Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.10.2013, Az. XII ZB 570/12

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1724

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Gegenstand

Übergang von Kindesunterhaltsansprüchen auf den Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende: Wirksamkeit einer von einem Behördenmitarbeiter unterzeichneten Rechtsbeschwerdeschrift; Grundsätze für die anzustellende Vergleichsberechnung


Leitsatz

1. Allein der Umstand, dass der Beschäftigte einer Behörde bei der Unterzeichnung eines Rechtsmittelschriftsatzes durch den Zusatz "im Auftrag" auf das Bestehen eines behördeninternen Weisungsverhältnisses hinweist, rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, dass der betreffende Bedienstete nur als Erklärungsbote handeln und die erforderliche fachliche und rechtliche Verantwortung für den Inhalt eines von ihm unterzeichneten Schriftsatzes gegenüber dem Gericht nicht übernehmen wolle (Abgrenzung BGH Beschlüsse vom 19. Juni 2007, VI ZB 81/05, FamRZ 2007, 1638 und vom 20. Juni 2012, IV ZB 18/11, NJW-RR 2012, 1269).

2. In die im Rahmen der Prüfung eines Anspruchsüberganges nach § 33 Abs. 2 Satz 3 SGB II anzustellende grundsicherungsrechtliche Vergleichsberechnung sind unabhängig vom Bestehen oder vom Rang bürgerlich-rechtlicher Unterhaltspflichten auch die Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft einzubeziehen, in der die unterhaltspflichtige Person lebt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. [X.] des [X.] vom 5. September 2012 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um den Übergang von Kindesunterhalt auf einen Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende.

2

Der Antragsgegner ist Vater der drei Kinder [X.] (geboren 1998), [X.] (geboren 2001) und [X.] (geboren 2004), die aus seiner geschiedenen ersten Ehe stammen und bei ihrer Mutter leben. Er ist wiederverheiratet und lebt mit seiner neuen Ehefrau, dem aus der zweiten Ehe hervorgegangenen Kind [X.] (geboren 2009) und zwei weiteren minderjährigen Kindern aus einer früheren Beziehung seiner jetzigen Ehefrau in einem gemeinsamen Haushalt. Der Antragsgegner ist als Lager- und Versandarbeiter vollschichtig erwerbstätig und erzielt aus dieser Tätigkeit ein um notwendige Fahrtkosten und Versicherungsbeiträge bereinigtes Nettoeinkommen in monatlicher Höhe von 1.751,25 €. Die Ehefrau des Antragsgegners verfügt nicht über eigene Einkünfte; seine beiden im Haushalt lebenden Stiefkinder erhalten von ihrem Vater nur zeitweilig einen - deutlich unter dem Mindestunterhalt liegenden - Kindesunterhalt.

3

Für die drei im Haushalt ihrer Mutter lebenden Kinder aus der ersten Ehe des Antragsgegners hat der Antragsteller für Juni und Juli 2010 sowie vom 21. September 2010 bis zum 30. September 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] erbracht. Der Antragsteller ist der Ansicht, dass rückständiger Kindesunterhalt aus diesen Zeiträumen im Umfang der Leistungsgewährung auf ihn übergegangen sei und hat diesen gegen den Antragsgegner geltend gemacht. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner antragsgemäß verpflichtet, rückständigen Kindesunterhalt in einer Gesamthöhe von 1.179,38 € an den Antragsteller zu zahlen, und zwar 1.126,48 € für [X.] und jeweils 26,45 € für [X.] und [X.]. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das [X.] die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert und die Anträge des Antragstellers abgewiesen.

4

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er die weitgehende Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.

Entscheidungsgründe

I.

5

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie durch das Beschwerdegericht zugelassen worden ist (§ 70 Abs. 1 FamFG); an diese Zulassung ist der Senat nach § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG gebunden. Sie ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere entsprechen Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde, die durch einen von einem Beschäftigten des Antragstellers unterzeichneten Schriftsatz erfolgt sind, den Erfordernissen des § 114 Abs. 3 FamFG.

6

Abweichend von § 114 Abs. 2 FamFG darf sich der Antragsteller als Anstalt des öffentlichen Rechts vor dem [X.] auch durch einen Beschäftigten vertreten lassen, wenn die "zur Vertretung berechtigte Person" die Befähigung zum Richteramt hat (§ 114 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Zwar wird der Antragsteller gemäß § 44 d Abs. 1 Satz 2 [X.] gerichtlich und außergerichtlich durch seine Geschäftsführung vertreten. Der Begriff des Vertretungsrechts in § 114 Abs. 3 FamFG ist allerdings nicht in einem materiell-rechtlichen Sinne, sondern nur verfahrensrechtlich zu verstehen. Denn etwas anderes würde eine mit Sinn und Zweck des § 114 Abs. 3 FamFG nicht zu vereinbarende Beschränkung des behördlichen Selbstvertretungsrechts zur Folge haben, weil sich Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts dann nur durch jene zum Richteramt befähigten Beamten und Angestellten vor dem [X.] vertreten lassen könnten, die zudem gesetzliche Vertreter dieser Behörden oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind (vgl. bereits [X.] NVwZ 1994, 266 zu § 67 VwGO).

7

Der die Rechtsbeschwerdeschrift unterzeichnende Beschäftigte des Antragstellers verfügt - was der Antragsgegner nicht grundsätzlich in Frage stellt - über die erforderliche volljuristische Qualifikation. Die Wirksamkeit seiner im Namen des Antragstellers vorgenommenen Verfahrenshandlungen wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass er die Rechtsbeschwerdeschrift mit dem Zusatz "im Auftrag" unterzeichnet hat. Mit diesem Zusatz kennzeichnen die Bediensteten einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, dass sie im behördeninternen Auftrag und damit in amtlicher Eigenschaft handeln. Allein der damit verbundene Hinweis auf das Bestehen eines behördeninternen Weisungsverhältnisses rechtfertigt indessen nicht die Schlussfolgerung, dass die betreffenden Bediensteten nur als Erklärungsbote handeln und die erforderliche fachliche und rechtliche Verantwortung für den Inhalt eines von ihnen unterzeichneten Schriftsatzes gegenüber dem Gericht nicht übernehmen wollen (vgl. [X.] NVwZ 1994, 266 zu § 67 VwGO; [X.] Beschluss vom 31. März 2005 - [X.] [X.] 5/04 B - juris Rn. 5 zu § 71 SGG mwN; [X.]/[X.] ZPO 29. Aufl. § 130 Rn. 14). Für die Unterzeichnung einer Rechtsmittelschrift durch Beschäftigte einer Behörde oder juristischen Person des öffentlichen Rechts gilt damit im familiengerichtlichen Verfahren nicht die von der Rechtsbeschwerdeerwiderung angeführte Rechtsprechung des [X.]s zur Unwirksamkeit der Unterzeichnung einer Rechtsmittelschrift mit dem Zusatz "im Auftrag" im Anwaltsprozess (vgl. dazu [X.] Beschlüsse vom 19. Juni 2007 - [X.]/05 - FamRZ 2007, 1638 und vom 20. Juni 2012 - [X.] - NJW-RR 2012, 1269 Rn. 8 mwN).

II.

8

In der Sache hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.

9

1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, dass es dem Antragsteller an der erforderlichen Aktivlegitimation fehle, weil ein Übergang der Unterhaltsansprüche von [X.], [X.] und [X.] gegen den Antragsgegner nach § 33 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht stattgefunden habe. Hierzu hat das Beschwerdegericht Folgendes ausgeführt:

Ein [X.] sei wegen § 33 Abs. 2 Satz 3 [X.] ausgeschlossen. Durch diese Vorschrift solle erreicht werden, dass der Unterhaltspflichtige nicht schlechter gestellt werde als der Empfänger von Leistungen nach dem [X.] Er dürfe selbst nicht hilfebedürftig sein und auch durch Unterhaltszahlungen nicht zum Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werden. Es sei deshalb eine sozialrechtliche Vergleichsberechnung anzustellen. Lebe der Unterhaltspflichtige - wie der Antragsgegner - in einer Bedarfsgemeinschaft, sei im Rahmen dieser Vergleichsberechnung auf die Bedarfsgemeinschaft und nicht allein auf den Unterhaltspflichtigen abzustellen. Zwar komme es nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 3 [X.] nur auf Einkommen und Vermögen der unterhaltspflichtigen Person an. Es müsse allerdings berücksichtigt werden, dass der Unterhaltspflichtige nach § 9 Abs. 1 [X.] sein Einkommen nicht nur zur Deckung seines eigenen sozialrechtlichen Bedarfs, sondern auch für den Bedarf der Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft zu verwenden habe. Sei in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gelte jede Person der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 Satz 3 [X.] im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig. Stelle das [X.] damit im Rahmen der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit stets auf die Bedarfsgemeinschaft ab, entspreche es der Systematik und dem Zweck des Gesetzes, Einkommen und Vermögen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in die Vergleichsberechnung einzubeziehen. Nach diesen Maßstäben scheide ein [X.] im gesamten [X.] zwischen Juni 2010 und September 2011 aus, weil die Bedarfsgemeinschaft des Antragsgegners bei zusätzlicher Inanspruchnahme durch den Antragsteller hilfebedürftig werden würde.

2. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

a) Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 [X.] geht der Unterhaltsanspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über, wenn bei rechtzeitiger Leistung eines Anderen diese Leistungen nicht erbracht worden wären. Der [X.] nach dieser Vorschrift ist gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 [X.] ausgeschlossen, wenn und soweit Einkommen und Vermögen der unterhaltsverpflichteten Person das nach §§ 11 bis 12 [X.] zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht übersteigen. Durch diese Vorschrift soll der Unterhaltspflichtige in gleicher Weise wie der Leistungsempfänger geschützt werden. Ihr liegt in verfassungsrechtlicher Hinsicht der Gedanke zugrunde, dass der Unterhaltspflichtige im Hinblick auf Achtung und Schutz seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) durch den Rückgriff des Staates auf die Unterhaltsforderung des Leistungsempfängers nicht selbst zum Empfänger staatlicher Leistungen werden soll (vgl. auch Senatsurteil [X.]Z 111, 194, 198 = FamRZ 1990, 849, 850; [X.] FamRZ 1985, 379, 380; [X.] FamRZ 1999, 780, 781).

b) Bei der von Amts wegen anzustellenden [X.]n Vergleichsberechnung ist zu ermitteln, wie hoch der hypothetische Bedarf des Unterhaltspflichtigen auf Leistungen nach dem [X.] wäre und diesem Bedarf anschließend das nach §§ 11 ff. [X.] zu berücksichtigende und zu bereinigende Einkommen gegenüber zu stellen. Nur wenn und soweit das Einkommen den Bedarf übersteigt, kann ein Unterhaltsanspruch gegen den Unterhaltspflichtigen auf den Träger der Grundsicherung übergehen.

Wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat, besteht keine Einigkeit darüber, wie im Rahmen einer [X.]n Vergleichsberechnung zu verfahren ist, wenn die unterhaltspflichtige Person in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 [X.] lebt. Hierzu wird - vor allem in der sozialrechtlichen Literatur - die Auffassung vertreten, dass selbst beim Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft allein auf den Bedarf des Unterhaltspflichtigen abgestellt werden könne (vgl. [X.] in Eicher [X.] 3. Aufl. § 33 Rn. 53; [X.] in [X.]/Herold-Tews [X.] 3. Aufl. § 33 Rn. 26; [X.] in LPK-[X.] 4. Aufl. § 33 Rn. 38; [X.] in [X.]/[X.] [Bearbeitungsstand: 2011] § 33 [X.] Rn. 129; [X.] in jurisPK-[X.] 3. Aufl. § 33 Rn. 70; ebenso Streicher FPR 2005, 438, 440). Dieser Meinung hat sich seit April 2008 auch die [X.] in ihren fachlichen Hinweisen zu § 33 [X.] (Ziff. 33.32) angeschlossen, nachdem sie zuvor noch die abweichende und insbesondere im unterhaltsrechtlichen Schrifttum verbreitete Ansicht vertreten hatte, dass in die Vergleichsberechnung auch der Bedarf von Angehörigen einer möglicherweise bestehenden Bedarfsgemeinschaft einbezogen werden müsse (vgl. [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 8 Rn. 250; [X.] in [X.]/[X.]/Motzer Praxishandbuch Familienrecht [Bearbeitungsstand: 2013] Teil L Rn. 211; [X.] FamRZ 2006, 1417, 1423; Poppen in [X.]/Poppen/[X.] Unterhaltsrecht 2. Aufl. §§ 24 a, 33 [X.] Rn. 10; [X.] Familienrecht 3. Aufl. § 12 Rn. 89 f; [X.] FPR 2007, 354, 356; ebenso Knickrehm in [X.]/Waltermann Kommentar zum Sozialrecht 2. Aufl. § 33 [X.] Rn. 11; [X.] in GK-[X.] [Bearbeitungsstand: 2009] § 33 Rn. 96).

c) Der Senat hält mit dem Beschwerdegericht die letztgenannte Auffassung für zutreffend.

aa) Lebt der Unterhaltspflichtige mit anderen Personen in einer Bedarfsgemeinschaft, muss er sein zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen nicht nur zur Deckung seines eigenen sozialrechtlichen Bedarfs (§ 9 Abs. 1 [X.]) einsetzen, sondern nach Maßgabe von § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] auch für den Bedarf der Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft verwenden. Reichen Einkommen und Vermögen hierfür nicht aus, gilt gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 [X.] jede Person innerhalb der Bedarfsgemeinschaft als hilfebedürftig, und zwar im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf. Ist der Unterhaltspflichtige individuell nicht hilfebedürftig, weil sein Einkommen den eigenen sozialrechtlichen Bedarf vollständig abdeckt, fingiert § 9 Abs. 2 Satz 3 [X.] somit seine Hilfebedürftigkeit (vgl. dazu [X.] FamRZ 2007, 724 Rn. 15), wenn sein Einkommen nicht ausreicht, um den Bedarf der anderen Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft zu decken.

Insoweit unterscheidet sich das Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem [X.] grundlegend vom Recht der Sozialhilfe, welches zwar die gemeinsame Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen im Rahmen der [X.] (§ 27 Abs. 2 Satz 2 [X.]) kennt, demgegenüber aber aus systemimmanenten Gründen (vgl. dazu [X.] in Eicher [X.] 3. Aufl. § 9 Rn. 43) keine dem § 9 Abs. 2 Satz 3 [X.] vergleichbare Regelung enthält. Daher kann nach dem [X.] derjenige, dessen Einkommen und Vermögen zur Deckung seines individuellen Bedarfs ausreicht, niemals selbst sozialhilfebedürftig werden, und zwar auch dann nicht, wenn mit seinem Einkommen der zusätzliche Bedarf der weiteren Mitglieder seiner [X.] nicht gedeckt wird (Grube in Grube/Wahrendorf [X.] 4. Aufl. § 27 Rn. 6; [X.] in jurisPK-[X.] § 27 [X.] idF 24. März 2011 Rn. 28; vgl. auch [X.] NZS 1992, 156 f. zum [X.]).

Würde daher bei der Vergleichsberechnung nur auf den sozialrechtlichen Bedarf des Unterhaltspflichtigen abgestellt werden, könnte dies zur Folge haben, dass der Unterhaltspflichtige aufgrund des zu leistenden Unterhalts aus seinem Einkommen und Vermögen nicht mehr den gesamten Bedarf der Bedarfsgemeinschaft decken kann, wegen § 9 Abs. 2 Satz 3 [X.] als Hilfebedürftiger behandelt wird und einen eigenen Leistungsanspruch gegen den Träger der Grundsicherung erwirbt. § 33 Abs. 2 Satz 3 [X.] will indessen den Eintritt von Hilfebedürftigkeit des Unterhaltspflichtigen gerade vermeiden, zumal diese Hilfebedürftigkeit auch Bedeutung für eine mögliche Erbenhaftung (§ 35 [X.]) sowie für die Frage hat, wer Schuldner einer Erstattungsforderung bei unrechtmäßig gewährten Leistungen ist (Sonnhoff in jurisPK-[X.] 3. Aufl. § 9 Rn. 60).

bb) Die Einbeziehung der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft in die [X.] Vergleichsberechnung entspricht auch dem - im Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 3 [X.] allerdings nur unvollkommen zum Ausdruck gekommenen - Willen des Gesetzgebers. Denn nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll der [X.] nach § 33 [X.] immer dann ausgeschlossen sein, wenn der Unterhaltspflichtige durch den [X.] seinerseits bedürftig "im Sinne der Regelungen zum [X.] oder zum Sozialgeld" würde (BT-Drucks. 15/1516 S. 62); dies umschließt begrifflich auch die Hilfebedürftigkeit, die bei dem Unterhaltspflichtigen aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 9 Abs. 2 Satz 3 [X.] eintreten würde.

cc) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der Senatsentscheidung vom 10. Juli 1996 herleiten (Senatsurteil vom 10. Juli 1996 - [X.] - FamRZ 1996, 1272 ff.).

(1) In dieser Entscheidung hat der Senat im Zusammenhang mit der Anwendung der Härteklausel des § 1579 Nr. 7 [X.] ausgeführt, dass der allgemeine Grundsatz, wonach durch eine Unterhaltsleistung keine Sozialhilfebedürftigkeit eintreten dürfe, nur zugunsten des Unterhaltspflichtigen selbst, nicht aber zugunsten von Unterhaltsberechtigten gelte, die mit ihm in einer [X.] leben. Denn das Verhältnis mehrerer Unterhaltsberechtigter zueinander werde allein durch die Rangvorschriften des [X.] bestimmt, die nicht nach der Haushaltszugehörigkeit der Berechtigten unterscheiden. Daher könne mit der Begründung, dass die Angehörigen der neuen Familie des Unterhaltspflichtigen wegen eines an den (unterhaltsrechtlich gleichrangigen) geschiedenen Ehegatten zu zahlenden Unterhalts auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen sein würden, keine - über die gleichmäßige Kürzung des Unterhalts im Rahmen der Mangelverteilung hinausgehende - Herabsetzung des Unterhalts nach § 1579 Nr. 7 [X.] gerechtfertigt werden (Senatsurteil vom 10. Juli 1996 - [X.] - FamRZ 1996, 1272, 1273).

(2) Diese Entscheidung beleuchtet indessen allein die unterhaltsrechtliche Sichtweise auf das Verhältnis zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den Unterhaltsberechtigten (zutreffend [X.] in GK-[X.] [Bearbeitungsstand: 2009] § 33 Rn. 96). Auch unter den hier obwaltenden Umständen steht es im Hinblick auf die erheblich eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Antragsgegners außer Frage, dass sich die drei im ersten Unterhaltsrang (§ 1609 Nr. 1 [X.]) stehenden minderjährigen Kinder des Antragsgegners eine Kürzung ihres [X.] lediglich im Rahmen einer Mangelfallberechnung im Hinblick auf die gleichrangigen Unterhaltsansprüche ihrer jüngeren Halbschwester [X.] gefallen lassen müssen, während die Ehefrau des Antragsgegners und dessen Stiefkinder, die nur nachrangige bzw. überhaupt keine Unterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner haben, unterhaltsrechtlich insoweit unberücksichtigt bleiben.

(3) Soweit demgegenüber im Rahmen des § 33 Abs. 2 Satz 3 [X.] der Übergang von Unterhaltsansprüchen auf den Träger der Grundsicherung betroffen ist und in diesem Zusammenhang eine [X.] Vergleichsberechnung durchgeführt werden muss, ist dafür allein eine sozialrechtliche Betrachtungsweise maßgeblich, die von unterhaltsrechtlichen Maßstäben durchaus abweichen kann. So ist beispielsweise allgemein anerkannt, dass in die [X.] Vergleichsberechnung nach dem [X.] nur reale Einkünfte einzustellen sind, nicht aber fiktive Einkünfte, die dem Unterhaltspflichtigen bei Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit unterhaltsrechtlich zugerechnet werden können ([X.] FamRZ 2011, 1826 [Ls.]; [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 8 Rn. 249; [X.] in Eicher [X.] 3. Aufl. § 33 Rn. 52; [X.] in [X.]/Herold-Tews [X.] 3. Aufl. § 33 Rn. 28; [X.] in jurisPK-[X.] 3. Aufl. § 33 Rn. 69; vgl. bereits Senatsurteile vom 11. März 1998 - [X.] - FamRZ 1998, 818, 819 und vom 27. September 2000 - [X.] - FamRZ 2001, 619, 620 zu § 91 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Solcherart unterschiedliche Maßstäbe gelten auch und insbesondere, soweit der Unterhaltspflichtige nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] sein Einkommen und sein Vermögen dafür einzusetzen hat, den sozialrechtlichen Bedarf aller mit ihm in Bedarfsgemeinschaft zusammenlebenden Personen zu decken, und [X.] öffentlichen Rechts und ohne jede Anknüpfung an [X.] Unterhaltspflichten (vgl. dazu [X.] FamRZ 2009, 1057 Rn. 35; [X.] SozR 4-4200 § 7 Nr. 23 Rn. 16). Es ist daher systemwidrig, die sich aus den Rangvorschriften des [X.] ergebenden unterhaltsrechtlichen Wertungen zur Beurteilung der Frage heranzuziehen, ob in die [X.] Vergleichsberechnung auch die Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft einzubeziehen sind, in der die unterhaltspflichtige Person lebt.

dd) Es ist nach sozialrechtlichen Maßstäben folgerichtig und deshalb hinzunehmen, dass sich eine Einbeziehung von Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft in die [X.] Vergleichsberechnung für die unterhaltspflichtige Person im Einzelfall auch ungünstig auswirken kann, wenn die Hilfebedürftigkeit des Unterhaltspflichtigen nach den Vorschriften des [X.] nur aufgrund der Regelungen der § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] wegen des in der Bedarfsgemeinschaft sonst vorhandenen Einkommens nicht eintritt (vgl. auch [X.] in [X.]/Herold-Tews [X.] 3. Aufl. § 33 Rn. 26). Eine solche Konstellation dürfte allerdings nur in sehr wenigen Fällen praktische Bedeutung erlangen, weil ein Unterhaltspflichtiger, der seinen nach den individuellen Verhältnissen bemessenen sozialrechtlichen Bedarf bei der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt nicht verteidigen könnte, in der Regel auch unterhaltsrechtlich nicht leistungsfähig sein wird.

d) Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] konnte der sozialrechtliche Gesamtbedarf (Regelbedarfe und Kosten der Unterkunft) der aus dem Antragsgegner, seiner Ehefrau, dem Kind [X.] und den beiden Stiefkindern bestehenden Bedarfsgemeinschaft durch die sozialrechtlich relevanten Einkünfte - nämlich das gemäß §§ 11 ff. [X.] bereinigte Arbeitseinkommen des Antragsgegners, Wohngeld, Kindergeld und den (zeitweilig gezahlten) Kindesunterhalt der Stiefkinder - während des ganzen [X.]es zwischen Juni 2010 und September 2011 nicht gedeckt werden. Damit war der Antragsgegner rechnerisch schon vor Berücksichtigung der hier streitgegenständlichen Unterhaltsansprüche hilfebedürftig im Sinne der Regelungen des [X.] Ein [X.] ist aus diesem Grunde gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 [X.] ausgeschlossen. Auf die weitere Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Antragsteller in den Monaten Juni und Juli 2010 für das Kind [X.] keine Leistungen nach dem [X.] erbracht habe, kommt es danach nicht mehr an.

Dose                       Schilling                     Günter

              Botur                        [X.]

Meta

XII ZB 570/12

23.10.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Düsseldorf, 5. September 2012, Az: II-5 UF 103/12

§ 70 FamFG, § 114 Abs 3 FamFG, § 7 Abs 3 SGB 2, § 9 Abs 2 SGB 2, § 33 Abs 2 S 3 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.10.2013, Az. XII ZB 570/12 (REWIS RS 2013, 1724)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1724

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