wortlauts des § 1612 b BGB angezeigt. 2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Auf das zwischen den Parteien bestehende [X.] ist ge-mäß Art. 4 Abs. 1 des [X.] über das auf Unterhaltspflich-ten anwendbare Recht vom 2. Oktober 1973 ([X.]) [X.] Sachrecht anzuwenden, da der Kläger als Unterhaltsberechtigter seinen [X.] Aufenthalt im Inland hat. Der Umfang des vom [X.]n geschul-deten [X.] bestimmt sich deshalb grundsätzlich nach § 1612 b Abs. 1 BGB. a) In Literatur und Rechtsprechung wird die Frage, ob § 1612 b Abs. 1 BGB eine Kindergeldberechtigung beider Elternteile voraussetzt, zum Teil unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift, die von einer vorrangigen Berechtigung des nicht barunterhaltspflichtigen Elternteils ausgeht, bejaht ([X.], 907; [X.]. § 1612 b Rdn. 41; [X.]/[X.], Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl., § 2 Rdn. 503; [X.]/[X.], Unterhaltsrecht 8. Aufl., Rdn. 790; vgl. auch [X.]/[X.] BGB 63. Aufl. § 1612 b Rdn. 4 mit Hinweis auf § 1612 c BGB). Die Gegenmeinung verweist auf Sinn und Zweck der Regelung; es könne nicht angenommen werden, der Gesetzgeber habe im Ausland [X.] 6 - de und dort auch steuerpflichtige [X.]schuldner von der Entlastung des § 1612 b Abs. 1 BGB ausnehmen und das gesamte Kindergeld dem ande-ren Elternteil allein zukommen lassen wollen ([X.]/[X.] BGB 11. Aufl., § 1612 b Rdn. 7). b) Nach Auffassung des Senats geht § 1612 b Abs. 1 BGB davon aus, daß beide Elternteile kindergeldberechtigt sind. Das folgt bereits aus dem Wort-laut der Vorschrift, die eine vorrangige Kindergeldberechtigung des nicht barun-terhaltspflichtigen Elternteils verlangt, mithin eine - wenn auch nachrangige - Kindergeldberechtigung des barunterhaltspflichtigen Elternteils voraussetzt. Das Erfordernis einer beiderseitigen Kindergeldberechtigung ergibt sich darüber hinaus auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Ziel der Vorschrift. Mit ihr sollten die bisherigen von Gesetzgebung und Rechtsprechung entwickelten Regeln über den Ausgleich des Kindergeldes unter den beiderseits kindergeld-berechtigten Elternteilen (vgl. § 1615 g Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.) an das neue System des Familienlastenausgleichs angepaßt und vereinfacht werden. [X.] bestand bei der Schaffung des § 1612 b BGB durch das Kindes-unterhaltsgesetz (vom 6. April 1998, [X.] I S. 666) Übereinstimmung, daß ei-ne Anrechnung von vornherein nur gerechtfertigt erscheine, wenn zwar beide Elternteile Anspruch auf eine kindbezogene Leistung hätten, die Leistung aber nicht beiden Elternteilen zur Hälfte, sondern aus Gründen der Verwaltungsver-einfachung in vollem Umfang nur einem Elternteil ausgezahlt werde (BT-Drucks. 13/7338 S. 27). Daraus läßt sich indes nicht folgern, die für die Anrechnung nach § 1612 b Abs. 1 BGB erforderliche Kindergeldberechtigung beider Elternteile müsse sich allein aus den Vorschriften des nationalen Rechts herleiten lassen. Zwar ist, wie auch die Materialien zum Kindesunterhaltsgesetz belegen (BT-Drucks. 13/7338 S. 29), die Regelung des § 1612 b BGB auf die Kinder-- 7 - geldbezugsberechtigung nach den Vorschriften des Einkommenssteuergeset-zes (§ 64 EStG) und des Bundeskindergeldgesetzes ((§ 3 [X.]) [X.]. Dennoch ist die Regelung nicht auf Fälle begrenzt, in denen sich die [X.] beider Elternteile aus dem EStG und [X.] ergibt; sie ist vielmehr unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts auszulegen. Eine solche Auslegung führt zu dem Ergebnis, daß sich die von § 1612 b Abs. 1 BGB vorausgesetzte Kindergeldberechtigung des barunterhaltspflichtigen [X.] (hier: des [X.] [X.]n) auch aus ausländischem (hier: [X.]) Recht oder aus Gemeinschaftsrecht ergeben kann. [X.] genügt in einem solchen Fall auch, daß sich der in § 1612 b Abs. 1 BGB vorausgesetzte Vorrang der Kindergeldberechtigung des nicht barun-terhaltspflichtigen Elternteils (hier: der in [X.] berufstätigen Mutter des [X.]) gegenüber der auf ausländischem oder auf Gemeinschaftsrecht beru-henden Kindergeldberechtigung des anderen Elternteils (hier: des [X.]n) aus den Vorschriften des ausländischen oder des Gemeinschaftsrechts herlei-tet. Ob diese Vorschriften das Verhältnis der von ihnen begründeten [X.] zu dem nach [X.] Recht gegebenen Kindergeldanspruch in eine Rangordnung stellen oder aber vorsehen, daß der sich aus ausländi-schem Recht oder aus Gemeinschaftsrecht ergebende Kindergeldanspruch des barunterhaltspflichtigen Elternteils im Hinblick auf den sich aus dem [X.] Recht ergebenden Kindergeldanspruch des anderen Elternteils ruht, ist lediglich ein rechtskonstruktiver Unterschied, der die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 1612 b Abs. 1 BGB nicht berührt. Im einzelnen: [X.]) Das vom [X.] Recht vorgesehene Kindergeld ist - unbeschadet seiner rechtlichen Konstruktion als eine vorgezogene Steuervergütung - eine dem [X.] Sozialrecht unterliegende Familienleistung; für das [X.] Kindergeld gelten deshalb die das [X.] Sozialrecht maßgebend regeln-den Verordnungen ([X.]) Nr. 1408/71 und 574/72, beide zuletzt geändert - 8 - durch VO ([X.]) 1399/99 vom 29. April 1999. Nach Art. 5 VO ([X.]) Nr. 1408/71 geben die Mitgliedst[X.]ten in Erklärungen die Rechtsvorschriften und Systeme an, die unter Art. 4 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung fallen; die Bundesrepublik [X.] hat deshalb die Leistungen nach dem [X.] in der jeweils geltenden Fassung zu Familienleistungen im Sinne des Art. 4 Abs. 1 VO ([X.]) Nr. 1408/71 erklärt (vgl. Mitteilung [X.] 1980 Nr. [X.] 139/6 und 1983 Nr. [X.] 351/1). Auch das seit dem 1. Januar 1996 nach § 31 Satz 3 EStG als Steuervergütung gezahlte Kindergeld ist, wie auch der [X.] dargelegt hat, eine Familienleistung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. h VO ([X.]) Nr. 1408/71 (Urteil vom 13. August 2002 - [X.]/00 - [X.] 2002, 1581; vgl. auch [X.] 1997, 341 f.). Es dient, soweit es nicht die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes be-wirkt, der Förderung der Familie (§ 31 Sätze 1 und 2 EStG). Nach Art. 73 VO ([X.]) Nr. 1408/71 kann ein Elternteil, der in einem Mitgliedst[X.]t sozialversichert ist (Art. 1 lit.a VO ([X.]) Nr. 1408/71), nach den für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften (Art. 13 VO ([X.]) Nr. 1408/71) Fami-lienleistungen - wie hier das Kindergeld - auch dann beanspruchen, wenn diese Rechtsvorschriften eine Leistungsberechtigung für außerhalb ihres [X.] wohnende Kinder nicht vorsehen. Allerdings sollen Familienleistungen für ein Kind nicht mehrfach von verschiedenen Mitgliedst[X.]ten gezahlt werden. Die "[X.]" der Art. 76 Abs. 1 VO ([X.]) Nr. 1408/71, Art. 10 Abs. 1 VO ([X.]) Nr. 574/72 normieren deshalb für den Fall, daß für dasselbe Kind in mehr als einem Mitgliedst[X.]t ein Kindergeldanspruch begründet ist, eine Rangfolge dieser Ansprüche, wobei der jeweils nachrangige Anspruch - im [X.] der vom vorrangig verpflichteten Mitgliedst[X.]t zu erbringenden Leistun-gen - ruht. Ausgangspunkt ist dabei die Unterscheidung von Kindergeld, das aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gewährt wird, und sonstigem - nicht erwerbsbezogen gewährtem - Kindergeld. Nach Art. 76 Abs. 1 VO - 9 - ([X.]) Nr. 1408/71 ruht ein in einem Mitgliedst[X.]t begründeter Anspruch auf - [X.] oder nicht [X.] - Kindergeld, wenn und so-weit im Wohnst[X.]t des Kindes ein Anspruch auf [X.] Kindergeld begründet ist - und zwar gleichgültig, ob sich dieser Anspruch aus den [X.] dieses Mitgliedst[X.]tes oder aus Gemeinschaftsrecht ergibt (Vorrang des Wohnst[X.]tes des Kindes, wenn dieser [X.] Kindergeld ge-währt). Wird im Wohnst[X.]t des Kindes Kindergeld überhaupt nicht oder nicht erwerbsbezogen gewährt, greift Art. 10 Abs. 1 VO ([X.]) 574/72 ein: Nach dessen Abs. 1 lit. a) ruht ein in einem Mitgliedst[X.]t begründeter Anspruch auf nicht [X.] Kindergeld, wenn und soweit in einem anderen Mit-gliedst[X.]t für dasselbe Kind ein Anspruch auf [X.] Kindergeld begründet ist (Vorrang des St[X.]tes, der für das Kind [X.] Kin-dergeld gewährt, aber nicht Wohnst[X.]t des Kindes ist; ist er zugleich Wohn-st[X.]t, gilt der Vorrang nach Art. 76 VO ([X.]) 574/72). Dieser vom Wohnort des Kindes unabhängige Vorrang des erwerbsbezogen gewährten Kindergelds gilt jedoch nach Abs. 1 lit. b) (i) des Art. 10 VO ([X.]) 574/72 nicht, wenn ein Elternteil in einem anderen Mitgliedst[X.]t ein nicht [X.] Kinder-geld beanspruchen könnte und der Elternteil in diesem Mitgliedst[X.]t berufstätig ist (Vorrang des St[X.]tes der Berufstätigkeit, wenn dieser ein nicht erwerbsbe-zogenes Kindergeld gewährt). Daraus ergibt sich zusammenfassend folgende Stufung: (1.) Vorrang des Wohnst[X.]tes des Kindes, wenn dieser einem Eltern-teil ein [X.] Kindergeld gewährt. (2.) Vorrang des St[X.]tes der Berufstätigkeit, wenn dieser dem dort berufstätigen Elternteil ein nicht erwerbs-bezogenes Kindergeld gewährt. (3.) Vorrang eines anderen Mitgliedst[X.]tes als des Wohnst[X.]tes des Kindes, wenn dieser andere St[X.]t einem Elternteil ein [X.] Kindergeld gewährt (zum ganzen Eichenhofer, Sozialrecht der [X.] 2. Aufl., Rdn. 274 ff.). - 10 - bb) Aus der Zusammenschau des Gemeinschaftsrechts und der die [X.] regelnden Vorschriften des EStG (§ 64) und des [X.] (§ 3) kann sich damit eine der Normsituation des § 1612 b Abs. 1 BGB vergleichbare Rechtslage ergeben: Beide Elternteile können nach den für sie maßgebenden nationalen Regelungen oder aufgrund des Gemeinschaftsrechts "an sich" kindergeldberechtigt sein; das Kindergeld gelangt jedoch - aufgrund der dargestellten [X.] - nur an einen Elternteil zur Auszah-lung, weil der Kindergeldanspruch des anderen Ehegatten ruht. Diese Situation ist der von § 1612 b Abs. 1 BGB vorausgesetzten Lage nach [X.] [X.] vergleichbar. In einer das Gemeinschaftsrecht berücksichtigenden Auslegung des § 1612 b Abs. 1 BGB muß deshalb dem barunterhaltspflichtigen Elternteil, der wegen des Kindergeldbezugs des anderen Elternteils selbst kein Kindergeld bezieht, das dem anderen Elternteil gewährte Kindergeld jedenfalls dann hälftig zugute kommen, wenn dieses Kindergeld dem anderen Elternteil nach [X.] Recht - d.h. nach Maßgabe der in § 66 EStG, § 6 [X.] [X.] Kindergeldsätze von der zuständigen [X.] Familienkasse - gutge-bracht wird. Insoweit bleibt die vom [X.] Recht vorgegebene Zweckbe-stimmung des [X.] Kindergelds, beiden "an sich" kindergeldberechtigten Elternteilen zugute zu kommen, realisierbar. Diesem vom [X.] Recht ver-folgten Zweck des Kindergelds ist mit Hilfe des § 1612 b Abs. 1 BGB auch im Kontext des [X.] Sozialrechts Geltung zu verschaffen. cc) Das gilt auch für den vorliegenden Fall. Die Mutter des [X.] be-zieht nach [X.] Recht für den Kläger Kindergeld. Der Frage, ob und un-ter welchen Voraussetzungen der [X.] [X.] nach dem für ihn maßgebenden Recht seinerseits kindergeldberechtigt wäre, wenn nicht bereits die Mutter des [X.] für diesen Kindergeld bezöge, ist das [X.] nicht nachgegangen. Da das [X.] zu dem - wegen des [X.] und Wohnortes des [X.]n in [X.] - maßgebenden - 11 - [X.] Recht (vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. a), f) VO ([X.]) Nr. 1408/71) keine Feststellungen getroffen hat, kann der [X.] diese Feststel-lungen nachholen; denn insoweit handelt es sich nicht um eine Nachprüfung irrevisiblen Rechts, die dem Revisionsgericht verwehrt ist (vgl. etwa [X.]Z 40, 197, 201). Das [X.] Recht gewährt den in [X.] woh-nenden Personen für deren unter 16 Jahre alte Kinder ein Recht auf das viertel-jährlich gezahlte Kindergeld, ebenso für ältere Kinder unter zusätzlichen [X.] ([X.] vom 26. April 1962, Stb. 1990, 128). Nach dem durch Art. V[X.] des Gesetzes vom 27. Mai 1999 (Stb. 1999, 250) ein-gefügten Art. 7 b Abs. 1 [X.] gilt die Kindergeldberechti-gung zwar grundsätzlich nicht in Ansehung solcher Kinder, die am ersten Tag des [X.] nicht in [X.] wohnen. Allerdings sieht Art. 7 b Abs. 2 [X.] eine weitergehende Kindergeldbe-rechtigung vor, die grundsätzlich auch die aus Art. 73 VO ([X.]) 1408/71 her-leitbaren Kindergeldansprüche umfaßt, hier jedoch - aufgrund der dargestellten Antikumulierungsvorschriften - ruht: Dabei kann dahinstehen, ob das der Mutter der [X.] gezahlte [X.] Kindergeld - im Hinblick auf seinen [X.]harakter als vorgezogene Steuervergütung zumindest auch - "aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit" gewährt wird. [X.] man diese Frage, ergibt sich der Vorrang des nach [X.] Recht begründeten Kindergeldanspruchs aus Art. 76 Abs. 1 VO ([X.]) Nr. 1408/71, da die Bundesrepublik [X.] der Wohn-st[X.]t des [X.] ist. [X.] man eine Erwerbsbezogenheit des [X.] Kindergelds, ruht der [X.] Kindergeldanspruch nach Art. 10 Abs. 1 lit. b) (i) VO ([X.]) Nr. 574/72, weil das - nach Abs. 1 lit. a) dieser Verordnung an sich nachrangige, weil nicht erwerbsbezogene - Kindergeld in der Bundesre-publik [X.] an die Mutter des [X.] ausgezahlt wird und diese hier berufstätig ist. - 12 - c) Im Ergebnis ist danach der [X.] grundsätzlich kindergeldberech-tigt; sein Kindergeldanspruch ruht jedoch. Als Ausgleich steht ihm - entsprechend der Zweckbestimmung des [X.] Kindergelds - die Hälfte des der Mutter des [X.] gewährten Kindergeldes zu, das er deshalb nach § 1612 b Abs. 1 BGB von dem von ihm geschuldeten Kindesunterhalt in Abzug bringen darf.

Hahne [X.] [X.]
Ahlt Dose

Meta

XII ZR 203/01

21.07.2004

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2004, Az. XII ZR 203/01 (REWIS RS 2004, 2205)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2205

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